Entscheidungsdatum
08.06.2021Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W212 2242352-1/4E
W212 2242351-1/4E
W212 2242350-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. SINGER als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1.) XXXX alias XXXX , geboren am XXXX alias XXXX , 2.) mj. XXXX alias XXXX , geboren am XXXX alias XXXX sowie 3.) mj. XXXX alias XXXX , geboren am XXXX alias XXXX , Sta. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.04.2021, ZIen. 1.) 1275608307/210328405, 2.) 1275608710/210328430 und 3.) 1275607607/210328421, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die Erstbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF1) ist die Mutter des Zweitbeschwerdeführers (im Folgenden: BF2) und der Drittbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF3), alle sind Staatsangehörige Syriens. Die BF stellten am 09.03.2021 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Laut EURODAC-Abfrage erfolgte ein Antrag auf internationalen Schutz am 02.03.2021 in Rumänien.
2. Im Zuge der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 09.03.2021 gaben die BF1 und der BF2 an, ihren Heimatstaat Anfang 2021 zu Fuß verlassen zu haben und über die Türkei nach Rumänien gelangt zu sein, wo den BF Fingerabdrücke abgenommen worden wären. Danach seien sie zurück in die Türkei geschickt worden und von dort mit einem LKW direkt über ihnen unbekannte Länder nach Österreich gereist. Einen Antrag auf internationalen Schutz hätten sie in keinem der Länder gestellt.
Ihr Heimatland hätten sie wegen des Krieges und der unsicheren Lage verlassen. Der BF2 sei 14 Jahre alt und wäre von den kurdischen Kämpfern aufgefordert worden zu kämpfen, er habe jedoch Angst vor dem Krieg und um sein Leben.
In Österreich hätten sie keine Familienangehörigen. Zwei Brüder und eine Schwester der BF1 würden in Deutschland leben.
3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete daraufhin am 15.03.2021 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b der Dublin III-VO gestütztes Wiederaufnahmegesuch an Rumänien. Mit Schreiben vom 26.03.2021 erklärte sich Rumänien zur Übernahme des Beschwerdeführers ausdrücklich bereit. Dabei stützte sich die rumänische Dublinbehörde auf § 18 Abs. 1 lit. b der Dublin III-VO und führte aus, dass der in Rumänien gestellte Asylantrag der BF noch geprüft werde und die BF untergetaucht wären.
4. Nach vorheriger Übermittlung der zu Rumänien herangezogenen Länderberichte sowie durchgeführter Rechtsberatung gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG fand am 20.04.2021 die niederschriftliche Einvernahme der BF1 und des BF2 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt. Sowohl die BF1 als auch der BF2 erklärten, sich physisch und psychisch in der Lage zu sehen, die Befragung durchzuführen, die BF seien alle gesund und nehmen keine Medikamente, und gaben an, dass die bereits getätigten Aussagen im Laufe der Erstbefragung der Wahrheit entsprochen hätten. Die BF1 gab weiters an, dass zu ihren in Deutschland lebenden Geschwistern kein Abhängigkeitsverhältnis bestehe. Der BF2 erklärte, dass ein Onkel väterlicherseits des BF2 und der BF3 in der Schweiz lebe, ein Abhängigkeitsverhältnis bestehe nicht.
Zur Situation in Rumänien befragt, gaben die BF an, sie hätten insgesamt ca. einen Monat in Rumänien verbracht. Sie wären zunächst in einer Wohnung eines Schleppers gewesen und danach für vier Tage inhaftiert worden. Die BF1 gab an, sie hätten weder Essen noch Trinken erhalten und wären aufgefordert worden auf die Straße zu gehen, nachdem man sie gezwungen habe ihre Fingerabdrücke abzugeben. Der BF2 gab an, während der Inhaftierung nur dreckiges Wasser zu trinken bekommen zu haben.
Auf Vorhalt der vorliegenden Zustimmungserklärung Rumäniens für die Führung ihres Verfahrens und die beabsichtigte Überstellung der BF in diesen Staat erklärten die BF, dass sie nicht nach Rumänien zurückwollen. Die BF1 habe Angst, weil sie mit ihren Kindern eingesperrt worden sei, und wolle sie in Österreich bleiben.
5. Mit den angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.04.2021 wurden die Anträge der BF auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b der Dublin III-VO Rumänien für die Prüfung des Antrages zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen die BF gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Rumänien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Zur Lage in Rumänien wurden folgende Feststellungen getroffen [unkorrigiert]:
? Zur Lage im Mitgliedsstaat:
Allgemeines zum Asylverfahren
Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren (USDOS 13.3.2019; vgl. IGI o.D.a, IGI o.D.b, IGI o.D.c, IGI o.D.d) mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (IGI o.D.a, IGI o.D.b, IGI o.D.c, IGI o.D.d, für weitere Informationen siehe dieselben Quellen). Die Regierung kooperiert mit UNHCR und anderen Organisationen, um Flüchtlingen, Asylwerbern, Staatenlosen u.a. Schutz und Unterstützung zukommen zu lassen (USDOS 13.3.2019).
Quellen:
- AIDA - Asylum Information Database (27.3.2019): Country Report – Romania 2018 Update, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_ro_2018update.pdf, Zugriff 21.6.2019
- IGI - Generalinspektorat für Immigration (o.D. a): Asylum procedures, http://igi.mai.gov.ro/en/content/asylum-procedures-0, Zugriff 27.5.2019
- IGI - Generalinspektorat für Immigration (o.D. b): Dublin procedure, http://igi.mai.gov.ro/en/content/dublin-procedure, Zugriff 27.5.2019
- IGI - Generalinspektorat für Immigration (o.D. c): General description, http://igi.mai.gov.ro/en/content/general-description, Zugriff 27.5.2019
- IGI - Generalinspektorat für Immigration (o.D. d): The submission of the asylum application, http://igi.mai.gov.ro/en/content/submitting-application-asylum, Zugriff 27.5.2019
- USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Romania, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004292.html, Zugriff 27.5.2019
Dublin-Rückkehrer
Der legale Status eines Rückkehrers hängt vom Stand seines Asylverfahrens in Rumänien ab. Sämtliche Rückkehrer werden am Flughafen empfangen und in die regionalen Zentren begleitet, wo sie dann noch am selben Tag einen Asylantrag stellen können.
? Wurde in Rumänien zuvor ein Asylverfahren eröffnet, das noch läuft, wird dieses fortgesetzt. Der Rückkehrer wird am Flughafen über den aktuellen Stand des Verfahrens informiert und darauf hingewiesen, sich im Hinblick auf die Fortsetzung des Verfahrens ins regionale Zentrum zu begeben. Die Unterbringung kann entweder im Zentrum oder privat erfolgen.
