Entscheidungsdatum
10.06.2021Norm
AsylG 2005 §10Spruch
W236 2171039-2/18E
I.
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Lena BINDER als Einzelrichterin:
A) Gemäß § 62 Abs. 4 AVG iVm § 17 VwGVG wird das am 20.05.2021 mündlich verkündete und im Protokoll der mündlichen Verhandlung festgehaltene Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, GZ. W236 2171039-2/15Z, dahingehend berichtigt, dass Spruchteil A.IV. anstelle von „Die Spruchpunkte III. und VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.“ nunmehr „Die Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.“ zu lauten hat.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
II.
AUSFERTIGUNG DES AM 20.05.2021 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Lena BINDER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch BBU GmbH – Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.11.2018, Zl. 1129205902-161235103, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.05.2021 zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.
II. Hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird der Beschwerde stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 20.05.2022 erteilt.
IV. Die Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Zu I.
Zu A.) Berichtigung des Spruchteils A.IV.
1. Die Rechtsgrundlage der Berichtigung eines verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses bildet der gemäß § 17 VwGVG auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG sinngemäß anzuwendende § 62 Abs. 4 AVG.
Gemäß § 62 Abs. 4 AVG kann die Behörde (hier: das Bundesverwaltungsgericht) jederzeit von Amts wegen Schreib- und Rechenfehler oder diesen gleichzuhaltende, offenbar auf einem Versehen oder offenbar ausschließlich auf technisch mangelhaftem Betrieb einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten in Bescheiden (hier Erkenntnissen) berichtigen. Die Anwendung des § 62 Abs. 4 AVG setzt einen fehlerhaften Verwaltungsakt mit der Maßgabe voraus, dass eine auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit sowie die Offenkundigkeit gegeben ist (VwSlg 8545A/1974). Die Berichtigung ist auf jene Fälle ihrer Fehlerhaftigkeit eingeschränkt, in denen die Unrichtigkeit eine offenkundige ist, dh dass die Unrichtigkeit des Bescheides (hier Erkenntnisses) von der Behörde (hier: dem Bundesverwaltungsgericht) – bei entsprechender Aufmerksamkeit – bei Erlassung hätte vermieden werden können (VwSlg 13.233A/1990; VwGH 27.02.2004, 2003/02/0144). Ein Versehen ist dann klar erkennbar, wenn zu dessen Erkennung kein längeres Nachdenken und keine Nachschau in Gesetzeswerken notwendig ist, wobei vom Maßstab eines mit der zu behandelten Materie vertrauten Durchschnittsbetrachters auszugehen ist (VwGH 13.09.1991, 90/18/0248; vgl zu alledem näher Hengstschläger/Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, 2005, § 62 Rz 45 ff).
Einem Berichtigungsbescheid (hier: Berichtigungsbeschluss) kommt nur feststellende, nicht jedoch rechtsgestaltende Wirkung zu. Seine Funktion erschöpft sich ausschließlich in der Feststellung des tatsächlichen Inhaltes des berichtigten Bescheides (hier Erkenntnisses) schon zum Zeitpunkt seiner in berichtigungsbedürftiger Form erfolgten Erlassung. Einem solchen Verständnis vom Wesen des Berichtigungsbescheides (hier: Berichtigungsbeschlusses) entspricht die ständige Rechtsprechung des VwGH des Inhaltes, dass ein Berichtigungsbescheid (hier: Berichtigungsbeschluss) mit dem von ihm berichtigten Bescheid (hier Erkenntnis) eine Einheit bildet, sodass der berichtigte Bescheid (hier Erkenntnis) im Sinne des Berichtigungsbescheides (hier: Berichtigungsbeschluss) in dem Zeitpunkt als geändert angesehen werden muss, in dem er in Rechtskraft erwachsen ist (VwGH 14.10.2003, 2001/05/0632).
2. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.
Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige. Gemäß § 52 Abs. 9 AsylG 2005 hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.
Gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn die Rückkehrentscheidung aufgrund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wird.
Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.
3. Im gegenständlichen Fall wurde in Spruchteil A.IV. des am 20.05.2021 mündlich verkündeten Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts, GZ. W236 2171039-2/15Z, irrtümlich festgehalten, dass die Spruchpunkte III. und VI. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben werden. Richtig wäre hingegen gewesen, dass die Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben werden, andernfalls über die in Beschwerde gezogenen Spruchpunkte IV. (Erlassung einer Rückkehrentscheidung) und V. (Abschiebung nach Somalia) nicht rechtskräftig abgesprochen worden wäre.
Die Begründung des mündlich verkündeten Erkenntnisses, dass mit Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten die rechtlichen Voraussetzungen für die Erlassung der übrigen Spruchpunkte des Bescheides wegfielen, macht deutlich, dass es sich bei dem im Spruchpunkt A.IV. verwendeten Bindewort „und“ um einen Schreibfehler handelt.
Die Unrichtigkeit (der Schreibfehler) ist somit offenkundig und hätte daher bei entsprechender Aufmerksamkeit im Zuge der Erlassung vermieden werden können, weshalb iSd oben zitierten Rechtsprechung spruchgemäß vorzugehen war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Zu II.
