Entscheidungsdatum
26.08.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W274 2242363-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Lughofer als Vorsitzenden sowie die fachkundigen Laienrichter Prof. KommR POLLIRER und Dr. GOGOLA als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX gegen den Bescheid der Datenschutzbehörde, Barichgasse 40-42, 1030 Wien, vom 31.03.2021, GZ D124.3034 2021-0.170.953, Mitbeteiligte XXXX , wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung sowie im Recht auf Löschung, in nicht-öffentlicher Sitzung zu Recht:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Beschwerde unter Nutzung eines Formulars der Datenschutzbehörde (im Folgenden. belangte Behörde) vom 24.09.2020 wandte sich XXXX (im Folgenden: Mitbeteiligte, MB) an die XXXX als nunmehrige Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) und erachtete sich in ihrem Recht auf Geheimhaltung verletzt. Trotz diesbezüglicher Ankündigung habe die BF die Daten der MB nicht gelöscht.
Nach Verbesserungsauftrag machte die MB eine Verletzung im Recht auf Löschung geltend und führte aus, es lägen positive Zahlungserfahrungsdaten länger als sieben Jahre zurück, ein Eintrag zwar erst drei Jahre, sei jedoch auch positiv erledigt und es handle sich um einen Betrag von lediglich € 38,--.
Angeschlossen war u.a. ein Schreiben der BF vom 22.09.2020, womit sich diese auf ein Auskunftsersuchen der MB vom gleichen Tag bezieht und angab, es bestünden keinerlei Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit der Eintragungen betreffend der MB bei der BF, sodass keine Löschung oder Richtigstellung zu erfolgen habe.
Die BF äußerte sich am 26.01.2021 dahingehend, dass sie über die Gewerbeberechtigung nach § 152 Gewerbeordnung als Auskunftei über Kreditverhältnisse verfüge. Datenschutzrechtliche Rechtsgrundlage der Verarbeitung bonitätsrelevanter personenbezogener Daten in der XXXX Datenbank seien berechtigte Interessen nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO. Die rechtlichen Interessen lägen auf Seiten Dritter vor, da der Zweck der Datenverarbeitung durch die BF darin bestehe, jenen Unternehmen einen Zugriff auf die Daten zu ermöglichen, die im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit ein Kreditrisiko, etwa bei der Lieferung ihrer Waren oder Dienstleistungen, eingingen. Insbesondere für die Unternehmen, die gegenüber ihren Vertragspartnern in Vorleistung träten, sei es essenziell, die Zahlungsmoral ihrer potentiellen Vertragspartner einschätzen zu können. Abfragen in der Datenbank der BF seien dabei ein wesentliches Mittel zur Erlangung dieser Informationen. Die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung hänge daher nicht von der Einwilligung eines Betroffenen ab. Informationen über negative Zahlungserfahrungen erhalte die BF dann, wenn ein Zahlungsverzug vorliege, die ersten beiden Mahnungen durch den Gläubiger und auch die dritte Mahnung durch ein Inkassobüro erfolglos geblieben seien und daher ein fortbestehender qualifizierter Zahlungsverzug vorliege. Auch bereits beglichene (positiv erledigte) Forderungen stellten bonitätsrelevante Daten dar. Der Umstand, dass eine Forderung erst nach qualifizierter Mahnung bzw. Betreibung durch Inkassoinstitute oder Rechtsanwälte beglichen werde, bedeute einen zumindest temporären Zahlungsausfall und resultiere damit in einem Kreditrisiko bezüglich künftiger Rechtsgeschäfte.