? Wurde ein Asylverfahren eröffnet und in der Folge beendet, weil sich der AW abgesetzt hat, wird der Rückkehrer als illegaler Fremder für längstens 18 Monate in Gewahrsam genommen. Er kann einen Folgeantrag stellen. Dieser hat aufschiebende Wirkung auf eine Außerlandesbringung, ebenso wie eine Beschwerde gegen Nichtzulassung des Folgeantrags. Für die Zulassung des Folgeantrags müssen aber neue Beweise vorgelegt werden.
? Wenn Asylwerber das Land vor dem Asylinterview verlassen haben und binnen neun Monaten zurückkehren, wird ihr Antrag als Erstantrag behandelt (VB 4.6.2019).
Bei Rückkehrern gemäß Art. 18 (1) (a) und (b) der Dublin-III-VO wird das Verfahren von den rumänischen Behörden geführt bzw. abgeschlossen. Rückkehrer gemäß Art. 18 (1) (c) haben die Möglichkeit, einen neuen Antrag einzubringen, der nicht als Folgeantrag gilt. Rückkehrer gemäß Art. 18 (1) (d) können einen Folgeantrag einbringen (EASO 24.10.2017).
Für vulnerable Fälle gibt es eine limitierte Anzahl separater Hafträume. Einige Vulnerable profitieren von einer Änderung im Fremdengesetz, gemäß derer auf Haft verzichtet wird, sofern sie eine alternative Unterbringung nachweisen können. Hierbei werden sie von NGOs unterstützt. UMA werden bei Rückkehr nicht in Haft genommen, sondern in einem Zentrum der Kinderschutzbehörde untergebracht (VB 4.6.2019).
Es gibt keine wesentlichen Unterschiede beim Zugang zur Unterbringung und medizinischen Versorgung von Dublin-Rückkehrern und regulären Asylwerbern (EASO 24.10.2017).
Quellen:
- EASO - European Asylum Support Office (24.10.2017): EASO Query zu Dublin-Rückkehrer, per E-Mail
- VB des BM.I in Rumänien (4.6.2019): Auskunft IGI, per E-Mail
Non-Refoulement
Gesetzlich ist ein Schutzmechanismus gegen Refoulement vorgesehen. Abschiebungen können nur durchgeführt werden, wenn die Rückkehrentscheidung nicht im Widerspruch zum Non-Refoulement-Prinzip steht. In diesen Fällen wird sobald wie möglich eine Entscheidung gefällt, in der begründet wird, warum der Aufenthalt auf rumänischem Territorium verweigert wird. Die Entscheidung wird dem Asylwerber direkt zugestellt, entweder persönlich bei der IGI-DAI oder per Post. Beschwerde kann binnen zwei Tagen nach Zustellung eingelegt werden (AIDA 27.3.2019).
Vom Schutz gegen Abschiebung oder Rückkehr sind jene Fremden ausgeschlossen, die in Zusammenhang mit Terrorismus stehen. UNHCR berichtete im Jahr 2018 von mehreren Vorfällen von Zugangsverweigerung zum Land, Zurückweisungen und Abweichungen vom Asylverfahren in Grenzregionen (USDOS 13.3.2019).
Quellen:
- AIDA - Asylum Information Database (27.3.2019): Country Report – Romania 2018 Update, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_ro_2018update.pdf, Zugriff 21.6.2019
- USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Romania, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004292.html, Zugriff 27.5.2019
Versorgung
Asylwerber, die selbst über keine Mittel verfügen, haben bis zum Ende des Asylverfahrens in Rumänien das Recht auf Unterbringung in einem der sechs Unterbringungszentren des Generalinspektorats für Immigration (IGI o.D.g) in Timi?oara, ?omcuta Mare, R?d?u?i, Gala?i, Bucharest and Giurgiu (AIDA 27.3.2019). Die sechs Aufnahme- und Unterbringungszentren bieten 900 Unterkunftsplätze (JRS 12.3.2018; vgl. AIDA 27.3.2019), wobei die Kapazität auf 1.090 Plätze erhöht werden kann. Per 31.12.2018 waren 350 Plätze belegt (AIDA 27.3.2019).
Die Unterbringungszentren können nur nach Genehmigung durch die IGI-DAI verlassen werden. Sollte die Unterkunft länger als 72 Stunden ohne Genehmigung verlassen werden, so können Unterstützungsleistungen gekürzt oder ausgesetzt werden. Asylwerber können aus Kapazitätsgründen auch aus einem Unterbringungszentrum in ein anderes verlegt werden. Gegen die Verlegung ist keine Beschwerde zulässig. Staatliche Unterstützungsleistungen beinhalten: Unterkunft in einer der Aufnahmezentren; finanzielle Zuwendungen für Nahrung und Kleidung sowie Taschengeld (AIDA 27.3.2019).
Mittellose Asylwerber können einen Antrag auf finanzielle Unterstützung für Lebensmittel, Kleidung und sonstige Ausgaben stellen (IGI o.D.g). Asylwerbern, die außerhalb eines Zentrums wohnen, steht eine Unterstützung für die Unterkunft zu (VB 4.6.2019). Ein Asylwerber, der im Zentrum untergebracht ist, erhält einen Betrag von 16,- Lei/Tag (ca. 110,- EUR im Monat). Die Unterbringungszentren erfüllen generell die Standards von EU und UNHCR. Sie sind für die Nahrungszubereitung entsprechend ausgestattet. Es gibt Beihilfen (Tagsätze) für Neugeborene, Wöchnerinnen, usw. Es gibt außerdem Beihilfen (saisonbedingt: 67,- Lei im Sommer und 100,- Lei im Winter) für Bekleidung (VB 4.6.2019; vgl. AIDA 27.3.2019, IGI o.D.g).
Asylwerber dürfen arbeiten, wenn ihr Erstantrag länger als drei Monate anhängig ist (IGI o.D.g; vgl. USDOS 13.3.2019). Trotzdem haben viele arbeitsberechtigte Asylwerber Probleme, legale Arbeit zu finden (USDOS 13.3.2019).
Die Regierung gewährt Asylwerbern eine finanzielle Zuwendung von 16 Lei/Tag; für Vulnerable ist dieser Satz etwas erhöht. Im Hinblick auf die durchschnittlichen Lebenserhaltungskosten ist dieser Betrag eher gering angesetzt und trifft insbesondere Personen mit besonderen Bedürfnissen oder Vulnerable (USDOS 13.3.2019).
