Entscheidungsdatum
27.05.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs3Spruch
W103 2236718-1/6E
W103 2236717-1/5E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. AUTTRIT als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch die Mutter XXXX , beide StA. Russische Föderation und vertreten durch die BBU GmbH, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.10.2020, 1.) Zl. XXXX , 2.) XXXX :
A) In Erledigung der Beschwerden werden die angefochtenen Bescheide gemäß § 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, behoben und die Angelegenheiten an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Die beschwerdeführenden Parteien sind Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter und gesetzliche Vertreterin des Zweitbeschwerdeführers. Ihr wurde mit rechtskräftigem Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 22.05.2006, Zahl XXXX in Stattgabe eines am 04.12.2003 eingebrachten Asylantrages gemäß § 7 AsylG 1997 der Status des Asylberechtigten zuerkannt und gemäß § 12 leg. cit. festgestellt, dass dieser damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.
Die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten wurde insbesondere damit begründet, dass der Vater der Erstbeschwerdeführerin im ersten Tschetschenienkrieg aktiver Kämpfer gewesen sei und im zweiten Tschetschenienkrieg Widerstandskämpfer unterstützt und bei der Versorgung von Verwundeten geholfen habe. Im Jahr 2000 hätten russische Behörden begonnen den Vater der Erstbeschwerdeführerin zu suchen, wobei er sich bis zu seiner Flucht im Juni 2003 versteckt gehalten habe. Bis zur Flucht der Erstbeschwerdeführerin im September 2003 hätten mehrere Hausdurchsuchungen stattgefunden, bei denen nach ihrem Vater gefragt worden und die gesamte Familie bedroht und beschimpft worden sei. Im Zuge dessen sei es auch zur Misshandlung des ältesten Bruders der Erstbeschwerdeführerin gekommen. Auch das Haus ihrer Familie sei nach einer erfolgten Hausdurchsuchung im März 2002 durch eine Granate fast zur Gänze zerstört worden. Vor dem Hintergrund der Länderberichte und dem Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin sei anzunehmen, dass ihr aufgrund ihrer Familienzugehörigkeit dieselbe politische Gesinnung wie ihrem Vater seitens der russischen Behörden unterstellt werde, bzw. eine Verfolgung daraus resultierte, dass sie als Angehörige ihres Vaters, zugehörig zu einer bestimmten sozialen Gruppe sei. Daraus ergebe sich eine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat und müsse sie bei einer Rückkehr wieder mit dieser Verfolgung rechnen.
2. Am XXXX wurde der Zweitbeschwerdeführer im Bundesgebiet geboren und stellte seine Mutter für ihn als gesetzliche Vertreterin am 29.04.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz.
3. Mit Aktenvermerk vom 19.05.2020 leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Verfahren zur Aberkennung des Status der Asylberechtigten wegen geänderter Verhältnisse im Herkunftsstaat ein, wobei ausgeführt wurde, dass die Zuerkennung vor mehr als 5 Jahren erfolgt sei und Straffälligkeit nicht vorliege, weshalb eine Aberkennung erst möglich sei, wenn die Niederlassungsbehörde der Erstbeschwerdeführerin rechtskräftig einen Aufenthaltstitel erteile.
Mit Verfahrensanordnung vom 19.05.2020 wurde die Erstbeschwerdeführerin darüber in Kenntnis gesetzt und aufgefordert binnen 14 Tagen, zur beabsichtigten Aberkennung ihres Asylstatus und zum Antrag ihres Sohnes auf internationalen Schutz, bestimmte Fragen zu beantworten. Im Rahmen der am 05.06.2020 beim Bundesamt eingelangten Stellungnahme, mit welcher die Erstbeschwerdeführerin den ausgefüllten Fragebogen an die Behörde zurückschickte, führte die Erstbeschwerdeführerin im Wesentlichen aus, dass ihr kein anderes, nicht auf das Asylgesetzt gestütztes Aufenthaltsrecht erteilt worden sei und sie nach Zuerkennung ihres Flüchtlingsstatus nie in die Russische Föderation gereist sei. Im Herkunftsstaat würden sich noch Tanten und Onkeln ihrer Eltern aufhalten, mit denen sie manchmal telefoniere. In Österreich habe sie Kurse besucht und gearbeitet. Sie bestreite ihren Lebensunterhalt durch ihren Lohn sowie Mindestsicherung und beziehe Sozialleistungen. Sie leide an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten und befinde sich nicht in ärztlicher Behandlung. Weder habe sie Kontakt zu extremistischen oder terroristischen Gruppen, noch sei sie je von Gerichtsverfahren im Bundesgebiet betroffen gewesen. Auch wegen Verwaltungsübertretungen sei sie nicht bestraft worden. In Österreich lebe sie mit ihren drei Kindern im gemeinsamen Haushalt. In der Russischen Föderation habe sie etwas zu befürchten, weil ihr Vater politisch verfolgt werde. Gegen eine Aberkennung spreche, dass sie hier aufgewachsen sei und ihre Eltern auch hier leben würden. Ihre Kinder seien in Österreich auf die Welt gekommen. Sie könnten sich ein Leben in der Russischen Föderation nicht vorstellen und sei sie nie außerhalb Österreichs gewesen. Ihr Sohn sei gesund, sie habe für ihn als gesetzliche Vertreterin einen Antrag gestellt, damit er denselben Status wie sie erhalte. Ihr Sohn lebe mit ihr im gemeinsamen Haushalt und sei sie derzeit in Mutterschutz. Im Herkunftsstaat hätte auch ihr Sohn etwas zu befürchten.
