TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/21 L512 2205350-1

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Veröffentlicht am 21.06.2021
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Entscheidungsdatum

21.06.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch


L512 2205350-1/23E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der islamischen Republik Iran, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Dr. Sebastian SIUDAK, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, Außenstelle Linz, vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet), ein Staatsangehöriger der islamischen Republik Iran (kurz: Iran), stellte nach illegaler Einreise am 22.11.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte der BF am 22.11.2015 zusammengefasst Folgendes vor:

Der BF sei verheiratet, sei Moslem/Schiit und gehöre der Volksgruppe der Iraner an. Er habe von XXXX bis XXXX die Grundschule in XXXX im Iran besucht und habe zuletzt als Techniker in einem XXXX gearbeitet.

Zum Fluchtgrund legte der BF dar, er habe vor XXXX seine jetzige Frau heiraten wollen. Die Familie seiner Ehefrau sei aber gegen die Ehe gewesen. Der BF habe dennoch mit seiner Frau eine Affäre gehabt, woraufhin diese schwanger geworden sei. Die Familie habe seine Frau und ihn deswegen umbringen wollen. Auch nach der Hochzeit sei der BF weiter mit dem Umbringen bedroht worden, da er eine Schande über die Familie gebracht habe. Er habe daraufhin mit seiner Frau gesprochen und beschlossen, dass er das Land verlasse und seine Frau und die gemeinsame Tochter später nachkommen würden. Davon abgesehen habe der BF vor XXXX seine Religion gewechselt und sei im Glauben Christ. Würden die iranischen Behörden davon erfahren, würde der BF getötet werden.

Bei seiner Rückkehr fürchte der BF, dass ihn entweder die Familie seiner Frau wegen des unehelichen Kindes oder die Behörde wegen seines christlichen Glaubens umbringen werde. [Aktenseite (AS) 1 ff.].

Vor einem Organwalter der belangten Behörde brachte der BF am 22.06.2018 zu seinen Ausreisegründen im Wesentlichen Folgendes vor:

Der BF habe seine Frau schon immer heiraten wollen. Die Liebe sei auch beidseitig gewesen, jedoch habe die Familie der Frau jeden Heiratsantrag des BF abgelehnt, da sie gewollt hätte, dass diese den Cousin väterlicherseits heirate. Der BF und seine Frau hätten daraufhin beschlossen heimlich eine intime Beziehung einzugehen. Seine Frau sei jedoch schwanger geworden, was von deren Mutter und Schwester bemerkt worden sei. Sie hätten die Frau des BF daraufhin ohne dessen Wissen mitgenommen und das Kind abtreiben lassen, da sie nicht gewollt hätten, dass zwischen den Familien Krieg entstehe und der Mann der Mutter sterbe. Nach der Abtreibung habe die Schwiegermutter des BF mit dem Schwiegervater gesprochen, woraufhin die Hochzeit doch erlaubt worden sei. Sie hätten dadurch der Familie Schande ersparen wollen, nachdem die Frau des BF keine Jungfrau mehr gewesen sei. Aber auch nach der Hochzeit sei immer Krieg zwischen der Familie der Frau und dem BF gewesen. Sie seien weiterhin gegen ihn gewesen. Der „Hauptfeind“ des BF sei der Cousin seiner Frau gewesen, den diese eigentlich heiraten hätte sollen. Er habe den BF schon vor aber auch nach der Hochzeit mit dem Umbringen bedroht und habe ihn einmal bei einem Motorradausflug mit dem Auto angefahren, wodurch sich der BF ein Bein gebrochen habe. Der BF habe im Iran eine gute Arbeit gehabt und gut verdient. Er habe nicht vorgehabt den Iran zu verlassen. Nachdem die Familie seiner Frau aber mitbekommen habe, dass der BF an das Christentum glaube, habe ihn der Cousin seiner Frau bei der Polizei angezeigt, um sich an ihm zu rächen. Dies habe er von seiner Schwester erfahren, die mit seinem Schwager gesprochen habe. Vorerst habe der BF nicht gewusst, ob das wirklich stimme und sei deswegen nach XXXX gereist. Drei oder vier Tage später habe ihm seine Frau erzählt, dass Zivilbeamte dagewesen seien und ihn gesucht hätten. Dadurch sei dem BF bewusstgeworden, dass sein Leben in Gefahr sei, weshalb er in die XXXX ausgereist sei. Als er in der XXXX gewesen sei habe ihm seine Frau mitgeteilt, dass jeden Tag Beamte kommen würden, um nach ihm zu suchen. Der BF habe große Angst gehabt. Er habe deswegen entschieden, dass seine Frau die Mitwohnung zurückgeben und bei seiner Schwester und seinem Onkel einziehen solle, damit sie nicht alleine sei.

Zum Christentum sei der BF durch einen Mann namens XXXX gekommen, den er durch seine Arbeit kennengelernt habe. Der BF sei bei diesem zu Hause gewesen um einen XXXX . Dieser sei konvertiert, deswegen habe ihn der BF XXXX genannt. Nur durch diesen habe der BF über das Christentum erfahren und beschlossen Christ zu werden und sich mit dem Christentum zu beschäftigen. Dies sei ungefähr XXXX gewesen. Der BF habe Herrn XXXX oft zuhause besucht (AS 79 ff.).

I.2. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde folglich mit im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt. Gem. § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran nicht zugesprochen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (AS 329 ff.).

I.2.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung führte die belangte Behörde aus, dass der BF aufgrund widersprüchlicher und nicht nachvollziehbarer Angaben die dargelegten Ausreisegründe nicht glaubhaft darlegen hat können und die dargelegte Konversion nicht von einer inneren Überzeugung getragen sei. Der BF habe auch die dargelegten Verfolgungshandlungen seitens der iranischen Behörden aufgrund von Unschlüssigkeiten und Ungereimtheiten nicht glaubhaft schildern können.

I.2.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Iran traf die belangte Behörde ausführliche, aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben.

I.2.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK (§§ 55, 10 Abs. 2 AsylG 2005) dar. Zudem sei die Abschiebung zulässig, da kein Sachverhalt im Sinne des § 50 Abs 1, 2 und 3 FPG vorliege. Eine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe in Höhe von 14 Tagen, da keine Gründe im Sinne des § 55 Abs 1 a FPG vorliegen würden.

I.3. Gegen diesen Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, unrichtiger rechtlicher Beurteilung, Mangelhaftigkeit des Verfahrens aufgrund fehlerhafter bzw. unzureichender Ermittlungen und mangelhafter Beweiswürdigung

innerhalb offener Frist in vollem Umfang Beschwerde erhoben (AS 453 ff.).

I.4. Für den XXXX lud das erkennende Gericht die Verfahrenspartei zu einer mündlichen Verhandlung.

