TE Bvwg Beschluss 2021/1/25 W168 2233949-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.01.2021
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Entscheidungsdatum

25.01.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch


W168 2233949-1/5E

W168 2235763-1/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag. Dr. Bernhard MACALKA als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX , beide StA. Mongolei, vertreten durch RA Mag. Nuray TUTUS-KIRDERE, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.06.2020, Zlen. ad 1.) 1071062110/180784731, ad 2.) 1117218402/180784740, beschlossen:

A)

Die angefochtenen Bescheide werden behoben und die Verfahren gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF1) ist Staatsangehörige der Mongolei und befindet sich seit 04.09.2015 im Bundesgebiet. Die BF1 ist die Mutter der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin (im Folgenden. BF2), die am XXXX in Österreich geboren wurde.

2. Die 1.BF erhielt 2015 ein vom 02.09.2015 bis zum 01.01.2016 befristet gültiges Visum – D, bzw. einen Aufenthaltstitel als Studierende, gültig vom 12.11.2015 bis zum 12.11.2016.

Über einen eingebrachten Verlängerungsantrag vom 07.10.2016 wurde aufgrund des Mangels des erforderlichen Studienerfolges mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 10.11.2017, am 13.11.2017 rechtskräftig, beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 08.08.2018 eingelangt, abschlägig entschieden. Die BF1 verblieb dennoch weiter unberechtigt im Bundesgebiet.

3. Am 30.10.2018 stellte die 1.BF einen Erstantrag zur Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot“ Karte plus Familienzusammenführung. Die BF wurde daraufhin von der Magistratsabteilung 35 aufgefordert, mehrere erforderliche Unterlagen nachzureichen.

4. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vom 25.03.2019 wurde von der 1.BF ausgeführt, dass sie gesund sei und keine Medikamente einnehme. Befragt, seit wann sie sich im Bundesgebiet aufhalte, antwortete die 1.BF, dass sie sich seit 2015 im österreichischen Bundesgebiet aufhalte. Sie wäre 2017 wegen ihrer Scheidung von ihrem vorherigen Ehemann jedoch ein Monat in der Mongolei gewesen sei. Auf die Frage, wie sie ihren Lebensunterhalt im Bundesgebiet bestreite, gab die 1.BF an, dass sie seit dem 18.10.2018 mit ihrem neuen Ehemann verheiratet sei, der seinen Lebensunterhalt als Koch verdiene. Zudem habe sie ein Sparkonto und ihr Exmann zahle 200 oder 300 Euro im Monat. Überdies habe sie früher als Flugbegleiterin gearbeitet und in der Mongolei ihre Wohnung verkauft, wobei sie durch den Verkauf ungefähr 15.000,- Euro erhalten habe. Nachgefragt, welche Angehörigen ihres jetzigen Ehegatten in Österreich aufhältig wären, gab die 1.BF an, dass ihr Gatte zwei Kinder aus erster Ehe habe, an die er ungefähr 330,-Euro pro Monat zahlen müsse. Die Eltern der BF1 würden nach wie vor in der Mongolei leben. Auf die weitere Frage, ob sie in Österreich Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation sei, führte die 1.BF an, dass sie gemeinsam mit Freunden Chinesisch unterrichte und sie im Gegenzug Deutschunterricht erhalte. Sie sei in Österreich unfall- und krankenversichert. Befragt, welche Schul- oder Berufsausbildung sie habe, führte die BF an, dass sie bis zum neunten Lebensjahr in der Mongolei zur Grundschule gegangen sei, anschließend drei Jahre die Grundschule in China besucht habe. In weiterer Folge hätte die BF1 vier Jahre Dolmetsch, sowie Lehramt studiert. In Österreich habe sie nunmehr ein Masterstudium für Sinologie begonnen, dieses jedoch aufgrund der Geburt ihres Kindes abgebrochen. Vor ihrer Ausreise nach Österreich habe sie als Flugbegleiterin Kurse für die Betreuung von High Class Passagieren absolviert. Die Frage, ob sie in der Mongolei strafrechtlich oder politisch verfolgt worden sei, wurde von der 1.BF verneint.

5. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme wurden von der 1.BF eine Kursbestätigung vom 19.03.2019 über die regelmäßige Teilnahme an Deutsch-Intensivkursen auf dem Niveau A2(2), B1 (1), B1 (2), B2 (1), ein Lohn/Gehaltszettel vom 28.02.2019 des nunmehrigen Ehemannes für den Februar 2019, ein Lohn/Gehaltszettel vom 31.01.2019 für den Januar 2019 des nunmehrigen Ehemannes, ein Arbeitsvorvertrag vom 11.11.2018 für eine Restaurantbetriebs GmbH, ein Kontoauszug mit einem Guthaben in Höhe von 10.301,- Euro, eine Heiratsurkunde vom 18.10.2018, eine Bestätigung des Magistrates vom 23.11.2018 über die Verpflichtung des Ehegatten der 1.BF, einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 330,- Euro zu leisten, ein Auszug aus dem Geburtseintrag vom 14.11.2018 des Kindes des Ehegatten der 1.BF, ein mongolischer Reisepass, eine Versicherungsbestätigung für Zeiträume ab 01.01.2016, eine Saldenbestätigung der Sozialversicherungsanstalt vom 17.09.2018, der Aufenthaltstitel des nunmehrigen Ehegatten der 1.BF, eine Urkunde über die erfolgte Ehescheidung vom 31.08.2018, eine Besuchsbestätigung vom 22.03.2019 über den Besuch des Kindergartens der 2.BF, ein Zeugnis des ÖIF über eine bestandene Integrationsprüfung auf dem Niveau B1 und ein Auszug aus dem Geburtseintrag vom 14.11.2018 ein Kind des Ehegatten der 1.BF betreffend in Vorlage gebracht.