Mit Schreiben vom 08.06.2020 verständigte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Bezirkshauptmannschaft XXXX über die Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status der Asylberechtigten und ersuchte um Verständigung über die rechtkräftige Erteilung eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt EU“ für die Erstbeschwerdeführerin.
Mit Schreiben vom 05.10.2020 informierte eine Mitarbeiterin der Sozialberatungsstelle XXXX über die erfolgte Erteilung des Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt EU“ mit Gültigkeitsdauer von XXXX bis XXXX .
4.1 Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 08.10.2019 wurde der Erstbeschwerdeführerin in Spruchteil I. der ihr mit Bescheid vom 27.04.2006, Zahl: XXXX , zuerkannte Status der Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 idgF aberkannt. Gemäß § 7 Abs. 4 AsylG wurde festgestellt, dass dieser die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukomme. In Spruchteil II. wurde der Erstbeschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt, weiters wurde ihr in Spruchteil III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt.
Die Entscheidung über die Aberkennung des Status der Asylberechtigten wurde darauf gestützt, dass sich die Umstände, aufgrund derer die Erstbeschwerdeführerin als Flüchtling anerkannt worden wäre, nachhaltig geändert hätten. Heute seien auch ehemalige Widerstandskämpfer in Tschetschenien an der Macht und seien seit vielen Jahren keine russischen Einheiten mehr in Tschetschenien präsent. Es könne daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgehalten werden, dass der Erstbeschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr keine Verfolgung drohe. Aus dem vorliegenden Sachverhalt sowie den Länderfeststellungen habe sich auch nicht ergeben, dass die Erstbeschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr eine Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK drohen oder in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde.
4.2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 08.10.2019 wurde der Antrag des Zweitbeschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde sein Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.). Weiters wurde ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und ausgesprochen, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG gemäß § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist und wurde dem Zweitbeschwerdeführer eine Aufenthaltsberechtigung plus gemäß § 55 AsylG erteilt (Spruchpunkt IV.).
Die Entscheidung wurde zusammenfassend damit begründet, dass die Erstbeschwerdeführerin für den Zweitbeschwerdeführer weder asylrelevante Gründe vorgebracht, noch Verfolgung oder Bedrohung iSd GFK gegen den Zweitbeschwerdeführer geltend gemacht habe. Bei dem Vorbringen seiner Mutter handle es sich um keine Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, politischer Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Mit heutigem Tag sei der Erstbeschwerdeführerin mit Bescheid der Status der Asylberechtigten aberkannt worden, weshalb für den Zweitbeschwerdeführer die Zuerkennung im Familienverfahren nicht in Betracht komme. Außerdem sei vor dem Hintergrund der Länderberichte nicht davon auszugehen, dass ihm in der Russischen Föderation eine reelle Gefahr der Verletzung noch Artikel 2 oder 3 EMRK drohe. Auch seiner Mutter sei der Status einer subsidiär Schutzberechtigten nicht erteilt worden, weshalb eine Zuerkennung im Rahmen dessen nicht in Frage komme. Nachdem der Mutter des Zweitbeschwerdeführers der Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EU“ erteilt worden sei und eine Rückkehr seinerseits nur mit der Erstbeschwerdeführerin in Betracht komme, würde eine Rückkehrentscheidung einen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK darstellen, weshalb dem Zweitbeschwerdeführer eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen war.
