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L3 FinanzrechtNorm
EMRK Art8Leitsatz
Keine Aufhebung von Bestimmungen des Vlbg KriegsopferabgabeG hinsichtlich der entgeltlichen Überlassung von Bildträgern; keine Aufzeichnungspflicht des Haftungspflichtigen bezüglich der Person, der ein Bildträger überlassen wirdSpruch
Der vierte und fünfte Satz ("Zur Entrichtung der Abgabe ist weiters verpflichtet, wem der von der Abgabe betroffene Bildträger gegen Entgelt zum nichtöffentlichen Abspielen innerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes überlassen wird. Im Zweifel ist anzunehmen, daß der Bildträger zu diesem Zweck überlassen wird".) im §2 Abs1 sowie der vierte Satz ("Dies gilt in gleicher Weise für Personen, die Bildträger Dritten gegen Entgelt zum nichtöffentlichen Abspielen überlassen.") im §2 Abs2 des Kriegsopferabgabegesetzes, Vorarlberger LGBl. 40/1989, werden nicht als verfassungswidrig aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Vorarlberger Landesregierung schrieb dem Beschwerdeführer des Beschwerdeverfahrens B611/93, der Inhaber einer Videothek ist, mit dem im Instanzenzug erlassenen Haftungsbescheid vom 10. März 1993 für das Vermieten von Bildträgern für den Zeitraum vom 1. Jänner 1991 bis 31. August 1992 unter Berufung auf §123 Abs2 des Abgabenverfahrensgesetzes, Vorarlberger LGBl. 23/1984, und §§1, 2, 3 und 6 des Kriegsopferabgabegesetzes, Vorarlberger LGBl. 40/1989, Kriegsopferabgabe in betragsmäßig bestimmter Höhe vor.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die unter B611/93 eingetragene Verfassungsgerichtshofbeschwerde, in welcher die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie eine Rechtsverletzung infolge Anwendung als verfassungswidrig kritisierter Bestimmungen des KriegsopferabgabeG geltend gemacht und die Bescheidaufhebung begehrt wird.
2. Die im gegebenen Zusammenhang in Betracht zu ziehenden §§1, 2 und 6 des KriegsopferabgabeG sowie die §§54 und 56 des AbgabenverfahrensG haben folgenden Wortlaut:
a) KriegsopferabgabeG:
§1
Gegenstand der Abgabe
(1) Für die in Vorarlberg stattfindenden gesellschaftlichen Veranstaltungen und für das nichtöffentliche Abspielen von Laufbildern, die auf Bildträgern aufgezeichnet sind, ist eine Abgabe zu entrichten, sofern nicht gemäß Abs2 eine Befreiung gewährt ist.
(2) Der Abgabe unterliegen nicht:
a)
Veranstaltungen mit überwiegend kulturellem oder künstlerischem Gehalt,
b)
Sportveranstaltungen,
c)
Zirkusveranstaltungen,
d)
die öffentliche Veranstaltung von Lichtspielen,
e)
Tanzveranstaltungen mit lebender Musik,
f)
Rundfunkübertragungen in öffentlichen Lokalen,
g)
Veranstaltungen von Vereinen für ihre eigenen ausübenden Mitglieder.
§2
Abgabepflichtige und einhebepflichtige Personen
(1) Zur Entrichtung der Abgabe ist verpflichtet, wer die von der Abgabe betroffenen Veranstaltungen gegen Entrichtung eines Eintrittsgeldes besucht. Hiebei ist es gleichgültig, ob das Eintrittsgeld in der gewöhnlichen Form des Entgeltes für eine Eintrittskarte oder in anderer Form entrichtet wird. Als Eintrittsgeld sind insbesondere auch Beiträge für irgendwelche Zwecke anzusehen, wenn mit ihnen das Recht zum Besuch der Veranstaltung miterworben wird, ferner Beiträge, die zur Deckung der Veranstaltungskosten von den Besuchern eingesammelt oder in Form eines Zuschlages auf den Preis der bei der Veranstaltung verabreichten Speisen und Getränke oder in Form einer die gewöhnliche Höhe übersteigenden Garderobengebühr oder als Preis für Tanzkarten, Maskenzeichen und dergleichen eingehoben werden. Zur Entrichtung der Abgabe ist weiters verpflichtet, wem der von der Abgabe betroffene Bildträger gegen Entgelt zum nichtöffentlichen Abspielen innerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes überlassen wird. Im Zweifel ist anzunehmen, daß der Bildträger zu diesem Zweck überlassen wird.
