TE Vwgh Beschluss 1997/1/22 96/12/0259

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Veröffentlicht am 22.01.1997
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §18 Abs4;
AVG §56;
AVG §58 Abs1;
B-VG Art83 Abs2;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, in der Beschwerdesache des V in O, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen die Erledigung des Bundesministers für Landesverteidigung oder des Korpskommandos I vom 25. Juni 1996, betreffend eine Ruhestandsversetzung nach § 14 BDG 1979, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Fachinspektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; seine Dienststelle ist der Truppenübungsplatz X im Bereich des Korpskommandos I.

Mit der als Bescheid bezeichneten, vom Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde vorgelegten Erledigung vom 25. Juni 1996 wurde seinem Antrag vom 4. September 1995 um Versetzung in den Ruhestand gemäß § 14 Abs. 1 und Abs. 3 BDG 1979 keine Folge gegeben.

Zur Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe mit Schreiben vom 4. September 1995 um Versetzung in den Ruhestand aus gesundheitlichen Gründen gebeten. Mit "KK I Zl.: ..." vom 17. November 1995 seien seine Unterlagen der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten (PVAng) zur Beurteilung und Erstellung eines "Leistungskalküls" übersandt worden. Aus der Stellungnahme des Chefarztes der PVAng vom 13. Mai 1996 seien folgende Diagnosen zu entnehmen:

"Wiederkehrende Lendenwirbelsäulenbeschwerden bei degenerativen Veränderungen sowie Bandscheibenvorwölbungen bzw. Bandscheibenvorfall, kein sicherer Hinweis auf neurologische Ausfälle. Geringer Aufbrauch der Hüftgelenke beidseits ohne Funktionsbeeinträchtigung. Leichte Senkfüße beidseits. Sonst im wesentlichen altersentsprechend aufgebrauchter Stütz- und Bewegungsapparat. Coronare Herzkrankheit mit Zustand nach Vorderwandinfarkt 1985 und nur geringgradig eingeschränkter Herzleistungsbreite. Bluthochdruck ohne Ausgleichsstörung. In der Vorgeschichte wiederkehrende Bronchitis ohne Hinweis auf höhergradige Atemfunktionseinschränkung."

Auf Grund dieser "Diagnose sowie nach eingehender dienstrechtlichen Würdigung" sei zu beurteilen gewesen, daß der Beschwerdeführer weiterhin, mit nachstehender Einschränkung, dienstfähig sei:

"- keine schwere Arbeit, d.h. das Anheben von Gegenständen über 25 Kilo und/oder das Tragen von Gegenständen über 15 Kilo. -"

Die Dienstfähigkeit sei dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 4. Juni 1996 mitgeteilt worden. Gegen diese Mitteilung habe er mit Schreiben vom 13. Juni 1996 Einwand dahingehend erhoben, daß drei namentlich genannte Ärzte der Meinung gewesen seien, daß seine vorzeitige Ruhestandsversetzung aus gesundheitlichen Gründen auf Grund seines Gesundheitszustandes begründet sei. Da weder ärztliche Atteste noch Schreiben der Ärzte dem Einwand beigelegen seien, habe diesem nicht nähergetreten werden können. Der Beschwerdeführer habe daher unter der bereits erwähnten Einschränkung Dienst gemäß §§ 43 ff BDG 1979 zu versehen.

Diese Erledigung trägt folgenden Kopf:

"BUNDESMINISTERIUM

FÜR LANDESVERTEIDIGUNG

KORPSKOMMANDO I"

Die Fertigungsklausel lautet:

"GRAZ, 25. Juni 1996

Für den Bundesminister:

im Auftrag:

G, Divisionär"

Gegen diese als Bescheid qualifizierte Erledigung richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden und kostenpflichtige Aufhebung begehrt wird.

Gemäß dem für die Beurteilung der gegenständlichen Erledigung als Bescheid in formeller Hinsicht (§ 58 Abs. 3 AVG) maßgebenden § 18 Abs. 4 erster Satz AVG, dessen Anwendbarkeit sich aus § 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 DVG auf den Beschwerdefall ergibt, müssen unter anderem alle schriftlichen Ausfertigungen die Bezeichnung der Behörde enthalten.