5. Mit am 03.11.2020 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingelangtem Schriftsatz wurde durch die Rechtsvertretung der Erstbeschwerdeführerin fristgerecht die verfahrensgegenständliche Beschwerde eingebracht. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Erstbeschwerdeführerin sei mit Bescheid vom 27.04.2006 der Status der Asylberechtigten zuerkannt worden. Die Erstbeschwerdeführerin gelte als politisch verfolgt, weil ihr Vater in den Tschetschenienkriegen aktiv gewesen sei und sie daher auch als Angehörige Verfolgung treffen würde. Ihr werde, wie ihrem Vater, eine regierungsfeindliche Gesinnung unterstellt und sei diese Verfolgung auch nach wie vor aktuell, weil der russische Staat immer noch hinter ihrer Familie her sei. Diese sei sogar noch schlimmer geworden, da der Bruder der Erstbeschwerdeführerin in Syrien als Kämpfer tätig gewesen sei, weshalb die Familie im Herkunftsstaat erst Recht ins Visier der Behörden geraten sei. Die belangte Behörde habe ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren geführt, weil der verfahrensgegenständliche Bescheid ohne vorherige Einvernahme der Erstbeschwerdeführerin ergangen sei. Dabei wird auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs verwiesen, wonach auf die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks nicht verzichtet werden dürfe. Insbesondere wäre es Pflicht der Behörde gewesen durch Ermittlungen festzustellen, ob sich die Lage tatsächlich gebessert habe und der Erstbeschwerdeführerin keine Verfolgung mehr drohe. Aufgrund des Unterlassens einer Einvernahme, habe sie nicht ausführen können, dass die Erstbeschwerdeführerin noch aktiv verfolgt werde und diese sogar schlimmer geworden sei, weil ihr Bruder in Syrien gegen Russland gekämpft habe. Auch durch diese Kampfhandlungen habe der Bruder der Erstbeschwerdeführerin seine antirussische politische Gesinnung gezeigt und der russischen Regierung verdeutlicht, dass die gesamte Familie immer noch dieselbe politische Gesinnung habe. Die Erstbeschwerdeführerin sei zu ganz wesentlichen Umständen nicht befragt worden, weil keine Einvernahme stattgefunden habe. Aus diesen Gründen habe die Behörde die Aberkennung des Asylstatus gar nicht beurteilen können, weshalb sich die Entscheidung als mangelhaft erweise. Ebenso seien die Länderberichte unvollständig und veraltet, zumal Berichte zur politischen Verfolgung in der Russischen Föderation, auch Jahrzehnte nach der Ausreise, gänzlich fehlen würden. Darüber hinaus würden entsprechende Feststellungen hinsichtlich des Umstandes fehlen, aufgrund welcher Tatsachen der Erstbeschwerdeführerin Asyl aberkannt worden sei sowie der Verfolgung und der aktuellen Situation von Angehörigen (ehemals) politisch Verfolgter. So liege auch mangelhafte Beweiswürdigung vor, weil die Behörde lediglich ausführe, der Erstbeschwerdeführerin sei Asyl gewährt worden, weil ihr dieselbe politische Gesinnung wie ihrem Vater unterstellt worden sei und sich die Lage in der Russischen Föderation nun gebessert habe. Im Übrigen sei die am 05.06.2020 von der Erstbeschwerdeführerin eingebrachte Stellungnahme mit keinem Wort gewürdigt worden, was einen weiteren Mangel darstelle. Beantragt wurde u.a. eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen.
Mit ebenfalls am 03.11.2020 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingelangtem Schriftsatz gegen Spruchpunkt I. bis III. des angefochtenen Bescheides des Zweitbeschwerdeführers wurde durch seine Rechtsvertretung fristgerecht die verfahrensgegenständliche Beschwerde eingebracht, in welcher im Wesentlichen die in der Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin ausgeführten Mängel der fehlenden Einvernahme der Erstbeschwerdeführerin sowie der mangelhaften Auseinandersetzung der Behörde mit den einstigen Fluchtgründen der Erstbeschwerdeführerin und ihres Vaters sowie der Situation (ehemals) politisch Verfolgter in der Russischen Föderation, vorgebracht wurden. Die Mutter des Zweitbeschwerdeführers sei aufgrund der erhobenen Beschwerde immer noch asylberechtigt, weshalb dem Zweitbeschwerdeführer im Familienverfahren ebenfalls Asyl gewährt hätte werden müssen. Im Übrigen habe die Behörde nicht berücksichtigt, dass der Vater des Zweitbeschwerdeführers in Österreich subsidiär schutzberechtigt sei, weshalb ihm auch dieser Schutz im Familienverfahren hätte zukommen müssen.
Aufgrund der lediglich ausdrücklichen Beschwerdeerhebung gegen Spruchpunkte I. bis III., erwuchs Spruchpunkt IV. des Bescheides des Zweitbeschwerdeführers in Rechtskraft.
6. Die Beschwerdevorlagen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langten am 09.11.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Da sich die gegenständlichen zulässigen und rechtzeitigen Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richten, ist das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG zur Entscheidung zuständig.
Zu Spruchteil A) Zurückverweisung der Rechtssache:
2.1. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat. Zur Anwendung des § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG durch die Verwaltungsgerichte hat der Verwaltungsgerichtshof ausgehend von einem prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht durch das Verwaltungsgericht präzisierend wie folgt festgehalten (VwGH vom 06.07.2016, Ra 2015/01/0123):
"In § 28 VwGVG 2014 ist ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert, weswegen die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz leg cit vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist (Hinweis E vom 17. Dezember 2014, Ro 2014/03/0066, mwN). Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden (Hinweis E vom 27. Jänner 2015, Ra 2014/22/0087, mwN). Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (Hinweis E vom 12. November 2014, Ra 2014/20/0029, mwN)."
2.2. Das Bundesamt stützte die Aberkennung des der Erstbeschwerdeführerin zuerkannten Status der Asylberechtigten auf § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ist der Status des Asylberechtigten einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist.