6. In einer Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 05.04.2019 wurde der 1.BF vom BFA mitgeteilt, dass festgestellt werden konnte, dass ihr eine Rückkehr in den Herkunftsstaat möglich und auch zumutbar sei. Die BF wurde unter Anschluss eines Fragenkatalogs aufgefordert, binnen 14 Tagen ab Zustellung der Verständigung allfällig eine Stellungnahme abzugeben.

7. Nach Gewährung einer Fristerstreckung wurde vom bevollmächtigten Vertreter der 1.BF ein Auszug aus dem Heiratseintrag vom 18.10.2018, eine absolvierte Deutsch Integrationsprüfung auf dem Niveau B1 am 01.09.2018, eine Nettoabrechnung für den Zeitraum März 2019, ein Lohn/Gehaltszettel des nunmehrigen Ehegatten der 1.BF vom 28.02.2019 für den Februar 2019 in Höhe von 1.500,- Euro brutto, ein Lohn/Gehaltszettel des Ehegatten der 1.BF vom 28.02.2019 für den Februar 2019 in Höhe von 1.500,- Euro brutto, ein Lohn/Gehaltszettel des Ehegatten der 1.BF vom 28.02.2019 für den Februar 2019 in Höhe von 1.500,- Euro brutto, ein Lohn/Gehaltszettel des Ehegatten der 1.BF für den April 2019 in Höhe von 1.850,- Euro brutto, mehrere Fotos der 1.BF und ein Kontoauszug der 1.BF mit einem Kontostand in Höhe von 12.731,10,- Euro in Vorlage gebracht.

8. In einer Stellungnahme der bevollmächtigten Vertreterin wurde am 07.05.2019 ausgeführt, dass die 1.BF bei ihrem letzten Besuch in die Mongolei Repressalien durch die Familie ihres Exmannes erfahren habe müssen und von diesen Personen mit einem heißen Grillspieß misshandelt worden sei. Aus den Länderfeststellungen gehe hervor, dass der 1.BF als alleinstehende Frau kein effektiver staatlicher Schutz vor weiterer Verfolgung oder staatlichen Misshandlungen zur Verfügung stehen würde. Ihre eigene Familie könne ihr keinen Rückhalt geben, weil diese mit der Heirat ihrer Tochter zum Kindesvater nicht einverstanden gewesen seien. Die 2.BF wäre einer schweren gesundheitlichen Beeinträchtigung (Lungenentzündung durch Smog) und daher einer ernsthaften Gefährdung durch lebensbedrohende Erkrankungen ausgesetzt. Eine notwendige Behandlung bzw. medizinische Versorgung sei in ihrer Heimat nicht sichergestellt. Sie würde im Falle einer Rückkehr in die Mongolei in eine existenzbedrohende Lage und faktisch in Lebensgefahr geraten. Zudem hätten beide BF ein schützenswertes Privat- und Familienleben im Bundesgebiet. Die 1.BF habe den Großteil ihres Lebens und ihrer Ausbildungszeit in China, nicht aber in der Mongolei verbracht. Die 1.BF sei unbescholten und lebe in ihrer Ehe mit ihrem legal im Bundesgebiet aufhältigen und erwerbstätigen Ehemann. Die 2.BF besuche im Bundesgebiet einen Kindergarten und habe 14-tägigen Kontakt zu dessen ebenfalls im Bundesgebiet aufhältigen Kindesvater. Eine Rückkehr würde für dieses Kind einen vollständigen Kontaktabbruch zu dessen Vater bedeuten, was jedenfalls nicht im Kindeswohl gelegen sein könne. Beide BF seien unbescholten und würden keine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellen. Die BF seien im Herbst 2015 legal eingereist und hätten durchgehend bis Juli 2018 nachweislich eine Aufenthaltsberechtigung. In Österreich würden der Ex-Ehemann, sowie der nunmehrige Ehemann der 1.BF leben. Der nunmehrige Ehegatte gehe nachweislich einer legalen Beschäftigung nach. Ein Antrag auf Familienzusammenführung sei bereits länger als sechs Monate anhängig und entscheidungsreif. Die 1.BF verfüge zwar über eine Einstellungszusage als Restaurantmanagerin in einem chinesischen Gastrobetrieb, auch könne diese Nachhilfe in Chinesisch gegeben werden. Aktuell werde der Lebensunterhalt vom Ehemann der 1.BF bestritten. Eine politische Verfolgung bestehe nicht, jedoch würde eine Rückkehr mit anderen Gefahren verbunden sein. Aufgrund des bisher Vorgebrachten bestehe ein deutliches Überwiegen der privaten Interessen gegenüber den öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung.

9. Mit Verfahrensanordnung des BFA 13.05.2019 wurde der 1.BF aufgetragen, binnen einer Frist von zwei Wochen einen Antrag auf internationalen Schutz persönlich vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder einer Sicherheitsbehörde zu stellen, andernfalls das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung fortgesetzt würde.

