TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/19 W240 2241383-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.04.2021
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Entscheidungsdatum

19.04.2021

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art133 Abs4
FPG §61

Spruch


W240 2241385-1/3E
W240 2241382-1/3E
W240 2241383-1/3E
W240 2241384-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. FEICHTER über die Beschwerden von XXXX , alle StA Iran, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 17.03.2021, Zlen. 1271759303/201207188 (ad 1.), 1271759510/201207196 (ad 2.), 1271758905/201207234 (ad 3.), und 1271759009/201207218 (ad 4.) zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der 1.-Beschwerdeführer (BF1) ist der Ehegatte der 2.-Beschwerdeführerin (BF2), beide sind Eltern des minderjährigen (mj.) 3.-Beschwerdeführers (BF3) und der minderjährigen 4.-Beschwerdeführerin (BF4). Sie gelangten spätestens am 01.12.2020 nach Österreich. Der BF1 und die BF2 stellten am 01.12.2020 gegenständliche Anträge auf internationalen Schutz in Österreich für sich und die minderjährigen Beschwerdeführer.

Betreffend den BF1 und die BF2 liegt eine EURODAC-Treffermeldung der Kategorie 1 (Asylantragstellung) am 21.07.2020 zu Kroatien sowie EURODAC-Treffermeldungen der Kategorie 2 (erkennungsdienstliche Behandlung) am 21.10.2019 zu Griechenland und am 21.07.2020 zu Kroatien vor.

Im Verlauf der Erstbefragung am 01.12.2020 gab der BF1 insbesondere an, dass in Österreich abgesehen von seiner Ehefrau und seinen Kindern keine Familienangehörigen aufhältig seien. Er sei über die Türkei nach Griechenland und Serbien weiter nach Bosnien gelangt, dort sei er rund elf Monate gewesen. Seit 01.12.2020 lebe er in Österreich. Er und seine Familie hätten sich in Griechenland in einer schrecklichen Situation befunden, weil sie keine Hilfe von der Regierung erhalten hätten. Er habe in Griechenland einen Asylantrag gestellt, wolle aber nicht dorthin zurück. Er wolle mit seiner Familie in Österreich bleiben, hier fühle er sich sicher.

Die BF2 gab im Laufe der Erstbefragung am 01.12.2020 insbesondere an, es wären in Österreich neben dem Ehemann und den Kindern keine Familienangehörigen aufhältig. In England sei ein volljähriger Bruder asylberechtigt und in Deutschland sei ein volljähriger Bruder asylberechtigt.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) am 09.12.2020 ein auf
Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (in der Folge: Dublin III-VO), gestütztes Wiederaufnahmegesuch an Kroatien. Angeführt wurde im Antrag die EURODAC-Treffermeldung der Kategorie 1 (Asylantragstellung) in Kroatien und die behauptete Reiseroute.

Mit Schreiben vom 22.12.2020 stimmte die kroatische Dublin-Behörde der Rückübernahme aller Beschwerdeführer gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO ausdrücklich zu.

Bei der niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA am 07.01.2021 wurden zahlreiche Kopien von Dokumenten (Kopien ID-Karte des BF1 und der BF2, Heiratsurkunde, Studentenausweis, Melderegister der BF2, diverse Internetartikel betreffend „Pushbacks“ der kroatischen Behörden samt Bilder der Balkanroute, Berichte über Misshandlung von Migranten usw.) vorgelegt und gab der Erstbeschwerdeführer insbesondere an:

„(…)

LA: Fühlen Sie sich psychisch und physisch in der Lage, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten?

VP: Ja.

LA: Waren Sie seit Ihrer Antragstellung in Österreich in ärztlicher Behandlung (ausgenommen Erstuntersuchung)?

VP: Nein, nur wegen Zahnproblemen, aber sonst gar nichts.

LA: Leiden Sie an irgendwelchen Krankheiten oder benötigen Sie Medikamente?

VP: Nein, ich bin gesund.

LA: Sind Sie damit einverstanden, dass ho. Behörde Einsicht in bereits vorliegende und künftig erhobene ärztliche Befunde nehmen kann, sowie dass die Sie behandelnden Ärzte, als auch behördlich bestellte ärztliche Gutachter wechselseitig Informationen zu den Ihre Person betreffenden erhobenen ärztlichen Befunde austauschen können? Sind Sie weiters mit der Weitergabe Ihrer medizinischen Daten an die Sicherheitsbehörde und die für die Grundversorgung zuständigen Stellen einverstanden? Sie werden darauf hingewiesen, dass ein Widerruf Ihrer Zustimmung jederzeit möglich ist.

VP: Ich bin damit einverstanden.

LA: Es wurde Ihnen das Info- und Belehrungsblatt zum Ermittlungsverfahren (Wahrheits- und Mitwirkungspflicht, vertrauliche Behandlung, Konsequenzen von Falschaussagen, Rechtsberater, Ablauf der Niederschrift, Meldepflichten, etc.) in einer verständlichen Sprache bereits im Zuge der Erstbefragung zur Kenntnis gebracht und mit Ihnen gemeinsam erläutert. Haben Sie den Inhalt verstanden und sind Ihnen die damit verbundenen Rechte und Pflichten bewusst?

VP: Ja.

Anmerkung: Ihnen wurde eine Verfahrensanordnung gem. § 29 Abs. 3 AsylG 2005 zu eigenen Handen zugestellt. Anhand dieser Verfahrensanordnung wurde Ihnen zur Kenntnis gebracht, dass im gegenständlichen Fall Konsultationsverfahren mit Kroatien geführt werden. Aus diesem Grund fand am 07.01.2021 ein Rechtsberatungsgespräch statt (Anm. Rechtsberatungsgespräch von 08:20 Uhr bis 08:40 Uhr).

LA: Sind Sie in diesem Verfahren vertreten?

VP: Nein.

LA: Sie wurden zu diesem Antrag auf int. Schutz bereits am 01.12.2020 durch die FGA XXXX erstbefragt. Entsprechen die dabei von Ihnen gemachten Angaben der Wahrheit bzw. möchten Sie dazu noch Korrekturen oder Ergänzungen anführen?

VP: Im Grunde ist alles korrekt. Es gibt nur ein paar Übersetzungsfehler, ich habe das mit Google überprüft. Ich habe einen Schwager in Österreich, er ist seit ca. zehn oder elf Jahren hier, es wurde aber protokolliert, dass er in Deutschland ist. Er wohnt in XXXX und heißt XXXX , ca. 30 Jahre alt, er hat eine österreichische Ehefrau und ein Kind. Er ist bereits österreichischer Staatsbürger. Nachgefragt gebe ich an, dass meine Frau immer Kontakt zu ihrem Bruder, auch als wir noch im Iran waren. Finanziell oder sonst wurden wir bis jetzt von meinem Schwager nicht unterstützt, es war auch nicht notwendig. Vielleicht hat er manchmal Geschenke für unsere Kinder mitgenommen, aber ansonsten nichts.

LA: Haben Sie in Österreich, im Bereich der EU, in Norwegen oder in Island Verwandte, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung besteht?

VP: Außer meinem Schwager niemanden.

LA: Gibt es noch andere Personen hier in Österreich, von denen Sie abhängig wären oder zu denen ein besonders enges Verhältnis besteht?

VP: Nein.

LA: Haben Sie Dokumente, die Ihre Identität bestätigen?

VP: Nein. Die Identitätsunterlagen sind im Iran. Nachgefragt gebe ich an, dass ich momentan kein Handy habe, aber mit dem Handy eines Freundes kann ich das besorgen.

Anmerkung: Dem Antragsteller wird eine Frist von 14 Tagen gewährt. Also bis 21.Jänner 2021.

Sind Sie damit einverstanden?

VP: Ja.

LA: Haben Sie sich jemals um ein Visum für einen EU-Staat bemüht?