I.5. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde dem BF die Möglichkeit eingeräumt, zur Integration, dem Fluchtvorbringen und der Rückkehrsituation bezüglich seiner Person Stellung zu nehmen. Als Zeugen wurden XXXX , eine gute Freundin des BF, und XXXX , ein XXXX und ebenfalls Bekannter/ Freund des BF befragt.

Dem BF bzw. seiner rechtsfreundlichen Vertretung wurden Länderfeststellungen zum Iran übermittelt, wobei vom RV im Rahmen der mündlichen Verhandlung eine Stellungnahme dazu abgegeben wurde.

I.6. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

II.1.1. Der Beschwerdeführer

Bei dem BF handelt es sich um einen iranischen Staatsbürger und einen Angehörigen der Volksgruppe der Perser. Der BF verfügt über eine achtjährige Schulbildung im Iran sowie über Berufserfahrung im XXXX . Er stammt aus XXXX , Provinz Chuzestan, Iran. Der BF ist Drittstaatsangehöriger.

Die Identität des BF steht fest.

Der BF leidet an keiner lebensbedrohlichen oder dauerhaft behandlungsbedürftigen Erkrankung; er ist gesund.

Der BF ist ein arbeitsfähiger und arbeitswilliger Mensch.

Der BF hat im Iran am XXXX geheiratet. Dieser Ehe entstamme eine minderjährige Tochter. Die Ehefrau des BF und seine Tochter leben nach wie vor im Iran. Darüber hinaus sind seine Schwester, sein Bruder, fünf Onkeln und zwei Tanten im Herkunftsstaat des BF aufhältig. Der Eltern des BF sind bereits verstorben. Der BF hat regelmäßig Kontakt zu seiner Frau, seiner Tochter und seiner Schwester.

Der BF reiste legal aus dem Iran aus und Ende November 2015 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein. Seither hält sich der BF durchgehend im Bundesgebiet auf.

Der BF bezog vom XXXX bis dato verschiedenste Leistungen aus der Grundversorgung.

Der BF verfügte für die berufliche Tätigkeit als XXXX vom XXXX bis XXXX sowie vom XXXX bis XXXX über eine Beschäftigungsbewilligung und war vom XXXX bis zum XXXX bei der XXXX als XXXX tätig. Daraufhin war der BF wieder als Asylwerber gemeldet und versichert. Seit dem XXXX vorerst bis zum XXXX (Ende Beschäftigungsbewilligung) war der BF erneut als XXXX bei der genannten XXXX beschäftigt. Er verfügt über eine Einstellungszusage der XXXX (AS231).

Der BF verrichtete verschiedene freiwillige und ehrenamtliche Arbeiten. Er war unter anderem für die XXXX im Ausmaß von 15 Stunden gemeinnützig tätig, unterstützte das XXXX bei diversen Arbeiten und im Jahr 2017 bei den XXXX und leistete für die XXXX ehrenamtliche Tätigkeiten im Ausmaß von insgesamt 101 Stunden (AS 229 u. OZ 19). Weiters unterstützte der BF unter anderem XXXX , indem er beim XXXX half, ein Jahr lang die XXXX und bei Veranstaltungen mitwirkte. Freunden und Bekannten ist der BF wo er kann behilflich. Eine enge Bekannte ist XXXX .

Der BF besuchte in Österreich verschiedene Deutschqualifizierungsmaßnahmen auf dem Niveau A1, A2 und B1 und spricht auf dem Niveau A2 die deutsche Sprache.

Am XXXX absolvierte der BF einen Werte- und Orientierungskurs des ÖIF.

Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Ab dem XXXX nahm der BF am XXXX teil und besuchte ab XXXX regelmäßig den (einjährigen) Glaubens-und Taufkurs der XXXX . Am XXXX erfolgte die feierliche Aufnahme in XXXX durch XXXX .

Am XXXX wurde der BF durch den XXXX zu den XXXX zugelassen. Am XXXX empfing der BF schließlich in der XXXX die XXXX . Er nahm den Taufnamen XXXX an. Am XXXX zeigte der BF den Austritt aus der islamischen Glaubensgemeinschaft an.

Der BF besucht derzeit jeden Sonntag den Gottesdienst und anschließend das XXXX in XXXX . Er nahm an verschiedenen kirchlichen Veranstaltungen (zB XXXX ) teil und war unter anderem als XXXX unterwegs. Er ist in der XXXX als ehrenamtlicher Mitarbeiter tätig und nahm bzw. nimmt auch regelmäßig an den XXXX teil.

Der BF wird nimmt an XXXX teil. Er steht im telefonischen Kontakt mit XXXX , in der Glaubensimpulse geteilt werden.

Der BF hat sich in Österreich XXXX tätowieren lassen.

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Iran:

COVID-19

Iran gilt als eines der am stärksten von Corona betroffenen Länder (DW 18.11.2020) und ist nun auch von einer dritten COVID-19-Infektionswelle stark betroffen. Regionale Schwerpunkte sind dabei kaum auszumachen, da das Ansteckungsrisiko flächendeckend sehr hoch ist. Städte und Provinzen sind je nach Infektionszahlen in unterschiedliche Risikogruppen eingeteilt (rot= kritische Situation, orange = hohes Risiko, gelb = geringes Risiko) (AA 1.12.2020). Die Zahl der Neuinfektionen bewegt sich den offiziellen Zahlen zufolge weiterhin auf einem hohen, und weiter steigenden Niveau, die Zahl der täglichen Todesopfer ist auch im Steigen begriffen (WKO 28.11.2020). Aktuelle Informationen und detaillierte Zahlen bieten das iranische Gesundheitsministerium und die Weltgesundheitsorganisation WHO (AA 1.12.2020). Die Auslastung der medizinischen Einrichtungen ist sehr hoch, verschiedentlich gibt es Engpässe bei der Versorgung mit Schutzausrüstung und Medikamenten (WKO 28.11.2020). Die Spitäler kämpfen mit Überlastung (WKO 28.11.2020; vgl. ZDF.de 18.10.2020). Für alle der 31 Provinzen inklusive Teheran gilt die Situation als sehr besorgniserregend (WKO 28.11.2020).

Personen, die in den Iran auf dem Luftweg einreisen wollen, haben einen negativen molekularbiologischen Test auf SARS-CoV-2 aus dem Abreisestaat in englischer Sprache mit sich zu führen und vorzuweisen. Das ärztliche Zeugnis darf bei der Einreise nicht älter als 96 Stunden sein. Kann das Gesundheitszeugnis nicht vorgelegt werden, wird ausländischen Staatsangehörigen die Einreise nach Iran verwehrt. Iranische Staatsangehörige (Doppelstaatsbürger reisen in der Regel mit ihrem iranischen Reisepass ein) werden unter Aufsicht des Gesundheitsministeriums in ein Flughafenhotel eingewiesen, dessen Kosten selbst zu tragen sind. Mit eigenhändiger Unterschrift ist zu bestätigen, dass das Hotel nicht verlassen werden darf. Die 14-tägige Quarantäne kann durch einen negativen molekularbiologischen Test beendet werden (BMeiA 1.12.2020; vgl. AA 1.12.2020). Positiv auf COVID-19 getestete Passagiere werden in ein Krankenhaus in Teheran oder andere Isolationsstationen verbracht (AA 1.12.2020).

