Entscheidungsdatum
07.06.2021Norm
AsylG 2005 §10Spruch
W105 2149571-3/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. BENDA über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch Mag. Katharina SKORPIK (BBU GmbH), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.03.2020, Zl. XXXX , zu Recht:
A) Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid aufgehoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Somalia, stellte am 05.01.2016 nach schlepperunterstützter illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Er gab hierbei an, am XXXX geboren zu sein.
2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: „BFA“) hat mit Bescheid vom 02.02.2017, Zl. XXXX , den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis 02.02.2018 erteilt (Spruchpunkt III.).
Begründend wurde ausgeführt, dass die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen insgesamt als unglaubwürdig beurteilt hätten werden müssen. Aufgrund der allgemeinen Lage in Somalia, insbesondere der dort herrschenden Nahrungsmittelknappheit und mangels einer innerstaatlichen Fluchtalternative sei ihm eine Rückkehr unter den derzeit dargelegten Umständen nicht zumutbar. Ihm sei daher der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu erteilen.
3. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Beschwerde, welche mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.06.2018, Zl. XXXX , als unbegründet abgewiesen wurde.
4. Mit Bescheid des BFA, RD Niederösterreich, vom 01.02.2018, Zl. XXXX , wurde dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis 02.02.2020 erteilt.
5. In der Folge wurde das gegenständliche Aberkennungsverfahren eingeleitet.
6. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 30.04.2019 brachte der Beschwerdeführer hinsichtlich seines Gesundheitszustandes vor, dass er keine Krankheiten habe und gesund sei. Er werde vom Sozialamt unterstützt und sei in Österreich in keinem Verein oder sonstigen Organisation Mitglied. Er habe in Österreich eine somalische Freundin, mit welcher er ein Kind habe. Seine Freundin habe vor kurzem subsidiären Schutz erhalten. Er sei mit seiner Freundin nicht standesamtlich verheiratet und hätten sie dies aktuell nicht vor. Sie würden nicht zusammenleben. Er habe einen Deutschkurs auf dem Niveau A1 besucht und spreche ein bisschen Deutsch. Er sei in Somalia verheiratet und habe mit seiner Frau keinen Kontakt mehr. Ihm sei von seinem Onkel berichtet worden, dass seine Frau mit den drei gemeinsamen Kindern aus Somalia geflüchtet wäre. Er sei in Somalia früher auch mit einer anderen Frau verheiratet gewesen, mit welcher er zwei Kinder habe. Er stamme aus der Region Bohoodle und sei die Lage dort nach wie vor gleich. Mit seinen Verwandten in Somalia habe er keinen Kontakt mehr. Auch zu seinem Onkel habe er keinen Kontakt mehr. Er wolle in Österreich arbeiten und Steuern zahlen. Er habe Somalia nicht wegen Dürre oder Hunger verlassen. Weil er sich in Österreich sicher fühle, wolle er sich hier integrieren und nicht dorthin zurückkehren, wo er Angst habe. Auch nicht nach Mogadischu. Weder eine Regierung, noch Regen könnten ihm Falle der Rückkehr helfen. Er gehöre der Minderheit der Madhiban an und sei im Falle einer Rückkehr besonders gefährdet. Nach Vorhalt, dass seitens des Bundesverwaltungsgerichtes seine Zugehörigkeit zur Minderheit der Madhiban bzw. seine Gefährdung aus diesem Grund als nicht glaubhaft eingestuft worden sei, gab der Beschwerdeführer an, dass er seinen jetzigen Schutz behalten wolle.
7. Mit Bescheid des BFA vom 16.05.2019, Zl. XXXX , wurde
- dem Beschwerdeführer der ihm mit Bescheid des BFA vom 02.02.2017, Zl. XXXX , zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.),
- die mit Bescheid vom 01.02.2018, Zl. XXXX , erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG entzogen (Spruchpunkt II.),
- dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.),
- gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.),
- gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt V.),
- gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG festgestellt, dass die Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).
Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass die Gründe für die Erteilung subsidiären Schutzes insofern nicht mehr gegeben seien, als die Versorgungslage aufgrund der Regenfälle wieder entspannt wäre und daher nicht wahrscheinlich sei, dass er im Falle einer Rückkehr, vor allem nach Mogadischu oder Hargeysa, einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre. Er könne in Mogadischu die Unterstützung von Hilfsorganisationen in Anspruch nehmen, die verschiedenste Unterstützungsleistungen, angefangen von Trinkwasserversorgung über finanzielle Versorgung bis hin zur Wohnraumbeschaffung anbieten würden. Er verfüge in Somalia auch über familiäre Anknüpfungspunkte. Es sei daher davon auszugehen, dass er die Unterstützung seiner Familie in Anspruch nehmen könnte und dort wohnen könnte, bis er eine Arbeitsstelle gefunden habe. Er sei ein gesunder und arbeitsfähiger junger Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden könne. Dass es Arbeitsmöglichkeiten in Mogadischu gebe, sei ebenfalls zuvor erwähnter Anfragebeantwortung zu entnehmen. Es sei im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.06.2018 festgestellt worden, dass er eine asylrelevante Gefährdung seiner Person nicht glaubhaft machen habe könne, ebenso wenig wie eine Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Madhiban. Es stünden ihm zwei innerstaatliche Fluchtalternativen mit Hargeysa und Mogadischu zur Verfügung. Eine Rückkehr nach Mogadischu oder Somaliland, wo seine Mutter Geschwister, seine Gattin und Kinder leben würden, sei ihm zumutbar. Er sei mit den kulturellen und sprachlichen Gepflogenheiten in seinem Herkunftsstaat vertraut, zumal er bis 2015 dort gelebt habe. Mogadischu sei für Normalbürger, die nicht mit der Regierung zusammenarbeiten würden, vergleichsweise sicher und gut über den Flughafen erreichbar. Weiters wäre in Mogadischu die Lage vergleichsweise sicher und stabil, auch wenn es dort zu Anschlägen komme. Diese Anschläge würden sich jedoch gezielt gegen die Regierung sowie bekannte Aufenthaltsräume richten, jedoch grundsätzlich nicht gegen exponierte somalische Rückkehrer. Ergänzend sei angeführt, dass im Rahmen der Rückkehrhilfe auch eine finanzielle Unterstützung als Startkapital für die Fortsetzung des Lebens in der Heimat gewährt werden könne. Aus der allgemeinen Lage in seinem Heimatland allein ergebe sich keine Gefährdung und sei demnach auch kein Abschiebehindernis im Sinne des § 8 AsylG ersichtlich und erscheine eine Rückkehr nicht grundsätzlich als ausgeschlossen und aufgrund der individuellen Situation auch zumutbar. Er wäre durch eine Rückkehr nach Somalia keiner realen Gefahr mehr ausgesetzt, die eine Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde. Im Besonderen sei auf die aktuelle Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.11.2018, Zl. W259 2158655-2/10E, verwiesen, worin ausgeführt wurde, dass sich die Situation in seinem Herkunftsstaat in Bezug auf die Nahrungsmittelversorgung grundlegend geändert habe. Ihm sei daher gemäß § 9 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigen abzuerkennen. Es könne in Österreich keine derartige Integrationsverfestigung festgestellt werden, sodass eine Rückkehrentscheidung als verhältnismäßig anzusehen sei.
8. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 18.06.2019 durch seinen Rechtsberater fristgerecht Beschwerde.
9. Mit Erkenntnis vom 16.09.2019, Zl. XXXX , wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde zunächst als unbegründet ab.
10. Gegen dieses Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.09.2019 erhob er Beschwerdeführer durch seine vormalige rechtsfreundliche Vertreterin eine außerordentliche Revision.
11. Am 30.12.2019 stellte der Beschwerdeführer seinen nunmehr zweiten Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen seiner am selben Tag vor Orangen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erfolgten Erstbefragung gab der Beschwerdeführer auf die Frage nach den Gründen für seine neuerliche Asylantragstellung an, dass er in Österreich mit seiner im 8. Monat schwangeren Ehefrau und seinem 10 Monate alten Sohn zuammenlebe. Da er nicht von seiner Familie getrennt werden wolle, stelle er nun einen neuerlichen Asylantrag. Seine Frau sei aufgrund ihrer Schwangerschaft nicht in der Lage, sich um ihren Sohn zu kümmern und sei somit auf seine Hilfe angewiesen. Auf die Frage, was er bei einer Rückkehr in seine Heimat fürchte, gab er an, dass er nicht von seiner Familie getrennt werden wolle. Die Frage, ob es konkrete Hinweise gebe, dass ihm bei einer Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe, die Todesstrafe drohe oder er mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen habe, verneinte der Beschwerdeführer.
12. Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 06.02.2020 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass er gesund sei und keine Medikamente nehme. Er wohne aktuell mit seiner Frau und seinem Kind zusammen. Seine Frau sei schwanger und brauche ihn. Er sei mit seiner Frau traditionell verheiratet. Seine Mutter und seine zwei Schwestern würden noch in Somalia leben, er wisse jedoch nicht wo, da der letzte Kontakt 2016 gewesen sei. Er habe in Österreich für etwa 1 Monat in einem Telekommunikationsunternehmen gearbeitet. Er sei in einem somalischen Kulturverein. Er habe in Österreich einen Werte- und Orientierungskurs besucht sowie Deutschkurse auf dem Niveau A1 und A2.
Befragt, ob sich seit der rechtskräftigen Entscheidung in seinem Vorverfahren etwas Wesentliches geändert habe, gab er an, dass er nicht wisse, warum er eine negative Entscheidung bekommen habe, er wolle hier bei seiner Familie bleiben. Er stelle den neuen Asylantrag, weil seine Frau und sein Kind ihn brauchen würden. Er wolle hierbleiben. Er sei geflüchtet, weil es in Somalia Probleme gebe und Krieg. Er habe Somalia verlassen, weil er zur Minderheit der „Madhiban“ gehöre und er eine Frau geheiratet habe, die zur Volksgruppe der Isaac gehöre und ihre Familie ihn umbringen habe wollen. Es gebe in Somalia eine Dürre. Es sei nicht sicher in Somalia und gebe es keine Regierung.
Befragt, ob es Neuigkeiten zu seinem Fluchtgrund gebe, gab er an, dass er vielleicht getötet werde, wenn er zurückkehre und seine Frau ihn mit zwei Kindern brauche. Sein Sohn sei zu klein und brauche ihn.
13. Mit dem oben angeführten Bescheid vom 18.03.2020 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers vom 30.12.2019 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.), sein Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia abgewiesen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Somalia zulässig ist (Spruchpunkt V.) und gemäß § 55 Ab. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VI.).
Begründend wurde zusammenfassend ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer von Amts wegen der zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt und die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter entzogen worden wäre. Der Bescheid sei mit 26.09.2019 in zweiter Instanz in Rechtskraft erwachsen. Mit Bescheid vom 05.02.2020 sei ihm gemäß § 93 Abs. 1 Z. 1 iVm § 88 Abs. 2a FPG der Fremdenpass entzogen worden. Der Beschwerdeführer habe den Großteil seines Lebens in Somalia gelebt, sei arbeitsfähig und leide an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten. Er sei nach traditionellen Ritus verheiratet und habe insgesamt zwei Kinder. Es könne keine tiefergehende Integrationsverfestigung festgestellt werden. Sein vorheriges Asylverfahren sei rechtskräftig negativ abgeschlossen worden und seien in diesem Verfahren alle bis zur Entscheidung dieses Asylverfahrens entstandenen Sachverhalte berücksichtigt worden. Zusammenfassend habe er keine konkrete Verfolgung oder sonstige Umstände vorgebracht, welche bei einer Rückkehr in sein Heimatland eine tatsächliche Gefahr für sein Leben oder seine körperliche Unversehrtheit darstellen könnten. Es sei für das Gericht zudem nicht glaubhaft gewesen, dass er Angehöriger Madhiban sei. Er sei der Verpflichtung zur Ausreise nachgekommen. Der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt habe sich seit der Rechtskraft seines ersten Asylverfahrens nicht geändert. Bei seiner nunmehrigen Antragstellung auf internationalen Schutz am 30.12.2019 habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er nicht von seiner Familie getrennt werden wolle und seine schwangere Frau auf seine Hilfe angewiesen sei. In Somalia gebe es weder Sicherheit noch eine Regierung. Er liefe Gefahr, bei einer Rückkehr getötet zu werden, außerdem herrsche zur Zeit Dürre. Sein neuerliches Vorbringen baue in modifizierter Form auf seinem Vorbringen im Erstverfahren auf, welches als nicht glaubhaft angesehen worden sei und welches bereits rechtskräftig negativ beschieden worden sei. Er habe keine neuen Fluchtgründe vorgebracht bzw. habe er keine aussagekräftigen Beweismittel eingebracht, die seine Glaubwürdigkeit bekräftigen würden. Es sei nicht glaubhaft, dass er bei einer Rückkehr nach Somalia in eine aussichtslose Situation geraten würde, welche eine Verletzung nach Art. 3 EMRK wäre. Es habe nicht festgestellt werden können, dass er in Österreich über schützenwerte private Bindungen verfüge. In Österreich habe er eine schwangere Frau, welche bereits am XXXX neuerlich ein Kind zur Welt gebracht habe. Die Rechtskraft des Erstverfahrens stehe der einer neuerlichen Sachentscheidung entgegen, da weder in der maßgeblichen Sachlage noch im Begehren oder in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten sei.