10. Mit Stellungnahme des Vertreters vom 07.05.2019 (AS. 171) wurden binnen offener 14 tägiger Frist bezogen auf eine Mitteilung des BFA zum Ergebnis der Beweisaufnahme, bzw. wurden einzelne Fragen des BFA wie folgt beantwortet, bzw. wurde zusammenfassend ausgeführt, dass die BF1 gemeinsam mit ihrer mj Tochter im Bundesgebiet nunmehr in aufrechter Ehe mit ihrem 2. Ehemann an einer gemeinsamen Wohnadresse wohnen würde und diese in Österreich ihren Lebensmittelpunkt hätten. Ein Antrag auf Familienzusammenführung wäre bei der MA35 bereits seit mehr als 6 Monaten anhängig. (im Akt bei AS. 120) Die BF hätte zuletzt eine Ausbildung als Flugbegleiterin absolviert und hätte diesbezüglich von 2010 bis 2015 gearbeitet. Der nunmehrige Ehemann der BF würde über ein regelmäßiges Einkommen verfügen, bzw. würde eine aufrechte Kranken- und Unfallversicherung vorliegen. Eine politische Verfolgung würde nicht bestehen, jedoch wäre die BF durch die Familienangehörigen ihres ersten Mannes bedroht. Eine Ausweisung im Sinne des §66 Abs. 1 FPG wäre im gegenständlichen Verfahren nicht zwingend geboten, bzw. würde eine solche einen unzulässigen Eingriff in besonders durch Art. 8 EMRK geschützte Rechte darstellen. Die BF hätten einen Antrag auf Familienzusammenführung mit dem Zusatzantrag gestellt, das Verfahren im Bundesgebiet abwarten zu können.

11. Aus einer eingeholten Anfrage des BFA an die Staatendokumentation vom 28.01.2020 bzw. 10.02.2020 zur Mongolei wurde ausgeführt, dass eine Beeinträchtigung durch Luftverschmutzung von zahlreichen individuellen Faktoren der betreffenden Person abhängig sei. Bezüglich der Anfrage, ob es für alleinerziehende Frauen in der Mongolei Schutz von staatlicher Seite vor familiärer Gewalt bzw. allgemein vor Gewalt gebe, wurde in der Staatendokumentation ausgeführt, dass im Rahmen des Projektes „Bekämpfung der geschlechtsspezifischen Gewalt in der Mongolei“ geschlechtsspezifische Gewalt durch die Einrichtung von Schutzeinrichtungen bekämpft werden soll. Zur Frage, ob eine alleinerziehende Frau in der Mongolei die Möglichkeit habe, sich ihr eigenes Leben ohne staatliche Unterstützung aufzubauen, wurde in der Anfragebeantwortung ausgeführt, dass es staatliches Ziel sei, für alle Kinder im Alter von zwei und fünf Jahren Kindergartenplätze zur Verfügung zu stellen. Der Mangel an Betreuungsplätzen erschwere für Eltern die Wahrnehmung beruflicher Verpflichtungen oder Arbeitssuche.

12. Mit den im Spruch angeführten Bescheiden des Bundesamtes vom 24.06.2020 wurden den BF Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt I.) und gegen die BF gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebungen gemäß § 46 FPG in die Mongolei zulässig seien (Spruchpunkt III.), gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde ausgeführt, dass die 1.BF seit 07.09.2015 durchgehend im Bundesgebiet gemeldet sei und angegeben habe, dass sie im Jahr 2017 ein Jahr wegen ihrer Scheidung in der Mongolei gewesen sei. Die 1.BF sei seit 12.11.2015 im Besitz eines Aufenthaltstitels mit dem Zweck „Student“, dieser sei ihr bis zum 12.11.2016 erteilt worden. Ihr Verlängerungsantrag vom 07.10.2016 sei rechtskräftig mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 13.07.2018 abgewiesen worden, da sie die Erteilungsvoraussetzungen nicht erfüllt habe. Am 30.10.2018 habe sie bei der MA 35 einen Erstantrag zur Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-weiß-Rot Karte plus“- Familienzusammenführung gestellt, da sie nach Ihrer Scheidung am 03.10.2018 am 18.10.2018 in Götzis erneut geheiratet habe. Die 1.BF sei verheiratet und für ein Kind sorgepflichtig, sie habe angegeben, dass sie die alleinige Obsorge habe. In Österreich habe sie ihren neuen Ehemann und Ihre Tochter, der Mann der 1.BF habe zwei Kinder aus erster Ehe. In der Mongolei würden die Eltern der 1.BF leben. Die 1.BF sei kein Mitglied in einem Verein oder einer Organisation, sie habe angegeben, dass Sie Chinesisch unterrichte und im Gegenzug Deutsch lerne. Die 1.BF gehe derzeit keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und habe angegeben, dass Sie von Ihrem Mann unterstützt werde, der als Koch tätig sei. Das Vorliegen eines Privat und Familienlebens gemäß Artikel 8 EMRK habe zwar festgestellt werden können, jedoch seien Erstanträge im Ausland abzuwarten und ergebe sich aus einem laufenden NAG Verfahren nicht automatisch ein Bleiberecht. Die 1.BF sei in der Mongolei geboren, habe dort einen Großteil Ihres Lebens verbracht, sei der mongolischen Sprache mächtig und mit den Gepflogenheiten Ihrer Heimat vertraut. Eine Rückkehr in Ihre Heimat sei somit nicht unmöglich und könne sie über soziale Medien Kontakt mit ihrem Mann und Freunden in Österreich halten. Eine kurzfristige Trennung sei somit zumutbar. Ein „real risk“ einer Verletzung des Art. 3 EMRK drohe ihnen aufgrund der COVID-19 Pandemie jedoch nicht, die 1.BF habe angegeben, dass ihre Tochter gesund sei.