Seit 21. November 2020 gilt für alle Provinzhauptstädte und zahlreiche weitere Städte ein zunächst zweiwöchiger Lockdown mit weitreichenden Verkehrseinschränkungen (BMeiA 1.12.2020; vgl. DW 18.11.2020), obwohl sich die iranische Regierung - aus Angst vor Protesten - lang gegen einen Lockdown gewehrt hat (DW 18.11.2020). Der Reiseverkehr zwischen diesen rot eingestuften Städten ist grundsätzlich untersagt. In Teheran gilt von 21 Uhr bis 4 Uhr ein Fahrverbot für Privatfahrzeuge (BMeiA 1.12.2020; vgl. DW 18.11.2020). Ab 22 Uhr gilt dies auch für den öffentlichen Nahverkehr. Taxis verkehren auch nach 22 Uhr (AA 1.12.2020). Es kommt – abgesehen vom Lebensmittelhandel und systemrelevanten Einrichtungen – ebenfalls zu landesweiten Betriebsschließungen (BMeiA 1.12.2020). Im Alltag ist derzeit vor allem in orangen und roten Regionen wieder mit Einschränkungen bei Öffnungszeiten und Serviceangebot zu rechnen. Vorübergehend werden weitergehende Beschränkungen eingeführt (z.B. Schließungen von Restaurants, Sporteinrichtungen, religiösen Einrichtungen usw.). Einrichtungen für den essentiellen Lebensbedarf wie Supermärkte und Apotheken bleiben geöffnet. Davon sind u.a. Teheran sowie der Großteil der Provinzhauptstädte und weitere Großstädte betroffen. In roten Regionen bleiben Touristenziele teilweise geschlossen. Camping in öffentlichen Parks ist grundsätzlich untersagt (AA 1.12.2020). Behörden bleiben geöffnet, werden aber nur mit einem Drittel der üblichen Mitarbeiter besetzt (DW 18.11.2020). In allen Schulen und Universitäten wird auf Fernunterricht umgestellt (WKO 28.11.2020; vgl. DW 18.11.2020).

Die iranischen Behörden rufen weiterhin dazu auf, möglichst soziale Kontakte zu meiden sowie persönliche Hygiene- und Schutzmaßnahmen zu ergreifen und öffentliche Transportmittel zu meiden. Es gilt eine generelle Maskenpflicht an allen öffentlichen Orten, in geschlossenen Räumlichkeiten sowie im öffentlichen Nahverkehr (AA 1.12.2020; vgl. WKO 28.11.2020). Künftig soll die Polizei stärker gegen Verstöße vorgehen, Strafen für Verstöße gegen die Auflagen wurden angekündigt (AA 1.12.2020).

Die Regierung hat ein Hilfspaket für Haushalte und Arbeitgeberbetriebe in der Höhe von 24 Mrd. USD beschlossen. 4 Mio. Haushalte sollen einen zinsfreien Mikrokredit von umgerechnet 62 bzw. 124 USD erhalten (WKO 28.11.2020).

Quellen:

• AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.12.2020, unverändert gültig seit 18.11.2020): Iran: Reiseund

Sicherheitshinweise (COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/

de/ReiseUndSicherheit/iransicherheit/202396 , Zugriff 1.12.2020

• BMeiA – Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten [Österreich]

(1.12.2020, unverändert gültig seit 20.11.2020): Iran - Aktuelle Hinweise, https://www.bmeia.

gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/iran/ , Zugriff 1.12.2020

• DW – Deutsche Welle (18.11.2020): Irans Regierung gibt Widerstand gegen Corona-Lockdown auf,

https://www.dw.com/de/irans-regierung-gibt-widerstand-gegen-corona-lockdown-auf/a-55651492 ,

Zugriff 1.12.2020

• WKO – Wirtschaftskammer Österreich (28.11.2020): Coronavirus: Situation im Iran,

https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/iran-bulletin-aussenwirtschaftscenter-zum-coronavi

rus--.html , Zugriff 1.12.2020

• ZDF.de (18.10.2020): Wie die zweite Welle den Iran trifft, https://www.zdf.de/nachrichten/panoram

a/coronavirus-iran-zweite-welle-100.html , Zugriff 1.12.2020

Politische Lage

Iran ist seit 1979 eine Islamische Republik (AA 4.3.2020b). Das Staatssystem beruht auf dem Konzept der „velayat-e faqih“, der Stellvertreterschaft des Rechtsgelehrten. Dieses besagt, dass nur ein herausragender Religionsgelehrter in der Lage sei, eine legitime Regierung zu führen, bis der 12. Imam, die eschatologische Heilsfigur des schiitischen Islam, am Ende der Zeit zurückkehren und ein Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit einleiten werde. Dieser Rechtsgelehrte ist das Staatsoberhaupt Irans mit dem Titel „Revolutionsführer“ (GIZ 2.2020a; vgl. BTI 2020). Der Revolutionsführer (auch Oberster Führer) ist seit 1989 Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei. Er steht noch über dem Präsidenten (ÖB Teheran 10.2019; vgl. US DOS 11.3.2020). Er wird von einer Klerikerversammlung (Expertenrat) auf Lebenszeit gewählt, ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte (AA 4.3.2020a; vgl. FH 4.3.2020, US DOS 11.3.2020) und wesentlich mächtiger als der Präsident. Des weiteren unterstehen ihm unmittelbar die Revolutionsgarden (Pasdaran oder IRGC), die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen und die gesamte Judikative. Für die entscheidenden Fragen ist letztlich der Oberste Führer verantwortlich (ÖB Teheran 10.2019; vgl. FH 4.3.2020). Obwohl der Revolutionsführer oberste Entscheidungsinstanz und Schiedsrichter ist, kann er zentrale Entscheidungen nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Politische Gruppierungen bilden sich um Personen oder Verwandtschaftsbeziehungen oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen (z.B. Klerus). Diese Zugehörigkeiten und Allianzen unterliegen dabei einem ständigen Wandel. Reformorientierte Regimekritiker sind weiterhin starken Repressionen ausgesetzt (AA 26.2.2020).