Weiters wurden Feststellungen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers getroffen, basierend auf dem Länderinformationsblatt (LIB) zu Somalia, mit letzter Kurzinformation vom 20.11.2019.
14. Mit Beschluss vom 06.04.2020, Zl. Ra 2019/01/0430-10, wies der Verwaltungsgerichtshof zwischenzeitig die gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.09.2019, Zl. XXXX , gerichtete Revision, soweit sie auf die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und die Entziehung der befristeten Aufenthaltsberechtigung sowie die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 bezogen war, zurück und erkannte zu Recht, dass das Erkenntnis im Übrigen wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werde.
15. Mit Schriftsatz vom 12.05.2020 erhob der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des BFA vom 18.03.2020 Beschwerde und führte zusammenfassend begründend zunächst aus, dass verfassungsrechtliche Bedenken gegen die in casu bestehende zweiwöchige Beschwerdefrist bestünden. Der belangten Behörde sei weiters vorzuwerfen, dass sie sich mit der aktuellen katastrophalen Berichtslage über Somalia überhaupt nicht auseinandergesetzt habe. Durch die aktuelle Heuschreckenplage dehne sich die bereits bestehende und angespannte Hungersproblematik aus. In den vergangenen Monaten hätte es einen Wechsel zwischen Dürrezeiten und starken Überschwemmungen gegeben, der den Großteil der Ernten vernichtet habe. 2019 habe sich die Sicherheitslage trotz allgemeiner wirtschaftlicher Verbesserungen in Somalia verschlechtert. Es müsse davon ausgegangen werden, dass Rückkehrer in Mogadischu grundsätzlich keine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative vorfinden würden. Der Beschwerdeführer wüsste nicht, wo sich seine Familienmitglieder in Somalia aufhalten und könne nicht davon ausgegangen werden, dass diese den Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nicht unterstützen könnten. Der Beschwerdeführer würde im Falle seiner Rückkehr daher mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine ausweglose Situation geraten. Insgesamt wäre von der Behörde festzustellen gewesen, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers ein glaubhafter Kern innewohne. Es wäre ihm jedenfalls ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK zu gewähren gewesen. So wären die Auswirkungen einer Außerlandesbringung des Beschwerdeführers auf die Beziehungen zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Kindern zu berücksichtigen gewesen. Der Beschwerdeführer lebe mit seiner Lebensgefährtin, die die Mutter seiner Kinder sei, im gemeinsamen Haushalt und sorge er sich um die gemeinsamen Söhne. Es liege ein schützenswertes Familienleben vor.
16. Am 26.05.2020 langten die Beschwerde und der zugehörige Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.
17. Mit Verfügung vom 13.04.2021 wurde dem Beschwerdeführer seitens des Bundesverwaltungsgerichts das aktuelle Länderinformationsblatt zur Situation in Somalia (LIB vom 31.03.2021) übermittelt und ihm eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme von 2 Wochen eingeräumt.
18. Mit Stellungnahme 26.04.2021 brachte der Beschwerdeführer zusammenfassend vor, dass sich die allgemeine Versorgungs- und Sicherheitslage in Somalia durch den Ausbruch der Covid 19-Pandemie eklatant verschlechtert habe. Aufgrund dieser Situation wäre daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer keine legale Beschäftigungsmöglichkeit oder Unterkunft oder ausreichend Zugang zu Nahrung sowie Trinkwasser finden würde. Die Sicherheits- und Versorgungslage bzw. die humanitäre Situation habe sich in Somalia seit 2017 bzw. 2018 nicht verbessert, sondern sogar verschlechtert. Das gelte auch für die Herkunftsregion des Beschwerdeführers und für die IFA Mogadischu. Beim Beschwerdeführer komme erschwerende hinzu, dass er dem Minderheitenstamm der Madhiban angehöre und keinen Kontakt zu Familienangehörigen habe und weder über ein unterstützendes soziales Netz noch über wesentliche Berufserfahrung verfüge, keine Schule in Somalia besucht habe, sodass nicht davon auszugehen sei, dass der Beschwerdeführer eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative vorfinden würde. Bezüglich seines Privat- und Familienlebens brachte er vor, dass er in Österreich ein schützenswertes Privat- und Familienleben führe. Wie bereits im Verfahren dargelegt, führe er ein intensives Familienleben mit seiner in Österreich asylberechtigten Lebensgefährtin und seinen in Österreich asylberechtigen Kindern. Neu hinzu komme, dass er mit seiner Lebensgefährtin ein weiteres Kind erwarte, wobei der errechnete Geburtstermin der XXXX wäre. Ihm wäre daher jedenfalls ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG zu erteilen.
Vorgelegt wurde unter einem ein Mutter-Kind-Pass.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und seinen Fluchtgründen:
Der männliche, volljährige, ledige, gesunde, und arbeitsfähige Beschwerdeführer wurde am XXXX geboren und ist somalischer Staatsangehöriger. Er stammt aus der Region Togdheer in Somaliland. Die Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers steht nicht fest. Er hat laut eigenen Angaben keine Schulbildung und als Ziegenhirte in Somalia gearbeitet.
Der Beschwerdeführer führt in Österreich eine Lebensgemeinschaft mit XXXX , geb XXXX , StA. Somalia. Er hat mit seiner Lebensgefährtin zwei gemeinsame Söhne, XXXX , geb. XXXX , sowie XXXX , geb. XXXX , die beide in Wien geboren wurden. Ein weiteres Kind des Beschwerdeführers wurde im Jahr 2021 geboren, wobei der genaue Geburtstermin nicht feststellbar ist. Die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers sowie die beiden gemeinsamen Kinder XXXX sowie XXXX sind in Österreich asylberechtigt.
Die Mutter sowie zwei Schwestern des Beschwerdeführers leben noch in Somalia. Der Beschwerdeführer steht mit diesen Angehörigen nicht in Kontakt.
Der Beschwerdeführer hat in Österreich einen Deutschkurs bis zum Niveau A1 absolviert.