Das Bundesamt kann gemäß § 7 Abs. 3 AsylG 2005 einem Fremden, der nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3), den Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 nicht aberkennen, wenn die Aberkennung durch das Bundesamt - wenn auch nicht rechtskräftig - nicht innerhalb von fünf Jahren nach Zuerkennung erfolgt und der Fremde seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat. Kann nach dem ersten Satz nicht aberkannt werden, hat das Bundesamt die nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, zuständige Aufenthaltsbehörde vom Sachverhalt zu verständigen. Teilt diese dem Bundesamt mit, dass sie dem Fremden einen Aufenthaltstitel rechtskräftig erteilt hat, kann auch einem solchen Fremden der Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 aberkannt werden.
Gemäß Art. 1 Abschnitt C Z 5 der der Genfer Flüchtlingskonvention wird dieses Abkommen auf eine Person, die unter die Bestimmungen des Abschnittes A fällt, nicht mehr angewendet werden, wenn die Umstände, auf Grund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und sie es daher nicht weiterhin ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen.
Die Bestimmungen der Ziffer 5 sind nicht auf die in Ziffer 1 des Abschnittes A dieses Artikels genannten Flüchtlinge anzuwenden, wenn sie die Inanspruchnahme des Schutzes durch ihr Heimatland aus triftigen Gründen, die auf frühere Verfolgungen zurückgehen, ablehnen.
Art. 1 Abschnitt C Ziffer 5 GFK entspricht Art. 11 Abs. 1 lit. e iVm Abs. 3 StatusRL, der zufolge ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser nicht mehr Flüchtling ist, wenn er nach Wegfall der Umstände, aufgrund deren er als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Diese Bestimmung findet keine Anwendung auf einen Flüchtling, der sich auf zwingende, auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe berufen kann, um die Inanspruchnahme des Schutzes des Landes, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, abzulehnen.
Die Flüchtlingseigenschaft gemäß Art. 11 Abs. 1 lit. e Status-RL aF, der der aktuellen Rechtslage entspricht, erlischt, wenn in Anbetracht einer erheblichen und nicht nur vorübergehenden Veränderung der Umstände in dem fraglichen Drittland diejenigen Umstände, aufgrund deren der Betreffende begründete Furcht vor Verfolgung aus einem der in Art. 2 lit. c der Richtlinie genannten Gründe hatte und als Flüchtling anerkannt worden war, weggefallen sind und er auch nicht aus anderen Gründen Furcht vor "Verfolgung" im Sinne des Art. 2 lit. c der Richtlinie haben muss (EuGH vom 2.3.2010, Rs C-175/08 ua, Abdulla ua, Rz 76). Die Umstände müssen sich auf grundlegende, in Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 GFK angeführte Fluchtgründe beziehen, auf Grund deren angenommen werden kann, dass der Anlass für die - begründete - Furcht vor Verfolgung nicht mehr länger besteht (VwGH vom 25.6.1997, 95/01/0326).
Die Bestimmung des Art. 1 Abschnitt C Ziffer 5 GFK stellt primär auf eine grundlegende Änderung der (objektiven) Umstände im Herkunftsstaat ab, kann jedoch auch die Änderung der in der Person des Flüchtlings gelegenen Umstände umfassen, etwa wenn eine wegen der Mitgliedschaft zu einer bestimmten Religion verfolgte Person nun doch zu der den staatlichen Stellen genehmen Religion übertritt und damit eine gefahrlose Heimkehr möglich ist (vgl Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 AsylG, K9).
Die Änderungen im Herkunftsstaat müssen nachhaltig und nicht bloß von vorübergehender Natur sein (VwGH vom 22.4.1999, 98/20/0567; VwGH vom 25.3.1999, 98/20/0475). Nach Einhaltung eines längeren Beobachtungszeitraumes wird auch der bloße "Haltungswandel" des bisherigen Verfolgers, ohne dass ein politischer Machtwechsel stattgefunden hat, eine asylrechtlich maßgebliche Änderung der Umstände ergeben und in Folge Artikel 1 Abschnitt C Ziffer 5 der Genfer Flüchtlingskonvention zum Tragen kommen (VwGH vom 21.11.2002, 99/20/0171).
Der Wegfall der Verfolgungsgefahr ist maßgeblich für die Anwendung von Art. 1 Abschnitt C Ziffer 5 der Genfer Flüchtlingskonvention. Ob die allgemeine wirtschaftliche Lage im Herkunftsstaat schlecht ist oder familiäre beziehungsweise emotionelle Bindungen zum Aufnahmestaat bestehen, ist für den Eintritt der Ziffer 5 grundsätzlich irrelevant.
2.3. Vorweg ist festzuhalten, dass der unbescholtenen Erstbeschwerdeführerin, die ihren Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat, durch die zuständige Behörde der Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EU“ mit einer Gültigkeitsdauer vom XXXX bis XXXX erteilt worden ist, sodass eine Aberkennung des Asylstatus gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 grundsätzlich trotz des Umstandes, dass seit Zuerkennung des Status mehr als fünf Jahre verstrichen sind, in Betracht kommt.