VP: Nein.

LA: Sie wurden bereits im Zuge der Erstbefragung zu Ihrem Reiseweg befragt. Stimmen Ihre diesbezüglichen Angaben?

VP: Es ging darum, wo wir einen Asylantrag gestellt hatten, und wir haben geantwortet in Griechenland, weil wir nirgend woanders einen Asylantrag gestellt haben.

V: Der Staat Kroatien stimmte in Ihrem Fall bereits mit Anschreiben vom 28.12.2020 gem. Art. 18 (1) b der Dublin-III-Verordnung 604/2013 zu. Seitens des BFA ist nunmehr geplant, gegenständlichen Antrag auf int. Schutz gem. § 5 AsylG 2005 zurückzuweisen und Sie aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Kroatien auszuweisen.

LA: Wollen Sie sich zur beabsichtigten Vorgehensweise des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl äußern?

VP: Ich muss einiges genau erklären, das ist sehr wichtig bezüglich Kroatien. Wir waren in Kroatien, wir haben aber dort nie einen Asylantrag gestellt. Wir haben insgesamt achtmal versucht, weiterzureisen nach Westeuropa. Das ist uns nicht gelungen, jedes Mal aus irgendeinem Grund ist unser Versuch gescheitert. Beim achten Versuch wurden wir von der kroatischen Polizei aufgegriffen. Wir waren ca. sieben bis acht Flüchtlinge, d. h. meine Familie und drei oder vier weitere Personen. Die Polizei hat uns mit einem Auto mitgenommen, um uns nach Bosnien zurückzubringen. Man hat uns geschlagen, unsere ganzen Sachen wurde beschlagnahmt, Das Geld, unser Handy, alles was wir hatten. Das war für uns nicht überraschend, weil wir immer so von der kroatischen Polizei behandelt wurden. Der Unterschied war, dass diesmal nur zwei männliche Beamten anwesend waren, vorher waren immer auch weibliche Polizistinnen dabei. Das Auto ist irgendwo stehengeblieben, meine Frau musste aussteigen, wir, ich, meine Kinder und andere Flüchtlinge sind im Auto geblieben. Ich kann nur vermuten, das war kurz vor der bosnischen Grenze, weil die Polizei uns nach Bosnien bringen wollte, deswegen vermute ich. Ich konnte meine Frau nicht mehr sehen, ich habe auf einmal nur laute Schreie meiner Frau gehört. Ich wusste nicht, was die Polizeibeamten mit ihr gemacht hatten, ich war sehr besorgt, ich war völlig außer Kontrolle, ich habe versucht die Tür aufzumachen, um nachzusehen, was los ist. Im Auto war zu diesem Zeitpunkt kein Polizist. Als ich ausgestiegen bin, habe ich gesehen, dass meine Frau, gezwungen wurde, ihre Jacke auszuziehen. Ich habe meine Frau mehrfach gefragt, was los ist, sie hat nur geweint und nichts gesagt. Weil ich laut protestiert hatte, wurde ich auch von der kroatischen Polizei (zwei Personen) brutal geschlagen. Sie haben und dann alle wieder ins Auto gezerrt. Fünfundzwanzig Kilometer weiter mussten wir wieder aussteigen. So wurden wir nach Bosnien zurückgebracht. Während der Fahrt hat meine Frau nur geweint, aber nichts gesagt, als wir dann in Bosnien in irgendeinem Wald abgesetzt wurden und die Polizeibeamten weg waren, hat mir meine Frau weinend erzählt, dass sie von diesen Polizeibeamten sexuell belästigt wurde. Sie haben ihre Brüste berührt usw.. Ich habe meine Frau gefragt, warum sie mir das in Anwesenheit der Polizisten nicht gesagt hatte, sie wollte, dass es zu keinem Streit zwischen mir und den Polizeibeamten komme. Sie hat nur versucht, etwas Schlimmeres zu verhindern. Dann haben wir mit einem Schlepper gesprochen und er hat uns garantiert, dass er uns nach Österreich bringen kann. Wir wurden aber wieder von der kroatischen Polizei aufgegriffen und festgenommen, Diesmal habe sie uns in ein Quarantäne Camp gebracht. Man sagte uns, dass wir acht bei zehn Tage dortbleiben müssen. Die Lage war dort unerträglich, meine Kinder sind beide krank geworden und während dieser Zeit hat man auch unsere Fingerabdrücke abgenommen. Man hat gesagt, danach werden ihr betreut und wir haben dort gesagt, dass wir keinen Asylantrag stellen wollen und meine Frau wollte nur diese Grenzpolizisten wegen sexueller Belästigung anzeigen. Die kroatische Polizei sagte uns, dass die Voraussetzung für eine Anzeige und jegliche Ermittlungen eine Fingerabdruckabnahme wäre. Unter solchen Voraussetzungen haben wir unsere Fingerabdrücke abgegeben, es gab keinen anwesenden Dolmetscher und wir wurden nur von der Polizei beschimpft. Sie haben alles unsere Anzeigeversuche ignoriert, meine kranken Kinder haben keine Medikamente bekommen und auch keine Betreuung. Nachdem wir unsere Fingerabdrücke abgegeben haben und unsere Anzeige ignoriert wurde, wurden wir wieder nach Bosnien abgeschoben. Was Sie im Akt als Asylantrag haben, war kein Asylantrag, wir wurden gezwungen unsere Fingerabdrücke abzugeben. Wir haben noch einmal versucht weiterzureisen, nach diesem neuerlichen Versuch haben wir es geschafft mit einem LKW nach Österreich weiterzufahren. Ich habe alles verkauft was ich hatte, bis ich Österreich erreicht habe, ich habe ca. 12.000 Euro ausgegeben.

LA: Warum haben Sie das nicht in der Erstbefragung angegeben?

VP: Weil wir nicht gefragt wurden.

LA. Haben Sie sich aufgrund des Vorfalles (sexuelle Belästigung Ihrer Frau) an eine Hilfsorganisation wie das Rote Kreuz oder Amnesty International o.ä. gewandt?

VP: Wir waren in Gewahrsam der kroatischen Polizei, wir konnten uns dort nicht frei bewegen.

LA: Können Sie für diesen Vorfall Zeugen namhaft machen?

VP: Nein, es waren andere Flüchtlinge, die wir nicht kannten, wir waren nur gemeinsam im Flüchtlings Camp. Ich kann nur einen Namen nenne, eine andere Iranerin namens XXXX , sie war mit uns in diesem Auto. Nachgefragt gebe ich an, dass ich sie wahrscheinlich wiederfinden kann, aber ob sie bereit ist auszusagen, weiß ich nicht. Sie war nur mit mir im Auto, die Belästigung hat sie nicht gesehen, ich auch nicht. Nachgefragt gebe ich nochmals an, dass wir regelmäßig dort geschlagen wurden. Wir waren in keinem Camp. Das war eher ein Gefängnis, unsere Familie war nur in einem Zimmer. Den genauen Ort weiß ich nicht. Sonst gab es keine weiteren Zwischenfälle.

LA: Ihnen wurden bereits am 20.11.2020 die aktuellen Länderfeststellungen zur Lage in Kroatien ausgefolgt. Möchten Sie nunmehr eine Stellungnahme zu dieser Länderfeststellung abgeben?

VP: Ich habe das erhalten, aber nicht gelesen, ich kann das nicht lesen.

LA: Haben Sie abschließend noch irgendwelche Fragen oder Vorbringen?

VP: Es gibt auch ein Video von BBC, es gibt einen ausführlichen Bericht über die Lage er Flüchtlinge in Kroatien, Einige iranische Flüchtlinge haben in diesem Film mit dem Reporter von BBC gesprochen, und die Lage ausführlich geschildert. Ich habe dieses Video und kann das auch gerne vorlegen. Meine genannte Zeugin Fr. XXXX wurde auch in diesem Film integriert.