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Somalias, stellte am 09.09.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Der Beschwerdeführer wurde am 10.09.2016 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und am 04.08.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Hinsichtlich seiner Asylgründe gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, aus Hargeysa in Somalialand zu stammen und der Minderheit der Madhiban anzugehören. Er habe als Schneider in einem Interieur-Geschäft gearbeitet und Vorhänge genäht. Er habe sich Anfang 2015 in die Tochter einer Kundin verliebt, die dem Clan der Isaaq angehört habe, und sei mit dieser eine geheime und aufgrund seiner Minderheitenangehörigkeit unerlaubte Beziehung eingegangen. Im September 2015 seien sie vom Bruder seiner Freundin gesehen worden. Am nächsten Tag hätten ihn zwei Brüder seiner Freundin und noch zwei Verwandte am Nachhauseweg abgepasst, hätten ihn geschlagen und mit dem Umbringen bedroht, sollte er die Beziehung zu seiner Freundin fortsetzen. Der Beschwerdeführer habe danach zwei Tage im Bett verbracht und „schlimme Verletzungen“ davongetragen. Seither habe er nichts mehr von Freundin gehört; lediglich eine ihrer Freundinnen habe ihm telefonisch mitgeteilt, dass seine Freundin zu Hause eingesperrt werde und vermute schwanger zu sein. Als er am dritten Tag wieder arbeiten gegangen sei und Mittagspause gemacht habe, habe er einen Anruf eines Kollegen erhalten, dass vier mit Stöcken bewaffnete Männer auf ihn im Geschäft warten würden. Daraufhin sei der Beschwerdeführer nicht mehr ins Geschäft zurückgegangen, sondern zu einem Bekannten gegangen, wo er sich zwei Tage lang versteckt gehalten habe. Seine Mutter habe ihm telefonisch mitgeteilt, dass er von vier Männern gesucht werde und „sie“ mehrmals mit dem Auto gekommen seien. Daraufhin habe er am 25.09.2015 Hargeysa verlassen und sei zunächst nach Wajaale geflüchtet. Nach drei Tagen habe er dort einen jener Männer gesehen, die ihn verfolgt hätten. Auch habe er sein Handy angedreht und die gemeinsame Freundin angerufen, die ihm mitgeteilt habe, dass die Familie seiner Freundin diese zum Schwangerschaftsabbruch gezwungen habe und deren Brüder in Kenntnis darüber seien, dass er sich in Wajaale befinde. Daraufhin habe er Somalia am 29.09.2015 verlassen.
3. Mit o.a. Bescheid vom 16.11.2018, Zl. 1129205902-161235103, wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.) und erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005, erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkte VI.).
Begründend wurde darin im Wesentlichen festgehalten, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers aufgrund zahlreicher Widersprüche und einzelner Steigerungen kein Glauben geschenkt werden könne. Die allgemeine Situation in Somaliland stelle sich als stabil dar, auch die Versorgungssituation sei eine solche, die den Beschwerdeführer in keine, die Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigende Lage im Falle der Rückkehr versetzen würde. Beim Beschwerdeführer handle es sich um einen jungen, gesunden Mann, dessen Familie nach wie vor in Hargeysa lebe. Eine der Rückkehr entgegenstehende Integration oder familiäre Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers in Österreich hätten nicht festgestellt werden können.
4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 13.12.2018 fristgerecht vollumfänglich Beschwerde, in welcher auf die Lage der Madhiban in Somalia und Somaliland sowie die Situation von Personen, die „Mischbeziehungen“ und „Mischehen“ führen verwiesen und ausgeführt wird, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers vor dem Hintergrund dieser Berichte als glaubhaft zu bewerten und ihm Asyl, vor dem Hintegrund der Menschenrechts- und Versorgungslage in Somalia und Somaliland jedenfalls jedoch subsidiärer Schutz zu gewähren sei.
5. Am 20.05.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein eines Dolmetschers für die somalische Sprache, des Beschwerdeführers sowie dessen Rechtsvertretung statt. Das Bundesamt entsendete keinen Vertreter. In dieser Beschwerdeverhandlung wurde der Beschwerdeführer erneut ausführlich zu seinen Fluchtgründen sowie seiner Integration in Österreich befragt. Der Beschwerdeführer wiederholte in der Verhandlung im Wesentlichen sein bereits geltend gemachtes Vorbringen. Am Schluss der Verhandlung wurde das gegenständliche Erkenntnis samt wesentlicher Entscheidungsgründe mündlich verkündet.
6. Mit Schreiben vom 31.05.2021 beantragte der Beschwerdeführer die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Auf Grundlage der Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungs- und Gerichtsakt des Beschwerdeführers, der Einsichtnahmen in das zentrale Melderegister, in das Grundversorgungs-Informationssystem und in das Strafregister sowie insbesondere auf Grundlage der am 20.05.2021 durchgeführten mündlichen Beschwerdeverhandlung, werden die folgenden Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:
1. Feststellungen:
1.1. Zum Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stellte am 09.09.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher letztlich mit Bescheid es Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen wurde (Spruchpunkt II.). Dem Beschwerdeführer wurde kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkte VI.).
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 13.12.2018 firstgerecht vollumfänglich Beschwerde.
Am 20.05.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein eines Dolmetschers für die somalische Sprache, des Beschwerdeführers sowie dessen Rechtsvertretung statt, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Fluchtgründen sowie seiner Integration in Österreich befragt wurde.
1.2. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Somalias. Seine Identität steht mangels Vorlage unbedenklicher Identitätsdokumente nicht fest. Die Clanzugehörigkeit des Beschwerdeführers kann nicht festgestellt werden.
Der Beschwerdeführer wurde in Beletweyn geboren und verzog im Alter von fünf Jahren mit seiner Familie im Jahr 2004 nach Hargeysa, wo er bis zu seiner Ausreise aus Somalia im September 2015 lebte.
Der Vater des Beschwerdeführers verstarb bereits im Jahr 2011. Seine Mutter, seine sechs Schwestern und seine beiden Brüder leben nach wie vor in Hargeysa; der Beschwerdeführer steht mit diesen mehrmals monatlich in telefonischem Kontakt. Die finanzielle und sonstige Situation der Familie des Beschwerdeführers in Hargeysa stellt sich als sehr angespannt dar. Über weitere Verwandte verfügt der Beschwerdeführer in Somalia nicht.
Der Beschwerdeführer ist gesund und in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.3. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:
Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Fluchtgrund wird der Entscheidung nicht zugrunde gelegt. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer wegen einer nicht geduldeten Beziehung zu einer Frau des Mehrheitsclans der Isaaq zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt im Falle der Rückkehr einer Gefährdung seitens der Familie seiner Freundin ausgesetzt wäre.
Festgestellt wird, dass für den Beschwerdeführer vor dem Hintergrund der humanitären Lage in Somalia und Somaliland im Falle der Rückführung ein real risk einer unmenschlichen Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK bestünde.