Unter Bezugnahme auf mehrere Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts führte die BF aus, die Verarbeitung der gegenständlichen Zahlungserfahrungen innerhalb eines fünfjährigen Mindest-Speicherzeitraums ab Erledigung der Forderung sei erforderlich und sinnvoll. Obwohl der Betrag der gegenständlichen älteren Zahlungserfahrung als hoch anzusehen sei, werde in Zusammenschau mit der Dauer des nunmehrigen Zurückliegens, der geringen Anzahl an Zahlungserfahrungen und insbesondere auch der Tatsache, dass seit deren Aushaftung keine weitere Eintragung mehr stattgefunden habe, dem Antrag der MB entsprochen und die ältere Zahlungserfahrung entsprechend der Auskunft vom 21.01.2021 gelöscht. Die verbliebene jüngere Zahlungserfahrung liege innerhalb des fünfjährigen Mindestbeobachtungszeitraumes, sodass diese in der Datenbank der BF zu verbleiben habe.
Vorgelegt wurde eine Auskunft vom 21.01.2021 aus der sich folgende Zahlungserfahrungsdaten ergeben:
„Eröffnet: 30.05.2017
Geschlossen: 16.06.2017
Kapitalforderung 38,83 €
offen: 0 €
Forderungsstatus: außergerichtliche Betreibung
Zahlungsstatus: positiv erledigt
Herkunft der Information: T-Mobile Austria GmbH“
Diese Stellungnahme wurde der MB zur allfälligen Äußerung im Wege des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht. Eine weitere Äußerung ist nicht erfolgt.
Mit dem lediglich hinsichtlich seines stattgebenden (Punkt 2) Teils bekämpften Bescheid wies die belangte Behörde die Beschwerde hinsichtlich der behaupteten Verletzung im Recht auf Geheimhaltung ab (Spruchpunkt 1.), gab dieser hinsichtlich der behaupteten Verletzung im Recht auf Löschung statt und stellte fest, dass die dortige Beschwerdegegnerin die dortige Beschwerdeführerin dadurch in ihrem Recht auf Löschung verletzt habe, indem sie die bereits mit 16.06.2017 beglichene Forderung in der Höhe von € 38,83 nicht aus ihrer Bonitätsdatenbank gelöscht habe (Spruchpunkt 2.) und trug der damaligen Beschwerdegegnerin auf, innerhalb von zwei Wochen die genannten Daten zu löschen (Spruchpunkt 3.).
Die belangte Behörde stellte nachfolgenden Sachverhalt fest:
„Die Beschwerdegegnerin betreibt gemäß § 152 GewO 1994 ein Gewerbe als Kreditauskunftei.
Die Beschwerdeführerin hat sich am 22. September 2020 mit einem Löschantrag an die Beschwerdegegnerin gewandt.
Die Beschwerdegegnerin hat der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 23. September 2020 mitgeteilt, dass sie dem Löschbegehren nicht entsprechen wird.
Die Beschwerdeführerin hat daraufhin, am 24. September 2020, Beschwerde an die Datenschutzbehörde erhoben und behauptete darin, von der Beschwerdegegnerin in ihrem Recht auf Geheimhaltung sowie in ihrem Recht auf Löschung verletzt worden zu sein.
Die Beschwerdegegnerin verarbeitet zum Stichtag des 21. Jänner 2021 das folgende Zahlungserfahrungsdatum sowie die folgenden Adressdaten zur Beschwerdeführerin:
Eröffnet
Geschlossen
Kapitalforderung
Offen
Forderungsstatus
Zahlungsstatus
Herkunft der Informationen
30.05.2017
16.06.2017
38,83 €
0,00 €
außergericht.