Das iranische Regierungssystem ist ein semipräsidiales: an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident. Amtsinhaber ist seit 2013 Hassan Rohani, er wurde im Mai 2017 wieder gewählt (ÖB Teheran 10.2019). Der Präsident ist, nach dem Revolutionsführer, der zweithöchste Beamte im Staat (FH 4.3.2020). Er steht der Regierung vor, deren Kabinett er ernennt. Die Kabinettsmitglieder müssen allerdings vom Parlament bestätigt werden. Der Präsident ist der Leiter der Exekutive. Zudem repräsentiert er den Staat nach außen und unterzeichnet internationale Verträge. Dennoch ist seine faktische Macht beschränkt, da der Revolutionsführer in allen Fragen das letzte Wort hat bzw. haben kann (GIZ 2.2020a). Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird das Einkammerparlament, genannt Majles, mit 290 Abgeordneten, das gewisse legislative Kompetenzen hat und Ministern das Vertrauen entziehen kann (ÖB Teheran 10.2019). Hauptaufgabe des Parlaments ist die Ausarbeitung neuer Gesetze, die von der Regierung auf den Weg gebracht werden. Es hat aber auch die Möglichkeit, selbst neue Gesetze zu initiieren. Die letzten Parlamentswahlen fanden im Februar 2020 statt (GIZ 2.2020a). Während bei der Parlamentswahl 2016 die Reformer und Moderaten starke Zugewinne erreichen konnten (ÖB Teheran 10.2019), drehte sich dies bei den letzten Parlamentswahlen vom Februar 2020 und die Konservativen gewannen diese Wahlen. Erstmals seit der Islamischen Revolution von 1979 lag die Wahlbeteiligung unter 50%. Zahlreiche Anhänger des moderaten Lagers um Präsident Hassan Rohani hatten angekündigt, der Wahl aus Enttäuschung über die politische Führung fernzubleiben. Tausende moderate Kandidaten waren zudem von der Wahl ausgeschlossen worden (DW 23.2.2020).

Entscheidende Gremien sind des Weiteren der vom Volk direkt gewählte Expertenrat mit 86 Mitgliedern, sowie der Wächterrat mit zwölf Mitgliedern (davon sind sechs vom Obersten Führer ernannte Geistliche und sechs von der Judikative bestimmte Juristen). Der Expertenrat ernennt den Obersten Führer und kann diesen (theoretisch) auch absetzen. Der Wächterrat hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (Gesetzeskontrolle), ist jedoch wesentlich mächtiger. Ihm obliegt u.a. auch die Genehmigung von Kandidaten bei allen nationalen Wahlen (ÖB Teheran 10.2019; vgl. GIZ 2.2020a, FH 4.3.2020, BTI 2020). Der Wächterrat ist somit das zentrale Mittel zur Machtausübung des Revolutionsführers (GIZ 2.2020). Des weiteren gibt es noch den Schlichtungsrat. Er vermittelt im Gesetzgebungsverfahren und hat darüber hinaus die Aufgabe, auf die Wahrung der „Gesamtinteressen des Systems" zu achten (AA 4.3.2020a; vgl. GIZ 2.2020a). Er besteht aus 35 Mitgliedern, die vom Revolutionsführer unter Mitgliedern der Regierung, des Wächterrats, des Militärs und seinen persönlichen Vertrauten ernannt werden. Die Interessen des Systems sind unter allen Umständen zu wahren und der Systemstabilität wird in der Islamischen Republik alles untergeordnet. Falls nötig, können so in der Islamischen Republik etwa auch Gesetze verabschiedet werden, die der Scharia widersprechen, solange sie den Interessen des Systems dienen (GIZ 2.2020a).

Die Basis des Wahlsystems der Islamischen Republik sind die Wahlberechtigten, also jeder iranische Bürger ab 16 Jahren. Das Volk wählt das Parlament, den Präsidenten sowie den Expertenrat (GIZ 2.2020a) in geheimen und direkten Wahlen (AA 26.2.2020). Das System der Islamischen Republik kennt keine politischen Parteien. Theoretisch tritt jeder Kandidat für sich alleine an. In der Praxis gibt es jedoch Zusammenschlüsse von Abgeordneten, die westlichen Vorstellungen von Parteien recht nahe kommen (GIZ 2.2020a; vgl. AA4.3.2020a). Das iranische Wahlsystem entspricht nicht internationalen demokratischen Standards. Der Wächterrat, der von konservativen Hardlinern und schlussendlich auch vom Obersten Rechtsgelehrten Khamenei kontrolliert wird, durchleuchtet alle Kandidaten für das Parlament, die Präsidentschaft und den Expertenrat. Üblicherweise werden Kandidaten, die nicht als Insideroder nicht vollkommen loyal zum religiösen System gelten, nicht zu Wahlen zugelassen. Bei Präsidentschaftswahlen werden auch Frauen aussortiert. Das Resultat ist, dass die iranischen Wähler nur aus einem begrenzten und vorsortierten Pool an Kandidaten wählen können (FH 4.3.2020). Von den 1.499 Männern und 137 Frauen, die sich im Rahmen der Präsidentschaftswahl 2017 für die Kandidatur zum Präsidentenamt registrierten, wurden sechs männliche Kandidaten vom Wächterrat zugelassen. Frauen werden bei Präsidentschaftswahlen grundsätzlich als ungeeignet abgelehnt. Die Wahlbeteiligung 2017 betrug 73%. Unabhängige Wahlbeobachter werden nicht zugelassen. Ablauf, Durchführung sowie Kontroll- und Überprüfungsmechanismen der Wahlen sind in technischer Hinsicht grundsätzlich gut konzipiert (AA 26.2.2020).

Auf Reformbestrebungen bzw. die wirtschaftliche Öffnung des Landes durch die Regierung Rohanis wird von Hardlinern in Justiz und politischen Institutionen mit verstärktem Vorgehen gegen „unislamisches“ oder konterrevolutionäres Verhalten reagiert. Es kann daher auch nicht von einer wirklichen Verbesserung der Menschenrechtslage gesprochen werden. Ein positiver Schritt Ende 2017 war die Aufhebung der Todesstrafe für die meisten Drogendelikte, was zu einer Halbierung der vollstreckten Todesurteile führte (ÖB Teheran 10.2019).

Quellen:

•        AA-Auswärtiges Amt (4.3.2020a): Politisches Portrait, https://www.auswaertiges-amt.d e/de/aussenpolitik/laender/iran-node/politisches-portrait/202450 , Zugriff 7.4.2020

•        AA-Auswärtiges Amt (4.3.2020b): Steckbrief, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aus senpolitik/laender/iran-node/steckbrief/202394 , Zugriff 7.4.2020

•        AA - Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deuts

chland  Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschie

bungsrelevante_Lage_in_deMslamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020% 29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 20.4.2020

•        BTI - Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti-proj ect.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020

•        DW - Deutsche Welle (23.2.2020): Konservative siegen bei Parlamentswahl im Iran,

https://www.dw.com/de/konservative-siegen-bei-parlamentswahl-im-iran/a-52489961 , Zugriff 7.4.2020

•        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Iran, https://www.ecoi.n et/de/dokument/2025928.html , Zugriff 7.4.2020

•        GIZ - Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (2.2020a): Geschichte und Staat Iran, https://www.liportal.de/iran/geschichte-staat/, Zugriff 7.4.2020

•        ÖB Teheran - Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www. ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 7.4.2020

•        US DOS - US Department of State (11.3.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026339.html , Zugriff 7.4.2020

Sicherheitslage

Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken. Die schwierige Wirtschaftslage und latenten Spannungen im Land führen periodisch zu Kundgebungen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Preiserhöhungen oder mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei muss mit schweren Ausschreitungen und gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gerechnet werden sowie mit Straßenblockaden. Zum Beispiel haben im November 2019 Proteste gegen die Erhöhung der Treibstoffpreise Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 4.5.2020).

Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Im Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Sie haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. Im September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte (EDA 4.5.2020; vgl. AA4.5.2020b). 2019 gab es einen Anschlag auf einen Bus der Revolutionsgarden in der Nähe der Stadt Zahedan (AA 4.5.2020b).

In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen (EDA 4.5.2020). In diesen Minderheitenregionen kommt es unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Die iranischen Behörden haben seit einiger Zeit die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran erhöht (AA 4.5.2020b).

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 4.5.2020b). Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan, stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen (EDA 4.5.2020).

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA4.5.2020b). Im iranischirakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften. Bisweilen kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften (EDA 4.5.2020). Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 10.2019).

Quellen:

•        AA - Auswärtiges Amt (4.5.2020b): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.au swaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/iransicherheit/202396 , Zugriff 4.5.2020

•        EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (4.5.2020): Reisehinweise Iran, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/ir an/reisehinweise-fuerdeniran.html, Zugriff 4.5.2020

• ÖB Teheran - Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.
ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 4.5.2020

Verbotene Organisationen

Die Mitgliedschaft in verbotenen politischen Gruppierungen kann zu staatlichen Zwangsmaßnahmen und Sanktionen führen. Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze infrage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weitgefasste Straftatbestände. Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, können der Spionage beschuldigt werden (AA 26.2.2020).

Zu den militanten separatistischen Gruppen in Iran zählen insbesondere die kurdisch-marxistische Komala(h)-Partei, die Democratic Party of Iranian Kurdistan (KDPI), die aus Belutschistan stammende Jundallah, und die Party for a Free Life in Kurdistan (PJAK), die eng mit ihrer Schwesterorganisation, der PKK, zusammenarbeitet (AA 26.2.2020). Die politischen Gruppierungen KDPI, Komala und PJAK sind im Untergrund aktiv (DIS/DRC 23.2.2018). Die PJAK gilt in Iran als Terrororganisation (ÖB Teheran 10.2019) und hat einen bewaffneten Flügel (AI 15.6.2018).

Von Mai bis September 2016 wurden fast wöchentlich bewaffnete Konflikte zwischen kurdischen Guerillakräften und iranischen Sicherheitskräften gemeldet. In den letzten zehn Jahren hatte hauptsächlich die kurdische Partei PJAK militärische Operationen im Nordwesten des Iran durchgeführt. Seit Mai 2016 beteiligen sich auch andere kurdische Parteien (KDPI, KDP-I, PAK) an militärischen Operationen gegen iranische Sicherheitskräfte. Alle diese Parteien operieren von Militärbasen und Lagern im Nordirak aus. Die Revolutionsgarden haben im gleichen Zeitraum ihre Präsenz in der Region verstärkt und kurdische Dörfer sowohl auf iranischer als auch auf irakischer Seite angegriffen. Mitglieder und Unterstützer von KDPI und Komala werden im Allgemeinen härter behandelt als andere Aktivisten im kurdischen Raum. In der Regel unterscheiden die iranischen Behörden nicht zwischen Mitgliedern und Unterstützern der Parteien. Während die iranischen Behörden Personen, die verhaftet werden, beschuldigen, mit diesen Parteien verbunden zu sein, ist dies nicht immer der Fall. Familienmitglieder von Parteimitgliedern und Unterstützern laufen ebenfalls Gefahr, von den iranischen Behörden befragt, inhaftiert und verhaftet zu werden, um Druck auf Aktivisten auszuüben. Enge Familienmitglieder werden häufiger verhaftet als Mitglieder der Großfamilie (DIS 7.2.2020). Auch die Volksmudschahedin (MEK, MKO, PMOI) zählen zu den verbotenen Organisationen (AI 11.2.2019).

Es scheint eher unwahrscheinlich, dass eine Person nur aufgrund einer einzigen politischen Aktivität auf niedrigem Niveau, wie z.B. dem Verteilen von Flyern, angeklagt wird, es ist aber schon möglich, dass man inhaftiert wird, wenn man mit politischem Material, oder beim Anbringen von politischen Slogans an Wänden erwischt wird. Es kommt darauf an, welche Art von Aktivität die Personen setzen. Andauernde politische Aktivitäten können in einer Anklage enden (DIS/DRC 23.2.2018).

Quellen:

•        AA - Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deuts

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•        AI - Amnesty International (15.6.2018): Urgent Action, Iranian Kurdish Woman denied Medical Care, UA: 151/14 Index: MDE 13/8598/201, https://www.ecoi.net/en/file/local/1 435509/1226_1529323691_mde1385982018english.pdf, Zugriff 4.5.2020

•        AI - Amnesty International (11.2.2019): Amnesty International’s written statement to the 40thsessionof theHuman RightsCouncil(25 February -22March 2019), MDE 13/9828/2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457788/1226_1550135137_mde 1398282019english.pdf, Zugriff 4.5.2020

•        DIS/DRC - Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): Iran: Issues concerning persons of ethnic minorities, including Kurds and Ahwazi Arabs, https://www. ecoi.net/en/file/local/1426253/1788_1520517984_issues-concerning-persons-of-ethnic -minorities-including-kurds-and-ahwazi-arabs.pdf, Zugriff 4.5.2020

•        DIS - Danish Immigration Service (7.2.2020): Iranian Kurds: Consequences of political activities in Iran and KRI, https://www.ecoi.net/en/file/local/2024578/Report+on+Iranian +Kurds+Feb+2020.pdf, Zugriff 14.5.2020

•        ÖB Teheran - Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www. ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 4.5.2020

Rechtsschutz / Justizwesen

Seit 1979 ist Iran eine Islamische Republik, in welcher versucht wird, demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die iranische Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Grundsätzen beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden (ÖB Teheran 10.2019). Das in der iranischen Verfassung enthaltene Gebot der Gewaltentrennung ist praktisch stark eingeschränkt. Der Revolutionsführer ernennt für jeweils fünf Jahre den Chef der Judikative. Dieser ist laut Artikel 157 der Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Justiz. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben, unterliegt jedoch Begrenzungen. Immer wieder wird deutlich, dass Exekutivorgane, v.a. der Sicherheitsapparat, trotz des formalen Verbots, in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung und die Strafzumessung nehmen. Zudem ist zu beobachten, dass fast alle Entscheidungen der verschiedenen Staatsgewalten bei Bedarf informell durch den Revolutionsführer und seine Mitarbeiter beeinflusst und gesteuert werden können. Auch ist das Justizwesen nicht frei von Korruption (AA 26.2.2020; vgl. BTI 2020). In Iran gibt es eine als unabhängige Organisation aufgestellte Rechtsanwaltskammer (’Iranian Bar Association’; IBA). Allerdings sind die Anwälte der IBA staatlichem Druck und Einschüchterungsmaßnahmen, insbesondere in politischen Verfahren, ausgesetzt (AA 26.2.2020). Das Justizsystem wird als Instrument benutzt, um Regimekritiker und Oppositionelle zum Schweigen zu bringen (FH 4.3.2020).