1.4. Zur maßgeblichen Situation in Somalia
Das Bundesverwaltungsgericht brachte folgende Berichte und Informationen in das Verfahren ein und stellte sie den Parteien zur Wahrung des Parteiengehörs im Laufe des Verfahrens zur Verfügung:
? Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Somalia, Version 1 generiert am 31.03.2021;
? Fact Finding Mission Report Somalia (Schweizerisches Staatssekretariat für Migration SEM): Clans und Minderheiten, 31.05.2017;
? Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Somalia, Midgan, Madhiban, vom 23.04.2010;
? ACCORD Anfragebeantwortung zu Somalia, Informationen zur Lage der Gaboye/Midgan, vom 12.06.2015;
? OCHA, Humanitarian Bulletin, März 2021;
? FSNAU, IPC Integrated Food Security Phase Classification, Somalia Acute Food Insecurity Situation Overview, April-June 2021;
1.4.1. Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Somalia, Version 1
Politische Lage
Somaliland
Letzte Änderung: 29.03.2021
Die Republik Somaliland hat sich im Mai 1991 für unabhängig erklärt, wurde aber bis dato international nicht anerkannt (BS 2020, S.4; vgl. AA 2.4.2020, S.5). Die Nachbarn in der Region sowie zunehmend weitere Staaten bemühen sich in Anerkennung der bisherigen Stabilisierungs- und Entwicklungsfortschritte um pragmatische Zusammenarbeit (AA 2.4.2020, S.5). Die somalische Bundesregierung erachtet Somaliland als einen seiner Bundesstaaten (PGN 10.2020, S.4).
Somaliland ist politisch, wirtschaftlich und in Sicherheitsfragen größtenteils vom Rest des Landes entkoppelt (HIPS 2021, S.19). Das Land verfügt über zahlreiche Zeichen der Eigenständigkeit: Es gibt eine Zivilverwaltung, Streitkräfte, eine eigene Währung (ICG 12.7.2019, S.1), eigene Polizei, ein eigenes – mehr oder weniger funktionierendes – Steuersystem (Spiegel 1.3.2021), eine Regierung, eine Verfassung und seit Jahren über ökonomische Stabilität (DW 30.11.2018).
Somaliland hat schrittweise staatliche Strukturen wieder aufgebaut und war auch bei demokratischen Reformen erfolgreich (BS 2020, S.4/33). Das Land verfügt über eine funktionierende Regierung (HIPS 2021, S.19), und mit internationaler Hilfe konnten Bezirksverwaltungen und Bezirksräte etabliert werden (BFA 8.2017, S.94). Auf dem gesamten Gebiet wurden Behördenstrukturen geschaffen, auch wenn diese nicht überall voll funktionieren. Politische Entscheidungen können i.d.R. umgesetzt werden, allerdings muss diesbezüglich zuvor die Zustimmung einflussreicher Clanältester eingeholt werden (BS 2020, S.11). Seit 1997 herrschen Frieden und politische Stabilität (BS 2020, S.32). Die Regierung bekennt sich zu Demokratie und Marktwirtschaft und hat dazu auch schon einiges beigetragen (BS 2020, S.37). Regierungsausgaben erfolgen relativ klar und transparent (Spiegel 1.3.2021). Die Bindung bzw. das Commitment Somalilands zum demokratischen System ist groß (BS 2020, S.20). Die meisten Somaliländer unterstützen die Regierung und vertrauen dieser (JF 14.8.2020). Die Demokratie in Somaliland wird als konsolidiert bezeichnet, das demokratische System ist allerdings anfällig für Einflussnahme und Clanpolitik (BS 2020, S.13/20).
Das Land kämpft mit massiven strukturellen Restriktionen. Der Staatsapparat bleibt schwach und unterfinanziert und das Land ist von einem hohen Maß an Armut geprägt (BS 2020, S.33). Der Staat ist von Wirtschaftstreibenden abhängig. Auf allen Ebenen der Verwaltung kommt es zu Korruption und Clanpatronage (BS 2020, S.5). Zudem sind staatliche Institutionen – wie erwähnt – hinsichtlich der Umsetzung ihrer Entscheidungen an das Einverständnis einflussreicher Clanältester gebunden (BS 2020, S.13). Dabei hat Somaliland aber im Wesentlichen mit Verhandlungen zwischen und mit unterschiedlichen Akteuren gute Erfahrungen gemacht (BS 2020, S.36).
Somaliland hat seit der Erklärung der Unabhängigkeit mehrere allgemeine Wahlen durchgeführt (AA 2.4.2020. S.5; vgl. ICG 12.7.2019, S.1). Diese wurden durch internationale Beobachter regelmäßig als frei und fair beurteilt (BS 2020, S.4f). Außerdem ist es schon mehrfach zur relativ friedlichen Machtübergabe an neugewählte Präsidenten gekommen (BS 2020, S.37; vgl. Spiegel 1.3.2021).
Es gibt ein Zwei-Kammern-Parlament. Das Ober- bzw. Ältestenhaus (Guurti) besteht aus 86 ernannten bzw. indirekt gewählten, das Unter- bzw. Repräsentantenhaus aus 82 gewählten Mitgliedern (USDOS 11.3.2020, S.25; vgl. FH 4.3.2020b, A2). Parlamentswahlen wurden zuletzt 2005 abgehalten und sind seit Jahren überfällig (USDOS 11.3.2020, S.25; vgl. FH 4.3.2020, A2), sie wurden mehrfach verschoben (USDOS 11.3.2020, S.25; vgl. AA 2.4.2020, S.6). Zuletzt wurden im November 2019 sowohl die Amtszeit des Guurti als auch jene des Repräsentantenhauses um drei (HIPS 2020, S.9), nach anderen Angaben um zwei Jahre verlängert (UNSC 13.2.2020, Abs.12). Die Wahlen sollen nun 2022 stattfinden. Die Verschiebung der Parlamentswahlen wirft einen Schatten auf das vergleichsweise demokratische Somaliland (AA 2.4.2020, S.4ff). Nach neueren Angaben sind für Mitte 2021 Lokal- und Parlamentswahlen vorgesehen (UNSC 13.11.2020, Abs.10). Mehrere europäische Staaten haben die erfolgreiche Wählerregistrierung gelobt (Sahan 10.2.2021).