Betreibung
positiv erledigt
T-Mobile Austria GmbH
Name
Geb. Datum
Straße
PLZ
Ort
XXXX
XXXX
XXXX
XXXX
XXXX
XXXX
XXXX
XXXX
XXXX
XXXX
Rechtlich folgerte die belangte Behörde, die Verarbeitung bonitätsrelevanter Daten durch eine Wirtschafts- bzw. Kreditauskunfttei finde seine Deckung in § 152 Gewerbeordnung. Wie zuvor bereits die Datenschutzkommission sowie der OGH anerkenne auch die Datenschutzbehörde, dass die Tätigkeit von Wirtschafts- bzw. Kreditauskunfttei grundsätzlich auf Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO gestützt werden könne. Mangels spezifischer datenschutzrechtlicher Bestimmungen seien aber die allgemeinen Grundsätze der DSGVO anzuwenden (Art. 5 Abs. 1 lit. b sowie lit. e DSGVO). Da die BF grundsätzlich zur Verarbeitung der Daten der MB berechtigt sei, sei die auf § 24 Abs. 5 DSG gestützte Beschwerde abzuweisen. Betreffend den auch geltend gemachten Löschungsanspruch stelle sich die Frage, wie lange Zahlungserfahrungsdaten nach Begleichung der Forderung gespeichert werden können, ehe sie für die Zwecke der Verarbeitung und des Gläubigerschutzes nicht mehr notwendig seien. Entsprechend ihrer eigenen Rechtsprechung nehme die Datenschutzbehörde eine Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung der Höhe der einzelnen Forderungen, des Alters der Forderungen, der Anzahl der im Wege eines Inkassounternehmens eingetriebenen Forderungen, der Zeit, die seit Begleichung einer Forderung verstrichen ist sowie der Herkunft der Daten vor und beurteilte aufgrund dessen die Zulässigkeit der Verarbeitung. Da lediglich ein positiv erledigtes Zahlungserfahrungsdatum in der Höhe von Euro 38,83, das am 30.05.2017 eröffnet und am 16.06.2017 geschlossen worden sei, überwägen aufgrund der sehr geringen Höhe und des Alters der Forderung die Interessen der MB.
Allein gegen die Spruchpunkte 2. und 3. richtet sich die Beschwerde der BF "wegen Rechtswidrigkeit" mit dem primären Antrag, den Bescheid in den Spruchpunkten 2. und 3. dahingehend abzuändern, dass die Beschwerde zur Gänze abgewiesen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt elektronischem Akt beim Bundesverwaltungsgericht einlangend am 12.05.2021 vor.
Die Beschwerde ist nicht berechtigt:
Das Verwaltungsgericht legt den bereits von der belangten Behörde festgestellten - unstrittigen - Sachverhalt auch seiner Entscheidung zugrunde.
Daraus folgt rechtlich:
Zu beurteilen ist allein die Rechtmäßigkeit der Speicherung des einzigen Zahlungserfahrungsdatums betreffend die MB.
Erstmals beschäftigte sich das BVwG in seinem Erkenntnis vom 30.10.2019 zu W258 2216873 mit der Frage, wie lange eine Speicherung von Daten über getilgte Forderungen durch eine Kreditauskunft rechtmäßig sein kann, dies auch unter Beachtung der Verarbeitungsgrundsätze nach Art 5 DSGVO, „Zweckbindung“, „Datenminimierung“, „Richtigkeit“ und „Speicherbegrenzung“. Dabei ging es zunächst davon aus, dass die zulässige Speicherdauer in Ermangelung konkreter Fristen nach der DSGVO oder der GewO vom Einzelfall abhänge, solche Zahlungsinformationen für das künftige Zahlungsverhalten aber umso weniger Aussagekraft enthielten, je länger sie zurücklägen und je länger es zu keinen weiteren Zahlungsstockungen oder Zahlungsausfällen gekommen sei („Alter der Forderung“ und „seitheriges Wohlverhalten“). Im Weiteren suchte das BVwG in rechtlichen Bestimmungen, die dem Gläubigerschutz dienten, nach Beobachtungs- und Löschfristen als Richtlinie für die zulässige Speicherdauer. Als solche Bestimmung zog das BVwG die EU-Verordnung „Kapitaladäquanzverordnung“ heran, die Kreditinstitute verpflichte, ihre Kunden zu bewerten und diverse Risiken ihrer Forderungen abzuschätzen. Dabei hätten Kreditinstitute gegenüber natürlichen Personen einen historischen Beobachtungszeitraum für zumindest eine Datenquelle von mindestens fünf Jahren für Kredit- und Retailforderungen heranzuziehen. Wenn aber Kreditinstitute als potentielle Geschäftspartner des Betroffenen rechtlich verpflichtet seien, ihre Forderungen anhand der Ausfallsquoten zumindest der letzten fünf Jahre zu bewerten, so sei es – so sinngemäß das Erkenntnis - kein Verstoß gegen das Prinzip der Datenminimierung und Speicherbegrenzung, wenn Daten über Forderungen, die innerhalb dieser Frist temporär oder gänzlich ausgefallen sind, durch eine Kreditauskunftei verarbeitet werden.