14. Gegen diese Bescheide erhoben die BF durch ihre Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 24.06.2020 gleichlautende Beschwerden. In diesen wurde zusammenfassend ausgeführt, dass die Feststellung in den Bescheiden, wonach die 1.BF wegen ihrer Scheidung ein Jahr in der Mongolei gewesen sei, aktenwidrig und unrichtig sei. Bei richtiger Feststellung, dass die BF seit 07.09.2015 durchgehend im Bundesgebiet aufhältig sei, würde sich eine andere rechtliche Beurteilung, insbesondere im Hinblick auf den ersten Spruchpunkt ergeben. Die 1.BF habe im Bundesgebiet ihr Masterstudium betreiben wollen, habe es jedoch aufgrund ihrer Schwangerschaft nicht fortsetzen können. Ein schützenswertes Privat- und Familienleben der 1.BF und ihrem Ehemann liege unstrittig vor und spreche die 1.BF fließend Deutsch, wonach dieser bei richtiger rechtlicher Beurteilung eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen gewesen wäre. Einer Erwerbstätigkeit werde mit der Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung jedenfalls nachgegangen werden, insbesondere sei auch eine Einstellungszusage bereits vorgelegt worden, die 1.BF sei mit einem abgeschlossenen Studium für den Arbeitsmarkt qualifiziert und verfüge auch über hinreichende Berufserfahrung als Flugbegleiterin. Der Aufenthalt der 1.BF und ihrem Kind sei überwiegend rechtmäßig gewesen. Die 1.BF und die minderjährige 2.BF seien unbescholten, ausreichend integriert und hätten lediglich nach Ablauf ihres Aufenthaltstitels einen Erstantrag auf Familienzusammenführung im Bundesgebiet gestellt, über welchen bislang keine Entscheidung in zweiter Instanz getroffen worden sei. Im Falle einer Rückkehr würde der 1.BF die Familie ihres Ehegatten einer Furcht vor Verfolgung aussetzen. Die Abschiebung in die Mongolei stelle daher eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und Art. 3 EMRK dar. Zudem seien die Länderfeststellungen nicht vollständig. Die 2.BF wäre einer schweren gesundheitlichen Beeinträchtigung und daher einer ernsthaften Gefährdung durch lebensbedrohliche Erkrankungen ausgesetzt. Aufgrund des bisher Vorgebrachten bestehe ein deutliches Überwiegen der privaten Interessen gegenüber den öffentlichen Interessen. Die 2.BF sei in Österreich zur Welt gekommen und besuche hier einen Kindergarten, ihre Mutter und ihr Stiefvater würden in Österreich leben und sei eine Trennung von ihrem gewohnten Umfeld, insbesondere ihren Vertrauenspersonen und Bezugspersonen kindeswohlschädlich, während sie selbst keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle. Ebenso sei sie durch den Kindesvater und Naturalunterhalt vom Stiefvater abgesichert. Die belangte Behörde unterliege zudem dem Verfahrensfehler, dass sie seit dem letzten Parteiengehör im April 2019 den BF keine Möglichkeit zur Darlegung ihrer aktuellen Situation geboten habe. Das Ermittlungsverfahren sei daher mangelhaft, als es sich auf Ermittlungsergebnisse, welche ein Jahr zurückliegen würden, stütze. Die belangte Behörde hätte zeitnah zur Stellungnahme der BF zu erlassen gehabt. Die BF würden der allgemeinen Gefahr durch die COVID Pandemie sowie auch der erhöhten Gefahr durch die Luftverschmutzungswerte in der Heimat ausgesetzt seien, welche alarmierende Werte erreiche. Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, sowie, dass die gegenständlichen Bescheide aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung behoben werden, diesen in eventu ein Aufenthaltstitel gem. §56 Abs. 1 erteilt würde, bez. in eventu die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an die erste Instanz zurückverwiesen werde.

15. Mit Datum 29.12.2020 wurden dem BVwG Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichtes Wien vom 03.12.2020 übermittelt, wonach der BF1 und der BF2 jeweils der Aufenthaltstitel „Rot – Weiß – ROT – Karte – plus“ (Familienangehöriger) mit einer Gültigkeitsdauer von 12 Monaten erteilt worden ist. Zudem wurde betreffend der BF2 festgestellt, dass der Aufenthalt im Bundesgebiet im Zeitraum des Ablaufes des letztgültigen Aufenthaltstitels mit 12.11.206 und dem Beginn der Gültigkeitsdauer dieser Verlängerung rechtmäßig war.

1. Feststellungen:

1.1. Die Identitäten der BF - wie im Spruch angeführt - stehen fest. Die 1.BF ist die Mutter und alleine Obsorgeberechtigte der minderjährigen 2.BF und beide sind Staatsangehörige der Mongolei. Der leibliche Vater der 2. BF, ein ebenfalls mongolischer Staatsangehöriger, hält sich in Österreich auf und besucht die 2.BF den Angaben der 1.BF nach alle 14 Tage. Die BF1 ist seit dem 18.10.2018 mit einem sich in Österreich legal aufhältigen mongolischen Staatsbürger verheiratet und lebt mit diesem im einem gemeinsamen Haushalt.