Das Guurti sollte eigentlich regelmäßig einer Wahl unterzogen werden. Eine solche hat jedoch seit 1993 nie stattgefunden, da der rechtliche Rahmen unklar ist. Zuletzt hat das Guurti die eigene Amtszeit auf 2023 verlängert (FH 4.3.2020b, A2). Es gibt Vorwürfe, wonach im Oberhaus politische Korruption herrscht (USDOS 11.3.2020, S.25). Über das Guurti aber auch generell verfügen Clanälteste über eine einflussreiche Rolle in der Politik (FH 4.3.2020, B3).
Auch die Präsidentschaftswahl hatte sich mehrfach verzögert, bevor sie Mitte November 2017 stattfand (AA 2.4.2020, S.6; vgl. FH 4.3.2020b, A1). Zum Präsidenten gewählt wurde der Kandidat der regierenden Kulmiye-Partei, Muse Bihi Abdi. Seine Angelobung erfolgte im Dezember 2017 (USDOS 11.3.2020, S.25; vgl. AA 2.4.2020, S.6). Die Wahl wurde als weitgehend frei und fair eingeschätzt, auch wenn es einige Unregelmäßigkeiten gab (BS 2020, S.13; vgl. FH 4.3.2020b, A1). Letztere haben den Ausgang der Wahl jedoch nicht signifikant beeinflusst (FH 4.3.2020b, A1). Die Wahl war effizient und ohne größere Störungen abgelaufen. Erstmals kam ein Augenscan zum Einsatz. Mit dieser biometrischen Technik konnten Mehrfachabstimmungen erfolgreich reduziert werden (BS 2020, S.13).
Mit der Beschränkung auf drei Parteien soll eine Zersplitterung der Parteienlandschaft entlang von Clans verhindert werden. Lokalwahlen entscheiden darüber, welche drei Parteien für die nächsten Wahlen auf nationaler Ebene zugelassen werden (BS 2020, S.21; vgl. AA 2.4.2020, S.6). Bei den Gemeindewahlen im November 2012 entschied sich die Bevölkerung bei einer Auswahl von sieben Parteien für Kulmiye, Ucid und Waddani als nationale Parteien (BS 2020, S.21), die Udub verlor die Zulassung. Politisches Engagement im Rahmen anderer Gruppen wird staatlicherseits beobachtet. Gegebenenfalls werden strafrechtliche Maßnahmen ergriffen (AA 2.4.2020, S.6).
Eine Clan-bezogene Organisation politischer Parteien ist in der Verfassung verboten (BS 2020, S.20f).
Das Innenministerium hat 2.700 Sultane [traditionelle Älteste bzw. Clanführer] registriert. Diese erhalten für ihre Beteiligung an den Lokalverwaltungen auch ein Gehalt (UNHRC 6.9.2017, Abs.74).
Somaliland definiert seine Grenzen gemäß der kolonialen Grenzziehung; Puntland hingegen definiert seine Grenzen genealogisch entlang der Siedlungsgebiete des Clans der Darod. Insgesamt ist die Ostgrenze Somalilands zu Puntland nicht demarkiert, und die Grenze bleibt umstritten (EASO 2.2016, S.72).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (2.4.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2028000/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Somalia_%28Stand_Januar_2020%29%2C_02.04.2020.pdf, Zugriff 15.4.2020
? BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl / Staatendokumentation [Österreich] (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, https://www.ecoi.net/en/file/local/1406268/5209_1502195321_ffm-report-somalia-sicherheitslage-onlineversion-2017-08-ke.pdf, Zugriff 3.12.2020
? BS - Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 - Somalia Country Report, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_SOM.pdf, Zugriff 4.5.2020
? DW - Deutsche Welle (30.11.2018): Somaliland: Return of the migrants, https://www.dw.com/en/world-in-progress-returning-to-somaliland/av-46699478, Zugriff 21.1.2021
? EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/1158113/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 14.12.2020
? FH - Freedom House (4.3.2020b): Freedom in the World 2019 - Somaliland, https://www.ecoi.net/de/dokument/2030808.html, Zugriff 12.10.2020
? HIPS - The Heritage Institute for Policy Studies (2021): State of Somalia Report 2020, Year in Review, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/SOS-REPORT-2020-Final-2.pdf, Zugriff 12.2.2021
? HIPS - The Heritage Institute for Policy Studies (2020): State of Somalia Report 2019, Year in Review, http://www.heritageinstitute.org/wp-content/uploads/2020/01/HIPS_2020-SOS-2019-Report-English-Version.pdf, Zugriff 17.3.2021
? ICG - International Crisis Group (12.7.2019): Somalia-Somaliland: The Perils of Delaying New Talks - Africa Report N°280, https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-somaliland-perils-delaying-new-talks-africa-report-n-280-12-july-2019, Zugriff 14.12.2020
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Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten
Letzte Änderung: 29.03.2021
Zwischen Nord- und Süd-/Zentralsomalia sind gravierende Unterschiede bei den Zahlen zu Gewalttaten zu verzeichnen (ACLED 2021). Auch das Maß an Kontrolle über bzw. Einfluss auf einzelne Gebiete variiert. Während Somaliland die meisten der von ihm beanspruchten Teile kontrolliert, ist die Situation in Puntland und – in noch stärkerem Ausmaß – in Süd-/Zentralsomalia komplexer. In Mogadischu und den meisten anderen großen Städten hat al Shabaab keine Kontrolle, jedoch eine Präsenz. Dahingegen übt al Shabaab über weite Teile des ländlichen Raumes Kontrolle aus. Zusätzlich gibt es in Süd-/Zentralsomalia große Gebiete, wo unterschiedliche Parteien Einfluss ausüben; oder die von niemandem kontrolliert werden; oder deren Situation unklar ist (LIFOS 9.4.2019, S.6).