Laut der NGO Civic Resource Centre ist der Staat alleine nicht in der Lage, die Versorgung der Asylwerber zu garantieren. Er ist auf die Unterstützung von NGOs angewiesen, die Nahrung, Unterkunft und sonstige Notfalldienste für Schutzsuchende zur Verfügung stellen. Weiters berichten Asylwerber über schlechte Unterbringungsbedingungen, wie Überbelegung oder hygienische Mängel in den staatlichen Unterbringungszentren (IRIN News 16.10.2017, vgl. AIDA 27.3.2019).
Im Jahr 2018 gab es 2.118 Asylanträge. In rumänischen Unterbringungseinrichtungen stehen 900 Plätze zur Verfügung, von diesen sind aktuell 294 belegt. Für den Fall, dass die Zentren irgendwann einmal überfüllt wären und Personen daher Privatunterkünfte nehmen müssten, würden diese mit 450,- Lei (ca. 95,- € ) für die Miete sowie mit 120,- Lei (ca. 25,- €) im Sommer bzw. 155,- Lei (ca. 33,- €) im Winter für Betriebskosten unterstützt werden. Das Relocation-Programm wurde mit Ende 2017/Anfang 2018 eingestellt (VB 4.6.2019).
Die Insassen der Schubhaftzentren haben das Recht auf rechtliche, medizinische und soziale Hilfe, sowie auf Information über Haftgründe, Rechte und Pflichten (VB 4.6.2019).
Quellen:
- AIDA - Asylum Information Database (27.3.2019): Country Report – Romania 2018 Update, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_ro_2018update.pdf, Zugriff 21.6.2019
- IGI - Generalinspektorat für Immigration (o.D.g): Assistance to asylum seekers, http://igi.mai.gov.ro/en/content/assistance-asylum-seekers, Zugriff 13.6.2019
- IRIN News (16.10.2017): Old route, new dangers: Migrant smugglers revive Black Sea route to Europe, http://www.irinnews.org/feature/2017/10/16/old-route-new-dangers-migrant-smugglers-revive-black-sea-route-europe, Zugriff 19.12.2017
JRS - Jesuit Refugee Service (12.3.2018): Policy Blog: quantifying the Romanian asylum system, https://jrseurope.org/news_detail?TN=NEWS-20180312050052&L=EN, Zugriff 5.6.2019
- USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Romania, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004292.html, Zugriff 27.5.2019
- VB des BM.I in Rumänien (4.6.2019): Auskunft IGI, per E-Mail
Medizinische Versorgung
Asylwerber haben das Recht auf kostenlose medizinische Erstversorgung und Behandlung, klinische Behandlung bei lebensbedrohlichen akuten oder chronischen Krankheiten. Im Falle besonderer Bedürfnisse haben Asylwerber Zugang zu sonstiger adäquater medizinischer Behandlung. Asylwerber unterliegen der Verpflichtung, sich medizinischen Untersuchungen zu unterziehen, um die öffentliche Gesundheit zu schützen (IGI o.D.f). Die Gesundheitsversorgung von Asylwerbern wird durch medizinisches Personal in den Aufnahmezentren sichergestellt, dass im Krankheitsfall primäre Gesundheitsversorgung leistet und kostenfreie Behandlungen durchführt (IGI o.D.h).
Mit Stand 2018 haben Asylbewerber in allen Regionalzentren Zugang zu einem Allgemeinmediziner. In Giurgiu ist der Arzt jedoch seit November 2018 krank. Nach Angaben des Rechtsberaters in Giurgiu hat diesen der Arzt der ICAR-Stiftung ersetzt, zumal es auch keine Krankenschwester gab. Dennoch ist Giurgiu das einzige Zentrum, in dem seit August 2018 ein Psychologe im Auftrag von IGI-DAI arbeitet. In R?d?u?i wurde im Sommer 2018 ein Arzt eingestellt. In Timi?oara wurden ab Frühjahr 2018 ein Arzt und zwei Krankenschwestern von IGI-DAI eingestellt. In Bukarest wird die ärztliche Untersuchung von einem Arzt und der Krankenschwester durchgeführt. Die Asylbewerber werden auf Anzeichen von Ekzemen, Tollwut, Läusen überprüft und eine Krankenakte erstellt. Bei medizinischen Problemen werden die Asylwerber an das Krankenhaus des Innenministeriums verwiesen (AIDA 27.3.2019).
Laut USDOS bleibt die staatliche soziale, psychologische und medizinische Unterstützung ungenügend, speziell für Traumatisierte und Folteropfer. Viele Asylwerber sind auf die Unterstützung von durch NGOs durchgeführte Projekte angewiesen (USDOS 13.6.2019).
Quellen:
- AIDA - Asylum Information Database (27.3.2019): Country Report – Romania 2018 Update, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_ro_2018update.pdf, Zugriff 21.6.2019
- IGI - Generalinspektorat für Immigration (o.D.f): Rights and obligations, http://igi.mai.gov.ro/en/content/rights-and-obligations, Zugriff 4.6.2019
- IGI - Generalinspektorat für Immigration (o.D.h): Access to health care, http://igi.mai.gov.ro/en/content/access-health-care, Zugriff 13.6.2019
- USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Romania, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004292.html, Zugriff 27.5.2019
COVID-19
Derzeit herrscht weltweit die als COVID-19 bezeichnete Pandemie. COVID-19 wird durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursacht. In Rumänien wurden bisher 1.046.264 Fälle von mit diesem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei bisher 27.394 Personen verstorben sind.
Quellen:
- https://coronavirus.jhu.edu/map.html, abgerufen am 25.04.2021
Wie gefährlich der Erreger SARS-CoV-2 ist, kann derzeit noch nicht genau beurteilt werden. Man geht aber von einer Sterblichkeitsrate von bis zu drei Prozent aus, wobei v.a. alte Menschen und immungeschwächte Personen betroffen sind.
Quellen:
- https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Coronavirus---Haeufig-gestellte-Fragen.html, abgerufen am 25.04.2021
Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen aus, dass die Anträge auf internationalen Schutz zurückzuweisen seien, da sich Rumänien für die Durchführung der Asylverfahren der BF bereit erklärt habe. Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, welches die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung der BF ernstlich für möglich erscheinen ließe, sei im Verfahren nicht erstattet und eine systematische, notorische Verletzung fundamentaler Menschenrechte Rumänien sei nicht erkannt worden. Soweit im Verfahren behauptet worden sei, dass die BF während der viertägigen Anhaltung weder Essen noch Trinken bekommen hätten, wäre festzuhalten, dass die BF allfälliges Fehlverhalten zur Anzeige hätten bringen müssen. An der Schutzwilligkeit der rumänischen Sicherheitsorgane bestehe kein Zweifel. Es seien auch weder schützenswerte familiäre, noch besondere private Anknüpfungspunkte in Österreich gegeben, weshalb die Außerlandesbringung des Beschwerdeführers keinen ungerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht nach Art. 8 EMRK darstelle.
Vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wurden auch Feststellungen in Zusammenhang mit der aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus getroffen.
6. Gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richten sich die fristgerecht eingebrachten Beschwerden vom 10.05.2021, worin begründend ausgeführt wurde, dass die Behörde mangelhaft ermittelt und eine Auseinandersetzung mit dem Kindeswohl unterlassen habe. In Rumänien wären die BF bereits Opfer einer für Vulnerable unzureichenden Versorgung und Inhaftierung geworden. Bei ordnungsgemäßer Prüfung hätte die Behörde zu dem Schluss kommen müssen, dass die Abschiebung der BF nach Rumänien ihre Rechte verletze und vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen wäre.
7. Die Beschwerdevorlage langte am 12.05.2021 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
8. Während der Dauer des anhängigen Beschwerdeverfahrens wurden die aktuellen Entwicklungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie begleitend beobachtet.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die BF1 reiste mit ihren beiden minderjährigen Kindern, dem BF2 und der BF3, in das Bundesgebiet ein und stellte am 09.03.2021 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz in Österreich.
Laut EURODAC-Abfrage erfolgte zuvor am 02.03.2021 eine Antragstellung in Rumänien. Das Gebiet der „Dublinstaaten“ wurde von den BF zwischenzeitig nicht wieder verlassen.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 15.03.2021 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b der Dublin-III-VO gestütztes Wiederaufnahmegesuch an Rumänien, dem die rumänische Dublinbehörde mit Schreiben vom 26.03.2021 auf Grundlage des Art. 18 Abs. 1 lit. b der Dublin III-VO ausdrücklich zustimmte. Es wurde ausgeführt, dass die in Rumänien gestellten Asylanträge der BF noch geprüft werden, diese jedoch untergetaucht wären.
Ein Sachverhalt, der die Zuständigkeit Rumäniens wieder beendet hätte, liegt nicht vor.
Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Rumänien an.
Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF im Falle einer Überstellung nach Rumänien Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe beziehungsweise einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.
Zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus ist notorisch:
COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. In Österreich gab es mit Stand 30.05.2021, 640.162 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen und 10.334 Todesfälle; in Rumänien wurden zu diesem Zeitpunkt 1.077.426 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen und wurden bisher 30.247 Todesfälle bestätigt (WHO, 31.05.2021).
Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.
Da sich die epidemiologische Lage innerhalb der EU weitgehend stabilisiert hat, wurden – neben anderen Lockerungen der Corona-Maßnahmen – die Reisebeschränkungen, die eingeführt worden waren, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen, wieder schrittweise aufgehoben.
So hat Rumänien seine generelle Einreisesperre mit 15.06.2020 teilweise aufgehoben und ist die Einreise für EU-Bürger, die keine Krankheitssymptome aufweisen, nun wieder möglich. Ab dem 18.07.2020 wurde die Pflicht zur Privatisolierung wieder eingeführt. Diese Pflicht bezieht sich auf alle Reisende aus Ländern (Gegenden) mit einem hohen epidemiologischen Risiko. Die 14-tägige Heimquarantäne entfällt für Reisende aus Ländern mit niedrigerer oder gleicher kumulativer Anzahl neuer Krankheitsfälle (letzte 14 Tage pro 100.000 Einwohner) wie jener in Rumänien. Reisende aus Österreich sind derzeit zu einer 14-tägigen Quarantäne bzw. zur Vorlage eines negativen PCR-Tests oder eines Nachweises von zwei erhaltenen Impfungen verpflichtet. Für das ganze Land gilt die Sicherheitsstufe 4 (hohes Sicherheitsrisiko).
Da sich die epidemiologische Lage innerhalb der EU weitgehend stabilisiert hat, wurden – neben anderen Lockerungen der Corona-Maßnahmen – die Reisebeschränkungen, die eingeführt worden waren, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen, wieder schrittweise aufgehoben.
Die BF leiden an keinerlei Krankheiten oder sonstigen gesundheitlichen Problemen; sie fallen demnach auch nicht unter die oben angeführten Risikogruppen.
Die BF haben in Österreich keine Angehörigen zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis beziehungsweise eine besonders enge Beziehung besteht und auch sonst keine sozialen Kontakte, die ihn im besonderem Maße an Österreich binden.
2. Beweiswürdigung:
2.1 Die Feststellungen zum Reiseweg und den Anträgen auf internationalen Schutz in Österreich und Rumänien ergeben sich aus den Angaben der BF1 und des BF2 in Zusammenschau mit den vorliegenden EURODAC-Treffermeldungen.
Die Feststellungen zum Konsultationsverfahren ergeben sich aus dem im Verwaltungsakt befindlichen Schriftwechsel zwischen der österreichischen und rumänischen Dublinbehörde.
2.2. Die Feststellungen zur Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultieren aus den durch Quellen belegten Länderfeststellungen der angefochtenen Bescheide, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat in seinen Entscheidungen neben Ausführungen zur allgemeinen und medizinischen Versorgungslage von Asylwerbern auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin III-VO) getroffen. Sofern Quellen älteren Datums herangezogen wurden, ist davon auszugehen, dass sich die Lage in Rumänien nicht maßgeblich geändert hat.
Aus den in den angefochtenen Bescheiden dargestellten Länderinformationen ergeben sich keine ausreichend begründeten Hinweise darauf, dass das rumänische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweisen würde. Insofern war aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens sowie auf die Versorgungslage von Asylsuchenden in Rumänien den Feststellungen der verwaltungsbehördlichen Entscheidung zu folgen.
Eine die BF konkret treffende Bedrohungssituation in Rumänien wurde nicht ausreichend substantiiert vorgebracht (vgl. hierzu die weiteren Ausführungen unter Punkt 3.1.2.1. des gegenständlichen Erkenntnisses).
2.3. Die getroffenen notorischen Feststellungen zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus ergeben sich aus den unbedenklichen tagesaktuellen Berichten und Informationen. Die Länderfeststellungen sind grundsätzlich ausreichend aktuell, sie zeichnen allerdings – angesichts der derzeit sich schnell ändernden Gegebenheiten in Zusammenhang mit dem Ausbruch von COVID-19 – naturgemäß ein Bild der Versorgung von Asylwerbern in Rumänien, welches sich auf den Zeitraum vor Ausbruch der Pandemie bezieht.