(2) Der Veranstalter ist verpflichtet, die Abgabe vom Abgabepflichtigen in Form eines Zuschlages zum Eintrittsgeld einzuheben und nach den Bestimmungen dieses Gesetzes abzuführen. Er haftet für die richtige Abfuhr aller Beträge, zu deren Einhebung er verpflichtet ist. Kommen mehrere Personen gemeinsam als Veranstalter in Betracht, so haften sie für die Abgabe zur ungeteilten Hand. Dies gilt in gleicher Weise für Personen, die Bildträger Dritten gegen Entgelt zum nichtöffentlichen Abspielen überlassen.
(3) Als Veranstalter gilt, wer sich als Veranstalter öffentlich ankündigt oder der Behörde gegenüber ausgibt, im Zweifel derjenige, auf dessen Rechnung die Einnahmen der Veranstaltung gehen.
§6
Abgabenerklärung, Abgabenentrichtung
(1) Binnen drei Tagen nach Durchführung der Veranstaltung hat der Veranstalter der Gemeinde eine nach den verschiedenen Eintrittsgeldern geordnete Zusammenstellung über den der Abgabenbemessung zugrunde zu legenden Gesamtbetrag der erzielten Eintrittsgelder und die demnach zu entrichtende Abgabe vorzulegen.
(2) Bei mehreren regelmäßig wiederkehrenden Veranstaltungen innerhalb eines Monats hat der Veranstalter über alle in diesem Kalendermonat stattgefundenen Veranstaltungen eine Abgabenerklärung zu erstatten und diese innerhalb eines Monats und zehn Tagen nach Ablauf des betreffenden Kalendermonats beim Gemeindeamt einzureichen.
(3) Das aus der Ausstellung von Dauereintrittskarten erzielte Eintrittsgeld ist jeweils in der ersten auf ihre Ausstellung folgenden Abgabenerklärung auszuweisen.
(4) Personen, die Bildträger Dritten gegen Entgelt zum nichtöffentlichen Abspielen überlassen, haben über die in einem Kalendermonat eingehobenen Abgabenbeträge aufgrund geeigneter Unterlagen und Aufzeichnungen eine Abgabenerklärung zu erstellen und diese innerhalb eines Monats und zehn Tagen nach Ablauf des betreffenden Kalendermonats beim Gemeindeamt einzureichen.
(5) Gleichzeitig mit der Vorlage der Abgabenerklärung hat die einhebepflichtige Person (§2 Abs2) die ausgewiesene Abgabe an die Gemeinde abzuführen.
b) AbgabenverfahrensG:
§54
Offenlegungs- und Wahrheitspflicht der Abgabepflichtigen
(1) Die für den Bestand und Umfang einer Abgabepflicht oder für die Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigungen bedeutsamen Umstände sind vom Abgabepflichtigen nach Maßgabe der Abgabenvorschriften offenzulegen. Die Offenlegung muß vollständig und wahrheitsgemäß erfolgen.
(2) Der Offenlegung dienen insbesondere die Abgabenerklärungen, Anmeldungen, Anzeigen, Abrechnungen und sonstigen Anbringen des Abgabepflichtigen, welche die Grundlage für abgabenrechtliche Feststellungen, für die Festsetzung der Abgaben, für die Freistellung von diesen oder für Begünstigungen bilden oder die Berechnungsgrundlagen der nach einer Selbstbemessung des Abgabepflichtigen zu entrichtenden Abgaben bekanntgeben.