De Beschwerdeführer ist gesund. Er ist strafrechtlich unbescholten. Er ist in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig. Er geht zum Entscheidungszeitpunkt keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nach. Er bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.
Er reiste am 05.01.2016 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein, wo er am selben Tag seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Das BFA hat mit Bescheid vom 02.02.2017, Zl. XXXX , den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen, gemäß § 8 Abs. 1 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis 02.02.2018 erteilt.
Mit Bescheid des BFA vom 16.05.2019, Zl. XXXX , wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt und die mit Bescheid vom 01.02.2018, Zl. XXXX bis zum 02.02.2020 verlängerte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG entzogen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.09.2019, Zl. XXXX , wurde die gegen diese Entscheidung des BFA erhobene Beschwerde abgewiesen.
Mit Beschluss vom 06.04.2020, Zl. Ra 2019/01/0430-10, wies der Verwaltungsgerichtshof die Revision des Beschwerdeführers, soweit sie sich gegen die Abweisung der Beschwerde betreffend die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und die Entziehung der befristeten Aufenthaltsberechtigung sowie die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 richtete, als unzulässig zurück, sodass Spruchpunkt I. bis III. des Bescheides des BFA vom 16.05.2019 in Rechtskraft erwuchsen. Im Übrigen wurde das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.09.2019 wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Am 30.12.2019 stellte der BF den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz und gab er begründend für die neuerliche Asylantragstellung an, dass er mit seiner im 8 Monat schwangeren Ehefrau und seine 10 Monate alten Sohn zusammenlebe und er nicht von seiner Familie getrennt werden wolle und seine Frau sich allein nicht um den gemeinsamen Sohn kümmern könne.
Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA gab der Beschwerdeführer weiters an, dass es in Somalia Dürre gebe, es dort keine Sicherheit und keine Regierung gebe. Er wolle nicht nach Somalia zurück, weil er Angst um sein Leben habe.
Der gegenständliche Antrag wurde in der Folge mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 08.03.2020 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.05.2021, Zl. XXXX wurde ausgesprochen, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG iVm § 9 Abs. 3 BFA-VG, auf Dauer unzulässig ist (Spruchpunkt I.) und dem Beschwerdeführer gemäß §§ 54 und 55 Abs. 1 AsylG iVm § 9 Abs. 2 BFA-VG eine „Aufenthaltsberechtigung“ für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.
1.2. Zur maßgeblichen Situation in Somalia:
Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation betreffend Somalia (LIB vom 31.03.2021) auszugsweise wiedergegeben:
Letzte Änderung: 29.03.2021
Covid-19
Zwischen 19.3.2020 und 2.1.2021 wurden über 81.000 Menschen getestet, knapp 4.700 waren infiziert (HIPS 2021, S.24). Im August 2020 wurde der internationale Flugverkehr wieder aufgenommen (PGN 10.2020, S.9).
Regeln zum social distancing oder auch Präventionsmaßnahmen wurden kaum berücksichtigt (HIPS 2021, S.24). Trotz Warnungen wurden Moscheen durchgehend – ohne Besucherbeschränkung – offengehalten (DEVEX 13.8.2020). Mitte Feber 2021 warnte die Gesundheitsministerin vor einer Rückkehr der Pandemie. Die Zahl an Neuinfektionen und Toten stieg an (Sahan 16.2.2021b). Ende Feber 2021 wurden alle Demonstrationen in Mogadischu verboten, da eine neue Welle von Covid-19 eingetreten war. Zwischen 1. und 24. Feber verzeichnete Somalia mehr als ein Drittel aller Covid-19-Todesopfer der gesamten Pandemie (PGN 2.2021, S.16). Testungen sind so gut wie inexistent. Die offiziellen Todeszahlen sind niedrig, das wahre Ausmaß wird aber wohl nie wirklich bekannt werden (STC 4.2.2021). Die Zahl an Infektionen dürfte höher liegen, als offiziell bekannt. Viele potenziell Infizierte melden sich nicht, da sie eine gesellschaftliche Stigmatisierung fürchten (UNFPA 12.2020, S.1). Auch, dass es in Spitälern kaum Kapazitäten für Covid-19-Patienten gibt, ist ein Grund dafür, warum viele sich gar nicht erst testen lassen wollen – ein Test birgt für die Menschen keinen Vorteil (DEVEX 13.8.2020). Mit Stand 9.3.2021 waren in Somalia 4.544 aktive Fälle registriert, insgesamt 319 Personen waren verstorben. Seit Beginn der Pandemie waren nur 84.278 Tests durchgeführt worden (ACDC 9.3.2021).
Die informellen Zahlen zur Verbreitung von Covid-19 in Somalia und Somaliland sind also um ein Vielfaches höher als die offiziellen. Einerseits sind die Regierungen nicht in der Lage, breitflächig Tests (es gibt insgesamt nur 14 Labore) oder gar Contact-Tracing durchzuführen. Gleichzeitig behindern Stigma und Desinformation die Bekämpfung von Covid-19 in Somalia und Somaliland. Mit dem Virus geht eine Stigmatisierung jener einher, die infiziert sind, als infiziert gelten oder aber infiziert waren. Mancherorts werden selbst Menschen, die Masken tragen, als infiziert gebrandmarkt. Die Angst vor einer Stigmatisierung und die damit verbundene Angst vor ökonomischen Folgen sind der Hauptgrund, warum so wenige Menschen getestet werden. Es wird berichtet, dass z.B. Menschen bei (vormals) Infizierten nicht mehr einkaufen würden. IDPs werden vielerorts von der Gastgemeinde gemieden – aus Angst vor Ansteckung. Dies hat auch zum Verlust von Arbeitsplätzen – z. B. als Haushaltshilfen – geführt. Dabei fällt es gerade auch IDPs schwer, Präventionsmaßnahmen umzusetzen. Sie leben oft in Armut und in dicht bevölkerten Lagern, und es mangelt an Wasser (DEVEX 13.8.2020).