Quellen:
? ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project (2021): Curated Data - Africa (21 January 2021), https://acleddata.com/curated-data-files/, Zugriff 26.1.2021
? LIFOS - Lifos/Migrationsverket [Schweden] (9.4.2019): Somalia - Folkbokförning, medborgarskap och identitetshandlngar, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007147/190423300.pdf, Zugriff 17.3.2021
? PGN - Political Geography Now (10.2020): Somalia Control Map & Timeline - October 2020, per e-Mail, mit Zugriffsberechtigung verfügbar auf: https://www.polgeonow.com/2020/10/somalia-map-of-al-shabaab-control.html
Süd-/Zentralsomalia, Puntland
Letzte Änderung: 29.03.2021
Die Sicherheitslage bleibt instabil (BS 2020, S.38) bzw. volatil, mit durchschnittlich 285 sicherheitsrelevanten Vorfällen pro Monat. Die meisten Vorfälle waren Angriffe der al Shabaab, darunter auch Sprengstoffanschläge (UNSC 17.2.2021, Abs.13). Die österreichische Botschaft spricht in diesem Zusammenhang von einem bewaffneten Konflikt (ÖB 3.2020, S.2), während das deutsche Auswärtige Amt von Bürgerkrieg und bürgerkriegsähnlichen Zuständen berichtet (AA 2.4.2020, S.4/7).
AMISOM hält in Kooperation mit der somalischen Armee, regionalen Sicherheitskräften sowie mit regionalen und lokalen Milizen die Kontrolle über die seit 2012 eroberten Gebiete. Während die somalische Regierung und ihre Alliierten zwar im Großen und Ganzen territoriale Gewinne verzeichnen und die Kontrolle über die meisten Städte halten können, ist es ihnen nicht gelungen, die Kontrolle in ländliche Gebiete auszudehnen (BS 2020, S.6). Die somalische Regierung und AMISOM können keinen Schutz vor allgemeiner oder terroristischer Kriminalität im Land garantieren (AA 3.12.2020). Generell ist die Regierung nicht in der Lage, für Sicherheit zu sorgen. Dafür ist sie in erster Linie auf AMISOM, aber auch auf Unterstützung durch die USA – angewiesen. Dies wird sich in den nächsten Jahren nicht ändern (IP 1.11.2019; vgl. BS 2020, S.11). Weiterhin führt der Konflikt unter Beteiligung der genannten Parteien zu zivilen Todesopfern, Verletzten und Vertriebenen (USDOS 11.3.2020, S.1; vgl. ÖB 3.2020, S.2).
Trend: Im Zeitraum von Anfang 2018 bis zum Ende 2020 gab es hunderte terroristische Vorfälle. In den Jahren 2018 und 2019 war die Zahl an Vorfällen zunächst rückläufig – v.a. wegen der intensivierten Operationen gegen al Shabaab. Die Gruppe konnte dabei aus einigen strategisch wichtigen Punkten vertrieben werden – etwa von den fünf Shabelle-Brücken zwischen Sabid Anoole und Janaale (Sahan 11.2.2021a). Dadurch und durch verstärkte Sicherheitsmaßnahmen in Mogadischu konnte al Shabaab auch nur mehr selten Sprengstoffanschläge mit Fahrzeugen durchführen. Die Zahl an zivilen Opfern durch Sprengstoffanschläge ging demnach 2020 gegenüber 2019 um 50% zurück (UNSC 17.2.2021, Abs.13). Im Jahr 2020 haben sich aber zuletzt die Angriffe auf somalische Kräfte und AMISOM wieder gemehrt (Sahan 11.2.2021a; vgl. JF 28.7.2020). Dies kann direkt mit den politischen Streitigkeiten zwischen Bund und Bundesstaaten in Zusammenhang gebracht werden, da dadurch für den Kampf gegen al Shabaab notwendige Ressourcen umgeleitet wurden (Sahan 11.2.2021a). Aufgrund des politischen Streits rund um das Ende der Präsidentschaft Farmajos ist die Sicherheitslage in einer Abwärtsspirale. Sicherheitskräfte haben teilweise seit Monaten keinen Sold erhalten und halten sich in Mogadischu und anderen Landesteilen an der Bevölkerung schadlos (SG 8.2.2021). Auch der politische Streit selbst hat das Potenzial, zu einem bewaffneten Konflikt zu eskalieren. Viele Sicherheitskräfte sind v. a. ihrem Kommandanten oder ihrem Clan gegenüber loyal. So kann nicht nur die Regierung, sondern auch die Opposition Bewaffnete ins Feld stellen (Reuters 19.2.2021).
Laut Einschätzung eines Experten kann ein weiteres Zurückdrängen von al Shabaab durch AMISOM auf der aktuellen Grundlage nicht erwartet werden (BMLV 25.2.2021). In Lower Juba und Lower Shabelle kommt es nur noch sporadisch zu Störoperationen gegen al Shabaab (UNSC 13.11.2020, Abs.60). In der Vergangenheit hat die Bundesarmee wiederholt dabei versagt, von AMISOM geräumte Gebiete auch tatsächlich abzusichern (UNSC 1.11.2019, S.24). Trotzdem berät AMISOM die Übergabe weiterer Forward Operating Bases (FOBs) an die somalische Armee bzw. die Aufgabe einzelner FOBs (UNSC 13.11.2020, Abs.61).
Ein Vordringen größerer Kampfverbände der al Shabaab in unter Kontrolle der Regierung stehende Städte kommt nur in seltenen Fällen vor. Bisher wurden solche Penetrationen innert Stunden durch AMISOM und somalische Verbündete beendet. Eine Infiltration der Städte durch verdeckte Akteure von al Shabaab kommt in manchen Städten vor. Städte mit konsolidierter Sicherheit – i.d.R. mit Stützpunkten von Armee und AMISOM – können von al Shabaab zwar angegriffen, aber nicht eingenommen werden (BMLV 25.2.2021).