Nach § 2 Abs. 1 DVG richtet sich die Zuständigkeit in Dienstrechtsangelegenheiten primär nach den einschlägigen Gesetzen und Verordnungen, subsidiär nach dem DVG. Der Wirkungsbereich der Bundesministerien umfaßt nach § 2 Abs. 1 lit. a des Bundesministeriengesetzes 1973, BGBl. Nr. 389, in Verbindung mit der Anlage zu § 2 Teil 1 Z. 3 des genannten Gesetzes die "Personalangelegenheiten". Nach § 10 Abs. 1 BMG 1973 kann der Bundesminister unter bestimmten Voraussetzungen bestimmte Gruppen von Angelegenheiten den in seinem Ministerium bestehenden Unterorganisationseinheiten zur selbständigen Behandlung übertragen.

§ 14 BDG 1979 regelt die Versetzung der Beamten in den vorzeitigen Ruhestand und enthält keine Aussage zur Behördenzuständigkeit. Es ist diese Frage daher grundsätzlich nach § 2 Abs. 2 ff DVG zu lösen. Demnach sind die obersten Verwaltungsbehörde innerhalb ihres Wirkungsbereiches grundsätzlich in erster (und letzter) Instanz zuständig. Solche Zuständigkeiten können mit Verordnung unter bestimmten im Gesetz genannten Voraussetzungen ganz oder zum Teil einer unmittelbar nachgeordneten Dienstbehörde übertragen werden. In Ausführung dieser gesetzlichen Bestimmung ist eine solche Delegation in Form einer Verordnung der Bundesregierung, nämlich die Dienstrechtsverfahrensverordnung 1981, BGBl. Nr. 162, ergangen. Nach § 1 Abs. 1 Z. 5 lit. a DVV 1981 vor der Änderung dieser Verordnung mit BGBl. Nr. 540/1995 war die Verfügung der Versetzung in den Ruhestand bei Beamten der Dienstklasse VII und niedrigerer Dienstklassen an die im § 2 DVV genannten nachgeordneten Dienstbehörden, im konkreten Fall gemäß § 2 Z. 7 lit. a DVV 1981 an die Korpskommanden, delegiert.

Die Verfügung der Versetzung in den Ruhestand fällt aber seit 1. September 1995 für die ab diesem Zeitpunkt eingeleiteten Verfahren nach der genannten Verordnung der Bundesregierung BGBl. Nr. 540/1995 - vgl. §§ 1 Abs. 1 Z. 5 in Verbindung mit § 5 Abs. 3 DVV 1981 in der zuletzt genannten Fassung - in die Zuständigkeit der obersten Dienstbehörde, also nicht mehr in die Zuständigkeit der Korpskommanden, sondern in die des Bundesministers für Landesverteidigung.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt der Bezeichnung der Behörde in schriftlichen Bescheidausfertigungen wesentliche Bedeutung zu. Fehlt eine solche Bezeichnung, so kann das betreffende Schriftstück - mag es auch sonst die Merkmale eines Bescheides aufweisen - nicht als Bescheid angesehen werden (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Mai 1987, Zl. 87/02/0036, vom 5. Juni 1987, Zl. 85/18/0149, und vom 30. Oktober 1991, Zl. 91/03/0247). Dem Erfordernis der Bezeichnung der Behörde ist Rechnung getragen, wenn - nach objektiven Gesichtspunkten für jedermann, also unabhängig von der subjektiven Kenntnis des Adressaten des Schriftstückes (vgl. hiezu nochmals die bereits zitierten Erkenntnisse vom 14. Mai 1987 und vom 5. Juni 1987) - erkennbar ist, von welcher Behörde der Bescheid erlassen wurde; ist die bescheiderlassende Behörde nicht erkennbar (die Erledigung einer bestimmten Behörde nicht zurechenbar), so liegt ein Bescheid nicht vor (vgl. z.B. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Juni 1991, Zlen. 91/18/0172, 0173, sowie das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Juni 1993, Zl. 92/10/0448, sowie Walter-Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht6, Rz 410, unter Berufung auf Winkler, Der Bescheid, S. 131 mit weiteren Judikaturhinweisen).

Welcher Behörde die angefochtene Erledigung zuzuordnen ist, ist anhand des äußeren Erscheinungsbildes nach objektiven Gesichtspunkten (nicht aber danach, welche Behörde sie erlassen hätte müssen) zu beurteilen.