(3) Die Bestimmungen der Abs1 und 2 gelten auch für Personen, die zur Einbehaltung und Abfuhr von Abgaben verpflichtet sind.
§56
Führung und Aufbewahrung von
Büchern und Aufzeichnungen
(1) Wer nach der Bundesabgabenordnung zur Führung und Aufbewahrung von Büchern oder Aufzeichnungen verpflichtet ist, hat diese Verpflichtung auch im Interesse der von den Behörden des Landes und der Gemeinden zu verwaltenden Abgaben sinngemäß nach den Vorschriften des §131 Bundesabgabenordnung zu erfüllen.
(2) Unbeschadet der Bestimmung des Abs1 haben die Abgabepflichtigen und die zur Einbehaltung und Abfuhr von Abgaben verpflichteten Personen jene Aufzeichnungen zu führen, die nach Maßgabe der einzelnen Abgabenvorschriften zur Erfassung der abgabepflichtigen Tatbestände dienen.
(3) Die Behörde ist berechtigt, für einzelne Fälle Erleichterungen von der Pflicht zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen zu bewilligen, wenn die geführten Bücher und Aufzeichnungen des Abgabepflichtigen die Gewähr für eine leichte Überprüfung bieten.
(4) Bücher und Aufzeichnungen sowie die zu den Büchern und Aufzeichnungen gehörigen Belege und, soweit sie für die Abgabenverwaltung von Bedeutung sind, auch die Geschäftspapiere und die sonstigen Unterlagen sind durch sieben Jahre aufzubewahren. Die Frist läuft vom Schluß des Kalenderjahres, für das die letzte Eintragung in die Bücher (Aufzeichnungen) vorgenommen worden ist.
II. Aus Anlaß der erwähnten Beschwerdesache beschloß der Verfassungsgerichtshof, gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen das gegenwärtige Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des vierten und fünften Satzes im §2 Abs1 sowie des vierten Satzes im §2 Abs2 des (Vorarlberger) KriegsopferabgabeG einzuleiten.
Der Gerichtshof nahm vorläufig an, daß er bei seiner Entscheidung über die erhobene Beschwerde die bezeichneten Sätze in den Absätzen 1 und 2 des §2, welche dem angefochtenen Bescheid in materiell-rechtlicher Hinsicht zugrundeliegen, anzuwenden hätte.
Die verfassungsrechtlichen Bedenken legte der Gerichtshof im Einleitungsbeschluß wie folgt dar:
"Hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit dieser Gesetzesvorschriften hegt der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, daß sie mit dem durch Art8 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privatlebens nicht im Einklang stehen. Der Gerichtshof verweist auf die eingehende Begründung seines Erk. VfSlg. 12689/1991, mit dem er Bestimmungen Wiener Vergnügungssteuergesetze als verfassungswidrig befunden hat, welche eine Besteuerung des Anmietens bestimmter Programmträger und Bildträger und die damit im Zusammenhang stehenden, den steuerpflichtigen Mieter betreffenden Aufzeichnungspflichten des für die Entrichtung der Vergnügungssteuer haftenden Vermieters zum Gegenstand hatten. Die für das Anmieten von Programmträgern für Videospiele, von Videofilmen, von Schmalfilmen oder von auf sonstigen Bildträgern aufgezeichneten Filmen vorgesehene Steuer verstieß deshalb gegen Art8 EMRK, weil sie einen Eingriff in das Privatleben nach sich zog, den die Erschließung der betreffenden Steuerquelle nicht im Sinne des Abs2 dieser Verfassungsbestimmung erforderte. Es war dem Gerichtshof insbesondere nicht erkennbar, warum es zur (Sicherung der) Erzielung von öffentlichen Einnahmen aus den betreffenden Vergnügungen erforderlich sein sollte, gerade die Anmietung von Programmträgern und Filmen zum Steuergegenstand zu machen und damit die Registrierung der Person des Anmietenden und des Vorgangs der Anmietung im einzelnen zu provozieren.