Al Shabaab führt nach wie vor eine effektive Rebellion (USDOS 10.6.2020, S.5). Al Shabaab bleibt die signifikanteste Bedrohung für Frieden und Sicherheit. Die Gruppe führt ihren Kampf mit zunehmender Intensität und Häufigkeit. Die Angriffe auf sogenannten high-profile-Ziele in Mogadischu und anderswo wurden verstärkt (HIPS 2021, S.20). Angegriffen werden Regierungseinrichtungen, Behördenmitarbeiter, Sicherheitskräfte, internationale Partner und öffentliche Plätze – z.B. Restaurants und Hotels (FIS 7.8.2020, S.25; vgl. AA 3.12.2020). Al Shabaab führt weiterhin regelmäßige Angriffe auf Regierungsstellungen durch. Vor allem der Korridor Mogadischu–Merka ist für Angriffe anfällig (PGN 10.2020, S.2). Die Kriegsführung der al Shabaab erfolgt weitgehend asymmetrisch mit sog. hit-and-run-attacks, Attentaten, Sprengstoffanschlägen und Granatangriffen. Das Gros der Angriffe wird mit niedriger Intensität bewertet – jedoch sind die Angriffe zahlreich, zerstörerisch und kühn (JF 28.7.2020). Al Shabaab bleibt zudem weiterhin in der Lage, z.B. in Mogadischu koordinierte Angriffe durchzuführen. Die Zahl an Mörserangriffen ist zurückgegangen. Derartige Angriffe richten sich in erster Linie gegen AMISOM und regionale Sicherheitskräfte in Lower Juba, Lower Shabelle und Middle Shabelle (UNSC 13.11.2020, Abs.12), aber auch in Hiiraan und Benadir (UNSC 13.8.2020, Abs.19). Hingegen hat die Zahl an Selbstmordattentaten zugenommen. Es kommt auch weiterhin zu sogenannten komplexen Angriffen, etwa am 16.8.2020 auf das Elite Hotel in Mogadischu mit zwanzig Todesopfern oder am 17.8.2020 auf einen Stützpunkt der somalischen Armee in Goof Gaduud Burey (Bay) (UNSC 13.11.2020, Abs.14).
Kampfhandlungen: Al Shabaab greift die Bundesarmee und AMISOM weiterhin an, bei durchschnittlich 140 Angriffen pro Monat. Dabei handelt es sich meist um sogenannte hit-and-run-Angriffe. Im Zeitraum November 2020 bis Feber 2021 waren davon die Regionen Lower und Middle Shabelle, Benadir, Bay, Hiiraan, Bakool, Lower Juba, Gedo, Galgaduud und Mudug betroffen (UNSC 17.2.2021, Abs.15). Bei Kampfhandlungen gegen al Shabaab, aber auch zwischen Clans oder Sicherheitskräften kommt es zur Vertreibung, Verletzung oder Tötung von Zivilisten (HRW 14.1.2020). In Teilen Süd-/Zentralsomalias (südlich von Puntland) kommt es zu örtlich begrenzten Kampfhandlungen zwischen somalischen Sicherheitskräften/Milizen bzw. AMISOM (African Union Mission in Somalia) und al Shabaab (AA 2.4.2020, S.18; vgl. AA 3.12.2020). Dies betrifft insbesondere die Regionen Lower Juba, Gedo, Bay, Bakool sowie Lower und Middle Shabelle (AA 2.4.2020, S.18). Der durch AMISOM und die somalische Armee in der Region Lower Shabelle auf al Shabaab ausgeübte militärische Druck hat dazu beigetragen, dass die Gruppe ihre Aktivitäten in HirShabelle und Galmudug verstärkt hat (UNSC 13.11.2020, Abs.15). Zivilisten sind insbesondere in Frontbereichen, wo Gebietswechsel vollzogen werden, einem Risiko von Racheaktionen durch al Shabaab oder aber von Regierungskräften ausgesetzt (LIFOS 3.7.2019, S.22). Die Bezirke Merka, Qoryooley und Afgooye sind nach wie vor stark von Gewalt betroffen, das Gebiet zwischen diesen Städten liegt im Fokus von al Shabaab (BMLV 25.2.2021).
Immer wieder überrennt al Shabaab kurzfristig kleinere Orte oder Stützpunkte - etwa Daynuunay oder Goof Gaduud im Bereich Baidoa - um sich nach wenigen Stunden oder Tagen wieder zurückzuziehen (PGN 10.2020, S.9f). Andernorts greift al Shabaab Stützpunkte erfolglos an – etwa die FOB äthiopischer AMISOM-Truppen in Halgan im Feber 2021 (Halbeeg 22.2.2021).
Gebietskontrolle: Al Shabaab wurde im Laufe der vergangenen Jahre erfolgreich aus den großen Städten gedrängt (ÖB 3.2020, S.2). Seit der weitgehenden Einstellung offensiver Operationen durch AMISOM seit Juli 2015 hat sich die Aufteilung der Gebiete nicht wesentlich geändert. Während AMISOM und die Armee die Mehrheit der Städte halten, übt al Shabaab über weite Teile des ländlichen Raumes die Kontrolle aus oder kann dort zumindest Einfluss geltend machen (UNSC 1.11.2019, S.10; vgl. ÖB 3.2020, S.2). Dabei kontrollierte al Shabaab im Jahr 2019 soviel Land, wie schon seit dem Jahr 2010 nicht mehr. Man rechnet mit 20% des gesamten Staatsterritoriums (USDOS 10.6.2020, S.5). Die Gebiete Süd-/Zentralsomalias sind teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der al Shabaab oder anderer Milizen. Allerdings ist die Kontrolle der somalischen Bundesregierung im Wesentlichen auf Mogadischu beschränkt; die Kontrolle anderer urbaner und ländlicher Gebiete liegt bei den Regierungen der Bundesstaaten, welche der Bundesregierung de facto nur formal unterstehen (AA 2.4.2020, S.5).