Richter werden nach religiösen Kriterien ernannt. Internationale Beobachter kritisieren weiterhin den Mangel an Unabhängigkeit des Justizsystems und der Richter und, dass die Verfahren internationale Standards der Fairness nicht erfüllen (US DOS 11.3.2020). Iranische Gerichte, insbesondere die Revolutionsgerichte, verletzen immer wieder die Regeln für faire Gerichtsverfahren. Geständnisse, die wahrscheinlich unter Anwendung von Folter erlangt wurden, werden als Beweis vor Gericht verwendet (HRW 14.1.2020; vgl. AA 26.2.2020, HRC 28.1.2020). Die Behörden setzen sich ständig über die Bestimmungen hinweg, welche die Strafprozessordnung von 2015 für ein ordnungsgemäßes Verfahren vorsieht, wie z.B. das Recht auf einen Rechtsbeistand (AI 18.2.2020; vgl. HRW 14.1.2020).

Das Verbot der Doppelbestrafung gilt nur stark eingeschränkt. Nach dem iranischen Strafgesetzbuch (IStGB) wird jeder Iraner oder Ausländer, der bestimmte Straftaten im Ausland begangen hat und in Iran festgenommen wird, nach den jeweils geltenden iranischen Gesetzen bestraft. Bei der Verhängung von islamischen Strafen haben bereits ergangene ausländische Gerichtsurteile keinen Einfluss. Insbesondere bei Betäubungsmittelvergehen drohen drastische Strafen. In jüngster Vergangenheit sind keine Fälle einer Doppelbestrafung bekannt geworden (AA 26.2.2020).

Wenn sich Gesetze nicht mit einer Situation befassen, dürfen Richter ihrem Wissen und ihrer Auslegung der Scharia Vorrang einräumen. Nach dieser Methode können Richter eine Person aufgrund ihres eigenen „göttlichen Wissens“ für schuldig erklären (US DOS 11.3.2020).

In der Strafjustiz existieren mehrere voneinander getrennte Gerichtszweige. Die beiden wichtigsten sind die ordentlichen Strafgerichte und die Revolutionsgerichte. Daneben sind die Pressegerichte für Taten von Journalisten, Herausgebern und Verlegern zuständig. Die ’Sondergerichte für die Geistlichkeit’ sollen abweichende Meinungen unter schiitischen Geistlichen untersuchen und ihre Urheber bestrafen. Sie unterstehen direkt dem Revolutionsführer und sind organisatorisch außerhalb der Judikative angesiedelt (AA 9.12.2015; vgl. BTI 2018).

Die Zuständigkeit der Revolutionsgerichte beschränkt sich auf folgende Delikte:

-        Straftaten betreffend die innere und äußere Sicherheit des Landes, bewaffneter Kampf gegen das Regime, Verbrechen unter Einsatz von Waffen, insbesondere ’Feindschaft zu Gott’ und ’Korruption auf Erde’;

-Anschläge auf politische Personen oder Einrichtungen;

-        Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran und des jeweiligen Revolutionsführers;

-        Spionage für fremde Mächte;

-        Rauschgiftdelikte, Alkoholdelikte und Schmuggel;

-        Bestechung, Korruption, Unterschlagung öffentlicher Mittel und Verschwendung von Volksvermögen (AA 9.12.2015).

Gerichtsverfahren, vor allem Verhandlungen vor Revolutionsgerichten, finden nach wie vor unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und sind extrem kurz. Manchmal dauert ein Verfahren nur wenige Minuten (AI 22.2.2018).

Die iranische Strafrechtspraxis unterscheidet sich stark von jener der europäischen Staaten: Körperstrafen sowie die Todesstrafe werden verhängt (ÖB Teheran 10.2020; vgl. AA 26.2.2020). Im iranischen Strafrecht sind körperliche Strafen wie die Amputation von Fingern, Händen und Füßen vorgesehen. Berichte über erfolgte Amputationen dringen selten an die Öffentlichkeit. Wie hoch die Zahl der durchgeführten Amputationen ist, kann nicht geschätzt werden (AA 26.2.2020).

Amputation eines beispielsweise Fingers bei Diebstahl fällt unter Vergeltungsstrafen („Qisas“), ebenso wie die Blendung, die auch noch immer angewendet werden kann. Durch Erhalt eines Abstandsgeldes (’Diya’) kann der ursprünglich Verletzte jedoch auf die Anwendung einer Blendung verzichten. Derzeit ist bei Ehebruch noch die Strafe der Steinigung vorgesehen. Auch auf diese kann vom „Geschädigten“ gegen eine Abstandsgeldzahlung verzichtet werden. Im Jahr 2002 wurde ein Moratorium für die Verhängung der Steinigungsstrafe erlassen, seit 2009 sind keine Fälle von Steinigungen belegbar (ÖB Teheran 10.2019). Zudem sieht das iranische Strafrecht bei bestimmten Vergehen wie zum Beispiel Alkoholgenuss, Missachten des Fastengebots oder außerehelichem Geschlechtsverkehr auch Auspeitschung vor. Regelmäßig besteht aber auch hier die Möglichkeit, diese durch Geldzahlung abzuwenden (AA 26.2.2020).