Die im Beschwerdefall angefochtene Erledigung kann demnach keiner bestimmten Behörde zugeordnet werden:

Im vorliegenden Beschwerdefall weist die angefochtene Erledigung im Kopf sowohl das "Bundesministerium für Landesverteidigung", das als solches keine Behörde darstellt, als auch die Dienstbehörde erster Instanz im Sinne des § 2 Z. 7 lit. a DVV 1981, nämlich das "Korpskommando I", aus. Mangels der Behördeneigenschaft des Bundesministeriums würde der Kopf der Erledigung auf die Bescheiderlassung durch die Behörde "Korpskommando I" hindeuten. Dementgegen bringt die Fertigung mit der Bezeichnung "Für den Bundesminister:" in Verbindung mit der Nennung des Bundesministeriums im Kopf der Erledigung zum Ausdruck, daß die angefochtene Erledigung der Behörde "Bundesminister für Landesverteidigung" zuzurechnen wäre, wobei aber die sonstigen Bestandteile der Fertigung, nämlich die Angabe des Ortes und der Name des Fertigenden, der der "Chef des Stabes" des Korpskommandos I ist, wieder auf das Korpskommando I als bescheiderlassende Behörde hindeuten.

Bei den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens findet sich weiters ein für den Bundesminister gezeichnetes Schreiben vom 23. Mai 1996, mit dem das offensichtlich dem Bundesministerium vorgelegte "Chefärztliche Gutachten der Pensionsversicherung der Angestellten" dem Korpskommando I unter Bezugnahme auf einen Erlaß des Bundesministers für Landesverteidigung vom "1. September 1995, GZ. 23.100/0133-2.1/95, zur weiteren Bearbeitung zuständigkeitshalber übermittelt" wird. Aus einem Schreiben des Korpskommandos I an das Bundesministerium für Landesverteidigung, Personalabteilung D, vom 4. September 1996 wieder ergibt sich, daß das Ruhestandsversetzungsverfahren des Beschwerdeführers jedenfalls durch das Korpskommando I geführt worden ist. Es wird in diesem Schreiben ausdrücklich ausgeführt, daß mit "Bescheid KpsKdo I vom 25 06 1996" (= angefochtene Erledigung) der Antrag des Beschwerdeführers um Versetzung in den Ruhestand abgewiesen worden ist. Auf dem Rückschein (Formular 3 zu § 22 Zustellgesetz) über die Zustellung der angefochtenen Erledigung an den Beschwerdeführer ist als Absender das Korpskommando I Graz angegeben.

Abgesehen vom Kopf und der Fertigungsklausel enthält die angefochtene, als Bescheid bezeichnete Erledigung weder im Spruch noch in der Begründung einen Hinweis, welcher der beiden genannten Behörden diese Erledigung letztlich zugeordnet werden kann. Bei dieser besonderen Fallkonstellation, bei der für eine (von einer Behörde zu treffenden) normativen Willensentscheidung gleichzeitig zwei Behörden als bescheiderlassende Organe "angeboten" werden, kann bei objektiver Betrachtung weder der im Kopf der Erledigung genannten Dienstbehörde noch der sich aus dem Kopf in Verbindung mit der Fertigungsklausel ergebenden obersten Dienstbehörde der Vorrang gegeben werden, sodaß es dem durch den jeweiligen Bescheid Betroffenen nicht eindeutig erkennbar ist, welcher Behörde die als Bescheid gekennzeichnete Erledigung zuzurechnen ist. Die Entscheidung dieser Frage darf in keinem Fall dem jeweiligen Spürsinn des durch einen solchen Bescheid betroffenen Adressaten überlassen werden. Die Einhaltung der Zuständigkeitsregeln steht in enger Nahebeziehung zum verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf den gesetzlichen Richter und stellt damit eine rechtsstaatliche Forderung von grundlegender Bedeutung dar. Dies bedeutet, daß bei der Anführung der bescheiderlassenden Behörde jeweils klar und unmißverständlich zum Ausdruck kommen muß, welche Behörde gehandelt hat. Es genügt nicht, daß die eingeschrittene Behörde in Korrektur des äußeren Anscheines der jeweils angefochtenen Erledigung aus dem rechtlichen Zusammenhang erschlossen werden kann (vgl. auch den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. September 1996, Zl. 96/12/0244, mit weiteren Judikatur- und Literaturangaben).

Da die im Beschwerdefall angefochtene, als Bescheid bezeichnete Erledigung nicht mit der nötigen Eindeutigkeit erkennen läßt, welcher Behörde sie zuzurechnen ist, kann sie nicht als Bescheid im Sinne der die Prozeßvoraussetzungen vor dem Verwaltungsgerichtshof regelnden Bestimmungen (Art. 131 B-VG in Verbindung mit § 58 Abs. 3 und § 18 Abs. 4 AVG) qualifiziert werden.

Die Beschwerde war daher mangels eines tauglichen Beschwerdegegenstandes wegen offenbarer Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Behördenbezeichnung Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Bescheidcharakter Bescheidbegriff Formelle Erfordernisse Einhaltung der Formvorschriften Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Bescheidbegriff Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996120259.X00

Im RIS seit

25.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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