Somalia ist eines jener Länder, dass hinsichtlich des Umgangs mit der Pandemie die geringsten Kapazitäten aufweist (UNFPA 12.2020, S.1). Humanitäre Partner haben schon im April 2020 für einen Plan zur Eindämmung von Covid-19 insgesamt 256 Millionen US-Dollar zur Verfügung gestellt (UNSC 13.11.2020, Abs.51). UNSOS unterstützt medizinische Einrichtungen, stellt Ausrüstung zur Bekämpfung der Pandemie zur Verfügung. Bis Anfang Juni konnten die UN und AMISOM eine substanzielle Zahl an Behandlungsplätzen schaffen (darunter auch Betten zur Intensivpflege) (UNSC 13.8.2020, Abs.69). Trotzdem gibt es nur ein speziell für Covid-19-Patienten zugewiesenes Spital, das Martini Hospital in Mogadischu. Dieses ist unterbesetzt und schlecht ausgerüstet; von 150 Betten verfügen nur 11 über ein Beatmungsgerät und Sauerstoffversorgung (Sahan 25.2.2021c). In ganz Somalia und Somaliland gab es im August 2020 für Covid-Patienten nur 24 Intensivbetten (DEVEX 13.8.2020). Es gibt so gut wie keine präventiven Maßnahmen und Einrichtungen. Menschen, die an Covid-19 erkranken, bleibt der Ausweg in ein Privatspital – wenn sie sich das leisten können (Sahan 25.2.2021c). Der türkische Rote Halbmond hat Somalia im Feber 2021 weitere zehn Beatmungsgeräte zukommen lassen (AAG 26.2.2021). Im März 2021 spendete die Dahabshil Group dem Staat Sauerstoffverdichter, mit denen insgesamt 250 Patienten versorgt werden können. Die Firma übernimmt auch die technische Instandhaltung (Sahan 11.3.2021). Insgesamt bleiben Test- und Behandlungsmöglichkeiten für Covid-19-Infizierte aber beschränkt (UNFPA 12.2020, S.1).
Nachdem die Bildungsinstitutionen ihre Arbeit wieder aufgenommen hatten, sind nicht alle Kinder zurück in die Schule gekommen. Dies liegt an finanziellen Hürden, an der Angst vor einer Infektion, aber auch daran, dass Kinder zur Arbeit eingesetzt werden. Außerdem zeigt eine Studie aus Puntland, dass die Zahl an Frühehen zugenommen hat. Gleichzeitig wurden Immunisierungskampagnen und auch Ernährungsprogramme unterbrochen. Manche Gesundheitseinrichtungen sind teilweise nur eingeschränkt aktiv – nicht zuletzt, weil viele Menschen diese aufgrund von Ängsten nicht in Anspruch nehmen; der Patientenzustrom hat sich in der Pandemie verringert (UNFPA 12.2020, V-VI).
Remissen sind im Zuge der Covid-19-Pandemie zurückgegangen (IPC 3.2021, S.2; vgl. UNFPA 12.2020). Eine Erhebung im November und Dezember 2020 hat gezeigt, dass 22% der städtischen, 12% der ländlichen und 6% der IDP-Haushalte Remissen beziehen. Die Mehrheit der Empfänger berichtete von Rückgängen von über 10% (IPC 3.2021, S.2). Auch der Export von Vieh – der wichtigste Wirtschaftszweig – ist wegen der Pandemie zurückgegangen (UNFPA 12.2020, S.1).
Internationale und nationale Flüge operieren uneingeschränkt. Ankommende müssen am Aden Adde International Airport in Mogadischu und auch am Egal International Airport in Hargeysa einen negativen Covid-19-Test vorweisen, der nicht älter als vier Tage ist. Wie in Mogadischu mit Personen umgegangen wird, welche diese Vorgabe nicht erfüllen, ist unbekannt. Möglicherweise werden diese zusätzlich getestet und in Quarantäne geschickt. In Hargeysa werden Personen ohne Test auf eigene Kosten in eine von der Regierung benannte Unterkunft zur zweiwöchigen Selbstisolation geschickt. Die Landverbindungen zwischen Dschibuti und Somaliland wurden wieder geöffnet, der Hafen in Berbera ist in Betrieb (GW 12.2.2021).
Restaurants, Hotels, Bars und Geschäfte sind offen, es gelten Hygienemaßnahmen und solche zum Social Distancing. Die Maßnahmen außerhalb Mogadischus können variieren. Es kann jederzeit geschehen, dass Behörden Covid-Maßnahmen kurzfristig verschärfen (GW 12.2.2021).
Quellen:
? AAG - Anadolu Agency [Türkei] (26.2.2021): Turkish Red Crescent donates 10 ventilators to Somalia, https://www.aa.com.tr/en/turkey/turkish-red-crescent-donates-10-ventilators-to-somalia/2158421, Zugriff 1.3.2021
? ACDC - African Union Center for Disease Control and Prevention (9.3.2021): Africa CDC Dashbord Covid-19, https://africacdc.org/covid-19/, Zugriff 10.3.2021
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? Sahan - Sahan / Somali Wire Team (25.2.2021c): Editor’s Pick – COVID-19 has not been prevented, it is used as a political weapon, in: The Somali Wire Issue No. 87, per e-Mail
? Sahan - Sahan / Hiiraan Online (16.2.2021b): The Somali Wire Issue No. 83, per e-Mail, Originallink auf Somali: https://www.hiiraan.com/news/2021/Feb/wararka_maanta15-176705.htm
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Politische Lage
Süd-/Zentralsomalia, Puntland
Letzte Änderung: 29.03.2021
Hinsichtlich der meisten Tatsachen ist das Gebiet von Somalia faktisch zweigeteilt, nämlich in: a) die somalischen Bundesstaaten; und b) Somaliland, einen 1991 selbst ausgerufenen unabhängigen Staat, der international nicht anerkannt wird (AA 2.4.2020, S.5). Während Süd-/Zentralsomalia seit dem Zusammenbruch des Staates 1991 immer wieder von gewaltsamen Konflikten betroffen war und ist, hat sich der Norden des Landes unterschiedlich entwickelt (BS 2020, S.4).
Staatlichkeit: Somalia hat bei der Bildung eines funktionierenden Bundesstaates Fortschritte erzielt (UNSC 15.5.2019, Abs.78), staatliche und regionale Regierungsstrukturen wurden etabliert (ISS 28.2.2019). Somalia hat in den vergangenen Jahren auf vielen Gebieten große Fortschritte erzielt. Der Staat ist etwa bei Steuereinnahmen effektiver geworden. Junge Somalis und Angehörige der Diaspora sind in der Zivilgesellschaft aktiv, und Mogadischu selbst hat sich stark verändert (BBC 18.1.2021). Somalia ist damit zwar kein failed state mehr, bleibt aber ein fragiler Staat. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind sehr schwach, es gibt keine flächendeckende effektive Staatsgewalt (AA 2.4.2020, S.4f). Die Regierung verfügt kaum über eine Möglichkeit, ihre Politik und von ihr beschlossene Gesetze im Land durch- bzw. umzusetzen (FH 4.3.2020a, C1). Das Land befindet sich immer noch mitten im Staatsbildungsprozess (BS 2020, S.33). Die Regierung ist bei der Umsetzung von Aktivitäten grundsätzlich stark von internationalen Institutionen und Geberländern abhängig (FH 4.3.2020a, C1). Eigentlich sollte die Bundesregierung auch die Übergangsverfassung noch einmal überarbeiten, novellieren und darüber ein Referendum abhalten. Dieser Prozess ist weiterhin nicht abgeschlossen (USDOS 11.3.2020, S.24). Generell sind drei entscheidende Punkte abzuarbeiten: die Überarbeitung der Verfassung; der Aufbau der föderalen Architektur; und die Entwicklung eines angemessenen Wahlsystems. Der Stillstand zu Anfang des Jahres 2021 ist das Ergebnis des Versagens der Regierung Farmaajo, auch nur einen dieser Punkte zu lösen (ECFR 16.2.2021).