Das Bundesamt stützte seine Entscheidung im Verfahren der Erstbeschwerdeführerin, welcher der Status der Asylberechtigten aufgrund ihrer Volljährigkeit nicht im Familienverfahren, jedoch aufgrund der Aktivitäten ihres Vaters in beiden Tschetschenienkriegen und der damit nicht nur ihm, sondern auch der Erstbeschwerdeführerin unterstellten politischen Gesinnung, zuerkannt worden war, in der Begründung des bekämpften Bescheides im Wesentlichen ausschließlich darauf, dass sich die Situation im Herkunftsstaat der Erstbeschwerdeführerin seit der Asylzuerkennung nachhaltig geändert habe, was im Bescheid unkommentiert aus den getroffenen Länderfeststellungen abgeleitet wurde. Im Verfahren des Zweitbeschwerdeführers, wurde die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten mit der Aberkennung des Asylstatus der Erstbeschwerdeführerin begründet.
Der Erstbeschwerdeführerin wurde der Asylstatus nicht im Familienverfahren, sondern originär zuerkannt, weil sie zum Zeitpunkt ihrer Asylantragstellung bereits volljährig war, doch wurde in ihrem Zuerkennungsbescheid vom 22.05.2006 des Unabhängigen Bundesasylsenats ausgesprochen, dass ihr aufgrund der Aktivitäten ihres Vaters im ersten und zweiten Tschetschenienkrieges, die aktive Teilnahme an Kämpfen im ersten Tschetschenienkrieg und die Unterstützung von Kämpfern im zweiten Tschetschenienkrieg, ebenfalls, wie ihrem Vater, eine antirussische und damit politische Gesinnung unterstellt werde, weshalb ein Verfolgungsrisiko im Herkunftsstaat bestehe.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat im angefochtenen Bescheid die Aberkennung des Status des Asylberechtigten auf den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 iVm Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK gestützt und hierzu ausgeführt, dass die Erstbeschwerdeführerin zum Entscheidungszeitpunkt keiner Gefährdung in ihrem Heimatland unterliege. Das gegenständliche Verfahren zur Aberkennung des Status der Asylberechtigten wegen Wegfalls der Umstände, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, weist insofern einen gravierenden Mangel auf, als die Behörde darüber hinaus keine erkennbaren Feststellungen dahingehend getroffen hat, ob der Vater der Erstbeschwerdeführerin in der Russischen Föderation unverändert einer asylrelevanten Gefährdung ausgesetzt ist und folglich auch die Erstbeschwerdeführerin immer noch einer solchen unterliegt. Die Behörde stützte die Aberkennung des Status der Asylberechtigen der Erstbeschwerdeführerin im angefochtenen Bescheid ausschließlich auf den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 iVm Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK, für dessen Anwendung insbesondere auf den Wegfall der Verfolgungsgefahr beim Vater abzustellen gewesen wäre, zumal der Asylstatus der Erstbeschwerdeführerin, dem Zuerkennungsbescheid zur Folge, lediglich darauf beruht. Insbesondere hätten Ermittlungen dahingehend getätigt werden müssen, ob der Vater der Erstbeschwerdeführerin noch von russischen Behörden gesucht werde und ob aufgrund dessen allenfalls (noch) eine asylrelevante Gefährdung der Erstbeschwerdeführerin vorliege, folglich, ob ihr immer noch eine politisch oppositionelle Gesinnung unterstellt werde, aufgrund derer sie asylrelevanter Verfolgung im Herkunftsstaat ausgesetzt wäre. Wenn auch den Feststellungen der Behörde, wonach im Falle der Erstbeschwerdeführerin zum Entscheidungszeitpunkt keine asylrelevante Verfolgung ihrer eigenen Person anzunehmen ist, grundsätzlich weiterhin beizupflichten ist, so fehlen entscheidungsrelevante Feststellungen in Bezug auf eine (unverändert vorliegende) asylrelevante Gefährdung des Vaters der Erstbeschwerdeführerin und der sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Erstbeschwerdeführerin.
Aus einer personenbezogenen Anfrage im Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister ergab sich, dass der Asylstatus des Vaters der Erstbeschwerdeführerin unverändert aufrecht ist. Zu dem für das gegenständliche Verfahren entscheidungsmaßgeblichen Aspekts eines beim Vater der Erstbeschwerdeführerin unverändert vorliegenden asylrelevanten Sachverhalts tätigte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl keinerlei Ermittlungen. Im Verwaltungsakt liegt weder der Bescheid, mit welchem der Vater der Erstbeschwerdeführerin der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, ein, noch fanden Ermittlungen zur Frage, ob dem Vater der Erstbeschwerdeführerin die in seinem Fall festgestellte individuelle Verfolgungssituation im Heimatland unverändert droht, statt. Die entscheidungsmaßgebliche Frage, ob beim Vater der Erstbeschwerdeführerin unverändert eine asylrelevante Gefahr vorliegt, wurde im Verfahren vor der Behörde demnach nicht ansatzweise behandelt, weshalb in diesem Zusammenhang auch nicht festgestellt werden kann, ob der Erstbeschwerdeführerin wegen der Aktivitäten ihres Vaters ebenso noch eine asylrelevante Verfolgung (aufgrund der ihr ursprünglich unterstellten politisch oppositionellen Gesinnung) droht.