Wie der Verfassungsgerichthof im Rahmen einer vorläufigen Beurteilung der Verfassungsrechtslage annimmt, sind die bezogenen Vorschriften des (Vorarlberger) KriegsopferabgabeG mit der gleichen Verfassungswidrigkeit belastet. Die Vorarlberger Landesregierung weist zwar unter Bezugnahme auf §6, insbesondere auf dessen Abs4, darauf hin, daß von Aufzeichnungen, die über eine reine Auflistung der Höhe des erzielten Entgelts aus der Überlassung von Bildträgern an Dritte hinausgehen, im KriegsopferabgabeG nicht die Rede sei; das Gesetz enthalte keine Bestimmungen, die einhebungspflichtige Personen dazu anhalten oder gar verpflichten, die abgabepflichtige Person oder den Vorgang des Überlassens eines Bildträgers in einer solchen Art und Weise zu registrieren wie dies in den Wiener Vergnügungssteuergesetzen vorgesehen gewesen sei. Die Landesregierung zieht auch aus dem Zusammenhalt von §6 mit §2 des KriegsopferabgabeG den Schluß, daß sich die Aufzeichnungspflicht - gleich wie bei der Umsatzsteuer - nur auf die Höhe des durch das Überlassen von Bildträgern an Dritte zum nichtöffentlichen Abspielen erwirtschafteten Entgelts in einem bestimmten Zeitraum beziehen könne. Der Verfassungsgerichtshof neigt hingegen zur Auffassung, daß diese auf Bestimmungen des KriegsopferabgabeG beschränkte Betrachtung zu einer unrichtigen Beurteilung der maßgebenden Rechtslage führt. Die in §6 Abs4 ausdrücklich erwähnte Verpflichtung desjenigen, der Bildträger überläßt, zu Aufzeichnungen darf nicht isoliert betrachtet, sondern muß vor dem Hintergrund der allgemeinen Offenlegungspflicht bezüglich der für den Bestand und Umfang einer Abgabepflicht bedeutsamen Umstände nach §54 des AbgabenverfahrensG gesehen werden, welche nach Abs3 dieses Paragraphen auch Personen trifft, die zur Einbehaltung und Abfuhr von Abgaben verpflichtet sind, weiters aber auch vor der durch §56 festgelegten Verpflichtung zur Führung von (Büchern und) Aufzeichnungen, 'die nach Maßgabe der einzelnen Abgabenvorschriften zur Erfassung der abgabepflichtigen Tatbestände dienen' (Abs2). Gemäß diesen Vorschriften des Abgabenverfahrensrechts erscheint die Person des Steuerpflichtigen sowohl als ein bedeutsamer, die Abgabepflicht betreffender Umstand wie auch als ein wesentliches Merkmal des abgabepflichtigen Tatbestandes, sodaß diesbezügliche Aufzeichnungen des Haftungspflichtigen als gesetzlich geboten erscheinen. In diesem Zusammenhang erinnert der Gerichtshof auch daran, daß er im Erk. VfSlg. 12689/1991 (zu einem Einwand gegen den angenommenen Umfang der Präjudizialität) ausgeführt hat, eine Beschränkung der Aufhebung auf die Vorschriften über die Aufzeichnungspflicht komme nicht in Betracht, 'weil dann die allgemeinen Bestimmungen des Abgabenrechtes die Heranziehung anderer - unter dem Blickwinkel der Bedenken des Gerichtshofs gleich zu bewertender - vorhandener Unterlagen über die Person des Steuerpflichtigen und den steuerpflichtigen Tatbestand fordern würden'."
III. Die Vorarlberger
Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie den verfassungsrechtlichen Bedenken des Gerichtshofs entgegentritt.