Regierung: Die Präsidentschaftswahl fand im Feber 2017 statt. Die beiden Parlamentskammern wählten den früheren Premierminister Mohamed Abdullahi Mohamed „Farmaajo“ zum Präsidenten (AA 2.4.2020, S.6; vgl. ÖB 3.2020, S.2; USDOS 11.3.2020, S.1). Seine Wahl wurde als fair und transparent erachtet (USDOS 11.3.2020, S.1). Premierminister Hassan Ali Kheyre wurde mit einem Misstrauensvotum des Parlaments am 25.7.2020 seines Amtes enthoben (UNSC 13.8.2020, Abs.5). Im September 2020 wurde Mohamed Hussein Roble als neuer Premierminister angelobt (UNSC 13.11.2020, Abs.6). Insgesamt verfügt die Regierung in der eigenen Bevölkerung und bei internationalen Partnern nur über wenig Glaubwürdigkeit. Das Vertrauen in den Staat ist gering (BS 2020, S.34/40).
Parlament: Die beiden Kammern des Parlaments wurden mittels indirekter Wahlen durch ausgewählte Älteste Anfang 2017 besetzt (USDOS 11.3.2020, S.24). Über 14.000 Wahlmänner und -frauen waren an der Wahl der 275 Abgeordneten beteiligt (AA 2.4.2020, S.6; vgl. USDOS 11.3.2020, S.24). Beide Häuser wurden also in indirekten Wahlen besetzt, das Unterhaus nach Clanzugehörigkeit. Die Wahlen zu beiden Häusern wurden generell als von Korruption durchsetzt und geschoben erachtet (USDOS 11.3.2020, S.1). Sie wurden von Schmiergeldzahlungen, Einschüchterungen, Stimmenkauf und Manipulation begleitet (BS 2020, S.11). Dieses Wahlsystem ist zwar noch weit von einer Demokratie entfernt und unterstreicht die Bedeutung der politischen Elite (BS 2020, S.20). Trotz allem waren die Parlamentswahlen ein bemerkenswerter demokratischer Fortschritt (AA 2.4.2020, S.4; vgl. BS 2020, S.20). Insgesamt erfolgte die Zusammensetzung des Unterhauses entlang der 4.5-Formel, wonach den vier Hauptclans jeweils ein Teil der Sitze zusteht, den kleineren Clans und Minderheiten zusammen ein halber Teil (USDOS 11.3.2020, S.26; vgl. ÖB 3.2020, S.3; BS 2020, S.11). Auch die Regierung ist entlang dieser Formel organisiert (ÖB 3.2020, S.3). Insgesamt wird das Parlament durch Stimmenkauf entwertet, und es hat auf die Tätigkeiten von Präsident und Premierminister wenig Einfluss (BS 2020, S.20).
Demokratie: Seit 1969 wurde in Somalia keine Regierung mehr direkt gewählt (FP 10.2.2021). Somalia ist keine Wahldemokratie und hat auch keine strikte Gewaltenteilung, auch wenn die Übergangsverfassung eine Mehrparteiendemokratie und Gewaltenteilung vorsieht (BS 2020, S.11/15). Es gibt keine freien und fairen Wahlen auf Bundes- (USDOS 11.3.2020, S.23f) und auch keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler oder regionaler Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen (v.a. Clanstrukturen) vergeben (AA 2.4.2020, S.5f). Für 2021 vorgesehene Wahlen wurden zuerst verschoben (UNSC 13.8.2020, Abs.7). Und es kam im September 2020 hinsichtlich des Prozederes zu einer Einigung mit den Bundesstaaten. Das vereinbarte Modell entspricht in etwa jenem von 2016. Dabei werden von Ältesten, Bundesstaaten und Vertretern der Zivilgesellschaft Wahldelegierte ausgesucht, welche wiederum die einzelnen Parlamentsabgeordneten wählen. Pro Abgeordnetem sollen 101 Wahlmänner und -Frauen ausgewählt werden (2016: 51). Statt der National Independent Electoral Commission soll die Wahl von sogenannten Electoral Implementation Committees (EIC) umgesetzt werden. Die Abgeordneten zum Oberhaus werden von den Parlamenten der Bundesstaaten ausgewählt (UNSC 13.11.2020, Abs.2f; vgl. FP 10.2.2021). Neben einem 25köpfigen EIC des Bundes sollte zusätzlich in jedem Bundesstaat ein eigenes elfköpfiges EIC eingesetzt werden (UNSC 13.11.2020, Abs.21). Dieses Modell war von allen relevanten politischen Stakeholdern, von Parteien und Vertretern der Zivilgesellschaft vereinbart und vom Bundesparlament ratifiziert worden (UNSC 13.11.2020, Abs.88).
Politische Lage: Allerdings hat sich um die Bestellung der Mitglieder dieser EICs ein neuer Konflikt entsponnen (FP 10.2.2021). Präsident Farmaajo war schließlich nicht in der Lage, sich mit Ahmed „Madobe“, Präsident von Jubaland, und Said Deni, Präsident von Puntland, auf die Umsetzung des im September 2020 vereinbarten Fahrplans für Neuwahlen zu einigen (IP 12.2.2021; vgl. FP 10.2.2021). Und so ist das Mandat des Parlaments im Dezember 2020 ausgelaufen (SG 8.2.2021), jenes von Präsident Farmaajo formell am 8.2.2021 (IP 12.2.2021; vgl. ECFR 16.2.2021). Damit verfügt Somalia über keine legitime Regierung mehr. Allerdings weigert sich Farmaajo sein Amt abzugeben (ECFR 16.2.2021). Er hofft offenbar darauf, dass das Parlament Artikel 53 des Wahlgesetzes in Kraft setzt, wonach Wahlen ausgesetzt und die Amtszeit der Regierung im Katastrophenfall um sechs Monate verlängert würde. Die Covid-19-Pandemie bietet hier einen Vorwand (BMLV 25.2.2021).