Die genannte Rechtsprechung beruht daher auf den Verarbeitungsgrundsätzen der Datenminimierung und der Speicherbegrenzung.
Auf dieses Erkenntnis bezogen sich auch seither ergangene Erkenntnisse des BVwG, wie zu W274 2232028 vom 21.10.2020 sowie W214 2216836 vom 24.03.2021.
Auf die genannten Judikate bezieht sich auch die BF und leitet daraus offenbar ab, dass Zahlungserfahrungsdaten betreffend Zahlungsausfälle für einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren jedenfalls relevant seien und somit eine Datenspeicherung im Rahmen der Kreditauskunftei rechtfertigten. Aufgrund dessen meint die BF, die belangte Behörde verkenne die genannte Rechtsprechung zur Rechtmäßigkeit der Verarbeitung über mindestens fünf Jahre. Zudem lasse der Bescheid auch nicht erkennen, worin die überwiegenden Interessen der MB bestünden. Gerade aus dem rezenten Erkenntnis W214 2216836 vom 24.03.2021 ergäbe sich, dass sich dieses auf Forderungen aus den Jahren 2016 und 2017 beziehe, wobei auch die gegenständliche Forderung aus dem Jahr 2017 resultiere.
Dazu ist auszuführen:
Tatsächlich lagen dem genannten Erkenntnis drei Forderungen zugrunde, eine aus 2016 über € 34,20, positiv erledigt im August 2018, eine aus Juni 2017 über € 47,47, positiv erledigt im Mai 2018 sowie eine aus Mai 2019 über € 218,27, als uneinbringlich ausgebucht. Darüber hinaus wurde im dortigen Verfahren festgestellt, der dortige Betroffene habe seit Eintritt seiner Volljährigkeit 2008 mindestens achtmal einen gemeldeten Wohnsitzwechsel vorgenommen.
Wenn die BF darauf verweist, dass im genannten Erkenntnis festgehalten wurde, dass auch der relativ geringe Betrag der bezahlten Forderungen nichts daran zu ändern vermöge, dass die Beobachtung eines historischen Zahlungsverhaltens anhand eines zumindest fünfjährigen Beobachtungszeitraums abzuschätzen sei, so verschweigt die BF die weitere Argumentation im genannten Erkenntnis (dort 3.2.2), dass die Interessen betroffener Personen dann nicht überwägen, wenn Forderungen wie hier aus 2016 und 2017 erst nach längerer Zeit (2018) positiv erledigt worden seien und ein sogar fortgesetzter qualifizierter Zahlungsverzug vorgelegen sei.
Ausgehend von der von der bisherigen Rechtsprechung zugrunde gelegten Einzelfallbetrachtung unter den Kriterien "Höhe", "Alter" und "Anzahl" der Forderungen sowie die seit der Begleichung verstrichene Zeit liegt in einer zugrundeliegenden Einzelforderung über einen Bagatellbetrag von € 38,83 über einen Zeitraum von gut zwei Wochen gegenüber zwei, wenn auch geringfügigen Forderungen über einen Zeitraum von knapp zwei Jahren bzw. knapp einem Jahr, ein durchaus gewichtiger Unterschied im Hinblick auf das seinerzeitige "Wohlverhalten" des Betroffenen. Dazu kommt im referenzierten Verfahren eine weitere noch jüngere als uneinbringlich ausgebuchte Forderung, die im Rahmen der Interessensabwägung (dort Seite 24) ebenso berücksichtigt wurde. Insofern ist aus der Begründung unter Bezugnahme auf W214 2216836 für das gegenständliche Verfahren für die BF nichts Entscheidendes zu gewinnen.