Die Regierung und ihre Verbündeten kontrollieren zwar viele Städte, darüber hinaus ist eine Kontrolle aber kaum gegeben. Behörden oder Verwaltungen gibt es nur in den größeren Städten. Der Aktionsradius lokaler Verwaltungen reicht oft nur wenige Kilometer weit. Selbst bei Städten wie Kismayo oder Baidoa ist der Radius nicht sonderlich groß. Das "urban island scenario" besteht also weiterhin, viele Städte unter Kontrolle von somalischer Armee und AMISOM sind vom Gebiet der al Shabaab umgeben (BMLV 25.2.2021). Gegen einige dieser Städte unter Regierungskontrolle hält al Shabaab Blockaden aufrecht (HRW 14.1.2020). Al Shabaab ist in der Lage, Hauptversorgungsrouten abzuschneiden und Städte dadurch zu isolieren (UNSC 1.11.2019, S.10; vgl. BMLV 25.2.2021).
Große Teile des Raumes in Süd-/Zentralsomalia befinden sich unter der Kontrolle oder zumindest unter dem Einfluss von al Shabaab (BMLV 25.2.2021). Die wesentlichen, von al Shabaab verwalteten und kontrollierten Gebiete sind
1. das Juba-Tal mit den Städten Buale, Saakow und Jilib; sowie Qunya Baarow in Lower Juba;
2. Teile von Lower Shabelle um Sablaale;
3. der südliche Teil von Bay mit Ausnahme der Stadt Diinsoor;
4. weites Gebiet recht und links der Grenze von Bay und Hiiraan, inklusive der Stadt Tayeeglow;
5. sowie die südliche Hälfte von Galgaduud mit den Städten Ceel Dheere und Ceel Buur; und angrenzende Gebiete von Mudug und Middle Shabelle, namentlich die Städte Xaradheere (Mudug) und Adan Yabaal (Middle Shabelle) (PGN 2.2021).
Dahingegen können nur wenige Gebiete in Süd-/Zentralsomalia als frei von al Shabaab bezeichnet werden – etwa Dhusamareb oder Guri Ceel. In Puntland gilt dies für größere Gebiete, darunter Garoowe (BMLV 25.2.2021).
Andere Akteure: Auch der Konflikt um Ressourcen (Land, Wasser etc.) führt regelmäßig zu Gewalt (BS 2020, S.31). Es kommt immer wieder auch zu Auseinandersetzungen somalischer Milizen untereinander (AA 3.12.2020). Auch somalische und regionale Sicherheitskräfte töteten Zivilisten und begingen sexuelle Gewalttaten – v.a. in und um die Region Lower Shabelle (USDOS 11.3.2020, S.30). Zusätzlich wird die Sicherheitslage durch die große Anzahl lokaler und sogar föderaler Milizen verkompliziert (BS 2020, S.7). Es gibt immer wieder bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Milizen einzelner Subclans bzw. religiöser Gruppierungen wie Ahlu Sunna Wal Jama’a (AA 2.4.2020, S.17f).
Seit dem Jahr 1991 gibt es in weiten Landesteilen kaum wirksamen Schutz gegen Übergriffe durch Clan- und andere Milizen sowie bewaffnete kriminelle Banden (AA 2.4.2020, S.17f). Bei durch das Clansystem hervorgerufener (teils politischer) Gewalt kommt es zu Rachemorden und Angriffen auf Zivilisten. Im Jahr 2019 kam es bei Zusammenstößen zwischen Clanmilizen sowie zwischen diesen und al Shabaab in Puntland, Galmudug, Lower und Middle Shabelle, Lower Juba, Hiiraan und Bay zu Todesopfern. Zusätzlich kommt es zu Kämpfen zwischen Clans und Subclans, v.a. im Streit um Wasser und Land. Im Jahr 2019 waren davon v.a. die Regionen Hiiraan, Galmudug, Lower und Middle Shabelle sowie Sool betroffen (USDOS 11.3.2020, S.3/11; vgl. ÖB 3.2020, S.10). Derartige Kämpfe sind üblicherweise lokal begrenzt und dauern nur kurze Zeit, können aber mit großer – generell gegen feindliche Kämpfer gerichteter – Gewalt verbunden sein (LI 28.6.2019, S.8).
Der sogenannte Islamische Staat bleibt in Somalia in Puntland konzentriert, in Mogadischu gibt es nur eine minimale Präsenz. Größere Aktivitäten des IS gab es in Puntland in den Jahren 2016 und 2017. In Mogadischu richtet sich der IS mit gezielten Tötungen v.a. gegen Sicherheitskräfte (JF 14.1.2020). Für den Zeitraum Mai-August 2020 werden dem IS allerdings nur zwei Attacken – beide in Mogadischu – zugeschrieben (UNSC 13.8.2020, Abs.24). Im Zeitraum August-Oktober 2020 (UNSC 13.11.2020, Abs.16) sowie November 2020-Feber 2021 gab es keine Aktivitäten (UNSC 17.2.2021, Abs.17).
Zivile Opfer: Al Shabaab ist für einen Großteil der zivilen Opfer verantwortlich (siehe Tabelle weiter unten). Allerdings greift al Shabaab Zivilisten nicht spezifisch an. Doch auch wenn die Gruppe eigentlich andere Ziele angreift, enden oft Zivilisten als Opfer, da sie sich zur falschen Zeit am falschen Ort befunden haben (NLMBZ 3.2020, S.17/37).
Bei einer geschätzten Bevölkerung von rund 15,4 Millionen Einwohnern (WHO 12.1.2021) lag die Quote getöteter oder verletzter Zivilisten in Relation zur Gesamtbevölkerung für Gesamtsomalia zuletzt bei 1:12035.