1.2. Die 1.BF reiste 2015 mit einem Visum D, gültig von 02.09.2015 bis 01.01.2016, ins Bundesgebiet ein und verfügte im Bundesgebiet für die Zeiträume vom 12.11.2015 bis 12.11.2016 über eine Aufenthaltsbewilligung "Studierender". Ein Verlängerungsantrag vom 07.10.2016 wurde mit Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, Einwanderung und Staatsbürgerschaft vom 10.11.2017, Zl. MA35-9/3079775-04, beim BFA am 08.08.2018 eingelangt, mangels Studienerfolgs abgewiesen.

1.3 Am 30.10.2018 stellten die BF Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels einer Rot-Weiß-Rot Karte plus. Mit Erkenntnis des VGW vom 03.12.2020 wurde den BF1 und der BF2 Aufenthaltstitel „Rot – Weiß – ROT – Karte – plus“ (Familienangehöriger) mit einer Gültigkeitsdauer von 12 Monaten erteilt.

1.4.Das BFA hat in den gegenständlichen Verfahren keine ausreichenden, jedenfalls keine ausreichend aktuellen Ermittlungen betreffend des verfahrenswesentlichen Sachverhaltes, der privaten Verhältnisse, sowie insgesamt der Zulässigkeit einer Ausweisung gem. Art. 8 EMRK vorgenommen und damit die gegenständlichen Verfahren mir verfahrensrelevanten Ermittlungsmängeln belastet.

Aufgrund des auf diese Weise in wesentlichen Punkten qualifiziert ergänzungsbedürftigen Ermittlungsverfahren des BFA, als auch des gesamten Inhaltes des vorliegenden Verwaltungsaktes kann im gegenständlichen Beschwerdeverfahren nicht geklärt werden, ob eine Außerlandesbringung der Beschwerdeführerin gegenwärtig einen unzulässigen Eingriff in besonders durch Art. 8 EMRK oder aufgrund auch der aktuellen Lage im Herkunftsstaat durch Art. 3 EMRK geschützte Rechte darstellt, die Beschwerdeführer gegenwärtig die Voraussetzungen für die Gewährung des beantragten Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen erfüllen und die Vornahme einer Rückkehrentscheidung zulässig ist.

2. Beweiswürdigung:

Der angeführte entscheidungswesentliche Sachverhalt gründet sich auf den Inhalt des vorliegenden Verfahrensaktes der belangten Behörde und des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG. Zweifel an der Richtigkeit sind nicht hervorgekommen bzw. vorgebracht worden.

Betreffend die Feststellung, dass das BFA keine ausreichenden, bzw. jedenfalls keine ausreichend aktuellen Ermittlungen und Abklärungen betreffend des verfahrenswesentlichen Sachverhaltes, der privaten Verhältnisse, sowie insgesamt der Zulässigkeit einer Ausweisung gem. Art. 8 EMRK bzw. Art. 3 EMRK vorgenommen hat ist folgendes auszuführen:

Das BFA geht in dem angefochtenen Bescheid auf wesentliche Verfahrensfragen nicht, nicht ausreichend ein und ermittelt den verfahrenswesentlichen Sachverhalt jedenfalls nicht entsprechend aktualisiert und unterlässt die diesbezüglich erforderlichen Abklärungen und Abwägungen zu verfahrenswesentlichen Fragen gänzlich.

So ist festzuhalten, dass sich die Entscheidungen des BFA vom 24.Juni 2020 vorwiegend auf Ermittlungen aus der ersten Jahreshälfte des Jahres 2019 und somit ein Jahr alte Ermittlungsergebnisse stützen. Dass das BFA ergänzend zu diesen Ermittlungen aus dem Jahr 2019 vor Erlassung der gegenständlich angefochtenen Bescheide aktualisierte Ermittlungen zur Abklärung des verfahrensrelevanten Sachverhalts angestrengt hat, ist den vorliegenden Verwaltungsakten nicht zu entnehmen. Wie auch die Beschwerde diesbezüglich zu Recht moniert, ist der von der Verwaltungsbehörde damit ermittelte Sachverhalt nicht aktuell und ist somit diesbezüglich grundlegend ergänzungsbedürftig, bzw. ist der angefochtene Bescheid damit in den angeführten Punkten begründungslos ergangen.

Dem vorliegenden Verwaltungsakt ist damit zu entnehmen, dass das BFA eine wie in ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung insbesondere in Bezug auf Art. 8 EMRK, aber auch Art. 3 EMRK geforderte zeitnah vor einer Entscheidung vorzunehmende aktualisierte Abklärung auch der privaten Verhältnisse und des Gesundheitszustandes der BF unterlassen hat. Die gegenständlichen Bescheide stützen sich somit auch hierauf bezogen im Wesentlichen auf Ermittlungsergebnisse die zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung deutlich ein Jahr zuvor vorgenommen worden sind. Die Beschwerde moniert auch hierauf bezogen zu Recht, dass seit diesem Zeitpunkt keinerlei aktualisierte Abklärungen vorgenommen worden sind, bzw. den BF nicht die Gelegenheit zu weiteren, bzw. aktualisierten Ausführungen eingeräumt worden ist. Aktuelle bzw. auch ausreichende Ermittlungen betreffend die gegenwärtige persönliche und familiäre Situation der BF sind dem gegenständlichen Bescheid nicht zu entnehmen.

