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32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
EStG 1972 §38 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny sowie die Hofräte Dr. Karger, Dr. Mizner, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des Dr. G in M, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat IX, vom 6. Dezember 1991, 6/5 - 5027/91-04, betreffend amtswegige Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 1983 und 1984 sowie Einkommensteuer für das Jahr 1984, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer entwickelte ein Verfahren zum Messen der von einer Signalquelle abgegebenen Ladungen sowie der dazu erforderlichen Schaltanordnungen und meldete dieses Verfahren am 26. November 1981 zum Patent an.
Mit Schreiben vom 9. Juli 1985 bescheinigte der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie den volkswirtschaftlichen Wert der Erfindung im Hinblick auf die erzielten Lizenzeinnahmen, die laut den Ausführungen des Beschwerdeführers im Jahr 1983 rund 2,1 Mio S und im Jahr 1984 rund 10,6 Mio S betragen hätten.
In den am 30. April 1985 und am 30. April 1986 dem Finanzamt überreichten Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1983 und 1984 beantragte der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die am 26. November 1981 erfolgte Patentanmeldung die Gewährung des Hälftesteuersatzes gemäß § 38 Abs 1 EStG 1972 für die aus seiner Erfindung erzielten Lizenzeinkünfte.
Das Finanzamt gewährte für die Lizenzeinkünfte den beantragten Hälftesteuersatz.
Mit Vorhalt vom 21. Dezember 1990 ersuchte das Finanzamt den Beschwerdeführer mitzuteilen, ob die Patentanmeldung zur Anerkennung als Patent geführt habe.
Am 24. Dezember 1990 langte beim Finanzamt eine Mitteilung des Patentamtes vom 21. November 1990 ein, wonach die Patentanmeldung des Beschwerdeführers vom 26. November 1981 seit 15. Februar 1984 wegen Nichtäußerung auf einen Vorbescheid als zurückgenommen gelte, weswegen der patentrechtliche Schutz nicht eingetreten sei.
Das Finanzamt verfügte daraufhin unter Hinweis auf § 303 Abs 4 BAO die amtswegige Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 1983 und 1984 und erließ unter einem die dementsprechenden Sachbescheide, wobei es für die Lizenzeinkünfte den Hälftesteuersatz gemäß § 38 Abs 1 EStG 1972 nicht mehr gewährte und zur Begründung auf die Zurücknahme der Patentanmeldung verwies.
Mit Berufung gegen die die amtswegige Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 1983 und 1984 verfügenden Bescheide sowie gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1984 wandte der Beschwerdeführer ein, es seien nach Erlassung der (ursprünglichen) Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1983 und 1984 weder Tatsachen noch Beweismittel hinsichtlich der Gewährung des Hälftesteuersatzes gemäß § 38 Abs 1 EStG 1972 neu hervorgekommen. In Beilagen zu den Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1983 und 1984 sei darauf hingewiesen worden, seine Erfindung sei zum Patent angemeldet worden. Da seine Erfindung nie in das Patentregister eingetragen worden sei, stelle die Mitteilung des Patentamtes vom 21. November 1990 über den Nichteintritt des patentrechtlichen Schutzes keine neue Tatsache dar. Es lägen daher die Voraussetzungen für die amtswegige Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 1983 und 1984 nicht vor, weswegen die die amtswegige Wiederaufnahme der Verfahren verfügenden Bescheide und die gemäß § 307 Abs 1 BAO ergangenen Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1983 und 1984 ersatzlos aufzuheben seien. In eventu beantragte der Beschwerdeführer im Jahr 1984 für die Lizenzeinkünfte den Hälftesteuersatz im Hinblick auf § 32 Z 1 lit a EStG 1972 zu gewähren, weil die in diesem Jahr erzielten Lizenzeinnahmen für die Abtretung der Lizenzrechte erzielt worden und somit als Entschädigung für in Hinkunft entgehende Einnahmen anzusehen seien.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab, wobei sie zur Begründung im wesentlichen ausführte, dem Finanzamt sei bei Erlassung der (ursprünglichen) Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1983 und 1984 bekannt gewesen, daß eine Patentmeldung erfolgt, jedoch noch kein Patent erteilt worden sei. Das Finanzamt sei daher im Hinblick auf § 93 PatG 1970 davon ausgegangen, der Beginn des patentrechtlichen Schutzes habe ab dem Zeitpunkt der Anmeldung des Patentes am 26. November 1981 bestanden. Der Beschwerdeführer habe somit gegenüber jeder später angemeldeten gleichen Erfindung Vorrang genossen. Das Finanzamt habe allerdings im Zeitpunkt der Erlassung der (ursprünglichen) Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1983 und 1984 keine Kenntnis vom weiteren Schicksal der Patentanmeldung gehabt. Der einstweilige patenrechtliche Schutz habe jedoch wegen Nichtäußerung auf einen Vorbescheid nur bis zum 14. Februar 1984 bestanden und gelte ab dem nächstfolgenden Tag nach § 111 Abs 2 PatG 1970 