Die Frau Rechtsberaterin hat folgendes Vorbringen:

RB: Aufgrund der vorgebrachten Vorfälle, kann bei einer Rücküberstellung nach Kroatien nicht von einer menschenrechtswürdigen Behandlung ausgegangen werden und würde eine Rücküberstellung Artikel 3 EMRK widersprechen. Ich beantrage aufgrund der Umstände eine Zulassung zum Verfahren und wird daher ein Selbsteintritt beantragt.

Die Fr. Rechtsberaterin hat keine weiteren Fragen oder Vorbringen.

LA: Wurde Ihnen ausreichend Zeit eingeräumt, Ihre Angaben vollständig und so ausführlich wie Sie es wollten zu machen?

VP: Ja.

LA: Wollen Sie noch etwas angeben, was Ihnen besonders wichtig erscheint?

VP: Nein.

(…)“

Bei der niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA am 07.01.2021 gab die Zweitbeschwerdeführerin insbesondere an:

„(…)

VP: Möchten Sie aufgrund des von Ihrem Mann geschilderten angeblichen Vorfalles (sexuelle Belästigung) durch Polizisten in Kroatien einen weiblichen Dolmetscher oder Referenten/in zur Einvernahme?

VP: Nein, ich brauche keinen weiblichen Referenten.

LA: Welche ist Ihre Muttersprache und welche Sprachen sprechen Sie sonst noch?

VP: Meine Muttersprache ist Farsi, ich spreche aber auch Türkisch. Ich bin damit einverstanden, dass die Einvernahme in der Sprache Farsi, welche ich ausreichend beherrsche, durchgeführt wird.

Meine heutigen Angaben gelten auch für meine beiden minderjährigen Kinder XXXX , beide StA: Iran.

LA: Wie verstehen Sie den anwesenden Dolmetscher?

VP: Gut.

LA: Liegen Befangenheitsgründe oder sonstigen Einwände gegen die anwesenden Personen vor?

VP: Nein.

LA: Fühlen Sie sich psychisch und physisch in der Lage, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten?

VP: Ja.

LA: Waren Sie oder eines Ihrer Kinder seit Ihrer Antragstellung in Österreich in ärztlicher Behandlung (ausgenommen Erstuntersuchung)?

VP: Mein Sohn und ich benötigen psychische Betreuung, im Moment sind wir nicht in Behandlung. Ich habe das auch im Flüchtlings Camp gemeldet, man sagte, dass es momentan wegen der Corona Situation schwierig ist, aber ich werde bald psychische Hilfe bekommen. Bei mir geht es vor allem um Schlafstörungen und diese schlechte Erinnerung.

LA: Leiden Sie oder Ihre Kinder an irgendwelchen Krankheiten oder benötigen Sie Medikamente?

VP: Nein.

LA: Sind Sie damit einverstanden, dass ho. Behörde Einsicht in bereits vorliegende und künftig erhobene ärztliche Befunde nehmen kann, sowie dass die Sie behandelnden Ärzte, als auch behördlich bestellte ärztliche Gutachter wechselseitig Informationen zu den Ihre Person betreffenden erhobenen ärztlichen Befunde austauschen können? Sind Sie weiters mit der Weitergabe Ihrer medizinischen Daten an die Sicherheitsbehörde und die für die Grundversorgung zuständigen Stellen einverstanden? Sie werden darauf hingewiesen, dass ein Widerruf Ihrer Zustimmung jederzeit möglich ist.

VP: Ich bin damit einverstanden.

LA: Es wurde Ihnen das Info- und Belehrungsblatt zum Ermittlungsverfahren (Wahrheits- und Mitwirkungspflicht, vertrauliche Behandlung, Konsequenzen von Falschaussagen, Rechtsberater, Ablauf der Niederschrift, Meldepflichten, etc.) in einer verständlichen Sprache bereits im Zuge der Erstbefragung zur Kenntnis gebracht und mit Ihnen gemeinsam erläutert. Haben Sie den Inhalt verstanden und sind Ihnen die damit verbundenen Rechte und Pflichten bewusst?

VP: Ja.

Anmerkung: Ihnen wurde eine Verfahrensanordnung gem. § 29 Abs. 3 AsylG 2005 zu eigenen Handen zugestellt. Anhand dieser Verfahrensanordnung wurde Ihnen zur Kenntnis gebracht, dass im gegenständlichen Fall Konsultationsverfahren mit Kroatien geführt werden. Aus diesem Grund fand am 07.01.2021 ein Rechtsberatungsgespräch statt (Anm. Rechtsberatungsgespräch von 08:20 Uhr bis 08:40 Uhr).

LA: Sind Sie in diesem Verfahren vertreten?

VP: Nein.

LA: Sie wurden zu diesem Antrag auf int. Schutz bereits am 01.12.2020 durch die FGA XXXX erstbefragt. Entsprechen die dabei von Ihnen gemachten Angaben der Wahrheit bzw. möchten Sie dazu noch Korrekturen oder Ergänzungen anführen?

VP: Es geht nur um einen Fehler meines Bruders, er lebt in XXXX , nicht in Deutschland. Er heißt XXXX , er ist drei Jahre jünger als ich. Er ist inzwischen österreichischer Staatsbürger, ist verheiratet mit einer österreichischen Frau und hat auch ein Kind, etwa drei oder vier Jahre. Nachgefragt gebe ich an, dass er seit ca. zehn Jahren ist Österreich ist. Wir hatten auch schon von zu Hause aus Kontakt, als er neu in Österreich war, hatten wir in etwa ein Jahr nichts voneinander gehört, danach haben wir regelmäßig telefoniert.

LA: Gibt es noch andere Personen hier in Österreich, von denen Sie abhängig wären oder zu denen ein besonders enges Verhältnis besteht?

VP: In Österreich nicht, aber ein älterer Bruder von mir lebt in England.

LA: Haben Sie Dokumente, die Ihre Identität bestätigen?

VP: Nein. Nachgefragt gebe ich an, dass ich im Iran alles habe. Geburtsurkunde, Personalausweis und auch Führerschein. Ich kann mir die Dokumente besorgen.

Anmerkung: Ihnen wird eine Frist bis zum 21. Jänner 2021 eingeräumt!

LA: Haben Sie das verstanden?

VP: Ja.

LA: Warum haben Sie diese Dokumente nicht mitgenommen?

VP: Weil wir illegal auf der Flucht waren und konnten keine Dokumente mitnehmen.

LA: Haben Sie sich jemals um ein Visum für einen EU-Staat bemüht?

VP: Nein.

LA: Sie wurden bereits im Zuge der Erstbefragung zu Ihrem Reiseweg befragt. Stimmen Ihre diesbezüglichen Angaben?

VP: Ja, das ist richtig.

V: Der Staat Kroatien stimmte in Ihrem Fall bereits mit Anschreiben vom 28.12.2020 gem. Art. 18 (1) b der Dublin-III-Verordnung 604/2013 zu. Seitens des BFA ist nunmehr geplant, gegenständlichen Antrag auf int. Schutz gem. § 5 AsylG 2005 zurückzuweisen und Sie aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Kroatien auszuweisen.

LA: Wollen Sie sich zur beabsichtigten Vorgehensweise des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl äußern (bezüglich des angebl. Vorfalles der sexuellen Belästigung bitte keine Details anführen?