Wie von der Beschwerde zutreffend aufgezeigt, wird im Bescheid der Erstbeschwerdeführerin zwar wiederholt auf eine Änderung der Lage im Herkunftsstaat Bezug genommen, es wird jedoch in keiner Weise konkretisiert, in wie fern sich eine solche (allgemein) anhand der im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen ableiten ließe, noch wird auch nur im Ansatz aufgezeigt, weshalb die bei der Erstbeschwerdeführerin im Jahr 2006 festgestellte individuelle Verfolgungsgefahr zwischenzeitig nicht mehr als vorliegend erachtet werde, zumal (s. oben) keine Ermittlungen betreffend einer (noch vorliegenden) asylrelevanten Verfolgungsgefahr in Bezug auf ihren Vater getroffen wurden, im Rahmen dessen der Erstbeschwerdeführerin dieselbe politische Gesinnung unterstellt wurde. Die Beschwerde weist zu Recht darauf hin, dass der Erstbeschwerdeführerin der Status der Asylberechtigten aufgrund einer individuellen Bedrohung ihrer Person aufgrund der aktiven Teilnahme ihres Vaters im ersten Tschetschenienkrieg sowie der Unterstützung des tschetschenischen Widerstandes im zweiten Tschetschenienkrieg zuerkannt worden war. Die im Bescheid wiedergegebenen Länderberichte enthalten keine Ausführungen zur aktuellen Situation von Teilnehmern an Kampf- bzw. Unterstützungshandlungen im ersten und zweiten Tschetschenienkrieg, respektive Angehöriger solcher, welche zur Begründung eines Wegfalls der individuellen Verfolgungsgefahr der Erstbeschwerdeführerin herangezogen werden könnten. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat die Erstbeschwerdeführerin weder zu ihrer aktuellen Situation befragt, (obwohl die BF explizit in ihrer schriftlichen Stellungnahme (siehe AS 315) angegeben hat, dass der Vater politisch verfolgt werde) noch sonstige Ermittlungsschritte, etwa durch Heranziehung von einzelfallspezifischen Länderberichten, welche eine Würdigung der ursprünglichen Zuerkennungsgründe durch einen Abgleich mit der tatsächlichen Situation im Herkunftsstaat ermöglichen würden, durchgeführt.
Der pauschale Verweis auf eine Lageänderung in der Russischen Föderation sowie den Umstand, dass „heute auch ehemalige Widerstandskämpfer in Tschetschenien an der Macht“ und „russische Einheiten seit vielen Jahren nicht mehr in Tschetschenien präsent“ wären (Bescheid, Seite 48) erweist sich diesbezüglich als kaum bestimmt und lässt – unter Zugrundelegung der vom Bundesamt im bekämpften Bescheid herangezogenen Länderfeststellungen – auch keine Rückschlüsse zu, inwiefern sich die Situation für die Erstbeschwerdeführerin (bzw. ihren Vater) diesbezüglich tatsächlich nachhaltig geändert haben soll.
Wie sich aus der Statistik des BMI ergibt (siehe Seite 10 von 52) https://www.bmi.gv.at/301/Statistiken/files/2020/Asylstatistik wird den Staatsbürgern der Russischen Föderation immer noch zu 27 Prozent, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt, sodass der pauschale Verwies auf eine positive Lageveränderung nicht nachvollziehbar ist.
Zudem wurde die Erstbeschwerdeführerin im Verfahren vor dem Bundesamt nicht einvernommen und zu allfälligen aktuellen Rückkehrbefürchtungen befragt, sodass im Ergebnis keine Ermittlungshandlungen dahingehend getätigt wurden, ob die sie wegen der ursprünglichen Ausreisegründe ihrer Familie oder allenfalls auch aufgrund seither neu entstandener eigener Gründe eine Verfolgung in ihrem Heimatland befürchtet. Die Einräumung schriftlichen Parteiengehörs, welche im Rahmen eines Fragenkataloges u.a. eine Fragestellung hinsichtlich aktueller Rückkehrbefürchtungen sowie Aberkennungshindernissen enthält, kann nicht als ausreichende Grundlage für die Beurteilung einer möglicherweise bestehenden aktuellen Gefährdung der Beschwerdeführerin im Heimatland erachtet werden.