Aussagen hinsichtlich einer einheitlichen Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis sind nur eingeschränkt möglich, da sich diese durch Willkür auszeichnet. Rechtlich möglich wird dies vorrangig durch unbestimmte Formulierungen von Straftatbeständen und Rechtsfolgen sowie eine uneinheitliche Aufsicht der Justiz über die Gerichte. Auch willkürliche Verhaftungen kommen vor und führen dazu, dass Personen ohne ein anhängiges Strafverfahren festgehalten werden. Wohl häufigster Anknüpfungspunkt für Diskriminierung im Bereich der Strafverfolgung ist die politische Überzeugung. Beschuldigten bzw. Angeklagten werden grundlegende Rechte vorenthalten, die auch nach iranischem Recht garantiert sind. Untersuchungshäftlinge werden bei Verdacht eines Verbrechens unbefristet ohne Anklage festgehalten. Oft erhalten Gefangene während der laufenden Ermittlungen keinen rechtlichen Beistand, weil ihnen dieses Recht verwehrt wird oder ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Bei bestimmten Anklagepunkten - wie z.B. Gefährdung der nationalen Sicherheit - dürfen Angeklagte zudem nur aus einer Liste von zwanzig vom Staat zugelassenen Anwälten auswählen. Insbesondere bei politisch motivierten Verfahren gegen Oppositionelle erheben Gerichte oft Anklage aufgrund konstruierter oder vorgeschobener Straftaten. Die Strafen sind in Bezug auf die vorgeworfene Tat zum Teil unverhältnismäßig hoch, besonders deutlich wird dies bei Verurteilungen wegen Äußerungen in sozialen Medien oder Engagement gegen die Hijab-Pflicht (AA 26.2.2020).

Darüber hinaus ist die Strafverfolgungspraxis auch stark von aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen bestimmt. ImAugust 2018 wurde angesichts der kritischen Wirtschaftslage ein Sondergericht für Wirtschaftsstraftaten eingerichtet, das bislang schon einige Menschen wegen Korruption zum Tode verurteilt hat (AA 12.1.2019).

Hafterlass ist nach Ableistung der Hälfte der Strafe möglich. Amnestien werden unregelmäßig vom Revolutionsführer auf Vorschlag des Chefs der Justiz im Zusammenhang mit hohen religiösen Feiertagen und dem iranischen Neujahrsfest am 21. März ausgesprochen. Bei Vergeltungsstrafen können die Angehörigen der Opfer gegen Zahlung eines Blutgeldes auf den Vollzug der Strafe verzichten. Unter der Präsidentschaft Rohanis hat die Zahl der Aussetzung der hohen Strafen bis hin zur Todesstrafe wegen des Verzichts der Angehörigen auf den Vollzug der Strafe stark zugenommen (AA 26.2.2020).

Rechtsschutz ist oft nur eingeschränkt möglich. Anwälte, die politische Fälle übernehmen, werden systematisch eingeschüchtert oder an der Übernahme der Mandate gehindert. Der Zugang von Verteidigern zu staatlichem Beweismaterial wird häufig eingeschränkt oder verwehrt. Die Unschuldsvermutung wird mitunter - insbesondere bei politisch aufgeladenen Verfahren - nicht beachtet. Zeugen werden durch Drohungen zu belastenden Aussagen gezwungen. Insbesondere Isolationshaft wird genutzt, um politische Gefangene und Journalisten psychisch unter Druck zu setzen. Gegen Kautionszahlungen können Familienmitglieder die Isolationshaft in einzelnen Fällen verhindern oder verkürzen (AA 26.2.2020).

Quellen:

•        AA-Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1115973/4598_14504 45204_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevan te-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2015-09-12-2015.pdf, Zugriff

7.4.2020

•        AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1 548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage- in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 7.4.2020

•        AA - Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deuts

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•        AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World’s Human Rights - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html , Zugriff 7.4.2020

•        AI - Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html , Zugriff 14.5.2020

•        BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report — Iran, http://www.bti-pr oject.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Iran.pdf, Zugriff

7.4.2020

•        BTI - Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti-proj ect.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020

•        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Iran, https://www.ecoi.n et/de/dokument/2025928.html , Zugriff 7.4.2020

•        HRC - UN Human Rights Council (28.1.2020): Situation of human rights in the Islamic Republic of Iran; Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights in the Islamic Republic of Iran [A/HRC/43/61], https://undocs.org/en/A/HRC/43/61 , Zugriff

8.4.2020

•        HRW - Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Iran, https://www.ecoi.n et/de/dokument/2022677.html , Zugriff 7.4.2020

•        ÖB Teheran - Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www. ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 7.4.2020

•        US DOS - US Department of State (11.3.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026339.html , Zugriff 7.4.2020

Sicherheitsbehörden

Diverse Behörden teilen sich die Verantwortung für die innere Sicherheit; etwa das Informationsministerium, die Ordnungskräfte des Innenministeriums, die dem Präsidenten berichten, und die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasdaran-e Enghelab-e Islami - IRGC), welche direkt dem Obersten Führer Khamenei berichten. Die Basij-Kräfte, eine freiwillige paramilitärische Gruppierung mit lokalen Niederlassungen im ganzen Land, sind zum Teil als Hilfseinheiten zum Gesetzesvollzug innerhalb der Revolutionsgarden tätig. Basij-Einheiten sind oft bei der Unterdrückung von politischen Oppositionellen oder bei der Einschüchterung von Zivilisten involviert (US DOS 11.3.2020). Organisatorisch sind die Basij den Pasdaran (Revolutionsgarden) unterstellt und ihnen gehören auch Frauen an (AA 26.2.2020). Basijis sind ausschließlich gegenüber dem Obersten Führer loyal und haben oft keinerlei reguläre polizeiliche Ausbildung, die sie mit rechtlichen Grundprinzipien polizeilichen Handelns vertraut gemacht hätten. Basijis haben Stützpunkte u.a. in Schulen und Universitäten, wodurch die permanente Kontrolle der iranischen Jugend gewährleistet ist. Schätzungen über die Zahl der Basijis gehen weit auseinander und reichen bis zu mehreren Millionen (ÖB Teheran 10.2019).