VP: Ich kann auf gar keinen Fall nach Kroatien zurückkehren, weil ich und meine Familie dort sehrt unmenschlich behandelt wurden. Wir haben sehr oft versucht von Bosnien über Kroatien nach Westeuropa zu reisen. Wir wurden immer wieder von der kroatischen Polizei aufgegriffen, geschlagen, beschimpft, erniedrigt und schlussendlich nach Bosnien zurückgebracht. Einmal wurde ich sogar von der kroatischen Polizei sexuell belästigt. Ich will und kann psychisch die ganzen Details nicht erzählen, Ich habe vermutet, dass diese Polizeibeamten mich sogar vergewaltigen wollten, weil ich laut geschrien habe und dann mein Mann mir zu Hilfe geeilt ist, haben sie das nicht geschafft. Auf jeden Fall wurden wir nach diesem Vorfall nochmals nach Bosnien zurückgebracht. Wir haben mehrfach versucht, weiterzureisen, immer mit Hilfe von pakistanischen und afghanischen Schleppern. Als wir das nächste Mal versucht hatten, wurden wir wieder von der kroatischen Polizei aufgegriffen, Sie haben uns in eine Quarantäne Camp gebracht. Dort habe ich gesagt, dass ich von einem Grenzpolizisten misshandelt wurde und eine Anzeige erstatten will und ich auch nicht in Kroatien bleiben und dort einen Asylantrag stellen. Die Polizei hat mich einfach ignoriert, kein Dolmetscher war anwesend, ein anderer Flüchtling, der besser Englisch konnte, hat alles übersetzt und sobald ich von einer Anzeige gesprochen habe, haben sie mich beschimpft und sagten immer wieder „Shut up, shut up, also halt den Mund“, Dann haben sie mich auch gezwungen meine Fingerabdrücke abzugeben. Diese Fingerabdruckabnahme war zwangsweise und ich wollte keinen Asylantrag stellen. Meine Tochter hatte hohes Fieber, die Polizei hat einfach gesagt, wir haben keine Medikamente für euch. Schlussendlich, nachdem wir unsere Fingerabdrücke abgegeben haben, wurden wir wieder nach Bosnien zurückgeschickt. Nachgefragt gebe ich an, dass das ca. zwei Wochen vor der Fingerabdruckabnahme war. Als ich wieder in Bosnien war, habe ich zu diesem Betreuungsteam im Flüchtlingscamp in Bosnien gesagt, dass ich ihn Kroatien von der Polizei sehr schlecht behandelt wurde, ich das Wort Vergewaltigung oder sexuelle Misshandlung nicht genannt, weil die Dolmetscher dort meistens Afghanen sind, es wird herumgesprochen und dann kann man dort in diesem Flüchtlingscamp nicht normal leben. Aber ich habe bei der Fingerabdruckabnahme in Kroatien zu der Polizei gesagt, dass ich eine Anzeige erstatten will, dass ich diesen Polizeibeamten sofort wiedererkennen kann, wenn ich ihn wiedersehe. Man hat mich überhaupt nicht ernst genommen, das war allgemeine so, dass meine Familie, meine Kinder und ich in Kroatien sehr, sehr schlecht behandelt wurden. Mehr als zehn Mal wurden wir in Kroatien aufgegriffen und nach Bosnien abgeschoben, jedes Mal war es das Gleiche. Erniedrigung, Beschimpfung usw. Und jetzt höre ich, dass ich nach Kroatien zurückkehren soll, das ist für mich ein Albtraum. Ich kann das psychisch überhaupt nicht ertragen, meine Kinder ebenfalls nicht.

Anmerkung: Die Antragstellerin hält sich des Öfteren die Hand vor das Gesicht. Nachgefragt gebe ich an, dass die Kinder nicht geschlagen wurden, die Kinder haben die nötige Betreuung nicht bekommen. An diesem Vorfall (sexuelle Belästigung) wurde ich auch nicht geschlagen, ich wurde gezwungen meine Jacke auszuziehen. Die Polizei hat dann meinen Rucksack genau durchsucht und weil sie dort nichts gefunden haben, dachten Sie, dass ich irgendetwas bei mit versteckt habe. Dann haben sie angefangen, mich durchzusuchen, dann haben sie mich unmoralisch berührt. Für mich ist nur wichtig, dass ich dies Person ganz genau kenne und ich will, dass er für seine Tat zur Verantwortung gezogen wird. Das habe ich in Kroatien gesagt, das habe ich in Bosnien gesagt und das sage ich heute auch. Ich habe niemals damit gerechnet, dass ich in Europa von der Polizei so behandelt werden. Das ist alles.

LA: Haben Sie versucht, eine Anzeige zu machen oder sich an eine Hilfsorganisation wie Amnestie International oder das Rote Kreuz zu wenden?

VP: Es war nicht möglich, weil die Polizei hat uns nicht erlaubt, irgendwo hinzugehen, Wenn ich sagte, dass ich für meine Kinder Medikamente benötigte, sagten sie, dass sie keine Medikamente haben und wenn ich sagte, dass ich einen Polizeibeamten anzeigen will, haben sie mich als iranische Terroristin bezeichnet und sagen, dass ich meinen Mund halten soll. Aus all diesen Gründen hasse ich Kroatien, ich kann dieses Land psychisch nicht mehr ertragen. Ich brauche wirklich psychische Betreuung, ich kann nicht mehr darüber sprechen, nicht einmal mit meinem Bruder. Diese Gedanken kommen immer wieder hoch.

Wir haben so viele Länder passiert, das war nur in Kroatien so, die Polizisten woanders waren überhaupt nicht so.

Anmerkung: Die Antragstellerin beginnt zu Weinen.

LA: Ihnen wurden bereits am 20.11.2020 die aktuellen Länderfeststellungen zur Lage in Kroatien ausgefolgt. Möchten Sie nunmehr eine Stellungnahme zu dieser Länderfeststellung abgeben?

VP: Ich habe das nicht gelesen, ich kann nicht Deutsch.

LA: Möchten Sie abschließend noch irgendetwas hinzufügen?

VP: Ich kann nur noch einmal betonen, dass die Fingerabdruckabnahme in Kroatien zwangsweise war. Ich wollte nicht in einem Land einen Asylantrag stellen, wo ich belästigt wurde. Das habe ich auch bei der kroatischen Polizei gesagt, sie warten dann noch wütender und noch unfreundlicher. Das Video von BBC Bericht habe ich auf meinem Handy. Wenn man das Video sieht, dann kann man vielleicht ungefähr verstehen, wie die Flüchtlinge in Kroatien behandelt werden. Nachgefragt gebe ich an, dass ich nicht genau weiß, wann das Video aufgenommen wurde. Die meisten dieser Flüchtlinge auf dem Video kenne ich, wir waren im selben Flüchtlingscamp. Es wird u. a. über Misshandlungen, Vergewaltigungen, Fehlgeburten usw. berichtet.

Anmerkung: Die Antragstellerin wird aufgefordert und informiert, das Video in Form eines USB Sticks anher zu übermitteln.

Die Frau Rechtsberaterin hat folgendes Vorbringen.

RB: Aufgrund der vorgebrachten Vorfälle, kann bei einer Rücküberstellung nach Kroatien nicht von einer menschenrechtswürdigen Behandlung und einem fairen Verfahren in Kroatien ausgegangen werden und würde eine Rücküberstellung Artikel 3 EMRK widersprechen. Ich beantrage aufgrund der Umstände eine Zulassung zum Verfahren und wird daher ein Selbsteintritt beantragt.

Die Fr. Rechtsberaterin hat keine weiteren Fragen oder Vorbringen.

LA: Wurde Ihnen ausreichend Zeit eingeräumt, Ihre Angaben vollständig und so ausführlich wie Sie es wollten zu machen?

VP: Ja.

LA: Wollen Sie noch etwas angeben, was Ihnen besonders wichtig erscheint?

VP: Nein.