Die Führer von Puntland und Jubaland (FP 10.2.2021; vgl. Sahan 22.2.2021) sowie eine Allianz aus 14 Präsidentschaftskandidaten, darunter die ehemaligen Präsidenten Hassan Sheikh Mohamed und Sharif Sheikh Ahmed, erkennen Farmaajo nicht mehr als Präsidenten an (Sahan 9.2.2021b; vgl. IP 12.2.2021, FP 10.2.2021). Die Allianz aus Oppositionsparteien sprach sich für die Bildung einer Übergangsregierung aus (FP 10.2.2021). Somalia befindet sich somit in einer schweren Verfassungs- und politischen Krise (Sahan 9.2.2021a). Das Versagen, einen Kompromiss zu finden, hat nicht nur den demokratischen Prozess unterminiert, es hat die Sicherheit Somalias vulnerabel gemacht (FP 10.2.2021). Denn al Shabaab hat sich die politische Krise zu Nutzen gemacht und die Angriffe seit Anfang 2021 verstärkt (IP 12.2.2021). Es besteht die Angst, dass Präsident Farmaajo durch das Festklammern an der Macht einen neuen Bürgerkrieg auslösen könnte (SG 8.2.2021). Ende Feber und Anfang März 2021 wurden neuerliche Verhandlungen über eine Umsetzung des beschlossenen Wahlsystems angesetzt – auf Druck der internationalen Gemeinschaft (AMISOM 3.3.2021; vgl. UNSOM 2.3.2021).
Föderalisierung: Auch wenn diese Entscheidung zur Föderalisierung umstritten war, und die Umsetzung von Gewalt begleitet wurde, konnten neue Bezirks- und Regionalverwaltungen etabliert werden. Neben Puntland wurden in den letzten Jahren vier neue Bundesstaaten geschaffen: Galmudug, Jubaland, South-West State (SWS) und HirShabelle. Somaliland wird als sechster Bundesstaat erachtet (BS 2020, S.10; vgl. AI 13.2.2020, S.13). Offen sind noch der finale Status und die Grenzen der Hauptstadtregion Benadir/Mogadischu (Banadir Regional Administration/BRA) (AI 13.2.2020, S.13). Die Bildung der Bundesstaaten erfolgte im Lichte der Clanbalance: Galmudug und HirShabelle für die Hawiye; Puntland und Jubaland für die Darod; der SWS für die Rahanweyn; Somaliland für die Dir. Allerdings finden sich in jedem Bundesstaat Clans, die mit der Zusammensetzung ihres Bundesstaates unzufrieden sind, weil sie plötzlich zur Minderheit wurden (BFA 8.2017, S.55f).
Die Fortschritte der Jahre 2012-2016 wurden von der Regierung Farmaajo weitgehend rückgängig gemacht (ECFR 16.2.2021). Dass in vier der fünf Bundesstaaten im Zeitraum 2018-2019 eine neue Führung gewählt werden solle, sah die Bundesregierung als Chance, sich durch die Platzierung loyaler Präsidenten Einfluss zu verschaffen. Dementsprechend mischte sich die Bundesregierung in die Wahlen ein (HIPS 2020, S.1/4ff; vgl. ECFR 16.2.2021). Zudem hat sie Truppen entsendet, um die politische Kontrolle zu erlangen (ECFR 16.2.2021). Die Präsidenten von HirShabelle, dem SWS und von Galmudug gelten nunmehr als der somalischen Bundesregierung freundlich gesinnt (Sahan 11.2.2021b).
Grundsätzlich gibt es politische Uneinigkeit über die Frage, ob Bundesstaaten semi-autonom sein sollen oder ob mehr Macht bei der Bundesregierung zentralisiert sein soll (ISS 15.12.2020). Die entstandene Pattsituation zwischen Bund und Ländern hat anfangs zum Stillstand bei wichtigen Fragen geführt – etwa hinsichtlich der Wahlen, der Verfassung und der Sicherheit (UNSC 13.2.2020, Abs.6). Schließlich hat Farmaajo Somalia aber an den Rand eines institutionellen Kollaps’ geführt (ECFR 16.2.2021).
Bei der Auseinandersetzung zwischen Bundesregierung und Bundesstaaten kommt u. a. die Krise am Golf zu tragen: Der Konflikt zwischen den Vereinten Arabischen Emiraten (VAE) – unterstützt von Saudi-Arabien – und Katar – unterstützt von der Türkei – wurde auch nach Somalia exportiert und trägt dort erheblich zur Vertiefung der Spaltung bei (BS 2020, S.41). Zudem leidet AMISOM an den Spannungen zwischen der Bundesregierung und dem Nachbarland Kenia sowie am Konflikt in Äthiopien – beide Staaten sind Truppensteller (ISS 15.12.2020).
Quellen:
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Somaliland
Letzte Änderung: 29.03.2021
Die Republik Somaliland hat sich im Mai 1991 für unabhängig erklärt, wurde aber bis dato international nicht anerkannt (BS 2020, S.4; vgl. AA 2.4.2020, S.5). Die Nachbarn in der Region sowie zunehmend weitere Staaten bemühen sich in Anerkennung der bisherigen Stabilisierungs- und Entwicklungsfortschritte um pragmatische Zusammenarbeit (AA 2.4.2020, S.5). Die somalische Bundesregierung erachtet Somaliland als einen seiner Bundesstaaten (PGN 10.2020, S.4).
Somaliland ist politisch, wirtschaftlich und in Sicherheitsfragen größtenteils vom Rest des Landes entkoppelt (HIPS 2021, S.19). Das Land verfügt über zahlreiche Zeichen der Eigenständigkeit: Es gibt eine Zivilverwaltung, Streitkräfte, eine eigene Währung (ICG 12.7.2019, S.1), eigene Polizei, ein eigenes – mehr oder weniger funktionierendes – Steuersystem (Spiegel 1.3.2021), eine Regierung, eine Verfassung und seit Jahren über ökonomische Stabilität (DW 30.11.2018).
