Entscheidungsdatum
06.09.2021Norm
AVG §57 Abs3Spruch
W116 2232549-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Mario DRAGONI über die Beschwerde von XXXX , gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Burgenland vom 04.05.2020, Zl. PAD/18/02440098/001/AA, betreffend Dolmetschergebühren, zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.
Dem Beschwerdeführer sind EUR 77,10 kostenfrei nachzuzahlen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer wurde am 20.08.2018 von 12.20 bis 16.01 Uhr in der PI Graz, Kärntnerstraße für das LKA Burgenland, EB10, als Dolmetscher herangezogen.
2. Für diese Leistung legte der Beschwerdeführer folgende Gebührennote, 2018/12, datiert mit 22.08.2018:
* Entschädigung für Zeitversäumnis:
– § 33, 4 begonnene Stunde(n) EUR 28,20/3 anteilig EUR 37,60
* Mühewaltung, § 54
Übersetzung von Schriftstücken während e. EV, Abs 1/4
– Mit 20 EUR gedeckelt EUR 20, --
Teilnahme a. d. Vernehmung, Verhandlung (Abs 1 Z 3)
– für die erste halbe Stunde, EUR 24,50 EUR 24,50
– für weitere 7 halbe Stunde(n), EUR 12,40 EUR 86,80
* Sonstige Kosten,
– 8,50x2 Verpflegung, Mittag-/Abendessen/3 EUR 5,67
* Reisekosten, § 27,
390 km á EUR 0,42/3 anteilig EUR 54,60
SUMME EUR 229,17
gerundete SUMME EUR 229,20
3. Mit rechtskräftig gewordenem (Mandats-)Bescheid vom 16.10.2018, PAD/18/01492296/002/KRIM, wurde die dem Beschwerdeführer zustehende Gebühr antragsgemäß mit EUR 229,20 bestimmt.
4. Mit als „Berichtigungsbescheid“ bezeichnetem Mandatsbescheid vom 28.12.2018 wurde die dem Beschwerdeführer tatsächlich zustehende Gebühr auf EUR 152,10 korrigiert. Begründend wurde ausgeführt die Behörde könne gemäß § 64 Abs. 4 AVG jederzeit von Amts wegen Schreib- und Rechenfehler oder diesen gleichzuhaltende, offenbar auf einem Versehen oder offenbar ausschließlich auf technisch mangelhaften Betrieb einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhenden Unrichtigkeiten in Bescheiden berichtigen. Dem Beschwerdeführer sei eine anteilige Entschädigung für Zeitversäumnis von EUR 37,60 zugesprochen worden sowie Reisekosten in Höhe von EUR 54,60. Die tatsächlich zustehende Entschädigung für die Zeitversäumnis betrage EUR 15,13 und die Reisekosten würden gänzlich gestrichen, weil der Beschwerdeführer bei seinem Ansuchen um Aufnahme in die Dolmetscherliste die Adresse XXXX in Graz angegeben und die zwischenzeitig erfolgte Änderung seiner Adresse nicht bekannt gegeben habe. Die von ihm ursprünglich angegebene Wohnadresse in Graz befinde sich lediglich 300m vom Ort der Dolmetscherleistung entfernt. Eben wegen dieser Nähe seiner Wohnadresse sei er von den Beamten zur Dolmetscherleistung herangezogen worden. Der Beschwerdeführer erhalte daher keinen Kostenersatz für seine tatsächliche Anreise aus Wien.
5. Dagegen erhob der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Vorstellung. Es liege keiner der Tatbestände vor, bei welchen eine Berichtigung nach § 62 Abs 4 AVG vorgenommen werden dürfe. Die Behörde habe mit ihrem Berichtigungsbescheid lediglich versucht, den Spruchinhalt nachträglich zu ändern.
6. Mit Schreiben vom 31.07.2019, dem Beschwerdeführer zugestellt am 15.08.2019, teilte die belangte Behörde diesem im Rahmen des Parteiengehörs mit, dass sie beabsichtige, seine Vorstellung „zurückzuweisen“. Im Wesentlichen wurde dabei ausgeführt, dass die Vorstellung fristgerecht eingebracht worden sei, und in der Folge die Begründung des „Berichtigungsbescheides“ wiederholt, wobei angeführt wird, dass die Adresse des Beschwerdeführers in Graz in der Dolmetschliste des Bundesministeriums für Inneres eingetragen sei. Dem Beschwerdeführer wurde Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt.
7. Mit dem beschwerdegegenständlichen Bescheid vom 04.05.2020 wurde die dem Beschwerdeführer zustehenden Gebühren für seine Tätigkeit als Dolmetscher am 20.08.2018 mit EUR 149,30 bestimmt. Den vom Beschwerdeführer in der Vorstellung eingebrachten Antrag, den Berichtigungsbescheid aufzuheben und die Rechtskraft des ursprünglich erlassenen Bescheides wiederherzustellen, könne „nicht Folge geleistet werden“. Da die Erlassung des ursprünglichen Bescheides auf einem Versehen beruhe, sei die Behörde berechtigt gewesen, den Bescheid gem. § 62 Abs. 4 AVG, von Amts wegen zu beheben.