(…)“

Betreffend den BF1 wurde eine Ambulanzkarte Unfall vom 13.03.2021 vorgelegt mit der Diagnose „dist. artic. grav. tc. dext“ (Anmerkung BVwG: Bänderriss) und der Therapieempfehlung: „Schonen, Kühlen, Hochlagern, Ruhigstellung“, Inhixa 4000 0-1-0 Seractil 400 mg 1-0-1 Pantoloc 40 mg 1-0-0“

2. Mit den angefochtenen Bescheiden wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Kroatien für die Prüfung der Anträge der Beschwerdeführer gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen die Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Kroatien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Die Feststellungen zur Lage in Kroatien und zur Pandemie wurden im Wesentlichen folgendermaßen zusammengefasst (nunmehr gekürzt durch das Bundesverwaltungsgericht):

Länderspezifische Anmerkungen

Hinweis:

Im vorliegenden Länderinformationsblatt erfolgt keine Berücksichtigung der aktuellen CORONA-VIRUS-PANDEMIE (COVID-19), weil die zur Bekämpfung der Krankheit eingeleiteten oder noch einzuleitenden Maßnahmen ständigen Änderungen unterworfen sind und zu deren Auswirkungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt Informationen fehlen. Siehe dazu die aktuellen Angaben im Bescheid Seite 9 und 10.

Insbesondere können zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine seriösen Informationen zu den Auswirkungen der Pandemie auf das Gesundheitswesen, auf Versorgungslage sowie auf Bewegungs- und Reisefreiheit der Bürgerinnen und Bürger sowie generell zu politischen, wirtschaftlichen, sozialen und anderen Folgen zusammengestellt werden.

Inhaltsverzeichnis

1. Allgemeines zum Asylverfahren 5

2. Dublin-Rückkehrer 6

3. Unbegleitete minderjährige Asylwerber / Vulnerable 7

4. Non-Refoulement 9

5. Versorgung 10

5.1. Unterbringung 11

5.2. Unterbringung Vulnerabler/UMA 13

5.3. Medizinische Versorgung 14

6. Schutzberechtigte 16

Allgemeines zum Asylverfahren

Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (AIDA 22.4.2020; USDOS 11.3.2020 für weitere Informationen siehe dieselben Quellen).

(AIDA 22.4.2020)

Im Jahr 2019 wurden laut Eurostat 1.265 Erstanträge gestellt (von insgesamt 1.400 Anträgen im Vergleich zu 800 Anträgen im Jahr 2018) (Eurostat 20.3.2020; vgl. Eurostat 2.4.2020). Die Zahl der mutmaßlich unbegleiteten Minderjährigen belief sich auf 35 Personen (Eurostat 21.4.2020).

Quellen:

-        AIDA - Asylum Information Database (22.4.2020): National Country Report Croatia 2019, provided by Croatian Law Centre (HPC) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2019update.pdf, Zugriff 24.4.2020

-        Eurostat (2.4.2020): Asylwerber und erstmalige Asylwerber. Jährliche aggregierte Daten, https://ec.europa.eu/eurostat/tgm/refreshTableAction.do?tab=table&plugin=1&pcode=tps00191&language=de, Zugriff 27.4.2020

-        Eurostat (21.4.2020): Asylwerber. Mutmaßlich unbegleitete Minderjährige, https://ec.europa.eu/eurostat/tgm/table.do?tab=table&init=1&language=de&pcode=tps00194&plugin=1, Zugriff 27.4.2020

-        Eurostat (20.3.2020): News Release. Asylum in the EU-Member States, https://ec.europa.eu/eurostat/documents/2995521/10554400/3-20032020-AP-EN.pdf/6ee052a9-ffb8-d170-e994-9d5107def1a8, Zugriff 24.3.2020

-        USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Croatia, https://www.ecoi.net/en/document/2027527.html, Zugriff 18.5.2020

Dublin-Rückkehrer

Personen, die im Rahmen der Dublin-VO nach Kroatien zurückkehren (dies waren im Jahr 2019 insgesamt 99 Personen), haben prinzipiell vollen Zugang zum kroatischen Asylsystem. Wenn Rückkehrer Kroatien vor dem Ende ihres ursprünglichen Verfahrens verlassen haben und das Verfahren daher suspendiert wurde, müssen sie bei Rückkehr gemäß Art. 18(2) der Dublin-III-VO neuerlich einen Asylantrag stellen. Wer hingegen vor Verlassen des Landes seinen Antrag explizit zurückgezogen hat bzw. eine Zurückweisung erhalten hat, gilt in solch einem Fall als Folgeantragsteller (AIDA 22.4.2020).

Die Überstellung von Dublin-Rückkehrern nach Kroatien wurde von europäischen nationalen Gerichten nicht infrage gestellt. Dies wurde vom Gerichtshof der Europäischen Union bestätigt (AIDA 22.4.2020).

In einer im Februar 2019 veröffentlichten Studie der Organisation "Médecins du Monde" wird festgestellt, dass es Dublin-Rückkehrern in Kroatien an psychosozialer Unterstützung fehle (MdM 2.2019). (Siehe dazu auch Abschnitt 6.3. Medizinische Versorgung, Anm.)

Quellen:

-        AIDA - Asylum Information Database (22.4.2020): National Country Report Croatia 2019, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2019update.pdf, Zugriff 24.4.2020

-        MdM – Medecins du Monde (2.2019): Nearing a point of no return, https://medecinsdumonde.be/system/files/publications/downloads/Mental%20health%20of%20asylum%20seekers%20in%20Croatia_0.pdf, Zugriff 24.3.2020

Vulnerable

Als vulnerabel gelten unmündige Personen, Minderjährige, unbegleitete Minderjährige, alte und gebrechliche Personen, ernsthaft Kranke, Behinderte, Schwangere, AlleinerzieherInnen mit minderjährigen Kindern, psychisch Kranke, Opfer von Menschenhandel, Folter, Vergewaltigung oder anderen Formen psychologischer, physischer und sexueller Gewalt. Für Vulnerable gibt es spezielle Verfahrens- und Unterbringungsgarantien. Im Hinblick auf ihre persönlichen Umstände ist ihnen geeignete – auch medizinische - Unterstützung zu bieten. Speziell geschulte Beamte sollen Vulnerable identifizieren; ein institutionalisiertes Früherkennungssystem gibt es nicht (AIDA 22.4.2020). Als "unbegleitete Minderjährige" gelten Drittstaatsangehörige bzw. staatenlose Personen, die jünger als 18 Jahre alt sind und ohne Begleitung verantwortlicher erwachsener Personen in die Republik Kroatien eingereist sind (HPC o.D.).

In Gesetz und Praxis wird die Identifizierung spezieller Bedürfnisse als kontinuierlicher Prozess während des Verfahrens gesehen. Die frühzeitige Erkennung von Vulnerabilität erfolgt durch speziell ausgebildete Polizeibeamte, die dann das Aufnahmezentrum für Asylwerber je nach Bedarf entsprechend informieren. Die weitere Ermittlung besonderer Schutzbedürftigkeit erfolgt in der Unterbringung durch Sozialarbeiter oder Mitarbeiter von NGOs in Kooperation mit dem Innenministerium (AIDA 22.4.2020; vgl. HPC o.D.). NGOs und das Innenministerium arbeiten zwar zusammen, ein systematischer Informationsaustausch findet jedoch nicht statt. Weniger offensichtliche Vulnerabilität wie z.B. im Zusammenhang mit Traumatisierten oder Opfern von Folter oder Menschenhandel oder auch von LGBTI-Personen werden in der gegenwärtigen Praxis viel seltener erkannt. Das Rehabilitationszentrum für Stress und Trauma berichtete, dass es noch immer keinen geeigneten Mechanismus zur Identifizierung von Folteropfern gibt (AIDA 22.4.2020).