Dies ist in casu umso mehr bedeutend, als etwa auch hinsichtlich der minderjährigen BF2 bereits im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens im Jahr 2019 explizit ausgeführt wurde, dass die BF2 einen regelmäßigen Kontakt mit ihrem leiblichen Vater, der sich ebenfalls in Österreich aufhalten würde, pflegen würde. Inwieweit eine allfällig auch nur kurzfristige Trennung durch eine Rückkehr in die Mongolei von ihrem leiblichen Vater, als auch von ihrem nunmehrigen Ziehvater einen unzulässigen Eingriff in besonders durch Art. 8 EMRK geschützte Rechte darstellt kann aufgrund der diesbezüglich insgesamt nicht ausreichend, bzw. jedenfalls nicht aktuell abgeklärten persönlichen Verhältnisse abschließend nicht geklärt werden. Auch, ob hinsichtlich der BF1 zum verfahrensrelevanten Zeitpunkt der Erlassung des gegenständlichen Bescheides nunmehr aktuell ein berücksichtigungswürdiges Privat – oder Familienleben oder auch ein allfälliges besonders zu berücksichtigendes Abhängigkeit – oder Naheverhältnis mit sich im Bundesgebiet aufhältigen Personen besteht wurde ausreichend und entsprechend aktuell nicht abgeklärt.

Ferner ist festzuhalten, dass die BF1 bereits in ihrer Einvernahme, bzw. insbesondere auch in in Stellungnahmen des gewillkürten Vertreters im Jahr 2019 ausgeführt hat, dass diese aufgrund ihrer persönlichen Situation in der Mongolei bedroht worden wäre, bzw. auch wirtschaftlich bei einer Rückkehr allfällig nicht in der Lage wäre sich und ihr Kind im Herkunftsstaat aktuell zu versorgen. Insbesondere auch bezogen auf die gegenwärtige weltweite Corona 19 Pandemie sind zur diesbezüglich veränderten und aktuellen Lage im Herkunftsstaat dem gegenständlichen Bescheid des BFA keine entsprechend aktualisierten Länderfeststellungen zu Grunde gelegt worden, bzw. ist die Lage bezüglich dieser Pandemie gänzlich unerwähnt geblieben. Dem gegenständlich angefochtenen Bescheid ist nicht zu entnehmen, dass insbesondere auch diesbezüglich aktualisierte Länderfeststellungen den gegenständlich angefochtenen Bescheiden zu Grunde gelegt wurden oder entsprechende Ermittlungen zur aktuellen Lage in der Mongolei vorgenommen worden, zumal sich die Länderfeststellungen großteils auf die Lage im Jahr 2018 in der Mongolei beziehen. Den angefochtenen Bescheiden sind somit insgesamt keine ausreichenden hierauf bezogenen Feststellungen zu entnehmen. Den BF wurde zudem insbesondere auch bezogen auf die aktuelle Situation in der Mongolei nicht die Gelegenheit eingeräumt allfällige weitere und aktuellen Ausführungen zu erstatten. Auch hierauf bezogen ist eine abschließende Beurteilung der Zumutbarkeit und Möglichkeit einer Rückkehr für die BF in die Mongolei aufgrund des vorliegenden Inhaltes des Verwaltungsaktes durch das BVwG in den gegenständlichen Verfahren nicht möglich. Das BFA wird im fortgesetzten Verfahren den BF somit den BF entsprechend aktualisierte Länderfeststellungen den BF zur Kenntnis zu bringen haben und diesen in Folge die Gelegenheit einzuräumen haben hierauf bezogen allfällige Ausführungen zu erstatten.

Auch wurden betreffend der konkreten privaten Verhältnisse der BF in Österreich keine, bzw. keine ausreichend aktuellen Abklärungen in Bezug auf die Zulässigkeit eines Eingriffes in besonders durch Art. 8 EMRK geschützte Rechte durch eine Außerlandesbringung der BF, sowie hinsichtlich einer allfälligen gegenwärtigen Erfüllung der Voraussetzungen der Gewährung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen vorgenommen.

Das BFA hat ferner nicht, obwohl es hierzu die Gelegenheit gehabt hätte, bzw. die BF im gegenständlichen Verfahren über eine gewillkürte Vertretung verfügen, aktualisiert vor der Erlassung der gegenständlichen Bescheide ausreichend abgeklärt, ob den Beschwerdeführern ein allfällig sonstiges Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet zukommt und der Ausspruch der Rückkehrentscheidungen in den gegenständlichen Verfahren zum Zeitpunkt der Erlassung der gegenständlichen Bescheide rechtlich geboten war. Auf die Ausführungen der Vertretung, dass ein entsprechender Aufenthaltstitel bereits beantragt ist und hierüber rechtskräftig nicht abgesprochen worden ist, wird insgesamt nicht eingegangen und hierzu keine, bzw. keine ausreichenden Feststellungen vorgenommen.

Zudem wurden seitens des BFA keine ausreichend aktuellen Länderinformationen betreffend die gegenwärtige Lage im Herkunftsstaat der BF, insbesondere auch unter Berücksichtigung der gegenwärtig weltweiten Corona 19 Pandemie, dem gegenständlich angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegt.

