TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/11 W182 2198261-1

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Veröffentlicht am 11.05.2021
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Entscheidungsdatum

11.05.2021

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W182 2198259-1/11E

W182 2198256-1/5E

W182 2198261-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. PFEILER über die Beschwerden von 1.) XXXX (auch XXXX XXXX ), geb. XXXX , und 2.) XXXX , geb. XXXX , beide StA. Jemen sowie 3.) XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch Mag. Brigitte TCHOUKWE TCHOUA Ma (ehemals Maga. Brigitte BALDAUF), gegen den Spruchpunkt I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.05.2018, Zlen. ad 1.) 1088906110 – 151437370, ad 2.) 1088906208 - 151437418, sowie ad 3.) 1186929603 180335503, zu Recht erkannt:

A) In Stattgebung der Beschwerden wird XXXX , XXXX und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I. Nr. 100/2005 idgF, der Status von Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass ihnen damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. I Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Bei den beschwerdeführenden Parteien handelt es sich um eine Mutter (BF1) und ihre beiden minderjährigen Kinder (BF2 und BF3). Die BF1-BF2 reisten im September 2015 illegal in das Bundesgebiet ein und stellten am 26.09.2015 Anträge auf internationalen Schutz.

Im XXXX 2018 wurde die BF3 im Bundesgebiet geboren, für welche am 06.04.2018 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde.

2. Mit den oben in Spruch angeführten Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) vom 11.05.2018, wurden die Anträge der BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihnen gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt sowie ihnen gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 11.05.2019 erteilt. Das Bundesamt ging von einer jemenitischen Staatsangehörigkeit der BF aus.

3. Gegen Spruchpunkt I. der Bescheide wurden seitens der BF binnen offener Frist Beschwerden erhoben.

4. Dem am XXXX im Bundesgebiet geborenen dritten Kind der BF1, XXXX , wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 19.12.2020, Zl. 1270676609/201084850, gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Es wurde eine somalische Staatsangehörigkeit und eine im Herkunftsstaat drohende asylrelevante Verfolgung festgestellt.

In der Folge stellte die BF1 für sich und die übrigen BF am 05.03.3021 beim Bundesamt Folgeanträge auf internationalen Schutz. Sie wurde von der Behörde belehrt, dass die Anträge aufgrund der Anhängigkeit der gegenständlichen Beschwerdeverfahren nicht zulässig seien.

Mit Schreiben für die BF vom 25.03.2021 wurde u.a. auf den Bescheid des Bundesamtes vom 19.12.2020 verwiesen. Dem Schreiben waren neben dem genannten Bescheid eine Beurkundung (Beglaubigung) der anerkannten Vaterschaft zum zweitgeborenen Kind der BF1 durch den somalischen Staatsangehörigen XXXX beim entsprechenden Standesamt vom 02.03.2021, eine am 02.03.2021 ausgestellte Geburtsurkunde mit entsprechendem Eintrag der Vaterschaft sowie ein Beschluss eines Bezirksgerichtes vom 16.02.2021 über die gemeinsame Obsorge der BF1 und XXXX über das gemeinsame am XXXX nachgeborene Kind, beigelegt.

Das Schreiben vom 25.03.2021 wurde am 30.03.2021 samt Beilagen dem Bundesamt mit der Möglichkeit zu einer Stellungnahme binnen einer Woche übermittelt, wovon kein Gebrauch gemacht wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die BF1 und ihre beiden minderjährigen Kinder im Alter von XXXX und XXXX Jahren haben am 26.09.2015 (BF1 und BF2) bzw. 06.04.2018 (BF3) Anträge auf internationalen Schutz gestellt. Dem am XXXX im Bundesgebiet nachgeborenen dritten Kind der BF1 wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 19.12.2020, Zl. 1270676609/201084850, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt, wobei von der Behörde eigene das Kind betreffende asylrelevante Fluchtgründe festgestellt wurden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zu den familiären Verhältnissen und Kindern der BF1 ergeben sich zweifelsfrei aus den vorgelegten Akten des Bundesamtes zu den im Spruch genannten Zahlen, dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes und den im Verfahren vorgelegten Dokumenten. Der Asylstatus des dritten im Bundesgebiet geborenen Kindes der BF1 ergibt sich – wie dessen Begründung - zweifelsfrei aus dem Bescheid des Bundesamtes vom 19.12.2020, Zl. 1270676609/201084850.

Die Feststellungen zur Unbescholtenheit der BF1 ergeben sich aus einem zum Stichtag eingeholten Strafregisterauszug.

Die im Spruch angeführten Namen der BF1 - BF3 ergeben sich aus den Angaben der BF1, einer Übersetzung der von ihr beim Bundesamt vorgelegten Kopie ihrer jemenitischen Geburtsurkunde sowie der für ihre Kinder vorgelegten Geburtsurkunden. Die im Spruch in Klammer angeführten Namen der BF1 wurden zur Vermeidung von Verwechslungen zusätzlich gesondert angeführt, da sie von Behörden für die BF1 verwendet wurden.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn (Z 1) der der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder (Z 2) die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Letztere Variante traf unter Berücksichtigung der in ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG vertretenen Ansicht über den prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auf die gegenständliche Konstellation zu (vgl. dazu etwa VwGH 28.07.2016, Zl. Ra 2015/01/0123).