Quellen:

-        AIDA - Asylum Information Database (22.4.2020): National Country Report Croatia 2019, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2019update.pdf, Zugriff 18.5.2020

-        HPC - Croatian Law Centre (o.D.): Legal representation of unaccompanied children - Croatia, http://www.asylumineurope.org/reports/country/croatia/age-assessment-and-legal-representation-unaccompanied-children-0, Zugriff 27.3.2020

Non-Refoulement

Seit 2016 gibt es eine Liste von zehn sicheren Herkunftsstaaten. Diese sind Albanien, Bosnien und Herzegowina, Nordmazedonien, Kosovo, Montenegro, Serbien, Marokko, Algerien, Tunesien und die Türkei. Auf letztere wird das Konzept des sicheren Herkunftsstaates in der Praxis nicht angewandt. Im Jahr 2018 wurde das Konzept in insgesamt 76 Fällen umgesetzt, die sich wie folgt verteilen: bei Algeriern (39), Marokkanern (13), Tunesiern (13), Kosovaren (5), Serben (4) und Bosniern (2). Entsprechende Zahlen für 2019 liegen nicht vor. Laut Gesetz kann ein Land dann als sicherer Drittstaat eingestuft werden, wenn ein Antragsteller dort sicher ist vor Verfolgung oder dem Risiko, ernsten Schaden zu erleiden, wenn das Non-Refoulement-Prinzip beachtet und effektiver Zugang zum Asylverfahren gewährt wird. Ob dies zutrifft, ist eine Einzelfallentscheidung. Wenn ein Antragsteller bereits in einem anderen Staat Schutz erhalten hat oder Refoulement-Schutz genießt, kann sein Antrag in Kroatien als unzulässig zurückgewiesen werden (AIDA 22.4.2020).

Eines der zentralen Themen in Kroatien war in den vergangenen Jahren der eingeschränkte Zugang zum Asylsystem für Personen, die via Serbien oder Bosnien und Herzegowina einreisen wollten (AIDA 22.4.2020). Internationale und kroatische NGOs sowie internationale Organisationen außerhalb des Landes wie das Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) berichteten über polizeiliche Pushbacks von Migranten, die versuchten, über die Grenze zu Serbien und insbesondere zu Bosnien und Herzegowina illegal in das Land einzureisen (USDOS 11.3.2020; vgl. HRW 8.11.2019, SRF 28.9.2019; AI 2019). Es gab auch Berichte über Polizeigewalt (FH 4.2.2019). Durch die erwähnten Pushbacks werden die Migranten von materieller und medizinischer Hilfe ausgeschlossen bzw. sogar ihre Besitztümer (Kleidung, Schlafsäcke, Rucksäcke, Zelte) verbrannt bzw. auch andere Gegenstände wie Mobiltelefone, Powerbanks oder persönliche Dokumente ins Visier genommen (ECRE 30.8.2019).

Es gibt Berichte über einen fortgesetzten und unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt und eine erniedrigende und unmenschliche Behandlung von Asylwerbern (ECRE 31.1.2020).

Seitens der Ombudsperson wurde nach Eingang einer anonymen Beschwerde eines Grenzpolizisten, wonach die illegale Misshandlung von Migranten von den Vorgesetzten der Polizei angeordnet worden sei, schließlich das Parlament informiert. Das Innenministerium wies diese Behauptungen als unbegründet und ungenau zurück. Die Regierung arbeitete in den meisten Fällen mit dem UNHCR und anderen humanitären Organisationen zusammen, um Flüchtlingen, Asylsuchenden, Staatenlosen und anderen Betroffenen Schutz und Hilfe zu gewähren. Die Regierung hat bedeutende Schritte unternommen, um Personen, die Menschenrechtsverletzungen begangen haben, strafrechtlich zu verfolgen und zu bestrafen (USDOS 11.3.2020). Auch die Europäische Kommission beurteilt die Einrichtung eines Kontrollregimes für das Verhalten der kroatischen Grenzbeamten sowie das Versprechen der kroatischen Regierung, allen Vorwürfen nachzugehen, positiv. Es gebe ausreichende Belege dafür, dass das Land bemüht ist, seine Verpflichtungen zum Schutze der Menschenrechte zu erfüllen (HRW 8.11.2019).

Quellen:

-        AIDA - Asylum Information Database (22.4.2020): National Country Report Croatia 2019, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2019update.pdf, Zugriff 24.4.2020

-        AI – Amnesty International (2019): Pushed to the edge. Violence and abuse gainst refugees and migrants along the Balkan route, https://www.amnesty.org/download/Documents/EUR0599642019ENGLISH.PDF, Zugriff 13.3.2020

-        ECRE - European Council on Refugees and Exiles (30.8.2019): Report on Illegal Pushback and Border Violence, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Report%20on%20Illegal%20Pushback%20and%20Border%20Violence%20_%20European%20Council%20on%20Refugees%20and%20Exiles%20%28ECRE%29.pdf, Zugriff 17.1.2020

-        ECRE - European Council on Refugees and Exiles (31.1.2020): New Report on Torture of Asylum Seekers by Authorities, https://www.ecre.org/croatia-new-report-on-torture-of-asylum-seekers-by-authorities/, Zugriff 17.4.2020

-        FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Croatia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2015957.html, Zugriff 13.1.2020

-        HRW – Human Rights Watch (8.11.2019): EU: Push-Backs an kroatischer Grenze beenden, https://www.hrw.org/de/news/2019/11/08/eu-push-backs-kroatischer-grenze-beenden, Zugriff 23.3.2020

-        SRF - Schweizer Rundfunk (28.9.2019): lllegale Push-Backs - SEM bei Kroatien-Rückführungen zurückgepfiffen, https://www.srf.ch/news/schweiz/illegale-push-backs-sem-bei-kroatien-rueckfuehrungen-zurueckgepfiffen, Zugriff 24.3.2020

-        USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Croatia, https://www.ecoi.net/en/document/2027527.html, Zugriff 23.03.2020

Versorgung

Asylwerber in Kroatien haben das Recht auf materielle Versorgung während des Asylverfahrens. Dieses Recht gilt ab dem Zeitpunkt, an dem die betreffenden Personen den Willen zur Asylantragsstellung erkennen lassen und umfasst Unterbringung in einem Aufnahmezentrum, Verpflegung, Kleidung und finanzielle Unterstützung sowie Refundierung der Fahrtkosten in öffentlichen Verkehrsmitteln. Die monatliche finanzielle Unterstützung wird ab der Unterbringung in einem Aufnahmezentrum gewährt und beläuft sich per 31.12.2019 auf 100 Kuna (EUR 13,40) pro Person. Auch wenn sich der Betrag bei abhängigen Familienmitgliedern erhöht, gilt er doch als sehr gering bemessen. Asylwerber, deren Verfahren nach neun Monaten noch nicht entschieden ist, haben das Recht zu arbeiten. Der faktische Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylwerber wird jedoch durch die Sprachbarriere und die hohe Arbeitslosigkeit behindert. Asylwerber haben keinen Zugang zu Jobtrainings, sie können aber auf freiwilliger Basis innerhalb der Aufnahmezentren mitarbeiten. Auch können sie bei gemeinnützigen Tätigkeiten oder bei der Arbeit humanitärer Organisationen mitwirken (AIDA 22.4.2020).

Quellen:

-        AIDA - Asylum Information Database (22.4.2020): National Country Report Croatia 2019, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2019update.pdf, Zugriff 24.4.2020

Unterbringung

Gemäß Asylgesetz haben Asylwerber während des Asylverfahrens das Recht auf Unterbringung in entsprechenden Aufnahmezentren. Auf Antrag können sie auf eigene Kosten außerhalb eines Zentrums wohnen. Kroatien verfügt über zwei offene Aufnahmezentren für Asylwerber, in Zagreb im „Hotel Porin“ (Kapazität: 600 Plätze) und in Kutina (Kapazität: 100 Plätze). Beide Zentren werden vom kroatischen Innenministerium geführt. Das Zentrum in Kutina zielt auf die Unterbringung vulnerabler Antragsteller ab, auch wenn 2019 dort hauptsächlich umgesiedelte Personen beherbergt wurden, bis diese am Ende des Jahres in anderen Städten mit bezahlten Wohnungen ausgestattet wurden. Der Plan, in Mala Gorica ein neues Aufnahmezentrum zu bauen, wurde nach Protesten der lokalen Bevölkerung wieder verworfen und das veranschlagte Geld in die Renovierung der bestehenden Zentren investiert (AIDA 22.4.2020).