Zu W258 2216873 ging das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass ein Zahlungsplan zum Zeitpunkt des Löschungsbegehrens erst vor eineinhalb Jahren bzw. zum Entscheidungszeitpunkt erst vor etwa mehr als drei Jahren erfüllt worden sei, das gelte auch für Forderungen, die zwar bereits vor mehr als fünf Jahren ausgefallen seien, aber erst wie dort vor eineinhalb bzw. drei Jahren durch die Erfüllung des Zahlungsplans endgültig getilgt worden seien. Auch die dortige Sachlage ist - insbesondere hinsichtlich des Wohlverhaltenszeitraumes - mit gegenständlicher Sachlage nicht vergleichbar.
Gleiches gilt auch für das Erkenntnis W274 2232028, dem fünf Einträge betreffend Zahlungserfahrungsdaten über eine Summe von gesamt € 3.147,52 zugrunde lagen. Die Tilgungszeiträume umfassten dort fünf Jahre, knapp vier Jahre, zwei Jahre, ein Jahr, zwei Monate bzw. einen Monat, wobei die jüngste erledigte Forderung erst per März 2019 positiv erledigt wurde. Auch die dortige Sachlage ist mit der hier zu beurteilenden daher nicht vergleichbar.
Wenn die BF voraussetzt, die "Eröffnung" einer Forderung und die Meldung derselben an die BF durch ein Inkassobüro erfolge erst, nachdem der Betroffene dreimal erfolglos gemahnt worden sei und daher fortgesetzter, qualifizierter Zahlungsverzug eingetreten sei, sodass das Datum der Eröffnung der Forderung daher für gewöhnlich Monate nach dem Datum des Eintritts der Fälligkeit der Forderung liege, so ist für die BF daraus nichts zu gewinnen, weil unstrittig von ihr selbst vorausgesetzt wird, dass eine Rechtfertigung für die Speicherung erst bei fortbestehendem qualifiziertem Zahlungsverzug gegeben ist.
Die BF argumentiert weiters unter Bezugnahme auf Art. 5 Abs. 1 lit. d DSGVO (Grundsatz der Datenrichtigkeit), würde sie dem Ansuchen der MB vollumfänglich nachkommen, hätte dies ein verzerrtes und unrichtiges Bild über die Bonität der MB zur Folge. Die BF würde ihren Kunden damit jene Zahlungserfahrung, auf die es in der Bonitätsbewertung ankomme, verschweigen.
Der BF ist diesbezüglich insofern zu folgen, als sich eine Unrichtigkeit im Hinblick auf die Verarbeitungszwecke auch durch eine Unvollständigkeit der Daten ergeben könnte, insbesondere, wenn im Rahmen des Verarbeitungszwecks eine Entscheidung in Bezug auf den Betroffenen auf der Grundlage der vorhandenen Daten signifikant anders ausfallen würde, als unter Einbeziehung der fehlenden Informationen (Hötzendorfer/Kastelitz in Knyrim, DatKomm, Art. 5 DSGVO Rz 45). Andererseits ist die Prüfung der Einhaltung des Grundsatzes der Speicherbegrenzung (Art. 5 Abs. 1 lit. e) in der Regel anhand einer Einzelfallbetrachtung vorzunehmen, in der die Erforderlichkeit der Aufbewahrung von Daten anhand der Verarbeitungszwecke beurteilt wird. Jene Umstände, die daher für die Beurteilung der Datenrichtigkeit im Sinne einer Datenvollständigkeit zu beurteilen sind, sind daher auch für die Einzelfallbetrachtung der Speicherbegrenzung relevant. Die Frage der Speicherdauer von Daten einer Kreditauskunftei ist gesetzlich nicht determiniert. Bislang orientiert sich die Rechtsprechung unter Bezugnahme auf die Argumentationskette, abgeleitet aus der Kapitaladäquanzverordnung, an einem mindestens fünfjährigen Beobachtungszeitraum, setzt einen solchen aber keineswegs starr voraus.