Aufgrund des Inhaltes des vorliegenden Verwaltungsaktes ist eine abschließende Klärung der Frage ob die BF die Voraussetzungen der Gewährung eines Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen erfüllen, eine Außerlandesbringung der BF gegenwärtig einen unzulässigen Eingriff in besonders durch Art. 8 EMRK oder Art. 3 EMRK geschützte Rechte darstellt, bzw. die Vornahme einer Rückkehrentscheidung gegenwärtig rechtlich geboten bzw. zulässig ist, nicht möglich.

Das BFA hat somit, obwohl es jederzeit die Möglichkeit dazu gehabt hat, die BF waren für die Behörde jederzeit erreichbar als auch gewillkürt vertreten, in den vorliegenden Verfahren somit insgesamt keine ausreichenden, sowie keine ausreichend aktuellen Ermittlungen und Feststellungen vorgenommen, sondern hat seine Entscheidung im Wesentlichen auf qualifiziert veraltete Ermittlungsergebnisse gestützt. Wie die Beschwerde zu Recht moniert hätte die belangte Behörde ihre Entscheidung zeitnah zur letzten Stellungnahme der BF zu erlassen gehabt.

Das BFA wird somit diesbezüglich ergänzende und aktualisierte Ermittlungen, insbesondere auch durch eine allfällige Vornahme einer ergänzenden und die private Situation der BF aktuell ganzheitlich umfassenden Einvernahme vorzunehmen haben, sowie den BF die Gelegenheit einzuräumen haben unter Zugrundelegung von aktuellen Länderfeststellungen ihre Rückkehrbefürchtungen darzulegen, bzw. wird aktuell zu beurteilen haben, ob gegenwärtig die Vornahme einer Rückkehrentscheidung zulässig ist.

Erst unter Zugrundelegung von wie oben ausgeführt ausreichenden und entsprechend zeitnah vor der Entscheidung vorgenommener Ermittlungen insbesondere in Bezug auf die wesentlichen Sachverhaltselemente betreffend der Erteilung eines Aufenthaltstitels aus besonders zu berücksichtigenden Gründen, einer zeitnah vor einer Entscheidung abgeklärten Zulässigkeit eines allfälligen Eingriffes gem. Art. 8 EMRK und Art3 EMRK und unter Berücksichtigung auch der aktuellen Lage im Herkunftsstaates, als auch der Berücksichtigung von bestehenden Aufenthaltsrechten kann in den gegenständlichen Verfahren eine valide Entscheidung vorgenommen werden, bzw. wird erst nach Nachholung dieser erforderlichen Ermittlungen es dem BVwG im Beschwerdefall möglich sein eine abschließende Entscheidung zu treffen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

1.1. Gemäß § 7 BFA-VG idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes ist daher im vorliegenden Beschwerdeverfahren gegeben.

Zu A) Zurückverweisung der Beschwerde

1.2. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, allerdings mit dem Unterschied, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht erforderlich ist (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren 2013, § 28 VwGVG, Anm. 11.)

§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn „die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen“ hat.

Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu der vergleichbaren Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG ergibt sich, dass nur Mängel der Sachverhaltsfeststellung d.h. im Tatsachenbereich zur Behebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit berechtigen (vgl. VwGH 19.11.2009, 2008/07/0168).

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit den Erkenntnissen vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315 und Zl. 2000/20/0084, grundsätzliche Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG im Asylverfahren im Allgemeinen und durch den Unabhängigen Bundesasylsenat im Besonderen getätigt. Dabei hat er im letztgenannten insbesondere ausgeführt: "Bei der Abwägung der für und gegen eine Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG sprechenden Gesichtspunkte muss nämlich auch berücksichtigt werden, dass das Asylverfahren nicht nur möglichst kurz sein soll. Zur Sicherung seiner Qualität hat der Gesetzgeber einen Instanzenzug vorgesehen, der zur belangten Behörde und somit zu einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens führt (vgl. bereits das Erkenntnis vom 16. April 2002, Zl. 99/20/0430). Die der belangten Behörde in dieser Funktion schon nach der Verfassung zukommenden Rolle einer obersten Berufungsbehörde (Art. 129c 1 B-VG) wird aber ausgehöhlt und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem erstinstanzlichen Verfahren vor der Berufungsbehörde nähert, weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht, entsprechend zeitnah aktualisiert einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat, als auch im Bundesgebiet in das Verfahren einzuführen. Diese über die Unvollständigkeit der Einvernahme hinaus gehenden Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens sprechen auch bei Bedachtnahme auf die mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens unter dem Gesichtspunkt, dass eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst bei der "obersten Berufungsbehörde" beginnen und zugleich - abgesehen von der im Sachverhalt beschränkten Kontrolle der letztinstanzlichen Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof - bei derselben Behörde enden soll, für die mit der Amtsbeschwerde bekämpfte Entscheidung."

1.3. Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Rechtsprechung eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit (aktuellen) Länderberichten verlangt (VwGH vom 26.11.2003, Zl. 2003/20/0389).

Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof, in nunmehr ständiger Rechtsprechung (vgl. Erkenntnis vom 24.02.2009, Zl. U 179/08-14 u.a.) ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit dem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhalts (vgl. VfSlg.15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 m.w.N., 14.421/1996, 15.743/2000).