Das „Hotel Porin“, offizielle Bezeichnung „Reception Center for Asylum Seekers Zagreb“, ist ein ehemaliges Hotel, das nach der Schließung nunmehr im Eigentum der Polizei steht. Das Zentrum wird von Polizei und Regierung mit Unterstützung zahlreicher NGOs wie Croatian Baptist Aid, MSF, dem Roten Kreuz und IOM betrieben (BGAV 13.5.2019). Eine umfassende Renovierung 2019 hat die Lebensbedingungen für die Asylwerber wesentlich verbessert (AIDA 22.4.2020).

Die Bewohner können sich frei bewegen, müssen aber – sofern keine Sondergenehmigung vorliegt – bis 23 Uhr wieder im Haus sein. In Kutina teilen sich Familien ein Zimmer, unbegleitete Minderjährige und alleinstehende Frauen werden getrennt untergebracht. In Zagreb werden maximal vier Personen pro Zimmer untergebracht; Familien mit mehr als fünf Mitgliedern werden nach Möglichkeit zwei Zimmer zur Verfügung gestellt. Die Ausstattung mit Duschen und Toiletten ist ausreichend und die Einrichtungen werden regelmäßig gereinigt (AIDA 22.4.2020).

In beiden Zentren erhalten die Bewohner drei Mahlzeiten pro Tag und schwangere Frauen, Wöchnerinnen und Minderjährige bis 16 Jahre erhalten zusätzlich eine Nachmittagsjause. In vom Roten Kreuz ausgestatteten Küchen können sich die Asylwerber außerdem selbst Mahlzeiten zubereiten (AIDA 22.4.2020).

Das Personal des Innenministeriums in den Aufnahmezentren ist ausreichend. Es werden soziale und pädagogische Aktivitäten organisiert wie etwa Sportaktivitäten, Sprach- und EDV-Kurse und verschiedenste Workshops beispielsweise über kroatische Kultur und über Sitten und Gebräuche. Auch Kinderspielzimmer, Bibliothek, Friseur und ähnliches stehen zur Verfügung. Die meisten Asylwerber bleiben nicht lange in den Aufnahmezentren, da sie sich auf der Durchreise befinden (AIDA 22.4.2020).

Der Jesuitische Flüchtlingsdienst JRS organisiert zahlreiche Freizeitaktivitäten und Sprachkurse. Zudem können die Bewohner der Aufnahmezentren eine asylrechtliche Beratung und psychosoziale Unterstützung in Anspruch nehmen (JRS o.D.).

UNICEF setzt sich besonders dafür ein, dass bei der Organisation und Planung der Dienste in den Aufnahmezentren den Bedürfnissen der Kinder besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird (AIDA 22.4.2020). Für Familien mit Kindern stellt UNICEF die medizinische Versorgung von Müttern und Kindern sowie Unterstützung für schwangere und stillende Mütter bereit. Weiters organisiert UNICEF abgeschlossene Bereiche, in denen die Kinder spielen und informell lernen können (UNICEF o.D.).

Antragsteller können bis zum Ende ihres Verfahrens in den Unterbringungszentren bleiben. Wenn eine rechtskräftig negative Entscheidung vorliegt und die postulierte Frist zur freiwilligen Ausreise verstrichen ist, muss das Zentrum verlassen werden (AIDA 22.4.2020).

Kroatien verfügt zurzeit über drei Schubhaftzentren mit einer Gesamtkapazität von insgesamt 219 Personen: das geschlossene (Schubhaft-) Zentrum (Center for Foreigners) in Jezevo mit 95 Plätzen und die Transitzentren in Trilj und in Torvarnik mit jeweils 62 Plätzen. 2018 wurden gemäß kroatischen Innenministerium insgesamt 928 Migranten inhaftiert, davon 535 in Jezevo, 109 in Tovarnik und 284 in Trilj. Diese Zahl umfasst nicht die von der Polizei angeordneten Inhaftierungen, sondern nur jene, die von Aufnahmezentren für Asylwerber oder den Asylbehörden angeordnet wurden. Es liegen keine Daten über die Inhaftierung von Migranten und Bewerbern um internationalen Schutz im Laufe des Jahres 2019 vor (AIDA 22.4.2020).

Quellen:

-        AIDA - Asylum Information Database (22.4.2020): National Country Report Croatia 2019, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2019update.pdf, Zugriff 24.4.2020

-        BGAV - Baptist General Association of Virginia (13.5.2019): Via Will Cumbia, Venturer: Partnering with Croatian Baptists in Ministry with Refugees in Bosnia, https://bgav.org/partnering-with-croatian-baptists-in-ministry-with-refugees-in-bosnia/, Zugriff 7.1.2020

-        JRS – Jesuit Refugee Service (o.D.): Activities in Organisation. Activities in the detention, http://www.jrs.hr/en/activities-in-organization/, Zugriff 27.4.2020

-        UNICEF - Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (o.D.): Helping child refugees and migrants, https://www.unicef.org/croatia/en/helping-child-refugees-and-migrants, Zugriff 27.4.2020

Unterbringung Vulnerabler

Für Vulnerable gelten spezielle Verfahrens- und Unterbringungsgarantien. Sie werden im allgemeinen Unterbringungssystem versorgt. So dient das Zentrum Kutina primär der Unterbringung vulnerabler Asylwerber. Dort wurden spezielle Bereiche für Frauen und Vulnerable eingerichtet. Familien werden gemeinsam, alleinstehende Frauen, unbegleitete Minderjährige und Traumatisierte in getrennten Räumen untergebracht. In manchen Fällen wurden Kinder gemeinsam mit erwachsenen Asylwerbern untergebracht (AIDA 22.4.2020).

UNICEF berichtete, dass Ende 2019 ein kurzfristiger Vertrag mit dem JRS (gültig bis April 2020) unterzeichnet wurde, der die Finanzierung der Wiederherstellung eines kinderfreundlichen Raums vorsieht (AIDA 22.4.2020). Ziel ist es, einen sicheren Ort für die Kinder zu schaffen, an dem sie lernen, spielen und Spaß haben können. Weiters soll den Kindern Schutz, psychosoziales Wohlbefinden und nicht-formale Bildung geboten werden. Dem Alter der Kinder entsprechend werden altersgerechte Spiele, Lerntechniken und pädagogische Inhalte verwendet (JRS o.D.).

Sozialarbeiter bieten tägliche psychosoziale Betreuung und organisieren soziale und kulturelle Events. Unbegleiteten Minderjährigen, psychisch beeinträchtigten Personen und potentiellen Traumaopfern wird besondere Beachtung geschenkt. Wenn nötig, werden die Betroffenen zu medizinischer bzw. psychologischer Spezialbehandlung überwiesen. Um geschlechtsspezifische Gewalt zu verhindern und Kinder vor Erwachsenen zu schützen, führen die in den Empfangszentren tätigen Mitarbeiter des kroatischen Roten Kreuzes Workshops durch und organisieren auch individuelle Beratungen über mögliche Risiken sexueller Gewalt, Ausbeutung und des Menschenhandels. Weiters gibt es Sprachkurse, Arbeitsvermittlung usw. Mehrere NGOs sind in den Zentren präsent und bieten Unterstützungsmaßnahmen an. Es existieren in Kroatien keine Monitoringmechanismen bezüglich der Einhaltung der Unterbringungsgarantien für Vulnerable. Sozialarbeiter des kroatischen Innenministeriums und des Roten Kreuzes sind aber täglich in den Zentren anwesend und können unterstützend tätig werden. In der Praxis können die Mitarbeiter des Kroatischen Roten Kreuzes während ihrer regelmäßigen Arbeit und der Kommunikation mit Asylsuchenden sowie bei der Einzel- und Gruppenunterstützung die Bedürfnisse anfälliger Gruppen beobachten und, wenn erforderlich, Änderungen in der Unterbringung vorschlagen. Bei Bedarf können Vulnerable auch anderweitig untergebracht werden. Laut Innenministerium werden spezielle Unterbringungsbedürfnisse meist auf Empfehlung des Arztes nach dem ersten Gesundheitscheck festgestellt (z.B. spezielle Diät, psychosoziale Unterstützung, spezielle Unterkunft) (AIDA 22.4.2020).