Es ist notorisch, dass die Mitgliedstaaten allesamt – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß – vom Ausbruch der Pandemie betroffen sind, weshalb auch entsprechende Maßnahmen gesetzt werden beziehungsweise wurden (beispielsweise die Verhängung von Ausgangsbeschränkungen und Quarantänemaßnahmen sowie die Vornahme von Grenzschließungen und Einschränkungen im Personen- und Warenverkehr), um die Ausbreitung von COVID-19 hintanzuhalten und gleichzeitig die medizinische Versorgung der Bevölkerung – seien es nun eigene Staatsbürger oder dort ansässige Fremde - möglichst sicherstellen zu können. In diesem Sinne wurde in den Mitgliedstaaten der EU auch die Durchführung von Überstellungen beziehungsweise die Übernahme von Dublin-Rückkehrern temporär ausgesetzt.
Nachdem sich die epidemiologische Lage innerhalb der EU weitgehend stabilisiert hat und vor dem Hintergrund der sukzessiven Aufhebungen von Reisebeschränkungen, sind zahlreiche Mitgliedstaaten, die im regen Austausch miteinander stehen, mittlerweile aber dazu übergegangen, Überstellungen von Dublin-Rückkehrern (sowohl „in“ als auch „out“) wieder durchzuführen.
Zwar verkennt das Gericht nicht, dass die Pandemie noch nicht überstanden ist und Rumänien eines der Länder ist, das – genauso wie Österreich – zurzeit eine starke Zunahme von Neuinfektionen erlebt, es ist aber davon auszugehen, dass etwaig daraus resultierende erneute Überstellungshindernisse jedenfalls in der Maximalfrist der Verordnung (vgl. die in Art. 29 Dublin III-VO geregelte grundsätzliche sechsmonatige Überstellungfrist) überwunden sein werden.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der BF basieren im Wesentlichen auf deren eigenen Angaben in Zusammenschau mit dem Akteninhalt.
Die festgestellten Tatsachen hinsichtlich der privaten, familiären und beruflichen Anknüpfungspunkte in Österreich ergeben sich ebenfalls aus der Aktenlage und dem Vorbringen der BF1 und des BF2.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Die maßgeblichen Bestimmungen des nationalen Rechts sind §§ 5 und 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und § 61 FPG; unionsrechtlich sind primär Art. 3, 7, 13, 16, 17, 18, 23 und 25 Dublin III-VO relevant.
3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz):
3.1.1. In materieller Hinsicht ist die Zuständigkeit Rumäniens zur Prüfung der in Rede stehenden Anträge auf internationalen Schutz in Art. 18 Abs. 1 lit b der Dublin-III-VO begründet, zumal die BF zunächst in Rumänien einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatten und die rumänische Dublin-Behörde der Zuständigkeit für die Verfahren mit Schreiben vom 26.03.2021 ausdrücklich zugestimmt hat.
Für die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates als Rumänien finden sich keine Anhaltspunkte. Die Zuständigkeit Rumäniens ist auch nicht etwa zwischenzeitig wieder erloschen.
Auch aus Art. 16 (abhängige Personen) und Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO (humanitäre Klausel) ergibt sich mangels familiärer Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet keine Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung der Anträge der BF.
Nach der Rechtsprechung der Höchstgerichte ist aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben, sofern die innerstaatliche Überprüfung der Auswirkungen einer Überstellung ergeben sollte, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers bedroht wären.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO keinen Gebrauch gemacht. Es ist daher zu prüfen, ob von diesem im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK oder der GRC zwingend Gebrauch zu machen wäre:
3.1.2. Mögliche Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK:
Gemäß Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK darf niemand Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
Die bloße Möglichkeit einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigenden notorischen Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter, auf den betreffenden Fremden bezogene Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung in Bezug auf seine Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 09.05.2003, 98/18/0317; 26.11.1999, 96/21/0499; vgl. auch 16.07.2003, 2003/01/0059). "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, 2006/01/0949).
Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl. VwGH 17.02.1998, 96/18/0379; EGMR 04.02.2005, 46827/99 und 46951/99, Mamatkulov und Askarov/Türkei Rz 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung, ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK, sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde. Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 25.04.2006, 2006/19/0673; 31.05.2005, 2005/20/0025; 31.03.2005, 2002/20/0582), ebenso weitere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Sprung, Dublin II-Verordnung³, K 13 zu Art. 19).
Der EuGH sprach in seinem Urteil vom 10.12.2013, C-394/12, Shamso Abdullahi/Österreich Rz 60, zur Dublin II-VO aus, dass in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO festgelegten Kriteriums zugestimmt hat, der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, welche ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC ausgesetzt zu werden.
Zudem hat der EuGH in seinem Urteil vom 07.06.2016, C-63/15, Gezelbash (Große Kammer), festgestellt, dass Art. 27 Abs. 1 Dublin-III-VO im Licht des 19. Erwägungsgrundes dieser Verordnung dahin auszulegen ist, dass […] ein Asylbewerber im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über seine Überstellung die fehlerhafte Anwendung eines in Kapitel III dieser Verordnung festgelegten Zuständigkeitskriteriums […] geltend machen kann.
Mit der Frage, ab welchem Ausmaß von festgestellten Mängeln im Asylsystem des zuständigen Mitgliedstaates der Union ein Asylwerber von einem anderen Aufenthaltsstaat nicht mehr auf die Inanspruchnahme des Rechtsschutzes durch die innerstaatlichen Gerichte im zuständigen Mitgliedstaat und letztlich den EGMR zur Wahrnehmung seiner Rechte verwiesen werden darf, sondern vielmehr vom Aufenthaltsstaat zwingend das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO auszuüben ist, hat sich der EuGH in seinem Urteil vom 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10, N.S. ua/Vereinigtes Königreich, befasst und - ausgehend von der Rechtsprechung des EGMR in der Entscheidung vom 02.12.2008, 32733/08, K.R.S./Vereinigtes Königreich, sowie deren Präzisierung mit der Entscheidung vom 21.01.2011 (GK), 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland – ausdrücklich ausgesprochen, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechtes durch den zuständigen Mitgliedstaat, sondern erst systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes durch den Aufenthaltsstaat gebieten.