8. Dagegen richtet sich die gegenständliche Beschwerde, diese wurde dem Bundesverwaltungsgericht samt bezugshabenden Verwaltungsakt vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der unter Punkt I. genannte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen beruhen auf dem unbedenklichen Akteninhalt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG haben die Verwaltungsgerichte die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG durch Beschluss. Gemäß Abs. 2 hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden nach Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A)
Gemäß § 57 Abs. 3 AVG hat die Behörde binnen zwei Wochen nach Einlangen der Vorstellung das Ermittlungsverfahren einzuleiten, widrigenfalls der angefochtene Bescheid von Gesetzes wegen außer Kraft tritt. Auf Verlangen der Partei ist das Außerkrafttreten des Bescheides zu bestätigen.
Aus der Judikatur und Literatur zu dieser Bestimmung ergibt sich, dass bei Unterlassen von Ermittlungsschritten der Mandatsbescheid ipso iure außer Kraft tritt (VwGH 25.04.1991, 91/06/0010; Hengstschläger/Leeb, AVG, § 57 Rz 38). Unter Ermittlungsverfahren ist ein Verfahren zur Feststellung des für die Anordnung maßgebenden Sachverhalts oder zur Gewährung von Parteiengehör zu verstehen (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 57 Rz 39 mwN).
Da die belangte Behörde bis zu dem unter Punkt I.6. dargestellten Parteiengehör keinen Ermittlungsschritt gesetzt hat, ist der „Berichtigungsbescheid“ ex lege außer Kraft getreten. Obwohl dies im angefochtenen Bescheid nicht explizit zum Ausdruck gebracht wird, hat die belangte Behörde diesem Umstand insofern Rechnung getragen, als sie nicht über die Vorstellung gegen den „Berichtigungsbescheid“ entschieden hat, sondern die Dolmetschergebühr (abermals) bestimmt hat.
Gemäß § 62 Abs. 4 AVG kann das Bundesverwaltungsgericht Schreib- und Rechenfehler oder diesen gleichzuhaltende, offenbar auf einem Versehen oder offenbar ausschließlich auf technisch mangelhaftem Betrieb einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten in Entscheidungen jederzeit von Amts wegen berichtigen.
Die Bestimmung des § 62 Abs. 4 AVG ist dem § 419 ZPO nachgebildet und soll der Prozessökonomie dadurch dienen, dass besonders offenkundige Fehler auch außerhalb eines Rechtsmittelverfahrens korrigiert werden können.
Offenbar auf einem Versehen beruht eine Unrichtigkeit dann, wenn sie für die Partei, bei Mehrparteienverfahren für alle Parteien, klar erkennbar ist und von der Behörde bei entsprechender Aufmerksamkeit bereits bei der Bescheiderlassung hätte vermieden werden können (VwGH 19.11.2002, Zl. 2002/12/0140). Ein Versehen ist klar erkennbar, wenn zu dessen Erkennung kein längeres Nachdenken und keine Nachschau in Gesetzeswerken notwendig ist, wobei vom Maßstab eines mit der zu behandelnden Materie vertrauten Durchschnittsbetrachters auszugehen ist (VwGH 13.09.1991, Zl. 90/18/0248).
Ein Rechenfehler liegt nur dann vor, wenn eine (offen gelegte) rechnerische Operation unrichtig vorgenommen wurde (vgl. etwa VwGH 19.11.2002, 2002/12/0140). Eine solche Unrichtigkeit liegt etwa vor, wenn der Partei im Bescheidspruch „die mit 654 Euro bestimmten Kosten (41 Euro Vorlageaufwand, 203 Euro Schriftsatzaufwand und 254 Euro Verhandlungsaufwand)“ auferlegt werden (VfGH 30.11.2004, B 804/04). Davon sind jene Fälle zu unterscheiden, in denen das falsche Ergebnis nicht auf der unrichtigen Vornahme der Rechenoperation, sondern diese auf falschen Grundannahmen beruht (VwGH 19.11.2002, 2002/12/0140).
Aus den getroffenen Feststellungen ergibt sich eindeutig, dass die Herabsetzung der der dem Beschwerdeführer zustehenden Dolmetschergebühr nicht auf der Korrektur einer ursprünglich unrichtig durchgeführten Rechenoperation beruht. Vielmehr stellt der der Bestimmung der Dolmetschergebühr mit dem unter Punkt I.3. dargestellten (Mandats)Bescheid zugrundeliegende Ansatz, die Gebühr sei auf Basis des (nunmehrigen) Wohnsitz des Beschwerdeführers in Wien und nicht aufgrund seiner (früheren) Adresse in Graz zu bemessen, eine Grundannahme dar, an Hand derer die Rechenoperation vorgenommen wurde.
Das Beschwerdevorbringen, dass gegenständlich kein Fehler vorliegt, der gemäß § 62 Abs. 4 AVG berichtigt werden kann, ist daher zutreffend. Der beschwerdegegenständliche Bescheid war daher zu beheben. Dem Beschwerdeführer ist folglich der Differenzbetrag zwischen der ihm mit rechtskräftig gewordenem (Mandats-)Bescheid vom 16.10.2018 zugesprochenen Gebühr von EUR 229,20 und dem ihm bereits angewiesenen Betrag von EUR 152,10, somit EUR 77,10 kostenfrei nachzuzahlen.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 1 und Abs. 4 VwGVG entfallen. Im vorliegenden Fall lässt die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten und die Notwendigkeit der Durchführung einer Verhandlung ist auch im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC nicht ersichtlich.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Bescheidbehebung Bescheidberichtigung Dolmetschgebühren Mandatsbescheid Nachzahlung RechenfehlerEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W116.2232549.1.00Im RIS seit
06.10.2021Zuletzt aktualisiert am
06.10.2021