Quellen:

-        AIDA - Asylum Information Database (22.4.2020): National Country Report Croatia 2019, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2019update.pdf, Zugriff 24.4.2020

-        JRS – Jesuit Refugee Service (o.D.): Child Friendly Space in the Reception Center for International Protection seekers in Zagreb, http://www.jrs.hr/en/causes/child-friendly-space-in-the-reception-center-for-international-protection-seekers-in-zagreb/, Zugriff 17.4.2020

Medizinische Versorgung

Asylwerber haben das Recht auf medizinische Notversorgung und notwendige medizinische und psychologische Behandlung. Diese Behandlung ist in den Aufnahmezentren Zagreb und Kutina verfügbar. Zudem wurde in beiden Zentren eine Ambulanz für chronische und lebensbedrohliche Krankheiten eingerichtet. Das Kroatische Rote Kreuz bietet ein breites Spektrum verschiedenster Leistungen an. Dazu gehören eine permanente psychologische und psychosoziale Unterstützung sowie eine besondere Betreuung potentieller Opfer von Folter und Traumata (AIDA 22.4.2020).

Zur spezialisierteren Behandlung werden die betroffenen Personen an das Spital in Kutina überwiesen, das unter anderem über Ambulanzen in den Bereichen Kinderheilkunde, Gynäkologie und Neuropsychiatrie verfügt. Im Spital in Zagreb sind Suchtbehandlung, eine Zahnambulanz sowie eine Psychiatrie verfügbar. Darüber hinaus werden Antragsteller an lokale Krankenhäuser überwiesen, d.h. in Sisak für diejenigen, die in Kutina untergebracht sind, und an das Krankenhaus von Zagreb. Auch wurden für die Asylwerber zuständige Apotheken, jeweils eine in Zagreb und Kutina, festgelegt. Ein Ärzteteam von MdM war jeden Werktag von 9 bis 15 Uhr im Aufnahmezentrum in Zagreb und je nach Bedarf im Aufnahmezentrum in Kutina anwesend (AIDA 22.4.2020).

Vulnerable Antragsteller, insbesondere Opfer von Folter, Vergewaltigung oder sonstigen schwerwiegenden Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt, sind entsprechend medizinisch zu behandeln. In der Praxis ist diese zusätzliche Gesundheitsversorgung jedoch nicht regelmäßig zugänglich. Ein Mechanismus zur Identifizierung Vulnerabler existiert nicht, sie werden oft an den Arzt im Unterbringungszentrum verwiesen. Seit 2010 betreibt das Croatian Law Centre das Projekt “Protection of Victims of Torture among Vulnerable Groups of Migrants”. 24 Personen wurden 2019 im Rahmen dieses Projekts betreut (AIDA 22.4.2020).

Teams von Medecins du Monde - bestehend aus Allgemeinmedizinern, einer Krankenschwester, einem Psychologen und einem Dolmetscher - bieten bei Bedarf medizinische und psychologische Unterstützung an. MdM arbeitet täglich mit diesen Menschen, von denen die meisten Opfer von multiplen Traumata sind, zusammen und kümmert sich – sofern erforderlich - auch um den Transport und die Begleitung in Krankenhäuser. Weiters wird Asylwerbern auch eine spezialisierte Betreuung angeboten. Zweimal im Monat sind ein Psychiater, ein Kinderarzt und ein Gynäkologe bei den Konsultationen anwesend. Sie ermöglichen Frauen und Kindern eine fachärztliche Betreuung. Schließlich wird auch die Impfung von Kindern gefördert, indem diese zu den entsprechenden Einrichtungen begleitet werden (MdM o.D.; vgl. MdM 6.2018). Im Jahr 2019 führte das Ärzteteam von MdM 3.556 ärztliche Konsultationen durch, hiervon 1.360 Erstuntersuchungen neu eingetroffener Asylwerber, weiters 1.200 psychologische Einzelberatungen und 110 psychiatrische Fachuntersuchungen (AIDA 22.4.2020).

Darüber hinaus bietet als Teil des MdM-Teams ein Sozialarbeiter Informationen, Anleitungen und praktische Unterstützung für Asylwerber (z.B. Begleitung von Patienten in Gesundheitseinrichtungen, Begleitung von Kindern von Asylwerbern zur Impfung). Auch Schutzberechtigte werden entsprechend unterstützt, damit sie ihre Rechte geltend machen können. Durch Workshops oder individuelle Beratung informiert das medizinische Team von MdM über Prävention von Infektionskrankheiten, Hygiene, Zugang zur Gesundheitsversorgung und Familienplanung (MdM 6.2018).

Außerdem hat das "Zentrum für Kinder, Jugend und Familie“ (Modus) seit März 2015 mit der Bereitstellung von kostenloser Beratung und Psychotherapie für Antragsteller und Flüchtlinge begonnen. 2019 wurde die Beratung nicht in den Aufnahmezentren selbst, sondern in den Räumlichkeiten der Organisation angeboten und von drei Psychologen und zwei Dolmetschern für Farsi und Arabisch unterstützt. Eine Sitzung dauert zwischen 45 und 60 Minuten und beinhaltet die üblichen Regeln für die Gewährung psychologischer Unterstützung, wie z.B. Vertraulichkeit und die Möglichkeit, sich auf die zu behandelnden Themen zu einigen (AIDA 22.4.2020).

MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).

Quellen:

-        AIDA - Asylum Information Database (22.4.2020): National Country Report Croatia 2019, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2019update.pdf, Zugriff 27.4.2020

-        MdM - Médecins du Monde (o.D.): Soigner et soutenir les demandeurs d'asile à Zagreb & Kutina. Croatie, https://medecinsdumonde.be/projets/soigner-et-soutenir-les-demandeurs-dasile-a-zagreb-kutina#Notreaction, Zugriff 27.4.2020

-        MdM - Médecins du Monde (6.2018): Croatia – Hidden (human) faces of European Union’s Dublin regulation from a health perspective, https://medecinsdumonde.be/system/files/publications/downloads/MdM-BE%20-%20Croatia%20Hidden%20human%20faces%20Dublin%20-%20June%202018.pdf, Zugriff 27.4.2020

-        MedCOI – Medical Country of Origin Information (14.12.2016): Auskunft MedCOI, per E-Mail

Schutzberechtigte

Anerkannte Flüchtlinge erhalten eine Aufenthaltserlaubnis für fünf Jahre, subsidiär Schutzberechtigte eine solche für drei Jahre. Die Kosten für die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung trägt der Staat; eine etwaige Verlängerung hingegen verursacht Kosten, die vom Betreffenden selbst zu tragen sind. Alle Schutzberechtigten dürfen sich im Land frei bewegen. Wer fünf Jahre ununterbrochen legal im Land aufhältig war, kommt für eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis infrage, wenn gewisse Bedingungen erfüllt werden. Sowohl anerkannte Flüchtlinge als auch subsidiär Schutzberechtigte haben grundsätzlich ein Recht auf Familienzusammenführung (AIDA 22.4.2020), wenngleich ein im Jahr 2020 veröffentlichter Bericht des Croatian Law Centers besagt, dass de facto zahlreiche unter anderem auch administrative Hindernisse wie z.B. die Notwendigkeit, verschiedene ins Kroatische übersetzte D

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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