Somit ist zum einen unionsrechtlich zu prüfen, ob im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylwerber vorherrschen, und zum anderen aus verfassungsrechtlichen Erwägungen, ob die beschwerdeführende Parteien im Falle der Zurückweisung ihrer Anträge auf internationalen Schutz und ihrer Außerlandesbringung gemäß §§ 5 AsylG und 61 FPG – unter Bezugnahme auf ihre persönliche Situation – in ihren Rechten gemäß Art. 3 und/oder Art. 8 EMRK verletzt werden würde, wobei der Maßstab des "real risk" anzulegen ist. (vgl dazu auch näher Baumann/Filzwieser in Filzwieser/Taucher [Hrsg.], Asyl- und Fremdenrecht – Jahrbuch 2018, Seiten 213ff.).
3.1.2.1. Kritik am rumänischen Asylwesen/die Situation in Rumänien
Die angefochtenen Bescheide enthalten für den gegenständlichen Fall hinreichende Feststellungen zum rumänischen Asylwesen. Diese stammen von der Staatendokumentation, die zur Objektivität verpflichtet ist und der Beobachtung eines Beirates unterliegt. Sie stützen sich auf verlässliche und unzweifelhafte aktuelle Quellen von angesehenen staatlichen und nicht staatlichen Einrichtungen, und wurden ausgewogen zusammengestellt. Im Übrigen ist hinsichtlich der Feststellungen älteren Datums anzumerken, dass sich in Bezug auf gegenständliches Beschwerdevorbringen keine entscheidungswesentlichen Änderungen ergeben haben und sich die Lage in Rumänien in diesen Zusammenhängen im Wesentlichen unverändert darstellt. Hinsichtlich der derzeitigen Situation in Zusammenhang mit COVID-19 ist an dieser Stelle auf die obigen Ausführungen zu verweisen.
Vor dem Hintergrund der gegenständlich herangezogenen Länderberichte und der verwaltungsbehördlichen Erwägungen kann nicht erkannt werden, dass im Hinblick auf Asylwerber, die von Österreich im Rahmen der Dublin III-VO nach Rumänien überstellt werden, aufgrund der rumänischen Rechtslage und/oder Vollzugspraxis systematische Verletzungen von Rechten gemäß der EMRK erfolgen würden, oder dass diesbezüglich eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit im Sinne eines "real risk" für den Einzelnen bestehen würde.
Eine wie in der Entscheidung des EGMR vom 21.01.2011 in der Rechtssache M.S.S./Belgien und Griechenland in Bezug auf Griechenland beschriebene Situation systematischer Mängel im Asylverfahren in Verbindung mit schweren Mängeln bei der Aufnahme von Asylwerbern kann in Rumänien im Hinblick auf die behördlichen Länderfeststellungen nicht erkannt werden. Des Weiteren vermögen einzelne Grundrechtsverletzungen, respektive Verstöße gegen Asylrichtlinien, die Anwendung der Dublin II-VO (und nunmehr der Dublin III-VO) demgegenüber unionsrechtlich nicht zu hindern und bedingen keinen zwingenden, von der Beschwerdeinstanz wahrzunehmenden, Selbsteintritt (EuGH C-411/10 und C-493/10).
Den Befürchtungen der BF, in Rumänien mangelhaft versorgt/untergebracht zu werden, sind die Länderfeststellungen zu Rumänien entgegenzuhalten. Aus diesen ist unzweifelhaft zu entnehmen, dass die Versorgung von Asylwerbern gewährleistet ist. Asylwerber, die selbst über keine Mittel verfügen, haben bis zum Ende des Asylverfahrens in Rumänien das Recht auf Unterbringung in einem der sechs Unterbringungszentren des Generalinspektorats für Immigration (IGI o.D.g) in Timi?oara, ?omcuta Mare, R?d?u?i, Gala?i, Bucharest and Giurgiu (AIDA 27.3.2019). Staatliche Unterstützungsleistungen beinhalten: Unterkunft in einer der Aufnahmezentren; finanzielle Zuwendungen für Nahrung und Kleidung sowie Taschengeld (AIDA 27.3.2019). Die Unterbringungszentren erfüllen generell die Standards von EU und UNHCR. (VB 4.6.2019; vgl. AIDA 27.3.2019, IGI o.D.g).
Soweit die BF1 und der BF2 vorbrachten, dass sie im Zuge der viertägigen Anhaltung kein Essen und Trinken bzw. nur dreckiges Wasser erhalten hätten, so handelte es sich um einen bedauernswerten Einzelfall, werden dadurch aber keine systemischen Mängel im rumänischen Versorgungswesen dargetan. Nachdem die Beschwerdeführer untergetaucht sind, gab es von Seiten der rumänischen Behörden gar nicht die Möglichkeit, ihnen Versorgungsleistungen zuteil werden zu lassen.
Das erkennende Gericht geht demnach nicht davon aus, dass die BF im Falle einer Rückkehr nach Rumänien mangelnder Versorgung ausgesetzt wäre. Dass der Standard der rumänischen Unterbringungseinrichtungen möglicherweise nicht immer dem österreichischen entspricht, ist unerheblich, solange grundlegende Versorgungsgarantien und menschenwürdige Bedingungen gewährleistet sind.
Daru?ber hinaus ist festzuhalten, dass Asylwerber/innen im Zuge der Feststellung des fu?r das Asylverfahren zusta?ndigen Dublin-Staates nicht jenen Mitgliedstaat frei wa?hlen ko?nnen, in welchem sie die – ihres Erachtens nach – bestmögliche Unterbringung und Versorgung erwarten ko?nnen. Es ist auf den Hauptzweck der Dublin III-VO zu verweisen, wonach eine im Allgemeinen von individuellen Wu?nschen der Asylwerber/innen losgelo?ste Zusta?ndigkeitsregelung zu treffen ist. Vor dem Hintergrund ist auch das Vorbringen der BF, sie seien zur Abgabe ihrer Fingerabdrücke „gezwungen“ worden als rechtskonform zu beurteilen.
Auch wenn die BF1 und der BF2 ausgeführt haben, dass sie nicht nach Rumänien zurück möchten, sondern in Österreich bleiben wollen, so ist auch hiezu festzuhalten, dass es nicht dem Fremden obliegt, ein Asylverfahren in einem Land seiner Wahl durchzuführen und dadurch ein Aufenthaltsrecht zu erlangen. Es gelten hiefür die Bestimmungen der Dublin III-VO, die im vorliegenden Fall unzweifelhaft die Zuständigkeit Rumäniens ergeben haben.
Das Asyl- und Refoulementschutzverfahren in Rumänien und die Situation von Asylwerbern dort geben im Ergebnis verfahrensgegenständlich keinen Anlass, ein „real risk“ einer Verletzung von Art. 3 EMRK zu befürchten.
Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die BF im Falle der Gewährung internationalen Schutzes in Rumänien aufgrund der dortigen Lebensumstände, die sie als international Schutzberechtigte erwarten würden, einem ernsthaften Risiko ausgesetzt wären, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC zu erfahren, weil sie sich im Fall der Überstellung unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befänden (vgl. EuGH 19.03.2019, C-163/17, Jawo).
Ein konkretes detailliertes Vorbringen, das geeignet wäre, anzunehmen, dass Rumänien im Hinblick auf Asylwerber aus Syrien unzumutbare rechtliche Sonderpositionen vertreten würde, wurde nicht erstattet. Rumänien hat der Rückübernahme der BF gemäß Art. 18 Abs. 1 lit b der Dublin III-VO ausdrücklich zugestimmt und ergibt sich aus den vorliegenden Länderberichten die Möglichkeit zur Stellung eines Folgeantrages, welcher im Hinblick auf eine Außerlandesbringung, ebenso wie eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung eines solchen Antrages, aufschiebende Wirkung entfaltet. Den Länderberichten lässt sich überdies entnehmen, dass in Rumänien ein rechtsstaatliches Asylverfahren etabliert und Refoulementschutz gewährleistet ist. Die BF1 und der BF2 haben zu keinem Zeitpunkt angegeben, nicht einvernommen worden zu sein. Es gibt keine Information dahingehend, dass ein Asylwerber, der im Rahmen der Dublin III-VO von Österreich nach Rumänien überstellt worden ist, ohne Prüfung seines Asylantrages in einen Staat weiter abgeschoben worden wäre, wo ihm die Gefahr einer unmenschlichen Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK gedroht hätte.
Sofern die BF1 und der BF2 behaupten, sie seien in Rumänien nicht/nicht ausreichend versorgt und nach vier Tagen auf die Straße gesetzt worden, ist anzumerken, dass das Vorbringen nicht glaubwürdig erscheint, zumal sich aus dem Konsultationsverfahren ergibt, dass die Beschwerdeführer untergetaucht sind, dh aus freien Stücken sich den Versorgungsleistungen entzogen haben. Selbst bei Wahrunterstellung dieser Behauptung wäre die Möglichkeit offen gestanden, sich an örtlich ansässige Menschenrechtsorganisationen zu wenden beziehungsweise den Rechtsweg zu beschreiten. Dass in Rumänien rechtswidriges Verhalten von Beamten ohne strafrechtliche oder dienstrechtliche Folgen geduldet werden würde, ist sowohl dem Amtswissen nach als auch den verwaltungsbehördlichen Länderfeststellungen nicht zu entnehmen.
Auch im Übrigen konnten die BF keine auf sich selbst bezogenen besonderen Gründe, welche für eine reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK sprechen würden, glaubhaft machen, weshalb die Rechtsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG zur Anwendung kommt, wonach ein Asylwerber im zuständigen Mitgliedstaat Schutz vor Verfolgung findet.
Jedenfalls haben die BF die Möglichkeit, etwaige konkret drohende oder eingetretene Verletzungen in ihre Rechten, etwa durch eine unmenschliche Behandlung im Sinn des Art. 3 EMRK, bei den zuständigen Behörden und Gerichten in Rumänien und letztlich beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, insbesondere auch durch Beantragung einer vorläufigen Maßnahme gemäß Art. 39 EGMR-VerfO, geltend zu machen.
3.1.2.2. Medizinische Krankheitszustände; Behandlung in Rumänien
Nach der Rechtsprechung von EGMR, VfGH und VwGH zu Art. 3 EMRK im Zusammenhang mit der Abschiebung von Kranken hat im Allgemeinen kein Fremder das Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche würden etwa vorliegen, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt werden würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt. Bei der Ausweisung und Abschiebung Fremder in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union ist auch zu berücksichtigen, dass dieser Mitgliedstaat zur Umsetzung der Aufnahmerichtlinie verpflichtet ist. Nach Art. 15 dieser Richtlinie haben die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass Asylwerber die erforderliche medizinische Versorgung, welche zumindest die Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten umfasst, erhalten beziehungsweise dass Asylsuchende mit besonderen Bedürfnissen die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe erlangen. Dennoch könnte der Transport vorübergehend oder dauerhaft eine Verletzung des Art 3 EMRK darstellen, etwa bei fortgeschrittener Schwangerschaft oder der Erforderlichkeit eines ununterbrochenen stationären Aufenthalts (grundlegend: EGMR 13.12.2016, 41738/10, Paposhvili/Belgien; vgl. ferner EGMR 22.06.2010, 50068/08, Al-Zawatia/Schweden; 27.05.2008, 26565/05, N./Vereinigtes Königreich; 03.05.2007, 31246/06, Goncharova und Alekseytsev/Schweden; 07.11.2006, 4701/05, Ayegh/Schweden; 04.07.2006, 24171/05, Karim/Schweden; 10.11.2005, 14492/03, Paramsothy/Niederlande; siehe auch VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0082; 10.08.2017, Ra 2016/20/0105).
Wie festgestellt, sind bei den BF im gesamten Verfahren keinerlei Hinweise auf das Vorliegen einer Erkrankung hervorgekommen.
Es liegt daher jedenfalls keine Krankheit von jener Schwere vor, die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes zu Art. 3 EMRK eine Abschiebung nach Rumänien als eine unmenschliche Behandlung erscheinen lässt.
Nachdem keine aktuelle dringende Behandlung der BF notwendig ist und – vor dem Hintergrund der verwaltungsbehördlichen Länderfeststellungen – davon ausgegangen werden kann, dass allfällige gesundheitliche Probleme im Bedarfsfall auch in Rumänien zu behandeln sind, ist für das erkennende Gericht kein Überstellungshindernis nach Rumänien erkennbar.
Nur der Vollständigkeit halber ist im Hinblick auf die derzeit bestehende Pandemie aufgrund des Corona-Virus festzuhalten, dass die BF1 44 Jahre, der BF2 15 Jahre und die BF3 sieben Jahre alt sind und an keinen schwerwiegenden Erkrankungen leiden, womit sie nicht unter die Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen fallen. Ein bei einer Überstellung der BF nach Rumänien vorliegendes individuelles „real risk“ einer Verletzung des Art. 3 EMRK ist somit hierzu nicht erkennbar.
Zudem ist – losgelöst von der individuellen Situation der BF darauf hinzuweisen, dass die aktuelle Corona-Pandemie – unter Beachtung der maximalen Überstellungsfrist von 6 Monaten aus der Dublin-III-VO als Schranke – zur Zeit kein generelles Überstellungshindernis auszulösen vermag. Gegenständlich besteht daher im Kontext eines Eilverfahrens zur Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat unmittelbare Entscheidungspflicht für das erkennende Gericht und widerspräche etwa eine Zurückverweisung hier offenkundig dem Unionsrecht.