Wie dargelegt, liegt hier (in den letzten 6 Jahren) lediglich eine Forderung, der Höhe nach als Bagatellforderung zu qualifizieren, zugrunde, die überdies innerhalb eines Zeitraumes von gut zwei Wochen berichtigt wurde. Daraus ist die Gefahr eines "enormen Schadens aus potentiell eintretenden Zahlungsausfällen" bezugnehmend auf die MB keineswegs, wie von der BF in der Beschwerde behauptet, zwingend abzuleiten. Eine Einzelfallabwägung, die eine Zulässigkeit der Speicherung im Hinblick auf den Grundsatz der Speicherbegrenzung begründen könnte, setzt auch voraus, dass eine Entscheidung potentieller Gläubiger in Bezug auf den Betroffenen auf der Grundlage dieser Daten signifikant anders ausfallen würde, als unter Einbeziehung der fehlenden Informationen. Dies ist hier nach Ansicht des Gerichts gerade im Hinblick auf die Forderungsanzahl, die Höhe und die rasche Tilgung zu verneinen. Auch der Grundsatz der Richtigkeit der Daten steht einer Löschung nicht entgegen.
Diesbezüglich kann aufgrund vergleichbarer Interessenslage auch auf das Regime des Strafregistergesetzes sowie des Tilgungsgesetzes verwiesen werden, wonach gemäß § 12 Strafregistergesetz nach Ablauf von zwei Jahren nach Eintritt der Tilgung die getilgte Verurteilung und den Verurteilten betreffende Daten aus dem Strafregister zu löschen sind. Gemäß § 3 Abs 1 Z 1 Tilgungsgesetz beträgt die Tilgungsfrist bei z.B. bei einmaliger Verurteilung u.a. wegen Jugendstraftaten drei Jahre, gemäß Z 2 bei einer höchstens einjährigen Freiheitsstrafe oder Verurteilung lediglich zu einer Geldstrafe fünf Jahre.
Insofern nimmt selbst das Strafrechtsregime insofern eine "Unrichtigkeit" im Sinne einer Unvollständigkeit der Strafregisterauskunft bzw. Strafregisterbescheinigung in Kauf, als nach einer gewissen Zeit tatsächliche Verurteilungen dort nicht mehr aufscheinen (dürfen).
Im Hinblick auf die kaum zu vergleichende Tragweite einer einmalig qualifiziert aushaftenden Forderung von € 38,-- für gut zwei Wochen und einen "Wohlverhaltenszeitraum" seit Einbringung der Beschwerde von knapp drei Jahren zeigt die Beschwerde nicht auf, dass die von der belangten Behörde angenommene Löschungsverpflichtung im Einzelfall zu Unrecht erfolgt wäre. Der Beschwerde kommt daher kein Erfolg zu.
Aufgrund des unstrittigen Sachverhalts und der allein zu lösenden Rechtsfragen bestand kein Anlass, eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Eine solche wurde auch nicht beantragt.
Der Ausspruch der Zulässigkeit der Revision beruht auf dem Umstand, dass bislang Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Frage der zulässigen Speicherdauer bonitätsrelevanter Daten nicht vorliegt.
Schlagworte
Bonitätsauskunft Datenlöschung Datenminimierung Datenschutz Datenschutzbeschwerde Datenschutzverfahren Datenspeicherung Datenverarbeitung Datenverarbeitungszweck Interessenabwägung Kreditauskunftei Kreditrisiko Löschungsbegehren Revision zulässig Speicherbegrenzung SpeicherdauerEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W274.2242363.1.00Im RIS seit
06.10.2021Zuletzt aktualisiert am
06.10.2021