Luftangriffe: Im Jahr 2017 führten die USA 35 Luftschläge in Somalia durch, 2018 waren es 47 und 2019 63. Im Jahr 2020 ist die Zahl auf 51 gesunken. Die Luftangriffe auf al Shabaab und den IS, bei denen seit 2017 ca. 1.000 Kämpfer getötet worden sind (HIPS 2021, S.21) konzentrierten sich vor allem auf die Regionen Lower Shabelle, Lower Juba, Middle Juba, Gedo und Bari (UNSC 13.8.2020, Abs.24). Die Luftangriffe werden in der Regel mit bewaffneten Drohnen geflogen (PGN 10.2020, S.8). Neben den offiziell bekannt gegebenen Luftschlägen kommen noch verdeckte hinzu. Zusätzlich führt auch die kenianische Luftwaffe Angriffe durch, vorwiegend in Gedo und Lower Juba (PGN 10.2020, S.15ff). Insgesamt gab es demnach 2020 72 Luftangriffe, bei welchen die USA als Angreifer bestätigt sind oder vermutet werden (PGN 2.2021, S.11).
Quellen:
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? USDOS - US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Somalia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/03/SOMALIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 17.3.2020
? USDOS - US Department of State [USA] (10.6.2020): 2019 Report on International Religious Freedom – Somalia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/05/SOMALIA-2019-INTERNATIONAL-RELIGIOUS-FREEDOM-REPORT.pdf, Zugriff 1.7.2020
? WHO - World Health Organization (12.1.2021): Health for all is Somalia’s answer to COVID-19 and future threats to health, https://www.who.int/news-room/feature-stories/detail/health-for-all-is-somalia-s-answer-to-covid-19-and-future-threats-to-health, Zugriff 16.2.2021
Jubaland (Gedo, Lower Juba, Middle Juba)
Letzte Änderung: 29.03.2021
Vereinfacht dargestellt werden seit Anfang 2020 die drei Regionen Jubalands de facto von drei unterschiedlichen Parteien kontrolliert: Lower Juba durch die Regierung von Jubaland und kenianische Truppen, Middle Juba durch al Shabaab und Gedo durch die Bundesarmee und äthiopische Truppen (PGN 10.2020, S.13). Allerdings kontrolliert al Shabaab größere Teile von Jubaland, nämlich nicht nur die gesamte Region Middle Juba, sondern auch einen großen Teil von Lower Juba (HIPS 2021, S.12) und Teile von Gedo (PGN 2.2021, S.1).
Der Kampf gegen al Shabaab ist in Jubaland zum Stillstand gekommen, da Jubaland und die Bundesregierung ihre militärischen Kräfte gegeneinander einsetzen (siehe unten) anstatt gegen al Shabaab. Unterdessen hat al Shabaab die Konflikte zwischen Jubaland und der Bundesregierung genutzt (HIPS 2021, S.12f). Der Konflikt zwischen ihren Gegnern öffnet al Shabaab neue Räume und hat auch zu einem Anstieg an Aktivitäten der Gruppe geführt (Mahmood 28.7.2020). Nach anderen Angaben beobachtet al Shabaab in Jubaland die Vorgänge, wird aber selbst kaum aktiv. Die einzig aktive Front von AMISOM ist jene im Jubatal nördlich von Kismayo; al Shabaab ist hingegen weniger in Jubaland, als vielmehr im benachbarten Osten Kenias aktiv (BMLV 25.2.2021).
Lower Juba: Die Städte Kismayo, Afmadow und Dhobley sowie die Orte Bilis Qooqaani, Dif und Kolbiyow werden von Regierungskräften und AMISOM kontrolliert. Jamaame steht unter Kontrolle von al Shabaab; dies gilt auch für den nördlichen Teil Lower Jubas. Gemäß einer Quelle wird auch Badhaade von al Shabaab kontrolliert – allerdings ohne das Umland (PGN 2.2021, S.1). Dhobley ist relativ frei von al Shabaab und wird als sicher erachtet. Die Städte Kismayo, Afmadow und Dhobley sowie der Orte Bilis Qooqaani können hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden. Zudem wird Dhobley als sicher erachtet (BMLV 25.2.2021).
Der Regierung von Jubaland ist es gelungen, im Clanstreit zwischen Majerteen und Awramale erfolgreich zu vermitteln (UNSC 13.8.2020, Abs.40). Älteste beider Clans einigten sich im April 2020 auf einen Waffenstillstand. Beim Konflikt um Land kamen südwestlich von Kismayo zuvor im Feber und März 2020 mehr als 50 Menschen zu Tode (UNSC 13.5.2020, Abs.35).
In Kismayo selbst wird versucht, Clanstreitigkeiten friedlich zu lösen. Die Bevölkerung hat verstanden, dass sie von einer Friedensdividende profitiert (BMLV 25.2.2021). Die Bevölkerung der Stadt ist in kurzer Zeit um 30% auf ca. 300.000 gewachsen. Viele der Zuzügler stammen aus dem Umland oder kamen aus Kenia oder der weltweiten Diaspora nach Kismayo zurück (FIS 5.10.2018, S.20f). Regierungskräfte kontrollieren Kismayo (LIFOS 3.7.2019, S.27f), es gibt ausreichend Sicherheitskräfte. Der Aufbau von Polizei und Justiz wurde und wird international unterstützt. Die Polizei wurde in den letzten Jahren von AMISOM und UN ausgebildet, sie hat ein relativ gutes Ausbildungsniveau erreicht. Es gibt eine klare Trennung zwischen Polizei und anderen bewaffneten Kräften (BMLV 25.2.2021).
Das verhängte Waffentrageverbot in der Stadt wird umgesetzt, die Kriminalität ist auf niedrigem Niveau, es gibt kaum Meldungen über Morde. Folglich lässt sich sagen, dass die Polizei in Kismayo entsprechend gut funktioniert. Zivilisten können sich in Kismayo frei und relativ sicher bewegen. Der Regierung ist es gelungen, eine Verwaltung zu etablieren. Diese ist gefestigt und funktioniert. Hinsichtlich Sicherheit hat Kismayo das Niveau von Garoowe (Puntland) erreicht. Der einzige Unterschied ist, dass die Front hier erheblich näher ist (BMLV 25.2.2021).
Al Shabaab ist in Kismayo nur eingeschränkt aktiv und hat keine