2. In seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063-4 hat der Verwaltungsgerichtshof zuletzt in Hinblick auf die nach § 28 Abs. 3 VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit ausgesprochen, dass prinzipiell eine meritorische Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte bestehe und von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen beziehungsweise besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden könne. Diesbezüglich führte er aus, dass eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen insbesondere dann in Betracht komme, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gelte, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.

3. Die belangte Behörde hat die von der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geforderten Maßstäbe eines umfassend ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens in den gegenständlichen Verfahren missachtet. In den gegenständlichen Verfahren wurde ebenso gegen die in § 18 AsylG 2005 determinierten Ermittlungspflichten verstoßen. Der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 18 AsylG 2005 bestimmt nämlich, dass das Bundesamt in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken hat, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt werden, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt oder überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen.

Diese Rechtsnorm, die eine Konkretisierung der aus § 37 iVm. § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörde darstellt, den maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen, hat die belangte Behörde in diesem Verfahren jedoch missachtet.

Das Bundesamt hat betreffend mehrere wesentlichen Verfahrensfragen den hierzu abzuklärenden entscheidungsrelevanten Sachverhalt nicht, nicht ausreichend, sowie jedenfalls nicht aktuell und abschließend umfassend ermittelt und festgestellt. Auch hat das BFA die bei der Beweiswürdigung angeführten verfahrenswesentliche Feststellungen nicht unter Zugrundelegung der aktuellen Situation der Beschwerdeführer in Bezug auf ihre persönlichen Verhältnisse, bzw. auch bezogen auf die aktuelle Lage im Herkunftsstaat, insb. auch in Bezug auf die weltweite Corona 19 bedingte Situation, getroffen und hat die aufenthaltsrechtliche Situation der BF im Bundesgebiet, sowie die Zulässigkeit der Vornahme von Rückkehrentscheidungen insgesamt ausreichend und entsprechend zeitnah vor der getroffenen Entscheidung nicht abgeklärt.

Das BFA geht in dem angefochtenen Bescheid somit auf wesentliche Verfahrensfragen nicht, nicht ausreichend und jedenfalls nicht entsprechend aktualisiert ein, bzw. unterlässt die diesbezüglich erforderlichen Abklärungen und Abwägungen gänzlich. Es ist festzuhalten, dass sich die Entscheidungen des BFA vom 24.Juni 2020 vorwiegend auf Ermittlungen aus der ersten Jahreshälfte des Jahres 2019 und somit ein Jahr alte Ermittlungsergebnisse stützen. Dass das BFA ergänzend zu diesen Ermittlungen aus dem Jahr 2019 vor Erlassung der gegenständlich angefochtenen Bescheide aktualisierte Ermittlungen zur Abklärung des verfahrensrelevanten Sachverhalts angestrengt hat, ist den vorliegenden Verwaltungsakten nicht zu entnehmen. Wie auch die Beschwerde diesbezüglich zu Recht moniert, ist der von der Verwaltungsbehörde damit ermittelte Sachverhalt nicht aktuell und ist somit diesbezüglich grundlegend ergänzungsbedürftig, bzw. ist der angefochtene Bescheid damit in den angeführten Punkten begründungslos ergangen.

Das BFA wird somit diese Ermittlungen im Zuge eines umfassenden weiteren Ermittlungsverfahrens, bzw. durch eine ergänzende Befragung nachzuholen und aktuell abzuklären haben. Erst auf diese aktuellen Abklärungen aufbauend wird es der Behörde möglich sein eine valide Entscheidung im gegenständlichen Verfahren zu treffen.

Die Vornahme solcherart verfahrenswesentlicher Abklärungen kann nicht gänzlich zur erstmaligen bzw. vollständigen Ermittlung im Beschwerdeverfahren an das BVwG delegiert werden. Insbesondere ist darauf zu verweisen, dass gerade in Verfahren in denen gem. Art. 8 EMRK relevante Aspekte entscheidungsrelevant sind eine möglichst zeitnahe Entscheidung nach der Ermittlung des diesbezüglichen Sachverhaltes anzustreben ist, da sich ansonsten, wie im gegenständlichen Verfahren, wesentliche Veränderungen ergeben können die erst nach der Einvernahme entstehen können, jedoch entscheidungsrelevant sein können.

Eine solcherart gänzliche erstmalige Vornahme eines betreffend der oben angeführten Punkte verfahrenswesentlich neu und aktuell durchzuführenden Ermittlungsverfahrens, als auch eine solcherart darauf aufbauende erstmalige Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann jedenfalls nicht im Sinne des Gesetzes liegen.

Dies insbesondere auch unter besonderer Berücksichtigung des Umstandes, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als Spezialbehörde für die Ermittlung des wesentlichen Sachverhaltes primär zuständig ist und eine sämtliche verfahrensrelevanten, sowie aktuellen Aspekte abdeckende Ermittlung und Prüfung eines Antrages nicht erst beim BVwG beginnen und zugleich enden soll.

Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht „im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden“ wäre, ist – auch angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteiverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes- nicht ersichtlich.

Da der maßgebliche Sachverhalt in den gegenständlichen Verfahren somit nach wie vor in verfahrensrelevant wesentlichen Punkten nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen dem Antrag der Beschwerdeführerin den angefochtenen Bescheid zu beheben und an das BFA zurückzuverweisen stattzugeben.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist hier nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aktuelle Länderfeststellungen Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht individuelle Verhältnisse Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W168.2233949.1.00

Im RIS seit

05.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

05.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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