Sie führt im einzelnen folgendes aus:
"Der Verfassungsgerichtshof hegt das Bedenken, daß die erwähnten Bestimmungen des Kriegsopferabgabegesetzes nicht im Einklang mit dem durch Art8 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privatlebens stehen. Er verweist auf die eingehende Begründung seines Erkenntnisses VfSlg. 12689/1991, mit dem er Bestimmungen des Wiener Vergnügungssteuergesetzes als verfassungswidrig befunden hat. Diese Bestimmungen hatten eine Besteuerung des Anmietens bestimmter Programm- und Bildträger und die damit im Zusammenhang stehenden, den steuerpflichtigen Mieter betreffenden Aufzeichnungspflichten des für die Entrichtung der Vergnügungssteuer haftenden Vermieters zum Gegenstand. Die in Prüfung gezogenen Bestimmungen des §2 des Kriegsopferabgabegesetzes, LGBl. Nr. 40/1989, sind mit den vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen Bestimmungen des Wiener Vergnügungssteuergesetzes nicht vergleichbar.
Gemäß §2 Abs2 des Kriegsopferabgabegesetzes ist der Veranstalter verpflichtet, die Abgabe vom Abgabepflichtigen in Form eines Zuschlages zum Eintrittsgeld einzuheben und nach den Bestimmungen dieses Gesetzes abzuführen. Dies gilt in gleicher Weise auch für Personen, die Bildträger Dritten gegen Entgelt zum nichtöffentlichen Abspielen überlassen. Gemäß §6 Abs4 haben Personen, die Bildträger Dritten gegen Entgelt zum nichtöffentlichen Abspielen überlassen, über die in einem Kalendermonat eingehobenen Abgabenbeträge aufgrund geeigneter Unterlagen und Aufzeichnungen eine Abgabenerklärung zu erstellen und diese innerhalb eines Monats und zehn Tagen (15 Tagen in der Fassung LGBl. Nr. 60/1994) nach Ablauf des betreffenden Kalendermonats beim Gemeindeamt einzureichen.
Aufgrund dieser Regelungen ist die Kriegsopferabgabe ausschließlich nach den im Kriegsopferabgabegesetz enthaltenen Bestimmungen (§6 Abs4) abzuführen. Demnach hat der Vermieter von Bildträgern aufgrund geeigneter Unterlagen und Aufzeichnungen monatlich eine Abgabenerklärung zu erstellen. Was unter 'geeigneter Unterlagen und Aufzeichnungen' zu verstehen ist, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Es kann sich dabei jedoch nur um solche Unterlagen und Aufzeichnungen handeln, die der Erfassung des abgabepflichtigen Tatbestandes dienen. Dazu genügt es, der Abgabenbehörde eine Auflistung des in einem Kalendermonat aus der Überlassung von Bildträgern an Dritte erzielten Entgelts vorzulegen. In dieser Abgabenerklärung muß weder der Name desjenigen, der den Bildträger gemietet hat noch die Angabe, um was für einen Bildträger es sich gehandelt hat, enthalten sein.
Der für die Einhebung der Abgabe erforderliche Sachverhalt ist im Kriegsopferabgabegesetz umfassend geregelt. Eine subsidiäre Inanspruchnahme der §§54 und 56 des Abgabenverfahrensgesetzes ist daher keinesfalls erforderlich und wäre aufgrund des §2 Abs2 des Kriegsopferabgabegesetzes ('... nach den Bestimmungen dieses Gesetzes abzuführen') auch nicht zulässig. Für die Einhebung der Abgabe ist es jedenfalls nicht erforderlich, daß die Abgabenbehörde den Namen desjenigen, der einen Bildträger mietet oder den Titel des Filmes, der auf dem Bildträger enthalten ist, kennen muß. Da ausschließlich die Regelungen des Kriegsopferabgabegesetzes heranzuziehen sind, ist die Abgabenbehörde nicht in der Lage, von der Gestaltung der privaten Lebensverhältnisse desjenigen, der einen Bildträger mietet, näher Kenntnis zu nehmen.