Die Polizei unterteilt sich in Kriminalpolizei, Polizei für Sicherheit und öffentliche Ordnung (Sittenpolizei), Internetpolizei, Drogenpolizei, Grenzschutzpolizei, Küstenwache, Militärpolizei, Luftfahrtpolizei, eine Polizeispezialtruppe zur Terrorbekämpfung und Verkehrspolizei. Die Polizei hat auch einen eigenen Geheimdienst. Eine Sonderrolle nehmen die Revolutionsgarden ein, deren Auftrag formell der Schutz der Islamischen Revolution ist. Als Parallelarmee zu den regulären Streitkräften durch den Staatsgründer Khomeini aufgebaut, haben sie neben ihrer herausragenden Bedeutung im Sicherheitsapparat im Laufe der Zeit Wirtschaft, Politik und Verwaltung durchsetzt und sich zu einem Staat im Staate entwickelt. Militärisch kommt ihnen eine höhere Bedeutung als dem regulären Militär zu. Sie verfügen über fortschrittlichere Ausrüstung als die reguläre Armee, eigene Gefängnisse und eigene Geheimdienste, die auch mit Inlandsaufgaben betraut sind, sowie engste Verbindungen zum Revolutionsführer (AA 26.2.2020). Die Revolutionsgarden sind eng mit der iranischen Wirtschaft verbunden (FH 4.3.2020). Sie betreiben den Imam Khomeini International Airport in der iranischen Hauptstadt und verfügen damit allein durch Start- und Landegebühren über ein äußerst lukratives Geschäft. Auch an den anderen Flug- und Seehäfen im Land kontrollieren die Truppen der IRGC Irans Grenzen. Sie entscheiden, welche Waren ins Land gelassen werden und welche nicht. Sie zahlen weder Zoll noch Steuern. Sie verfügen über Land-, See- und Luftstreitkräfte, kontrollieren Irans strategisches Waffenarsenal und werden auf eine Truppenstärke von mehr als 120.000 geschätzt. Außerdem sind die Revolutionswächter ein gigantisches Wirtschaftsunternehmen, das Augenkliniken betreibt, Kraftfahrzeuge, Autobahnen, Eisenbahnstrecken und sogar U-Bahnen baut. Sie sind eng mit der Öl- und Gaswirtschaft des Landes verflochten, bauen Staudämme und sind im Bergbau aktiv (DW 18.2.2016). Khamenei und den Revolutionsgarden gehören rund 80% der iranischen Wirtschaft. Sie besitzen außer den größten Baufirmen auch Fluggesellschaften, Minen, Versicherungen, Banken, Elektrizitätswerke, Telekommunikationsfirmen, Fußballklubs und Hotels. Für die Auslandsaktivitäten gibt das Regime Milliarden aus (Menawatch 10.1.2018). Längst ist aus den Revolutionsgarden ein bedeutender Machtfaktor geworden - gesellschaftlich, wirtschaftlich, militärisch und politisch. Sehr zum Leidwesen von Hassan Rohani. Der Präsident versucht zwar, die Garden und ihre Chefebene in die Schranken zu weisen. Das gelingt ihm jedoch kaum (Tagesspiegel 8.6.2017; vgl. BTI 2020). Die paramilitärischen Einheiten schalten und walten nach wie vor nach Belieben - nicht nur in Iran, sondern in der Region. Es gibt nur wenige Konflikte, an denen sie nicht beteiligt sind. Libanon, Irak, Syrien, Jemen - überall mischen die Revolutionsgarden mit und versuchen, die islamische Revolution zu exportieren. Ihre Al-Quds-Brigaden sind als Kommandoeinheit speziell für Einsätze im Ausland trainiert (Tagesspiegel 8.6.2017).

Das Ministerium für Information ist als Geheimdienst (Vezarat-e Etela’at) mit dem Schutz der nationalen Sicherheit, Gegenspionage und der Beobachtung religiöser und illegaler politischer Gruppen beauftragt. Aufgeteilt ist dieser in den Inlandsgeheimdienst, Auslandsgeheimdienst, Technischen Aufklärungsdienst und eine eigene Universität (Imam Ali Universität). Dabei kommt dem Inlandsgeheimdienst die bedeutendste Rolle bei der Bekämpfung der politischen Opposition zu. Der Geheimdienst tritt bei seinen Maßnahmen zur Bekämpfung der politischen Opposition nicht als solcher auf, sondern bedient sich überwiegend der Sicherheitskräfte und der Justiz (AA 26.2.2020).

Das reguläre Militär (Artesh) erfüllt im Wesentlichen Aufgaben der Landesverteidigung und Gebäudesicherung. Neben dem „Hohen Rat für den Cyberspace“ beschäftigt sich die iranische Cyberpolizei mit Internetkriminalität mit Fokus auf Wirtschaftskriminalität, Betrugsfällen und Verletzungen der Privatsphäre im Internet sowie der Beobachtung von Aktivitäten in sozialen Netzwerken und sonstigen politisch relevanten Äußerungen im Internet. Sie steht auf der EU- Menschenrechtssanktionsliste (AA 26.2.2020).

Die Regierung hat volle Kontrolle über die Sicherheitskräfte und über den größten Teil des Landes, mit Ausnahme einiger Grenzgebiete. Irans Polizei ist traditionellerweise verantwortlich für die innere Sicherheit und für Proteste oder Aufstände. Sie wird von den Revolutionsgarden (IRGC) und den Basij Milizen unterstützt. Im Zuge der steigenden inneren Herausforderungen verlagerte das herrschende System die Verantwortung für die innere Sicherheit immer mehr zu den IRGC. Die Polizeikräfte arbeiten ineffizient. Getrieben von religiösen Ansichten und Korruption, geht die Polizei gemeinsam mit den Kräften der Basij und der Revolutionsgarden rasch gegen soziale und politische Proteste vor, ist aber weniger eifrig, wenn es darum geht, die Bürger vor kriminellen Aktivitäten zu schützen (BTI 2020).

Der Oberste Führer hat die höchste Autorität über alle Sicherheitsorganisationen. Straffreiheit innerhalb des Sicherheitsapparates ist weiterhin ein Problem. Menschenrechtsgruppen beschuldigen reguläre und paramilitärische Sicherheitskräfte (wie zum Beispiel die Basij), zahlreiche Menschenrechtsverletzungen zu begehen. Es gibt keinen transparenten Mechanismus, um Fehlverhalten der Sicherheitskräfte zu untersuchen oder zu bestrafen. Es gibt nur wenige Berichte, dass die Regierung Täter zur Rechenschaft zieht (US DOS 11.3.2020).

Mit willkürlichen Verhaftungen kann und muss jederzeit gerechnet werden, da die Geheimdienste (der Regierung und der Revolutionsgarden) sowie die Basijis nicht nach iranischen rechtsstaatlichen Standards handeln. Auch Verhaltensweisen, die an sich (noch) legal sind, können das Misstrauen der Basijis hervorrufen. Bereits auffälliges Hören von (insbesondere westlicher) Musik, ungewöhnliche Bekleidung oder Haarschnitt, die Äußerung der eigenen Meinung zum Islam, Partys oder gemeinsame Autofahrten junger, nicht miteinander verheirateter Männer und Frauen könnte den Unwillen zufällig anwesender Basijis bzw. mit diesen sympathisierender Personen hervorrufen. Willkürliche Verhaftungen oder Misshandlung durch Basijis können in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden (ÖB Teheran 10.2019).

In Bezug auf die Überwachung der Bevölkerung, ist nicht bekannt, wie groß die Kapazität der iranischen Behörden ist. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eineAtmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018). Insbesondere die kurdische Region scheint stärker überwacht zu sein, als der Rest des Landes (DIS 7.2.2020).

Quellen:

•        AA - Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deuts

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•        BTI - Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti-proj ect.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020

•        DIS - Danish Immigration Service (7.2.2020): Iranian Kurds: Consequences of political activities in Iran and KRI, https://www.ecoi.net/en/file/local/2024578/Report+on+Iranian +Kurds+Feb+2020.pdf, Zugriff 14.5.2020

•        DW - Deutsche Welle (18.2.2016): Die Strippenzieher der iranischen Wirtschaft, http: //www.dw.com/de/die-strippenzieher-der-iranischen-wirtschaft/a-19054802 , Zugriff

7.4.2020

•    &

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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