Gemäß Art. 130 Abs. 4 B-VG hat das Verwaltungsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis gelegen ist (Z 2).

Zu Spruchteil A):

3.2. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einer Fremden, die in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihr im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Stellt ein Familienangehöriger von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 22 AsylG 2005 ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde.

Die Behörde hat gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn (Z 1) dieser nicht straffällig geworden ist und (Z 3) gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist.

Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jede(r) Asylwerber(in) erhält einen gesonderten Bescheid. Diese Bestimmungen gelten sinngemäß auch für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (§ 34 Abs. 5 AsylG 2005).

§ 34 AsylG 2005 dient der Beschleunigung der Asylverfahren von Asylwerbern im Familienverband. Ziel der Bestimmungen ist, Familienangehörigen (§ 2 Z 22) den gleichen Schutz zu gewähren, ohne sie um ihr Verfahren im Einzelfall zu bringen. Ist einem Familienangehörigen - aus welchen Gründen auch immer - ohnedies der Status des Asylberechtigten zu gewähren, so kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, er habe darüber hinaus vorgesehen, dass auch in diesem Fall eigene Fluchtgründe zu prüfen wären. Dies würde der vom Gesetzgeber ausdrücklich angeführten Beschleunigung der Asylverfahren von Asylwerbern im Familienverband entgegenstehen (vgl. VwGH 30.04.2018, Zl. Ra 2017/01/0418, Rn 21-22).

Gemäß § 34 Abs. 6 Z 2 AsylG 2005 sind die Bestimmungen über das Familienverfahren auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, nicht anzuwenden, es sei denn, es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind. Nach den Materialien (der Novelle BGBl. I Nr. 122/2009) zu § 34 Abs. 6 AsylG 2005 (RV 330 BlgNR 24. GP, 24) soll damit „verhindert werden, dass es zu sogenannten ‚Ketten-Familienverfahren' und damit über verschiedenste Familienverhältnisse vermittelte Gewährungen von Asyl oder subsidiären Schutz kommt, ohne dass oftmals noch irgendein relevanter familiärer Bezug zum ursprünglichen Asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten besteht" (vgl. VwGH 30.04.2018, Zl. Ra 2017/01/0418, Rn 23).

3.3. Die BF1 ist die Mutter ihres minderjährigen ledigen Kindes XXXX . Letzterem wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 19.12.2020, Zl. 1270676609/201084850, gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten aufgrund eigener Fluchtgründe zuerkannt. Die Entscheidung wurde rechtskräftig. Es liegen keine Hinweise für ein Aberkennungsverfahren vor.

Der BF1 war somit gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG der Status einer Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG ist diese Entscheidung mit der Feststellung zu verbinden, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Weiters ist darauf hinzuweisen, dass der Antrag der BF1 auf internationalen Schutz vor dem 15.11.2015 gestellt wurde, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 bis 4b AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 24/2016 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall keine Anwendung finden.

Da die übrigen BF minderjährige ledige Kinder der BF1 sind, war diesen im Rahmen des gemeinsam geführten Familienverfahrens nach § 34 Abs. 4 AsylG 2005 der gleiche Schutzumfang wie der BF1 zuzuerkennen, wobei für die BF3 § 3 Abs. 4b AsylG 2005 gilt.

Hingewiesen wird abschließend darauf, dass die Wortfolge „iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005“ im Spruch dieses Erkenntnisses entfallen konnte, da eine Differenzierung im Status des Asylberechtigten vom Gesetz nicht vorgesehen und daher rechtlich unbeachtlich ist (vgl. VwGH 30.04.2018, Ra 2017/01/0418, Rn 18).

Der Vollständigkeit halber ist noch darauf hinzuweisen, dass hinsichtlich der Staatsangehörigkeit der BF3 aufgrund der nachträglich durch Geburtsurkunde nachgewiesenen Vaterschaft eines somalischen Staatsangehörigen zumindest von einer somalischen Staatsangehörigkeit auszugehen war (vgl. Somali Citizenship Regulations, 1963, Decree of the President of the Republic No. 129 of 19 February 1963, Art. 1, https://www.refworld.org/cgi-bin/texis/vtx/rwmain?docid=5ecf67914), wohingegen keine Anhaltspunkte für eine jemenitische Staatsangehörigkeit mehr vorliegen (vgl. Law No. 6 of 1990 on Yemeni Nationality, 26.08.1990, Art. 3, https://www.refworld.org/docid/3ae6b57b10.html). Angesichts des zuvor Ausgeführten kommt diesem Umstand aber keine entscheidungsrelevante Bedeutung mehr zu.

3.4. Aufgrund der Eindeutigkeit der Aktenlage im Rahmen des Umfanges der Anfechtung waren keine strittigen Sachverhalts- oder Rechtsfragen mehr festzustellen oder neue Beweise aufzunehmen, wobei eine mündliche Erörterung auch keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lässt.

Damit ist der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerden als geklärt anzusehen (vgl. § 27 VwGVG). Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG in Verbindung mit § 24 VwGVG unterbleiben.

Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben (vgl. dazu insbesondere die unter den Punkten II.3.2. f. zitierte Judikatur).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Asylgewährung von Familienangehörigen asylrechtlich relevante Verfolgung Familienverfahren Flüchtlingseigenschaft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W182.2198261.1.00

Im RIS seit

05.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

05.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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