Die Abgabe wird in Form eines Zuschlags eingehoben. Aufgrund dieser Vorgangsweise muß derjenige, der einen Bildträger mietet, seinen Namen nicht bekanntgeben. Es erfolgt kein Eingriff in seine Privatsphäre. Die Regelungen des Vorarlberger Kriegsopferabgabegesetzes unterscheiden sich somit grundsätzlich von jenen des Wiener Vergnügungssteuergesetzes, in denen der Unternehmer Aufzeichnungen darüber führen mußte, an wen er Programmträger vermietet hat.
Durch die Einhebung der Abgabe in Form eines Zuschlags ist der Gesetzgeber dem bisher im Kriegsopferabgabegesetz angewendeten und bewährten System gefolgt. Gegenstand der Abgabe sind sämtliche in Vorarlberg stattfindenden gesellschaftlichen Veranstaltungen, sofern nicht eine Befreiung gewährt wird. Der Veranstalter ist verpflichtet, die Abgabe vom Abgabepflichtigen in Form eines Zuschlags zum Eintrittsgeld einzuheben. Beim Besuch von Veranstaltungen, die der Kriegsopferabgabe unterliegen, wird der Abgabepflichtige nicht nach seinem Namen gefragt. Er entrichtet die Abgabe zusammen mit dem Eintrittsgeld. Die Einhebung der Kriegsopferabgabe ist beim Besuch von Veranstaltungen somit gleich geregelt, wie bei der Überlassung von Bildträgern. In beiden Fällen ist es für die Einhebung der Kriegsopferabgabe nicht erforderlich, daß die Behörde den Abgabepflichtigen kennt. Durch den Zuschlag auf das Eintrittsgeld bzw. das Entgelt für die Überlassung des Bildträgers sowie durch die Haftung des Veranstalters wird sichergestellt, daß einerseits die Abgabe abgeführt wird und andererseits der Abgabepflichtige seine Identität nicht preisgeben muß. Ein Eingriff in die Privatsphäre ist somit nicht gegeben.
Die in Prüfung gezogenen Bestimmungen sind auch nicht so weitreichend, wie vergleichbare Regelungen im Umsatzsteuergesetz. So haben gemäß §11 Abs1 Z2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes 1972 (ebenso Umsatzsteuergesetz 1994) Rechnungen den Namen und die Anschrift des Abnehmers der Lieferung oder des Empfängers der sonstigen Leistung sowie die Menge und die handelsübliche Bezeichnung der gelieferten Gegenstände oder die Art und den Umfang der sonstigen Leistung zu enthalten. Unter diese Bestimmungen kann auch der Kauf von Videofilmen fallen. Dadurch wird in einer weit umfangreicheren Weise in die Privatsphäre eingegriffen, als durch die Regelungen im Kriegsopferabgabegesetz. Gegen diese Bestimmungen des Umsatzsteuergesetzes hat der Verfassungsgerichtshof bisher keine verfassungsrechtlichen Bedenken geäußert.
Die Landesregierung ist daher zusammenfassend der Meinung, daß die Bestimmungen des Kriegsopferabgabegesetzes insbesondere hinsichtlich der Überlassung von Bildträgern im §2 Abs1 und 2 nicht in die Privatsphäre desjenigen, dem Bildträger gegen Entgelt zum nichtöffentlichen Abspielen überlassen werden, eingreift und daher kein Verstoß gegen Art8 EMRK gegeben ist."
IV. 1. Die Prozeßvoraussetzungen des eingeleiteten Prüfungsverfahrens - insbesondere die Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Gesetzesvorschriften - sind gegeben. Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Gerichtshofs erweisen sich jedoch, wie die folgenden Ausführungen dartun, als nicht gerechtfertigt.
2. Die Vorarlberger Landesregierung weist zutreffend darauf hin, daß die Abgabepflicht bezüglich der entgeltlichen Überlassung von Bildträgern grundsätzlich gleich geregelt ist wie jene Abgabepflicht, die den Eintrittsgeld entrichtenden Besucher "gesellschaftlicher Veranstaltungen" (iS des §1 Abs1 KriegsopferabgabeG) trifft. Der Verfassungsgerichtshof schließt sich den von der Landesregierung aus dieser Parallele (- die auch legislativtechnisch zB in §2 Abs1 des KriegsopferabgabeG sehr deutlich zum Ausdruck kommt, so etwa in der Einleitung des - die Abgabe für die Überlassung von Bildträgern betreffenden - vierten Satzes: "Zur Entrichtung der Abgabe ist weiters verpflichtet ..."