Im gegenständlichen Fall scheint eine persönliche Einvernahme deswegen zwingend geboten, zumal der unvertretenen Erstbeschwerdeführerin im schriftlichen Parteiengehör durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl keine genauen Gründe für die Einleitung eines Aberkennungsverfahrens mitgeteilt wurden, sondern lediglich allgemein festgehalten wurde, dass sich die Lage im Heimatland um ein Wesentliches verbessert hätte und die Voraussetzungen die zur Zuerkennung ihres Flüchtlingsstatus geführt hätten, infolge Wegfalls der Umstände, nicht mehr vorliegen würden. Um der Erstbeschwerdeführerin jedoch die Möglichkeit zu geben, ein substantiiertes Vorbringen zu erstatten, warum die Voraussetzungen noch immer vorliegen, wären der Beschwerdeführerin vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl genauere Informationen zu geben gewesen. Die Behörde beschränkte ihre Ermittlungen hinsichtlich des allfälligen Vorliegens individueller Rückkehrbefürchtung auf die Auflistung der Fragen: „Wenn Sie heute in die Russische Föderation einreisen würden, hätten Sie dort von irgendjemandem etwas zu befürchten?“ und „gibt es Gründe, die gegen eine Aberkennung Ihres Flüchtlingsstatus sprechen?“, welche sich für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes im Hinblick auf das allfällige Vorliegen einer individuellen asylrelevanten Gefährdung respektive eines möglichen Grundes für die Zuerkennung des Status einer subsidiär Schutzberechtigten als unzureichend erweisen. Gerade vor dem Hintergrund der schriftlichen Ausführung der Erstbeschwerdeführerin auf Frage ihrer Rückkehrbefürchtung, wonach sie etwas zu befürchten habe, weil ihr Vater im Herkunftsstaat politisch verfolgt werde, hätte die belangte Behörde eine Einvernahme durchführen und die Erstbeschwerdeführerin dazu sowie zu einer allfälligen Lageänderung befragen und sohin weitere Ermittlungsschritte setzen müssen.
Auch weder die vom Bundesamt im bekämpften Bescheid vorgenommene Beweiswürdigung noch die rechtliche Beurteilung leistet diesbezüglich eine nachvollziehbare und konkrete Zuordnung. Somit ist aber festzustellen, dass dem bekämpften Bescheid für sich genommen – wie auch in der Beschwerde zurecht gerügt wurde – letztlich auch kein schlüssiger individueller Begründungswert zukommt.
Wie eingangs schon angesprochen, fehlen im angefochtenen Bescheid – zusätzlich zur fehlenden Auseinandersetzung mit dem Wegfall der im Fall des Vaters der Erstbeschwerdeführerin festgestellten Verfolgungsgefahr – konkrete Ermittlungsergebnisse zum allfälligen Vorliegen darüberhinausgehender Rückkehrhindernisse.
In Anbetracht dieser massiven, vielfachen Verfahrensmängel kann a priori auch nicht ausgeschlossen werden, dass bei Vermeidung der genannten Verfahrens- bzw. Ermittlungsmängel in der Sache ein anderes, für die unbescholtene Erstbeschwerdeführerin günstigeres, Ergebnis hätte erzielt werden können.
Aus diesem Grund war auch der Bescheid des Zweitbeschwerdeführers zu beheben, zumal ihm im Familienverfahren nach § 34 AsylG aufgrund seines kindlichen Alters, bei Aufrechterhaltung des Asylstatus der Erstbeschwerdeführerin, Asyl zu gewähren gewesen wäre. Der Vollständigkeit halber in Bezug auf die Beschwerde ist auszuführen, dass dem Bundesverwaltungsgericht nicht erkennbar ist, dass der Zweitbeschwerdeführer, wie sein Vater, auch Staatsangehöriger Afghanistans wäre, weshalb die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten aufgrund des Schutzstatus seines Vaters, im Rahmen des § 34 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan schon grundsätzlich nicht in Frage käme.
2.4. Zusammengefasst ist festzustellen, dass sich das Bundesamt in unzureichender und im Ergebnis untauglicher Weise mit der Frage des Vorliegens eines Aberkennungsgrundes gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 bzw. Art. 1 Abschnitt C Z 5 der der Genfer Flüchtlingskonvention sowie einem möglichen Grund für die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 auseinandergesetzt hat. Bei der ausgehend davon erforderlichen erstmaligen Prüfung und Feststellung, ob beim Vater der Erstbeschwerdeführerin unverändert eine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat vorliegt, würde es sich nicht lediglich um ergänzende Ermittlungen handeln. Vielmehr würde hierfür der für das gegenständliche Verfahren zentrale Sachverhalt zur Gänze erstmals im Beschwerdeverfahren ermittelt werden, zumal, wie dargelegt, die entscheidungsmaßgebliche Beurteilung im Verfahren vor der Behörde vollends ausgeklammert worden war. Im gegenständlichen Fall erweisen sich daher die angefochtenen Bescheide des Bundesamtes und das diesen zugrundeliegende Verfahren in besonders gravierender Weise als mangelhaft. Die entscheidenden Ermittlungshandlungen, welche grundsätzlich von der belangten Behörde durchzuführen sind (umso mehr es sich gegenständlich um ein von dieser von Amts wegen eingeleitetes Verfahren handelt), wären demnach nahezu zur Gänze erstmals durch das Verwaltungsgericht zu tätigen. Die dargetanen Mängel lassen sohin im Ergebnis nur die Feststellung zu, dass das Bundesamt völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt bzw. bloß ansatzweise ermittelt hat, sodass vom Vorliegen besonders gravierender Ermittlungslücken auszugehen ist.