wegen endgültiger Nichterteilung des Patentes als nicht eingetreten. Diese Tatsache sei dem Finanzamt erst durch die Mitteilung des Patentamtes vom 21. November 1990 bekannt geworden und somit neu hervorgekommen, weswegen die Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 1983 und 1984 zu Recht erfolgt sei. Das Finanzamt habe auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers annehmen dürfen, die Patentanmeldung werde zur Erteilung des Patentes führen, weswegen ab dem 26. November 1981 insofern ein patentrechtlicher Schutz bestanden habe, als der Beschwerdeführer gegenüber jeder später angemeldeten gleichen Erfindung Vorrang genossen habe. Da jedoch kein Patent erteilt worden sei, könne für die Lizenzeinkünfte der Hälftesteuersatz gemäß § 38 Abs 1 EStG 1972 nicht gewährt werden, weswegen anders lautende Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1983 und 1984 zu ergehen hätten. Die im Jahr 1984 erzielten Lizenzeinkünfte stellten keine Entschädigung für in Hinkunft entgehende Einnahmen iSd § 32 Z 1 lit a EStG 1972, sondern eine Zahlung anläßlich der Beendigung und Abrechnung einer ertragreichen Geschäftsbeziehung dar. Mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen könne daher für die im Jahr 1984 erzielten Lizenzeinkünfte der Hälftesteuersatz gemäß § 37 Abs 2 Z 4 EStG 1972 nicht gewährt werden.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der zunächst an ihn erhobenen Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unverletzlichkeit des Eigentums und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sowie die Anwendung einer rechtswidrigen Norm behauptet worden ist, mit Beschluß vom 1. Dezember 1992, B 309/92-7, ab und trat sie mit Beschluß vom 15. Februar 1993, B 309/92-9, gemäß Art 144 Abs 3 B-VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof ab.
In der iSd § 34 Abs 2 VwGG ergänzten Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Beachtung der Rechtskraft der (ursprünglichen) Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1983 und 1984 (daß Wiederaufnahme des Verfahrens also nur bei Vorliegen der gesetzlichen Gründe stattfinden darf) sowie in seinem Recht auf richtige Berechnung der Einkommensteuer für das Jahr 1984 (Zubilligung des Hälftesteuersatzes) verletzt, wobei er Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend macht. Zur Begründung verweist der Beschwerdeführer auf seine Ausführungen in der zunächst an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde, die er als Verletzung einfach-gesetzlicher Bestimmungen mit dem Bemerken relativiere, im Zweifel sei einer verfassungskonformen, gleichheitswidrige Ergebnisse vermeidenden Auslegung der Vorzug zu geben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Wiederaufnahme der Verfahren
Der Beschwerdeführer hat seine Einkommensteuererklärung für das Jahr 1983 am 30. April 1985, die für das Jahr 1984 am 30. April 1986 dem Finanzamt überreicht. Dem Beschwerdeführer war somit bereits im Zeitpunkt der Überreichung der Einkommensteuererklärung für das Jahr 1983 bekannt, daß seine Patentanmeldung vom 26. November 1981 seit 15. Februar 1984 wegen Nichtäußerung auf einen Vorbescheid als zurückgenommen gilt. Er hat jedoch in seinen Erklärungen nicht bekannt gegeben, daß die Anmeldung als zurückgenommen gilt, und somit ein patentrechtlicher Schutz (endgültig) nicht erteilt worden ist. Das Finanzamt hat es unterlassen, die Ergänzung der Erklärungen zu veranlassen, sondern angenommen, es liege ein patentrechtlicher Schutz vor. Der durch die Mitteilung des Patentamtes vom 21. November 1990 hervorgekommene Umstand, daß die Anmeldung als zurückgenommen gilt, stellt daher eine für das Finanzamt neu hervorgekommene Tatsache iSd § 303 Abs 4 BAO dar, weswegen die amtswegige Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 1983 und 1984 zulässig gewesen ist.
2. Gewährung des Hälftesteuersatzes
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgeführt hat, sind nur solche Einkünfte aus der Verwertung von volkswirtschaftlich wertvollen Erfindungen steuerlich begünstigt, die tatsächlich einen patentrechtlichen Schutz genießen (vgl die hg Erkenntnisse vom 12. Jänner 1993, 91/14/0157, vom 27. Juli 1994, 92/13/0146, und vom 20. Februar 1996, 92/13/0143). Da für die volkswirtschaftlich wertvolle Erfindung des Beschwerdeführers kein patentrechtlicher Schutz eingetreten ist, kann für die vom Beschwerdeführer erzielten Lizenzeinkünfte der Hälftesteuersatz gemäß § 38 Abs 1 EStG 1972 nicht gewährt werden. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist nicht allein entscheidend, ob eine volkswirtschaftlich wertvolle Erfindung vorliegt, sondern muß diese Erfindung auch patentrechtlich geschützt sein.
Der Beschwerdeführer zeigt im übrigen nicht auf, die belangte Behörde hätte durch die Nichtgewährung des Hälftesteuersatzes einfach-gesetzlich gewährleistete Rechte verletzt.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1993150044.X00Im RIS seit
20.11.2000