-) gezogenen Schlußfolgerungen an. Da der Gesetzgeber bei "gesellschaftlichen Veranstaltungen" ersichtlich davon ausgeht, daß eine Feststellung der Identität des abgabepflichtigen Besuchers durch den zur Einhebung der Abgabe verpflichteten Veranstalter nicht in Betracht kommt, besteht auch kein Grund zur Annahme, daß hinsichtlich der Person des Abgabepflichtigen bei der Überlassung von Bildträgern eine andere legislative Absicht verfolgt wird. Wenn der Gesetzgeber mithin auf die Feststellung der Person des Besuchers oder desjenigen, dem der Bildträger entgeltlich überlassen wird, von vornherein verzichtet, obwohl es sich um die Person des Abgabepflichtigen handelt, so liegen dem nicht bloß praktische Gegebenheiten zugrunde, sondern gewiß auch die damit einhergehende Erwägung, daß Fälle, in denen mangels Einbringlichkeit der Abgabenschuld beim Haftungspflichtigen auf den Abgabepflichtigen zu greifen wäre, im Hinblick auf die gesetzliche Konstruktion der Kriegsopferabgabe vernachlässigt werden können. Aus diesen Überlegungen folgt (unter Bedachtnahme darauf, daß das KriegsopferabgabeG insgesamt (insbesondere auch in §6 Abs4) keine Aufzeichnungspflicht bezüglich der Person desjenigen vorsieht, dem ein Bildträger entgeltlich überlassen wird) weiters für die im Einleitungsbeschluß bezogenen Bestimmungen des (Vorarlberger) AbgabenverfahrensG (§§54 und 56), sie nicht etwa dahin auszulegen, daß sie eine derartige Aufzeichnungspflicht des Haftungspflichtigen begründen. Denn diese Vorschriften müssen einerseits vor dem Hintergrund des jeweiligen materiellen Abgabengesetzes, hier also des KriegsopferabgabeG, verstanden werden (s. zB die Wendung "... Aufzeichnungen zu führen, die nach Maßgabe der einzelnen Abgabenvorschriften zur Erfassung der abgabepflichtigen Tatbestände dienen" in §56 Abs2 AbgVG), andererseits aber auch verfassungskonform unter dem Aspekt des durch Art8 EMRK gewährleisteten Schutzes des Privatlebens im Licht jener verfassungsrechtlichen Erwägungen interpretiert werden, die den Gerichtshof in seinem dem Prüfungsbeschluß zugrundeliegenden Erk. VfSlg. 12689/1991 veranlaßt haben, Vorschriften der Wiener Vergnügungssteuergesetze wegen der dort ausdrücklich festgelegten Aufzeichnungspflichten als verfassungswidrig zu befinden. Zu betonen ist in diesem Zusammenhang noch, daß der infolge des entgeltlichen Überlassens von Bildträgern Haftungspflichtige seiner Verpflichtung zur Führung von Aufzeichnungen in Ansehung der steuerrechtlich erheblichen Tatbestandsmerkmale durchaus nachkommen kann, ohne die Person festzuhalten, welcher der Bildträger überlassen wurde.
3. Der Verfassungsgerichtshof hatte sohin auszusprechen, daß die in Prüfung gezogenen Gesetzesbestimmungen nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden.
V. Diese Entscheidung wurde gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung getroffen.
Schlagworte
Vergnügungssteuer, Kriegsopferabgaben, Privat- und Familienleben, Finanzverfahren, Aufzeichnungspflicht (Anmieten Videocassetten)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:G298.1994Dokumentnummer
JFT_10049694_94G00298_00