Somaliland hat schrittweise staatliche Strukturen wieder aufgebaut und war auch bei demokratischen Reformen erfolgreich (BS 2020, S.4/33). Das Land verfügt über eine funktionierende Regierung (HIPS 2021, S.19), und mit internationaler Hilfe konnten Bezirksverwaltungen und Bezirksräte etabliert werden (BFA 8.2017, S.94). Auf dem gesamten Gebiet wurden Behördenstrukturen geschaffen, auch wenn diese nicht überall voll funktionieren. Politische Entscheidungen können i.d.R. umgesetzt werden, allerdings muss diesbezüglich zuvor die Zustimmung einflussreicher Clanältester eingeholt werden (BS 2020, S.11). Seit 1997 herrschen Frieden und politische Stabilität (BS 2020, S.32). Die Regierung bekennt sich zu Demokratie und Marktwirtschaft und hat dazu auch schon einiges beigetragen (BS 2020, S.37). Regierungsausgaben erfolgen relativ klar und transparent (Spiegel 1.3.2021). Die Bindung bzw. das Commitment Somalilands zum demokratischen System ist groß (BS 2020, S.20). Die meisten Somaliländer unterstützen die Regierung und vertrauen dieser (JF 14.8.2020). Die Demokratie in Somaliland wird als konsolidiert bezeichnet, das demokratische System ist allerdings anfällig für Einflussnahme und Clanpolitik (BS 2020, S.13/20).
Das Land kämpft mit massiven strukturellen Restriktionen. Der Staatsapparat bleibt schwach und unterfinanziert und das Land ist von einem hohen Maß an Armut geprägt (BS 2020, S.33). Der Staat ist von Wirtschaftstreibenden abhängig. Auf allen Ebenen der Verwaltung kommt es zu Korruption und Clanpatronage (BS 2020, S.5). Zudem sind staatliche Institutionen – wie erwähnt – hinsichtlich der Umsetzung ihrer Entscheidungen an das Einverständnis einflussreicher Clanältester gebunden (BS 2020, S.13). Dabei hat Somaliland aber im Wesentlichen mit Verhandlungen zwischen und mit unterschiedlichen Akteuren gute Erfahrungen gemacht (BS 2020, S.36).
Somaliland hat seit der Erklärung der Unabhängigkeit mehrere allgemeine Wahlen durchgeführt (AA 2.4.2020. S.5; vgl. ICG 12.7.2019, S.1). Diese wurden durch internationale Beobachter regelmäßig als frei und fair beurteilt (BS 2020, S.4f). Außerdem ist es schon mehrfach zur relativ friedlichen Machtübergabe an neugewählte Präsidenten gekommen (BS 2020, S.37; vgl. Spiegel 1.3.2021).
Es gibt ein Zwei-Kammern-Parlament. Das Ober- bzw. Ältestenhaus (Guurti) besteht aus 86 ernannten bzw. indirekt gewählten, das Unter- bzw. Repräsentantenhaus aus 82 gewählten Mitgliedern (USDOS 11.3.2020, S.25; vgl. FH 4.3.2020b, A2). Parlamentswahlen wurden zuletzt 2005 abgehalten und sind seit Jahren überfällig (USDOS 11.3.2020, S.25; vgl. FH 4.3.2020, A2), sie wurden mehrfach verschoben (USDOS 11.3.2020, S.25; vgl. AA 2.4.2020, S.6). Zuletzt wurden im November 2019 sowohl die Amtszeit des Guurti als auch jene des Repräsentantenhauses um drei (HIPS 2020, S.9), nach anderen Angaben um zwei Jahre verlängert (UNSC 13.2.2020, Abs.12). Die Wahlen sollen nun 2022 stattfinden. Die Verschiebung der Parlamentswahlen wirft einen Schatten auf das vergleichsweise demokratische Somaliland (AA 2.4.2020, S.4ff). Nach neueren Angaben sind für Mitte 2021 Lokal- und Parlamentswahlen vorgesehen (UNSC 13.11.2020, Abs.10). Mehrere europäische Staaten haben die erfolgreiche Wählerregistrierung gelobt (Sahan 10.2.2021).
Das Guurti sollte eigentlich regelmäßig einer Wahl unterzogen werden. Eine solche hat jedoch seit 1993 nie stattgefunden, da der rechtliche Rahmen unklar ist. Zuletzt hat das Guurti die eigene Amtszeit auf 2023 verlängert (FH 4.3.2020b, A2). Es gibt Vorwürfe, wonach im Oberhaus politische Korruption herrscht (USDOS 11.3.2020, S.25). Über das Guurti aber auch generell verfügen Clanälteste über eine einflussreiche Rolle in der Politik (FH 4.3.2020, B3).
Auch die Präsidentschaftswahl hatte sich mehrfach verzögert, bevor sie Mitte November 2017 stattfand (AA 2.4.2020, S.6; vgl. FH 4.3.2020b, A1). Zum Präsidenten gewählt wurde der Kandidat der regierenden Kulmiye-Partei, Muse Bihi Abdi. Seine Angelobung erfolgte im Dezember 2017 (USDOS 11.3.2020, S.25; vgl. AA 2.4.2020, S.6). Die Wahl wurde als weitgehend frei und fair eingeschätzt, auch wenn es einige Unregelmäßigkeiten gab (BS 2020, S.13; vgl. FH 4.3.2020b, A1). Letztere haben den Ausgang der Wahl jedoch nicht signifikant beeinflusst (FH 4.3.2020b, A1). Die Wahl war effizient und ohne größere Störungen abgelaufen. Erstmals kam ein Augenscan zum Einsatz. Mit dieser biometrischen Technik konnten Mehrfachabstimmungen erfolgreich reduziert werden (BS 2020, S.13).
Mit der Beschränkung auf drei Parteien soll eine Zersplitterung der Parteienlandschaft entlang von Clans verhindert werden. Lokalwahlen entscheiden darüber, welche drei Parteien für die nächsten Wahlen auf nationaler Ebene zugelassen werden (BS 2020, S.21; vgl. AA 2.4.2020, S.6). Bei den Gemeindewahlen im November 2012 entschied sich die Bevölkerung bei einer Auswahl von sieben Parteien für Kulmiye, Ucid und Waddani als nationale Parteien (BS 2020, S.21), die Udub verlor die Zulassung. Politisches Engagement im Rahmen anderer Gruppen wird staatlicherseits beobachtet. Gegebenenfalls werden strafrechtliche Maßnahmen ergriffen (AA 2.4.2020, S.6).
Eine Clan-bezogene Organisation politischer Parteien ist in der Verfassung verboten (BS 2020, S.20f).
Das Innenministerium hat 2.700 Sultane [traditionelle Älteste bzw. Clanführer] registriert. Diese erhalten für ihre Beteiligung an den Lokalverwaltu