3.1.3. Mögliche Verletzung von Art. 7 GRC bzw. Art. 8 EMRK:
Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Ein Recht auf Familienleben gem. Art. 8 EMRK kann sich nicht nur in Bezug auf die Kernfamilie ergeben, sondern auch auf andere verwandtschaftliche Verhältnisse (wie bspw. zwischen erwachsenen Geschwistern), insofern bestimmte Voraussetzungen einer hinreichend stark ausgeprägten Nahebeziehung erfüllt sind. Diese Voraussetzungen sind u.a. gegenseitige finanzielle Abhängigkeit, ein gemeinsamer Wohnsitz sowie sonstige Abhängigkeit wie beispielsweise gegenseitige Pflege.
Im gegenständlichen Fall haben die BF keine Familienangehörigen im österreichischen Bundesgebiet.
Auch hinsichtlich des Privatlebens der BF kommt es gegenständlich zu keinem unzulässigen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK verfassungsrechtlich gewährleistete Recht:
Während des Aufenthaltes im Bundesgebiet in der Dauer von etwa drei Monaten kamen den BF nicht einmal eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zu, sondern es bestand – da das Verfahren nicht zugelassen war – lediglich faktischer Abschiebeschutz. Zudem war der kurze Zeitraum, gemessen an der Judikatur des EGMR und der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes, als kein ausreichend langer zu qualifizieren. Aus der Rechtsprechung des VwGH ergibt sich, dass etwa ab einem zehnjährigen (dort: vorläufig berechtigten) Aufenthalt im Regelfall die privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet die öffentlichen Interessen überwiegen können (09.05.2003, 2002/18/0293). Gleiches gilt für einen siebenjährigen Aufenthalt, wenn eine berufliche und soziale Verfestigung vorliegt (05.07.2005, 2004/21/0124).
Die privaten und familiären Interessen der BF an einem Verbleib im Bundesgebiet haben nur sehr geringes Gewicht und treten fallbezogen gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des VwGH ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund. Der durch die Ausweisung der BF aus dem Bundesgebiet erfolgende Eingriff in ihr Privatleben ist durch ein Überwiegen des öffentlichen Interesses im Vergleich zu ihren Privatinteressen am Verbleib im Bundesgebiet jedenfalls gedeckt.
Sofern in der Beschwerde argumentiert wird, dass durch die Anordnung zur Außerlandesbringung das Kindeswohl nicht berücksichtigt worden sei, ist festzuhalten, dass dem Kindeswohl im Rahmen des europäischen Zuständigkeitssystems der Dublin-III-VO ein hoher Stellenwert zukommt, der sich durch die explizite Erwähnung im 13. Erwägungsgrund sowie durch die besonderen Zuständigkeitstatbestände des Art. 8 leg. cit. und spezielle Verfahrensgarantien zeigt. Jedoch kann aus der UN-Konvention über die Rechte des Kindes vom 26.1.1990 (Kinderrechtskonvention) nicht abgeleitet werden, dass die Berücksichtigung des Kindeswohls so weit geht, dass sich die Beschwerdeführer im Wissen um ihren unsicheren Aufenthalt den bevorzugten Mitgliedsstaat quasi "frei wählen" können.
Das Bundesverwaltungsgericht gelangt daher insgesamt zum Ergebnis, dass im vorliegenden Fall keine Verletzung von Bestimmungen der GRC oder der EMRK zu befürchten ist. Daher bestand auch keine Veranlassung, von dem in Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO vorgesehenen Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen und eine inhaltliche Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz vorzunehmen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 61 Abs. 1 FPG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt. Wie bereits ausgeführt, stellt die Anordnung zur Außerlandesbringung keinen unzulässigen Eingriff in die Rechte der BF auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens dar, sodass die Anordnung gemäß § 9 BFA-VG zulässig ist. Die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 61 Abs. 2 FPG ist gegeben, da oben festgestellt wurde, dass dadurch keine Verletzung von Art. 3 EMRK bewirkt wird, und auch sonst zum Entscheidungszeitpunkt keinerlei Hinweise auf eine Bedrohungssituation im Sinne des § 50 FPG vorliegen.
Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass allenfalls temporär bestehende faktische Hindernisse bei der Überstellung der BFs nach Rumänien (wie insbesondere solche in Zusammenhang mit der COVID-19 -Pandemie) in der gegenständlichen Entscheidung außer Betracht zu bleiben haben; Die Durchführung der Überstellung obliegt der Fremdenpolizeibehörde unter Wahrung aller rechtlichen Vorgaben zum jeweiligen konkreten Zeitpunkt sowie unter Beachtung der in der Dublin III-VO normierten Fristen (Art. 29 Dublin III-VO; siehe auch VfGH 26.06.2020, E 1558/2020-12).
3.3. Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 6a iVm Abs. 7 BFA-VG unterbleiben. Die mit dem FRÄG 2015 eingeführte Regelung des Abs. 6a leg cit indiziert, dass im Zulassungsverfahren – auch in Zusammenschau mit der Spezialnorm des § 21 Abs. 3 BFA-VG – grundsätzlich weitergehende Möglichkeiten der zulässigen Abstandnahme von der Durchführung von Verhandlungen bestehen (in diesem Sinne auch VwGH 08.09.2015, Ra 2014/18/0157 bis 0159, vgl dazu zudem die Entscheidung des VwGH vom 05.12.2017, Ra 2017/01/0392 bis 0394). Im vorliegenden Verfahren erscheint der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt. Es ergab sich kein Hinweis auf die Notwendigkeit, den maßgeblichen Sachverhalt mit den BF zu erörtern.
3.4. Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 17 BFA-VG konnte angesichts der erfolgten Sachentscheidung entfallen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des VwGH abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des VwGH nicht einheitlich beantwortet wurde.
Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Die tragenden Elemente der Entscheidung liegen allein in der Bewertung der Asyl- und Aufnahmesituation in Rumänien sowie der dortigen medizinischen und allgemeinen Versorgungslage, welche sich aus den umfassenden und aktuellen Länderberichten ergibt. Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht insbesondere auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte, des EuGH und des EGMR beziehungsweise auf eine ohnehin klare Rechtslage zur Dublin III-VO stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den rechtlichen Erwägungen wiedergegeben.
Schlagworte
Außerlandesbringung medizinische Versorgung real risk Rechtsschutzstandard VersorgungslageEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W212.2242351.1.00Im RIS seit
05.10.2021Zuletzt aktualisiert am
05.10.2021