Die angefochtenen Bescheide der belangten Behörde und das diesen zugrunde liegende Aberkennungsverfahren sind im Ergebnis daher so mangelhaft, dass die Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde geboten erscheint, wobei sich im konkreten Fall erst nach einem nachvollziehbaren Ermittlungsverfahren ergeben wird, ob im vom Bundesamt eingeleiteten Aberkennungsverfahren die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 tatsächlich vorliegen und die (allfällige) Erlassung neuer Bescheide zulassen. Diesbezüglich erweist sich der Sachverhalt in Verbindung mit der Beschwerde jedenfalls noch als völlig ungeklärt.
Unter Zugrundelegung des bisher Ausgeführten und insbesondere des Umstandes, dass die Erstbeschwerdeführerin vom Bundesamt nicht einmal einvernommen wurde und dem angefochtenen Bescheid, wie dargelegt, im vorliegenden Fall überhaupt keine Feststellungen zu den ursprünglichen Gründen für die Zuerkennung des Asylstatus des Vaters der Erstbeschwerdeführerin und des unveränderten Bestehens desselben entnommen werden können, sodass der für das gegenständliche Verfahren relevante Sachverhalt – welcher allenfalls gleichzeitig die Grundlage für ein Aberkennungsverfahren in Bezug auf eine Person, welche nicht Partei des gegenständlichen Verfahren ist, bilden könnte – zur Gänze erstmals im Beschwerdeverfahren ermittelt werden müsste. Aus diesem Grund kann auch ausgeschlossen werden, dass zur Behebung der Mängel (lediglich) „ergänzende“ Ermittlungen durch das Bundesverwaltungsgericht vorzunehmen wären (vgl. etwa VwGH 15.11.2018, Zl. Ra 2018/19/0268-9). Die Ergänzung des Ermittlungsverfahrens bzw. die Nachholung der fehlenden Feststellungen durch das Bundesverwaltungsgericht selbst wäre demnach fallgegenständlich weder im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden (vgl. VwGH 18.4.2018, Ra 2018/22/0015).
Besondere Gesichtspunkte, die aus der Sicht des Verwaltungsgerichtes gegen eine Kassation der angefochtenen Bescheide sprechen würden, sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar. So können keine Anhaltspunkte dafür erkannt werden, dass eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes in der Sache im Interesse der Raschheit gelegen wäre. Das Verfahren würde durch eine Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht keine Beschleunigung erfahren. Aus der Aktenlage ergeben sich weiters auch keine Hinweise, wonach die Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre. Vielmehr ist angesichts der Einrichtung und Ausstattung des Bundesamtes als asyl- und fremdenrechtliche Spezialbehörde vom Gegenteil auszugehen. Dass das Bundesverwaltungsgericht einen möglichen Grund zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten infolge einer amtswegigen Einleitung eines Aberkennungsverfahrens durch die belangte Behörde erstmals auf Sachverhaltsebene festzustellen und einer rechtlichen Beurteilung zu unterziehen hätte, kann nicht als im Sinne des Gesetzes gelegen erachtet werden.
Auch vor dem Hintergrund verwaltungsökonomischer Überlegungen und den Effizienzkriterien des § 39 Abs. 2 AVG macht das Bundesverwaltungsgericht von dem ihm in § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG eingeräumten Ermessen Gebrauch.
Die angefochtenen Bescheide sind daher gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit an das Bundesamt zurückzuverweisen.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wird die Erstbeschwerdeführerin daher im fortgesetzten Verfahren – falls sie ihre Entscheidung trotz der hohen Prozentzahl von 30 Prozent - positiven Asylzuerkennungen - aufrecht erhalten will hinsichtlich ihrer aktuellen Rückkehrbefürchtungen und allfälliger neuer Fluchtgründe einvernehmen zu haben und zur Begründung eines Wegfalls der im Fall des Erstbeschwerdeführerin im Jahr 2006 festgestellten asylrelevanten Gefährdung entsprechendes Länderberichtsmaterial heranzuziehen zu haben, insbesondere unter Berücksichtigung der nunmehrigen (noch vorliegenden) asylrelevanten Gefährdungssituation ihres Vaters, um eine allenfalls eingetretene Änderung der maßgeblichen Lage im Herkunftsstaat objektiv begründen zu können. Hierbei wird auch das neue Vorbringen in der Beschwerde zu erörtern sein.
3. Da sich die Beschwerde betreffend den Zweitbeschwerdeführer ausdrücklich nur gegen die Spruchpunkte I. bis III. des angefochtenen Bescheides richtet und Spruchpunkten VI. den Ausspruch über die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung plus“ unangefochtenen ließ, erwuchs dieser Ausspruch mit Ablauf der Beschwerdefrist in Rechtskraft.
4. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 leg. cit. kann eine Verhandlung entfallen, wenn u.a. bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
aktuelle Länderfeststellungen Behebung der Entscheidung Familienleben individuelle Verhältnisse Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung MinderjährigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W103.2236717.1.00Im RIS seit
05.10.2021Zuletzt aktualisiert am
05.10.2021