Entscheidungsdatum
22.06.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
G313 2224301-1/17E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Polen, vertreten durch BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.08.2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.05.2021 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit dem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) vom 21.08.2019 wurde gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG gegen den Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ein für die Dauer von sieben Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs. 3 FPG dem BF kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.), und einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).
2. Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.
3. Am 14.10.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) mit Beschwerdevorlage-Schreiben vom 10.10.2019 die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt ein.
4. Mit Telefax vom 16.10.2019 wurde seitens des BVwG die Justizanstalt, in welcher der BF in Österreich zuletzt eine Freiheitsstrafe verbüßen musste, um Übermittlung der den BF betreffenden Besucherliste ersucht.
Diese angeforderte, Besuche im Zeitraum vom 27.06.2019 bis 05.10.2019 bescheinigende Besucherliste langte am 17.10.2019 beim BVwG ein.
5. Am 11.05.2021 fand vor dem BVwG, Außenstelle Graz, mit dem BF und seiner Rechtsvertreterin im Beisein der den BF vorführenden Polizeibeamten der Justizanstalt per Videokonferenz eine mündliche Verhandlung statt.
6. Am 26.05.2021 langten beim BVwG Einwendungen gegen das Verhandlungsprotokoll bzw. Berichtigungen und Ergänzungen zur Verhandlungsniederschrift vom 11.05.2021 ein, welche seitens der erkennenden Richterin zur Kenntnis genommen und berücksichtigt wurden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF ist Staatsangehöriger von Polen.
1.2. Er ist nicht verheiratet und hat keine Kinder. Der BF hat in Österreich seine Mutter, Großmutter, Brüder, Tanten und Onkel als familiäre Anknüpfungspunkte. In seinem Herkunftsstaat leben abgesehen von einer rund 90 Jahre alten Großmutter keine Familienangehörigen.
1.3. Der BF war ursprünglich römisch-katholisch, und ist dann zu einem nicht bestimmbaren Zeitpunkt zum Islam konvertiert.
1.4. Er hielt sich ab zumindest August 2003 bis zu seiner Abschiebung nach Polen am 18.10 2019 im österreichischen Bundesgebiet auf.
Seine Abschiebung basierte auf dem vom BFA gegen den BF mit Bescheid vom 21.08.2019 erlassenen durchsetzbaren Aufenthaltsverbot, wurde doch einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot die aufschiebende Wirkung aberkannt, weil die sofortige Ausreise des BF im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit für erforderlich gehalten wurde.
Der BF kehrte kurze Zeit nach seiner Abschiebung nach Polen am 18.10.2019, zu einem unbestimmten Zeitpunkt, wieder nach Österreich zurück.
Er weist im Gesamtzeitraum vom 19.08.2003 bis 18.10.2019 Hauptwohnsitzmeldungen an diversen Adressen im österreichischen Bundesgebiet auf und war nach seiner Rückkehr nach Österreich vom 07.09.2020 bis 04.03.2021 bei seiner Mutter obdachlos gemeldet.
Nunmehr hält er sich in einer Justizanstalt auf und ist dort seit 04.03.2021 mit Hauptwohnsitz gemeldet.
1.5. Der BF wurde in Österreich mehrmals strafrechtlich verurteilt, und zwar mit
? Urteil von November 2014, rechtskräftig (im Folgenden: RK) mit November 2014, wegen versuchten Raubes als junger Erwachsener unter Anordnung der Bewährungshilfe zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten, davon 12 Monate Freiheitsstrafe bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren,
wobei nach diesbezüglichem Gerichtsbeschluss von März 2015 der BF beschlossen im April 2015 bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren aus der Haft entlassen, im Dezember 2017 die Probezeit des bedingten Strafteiles auf insgesamt fünf Jahre verlängert, im Mai 2018 die Bewährungshilfe aufgehoben, im November 2020 die Freiheitsstrafe endgültig nachgesehen und vom Gericht im Jänner 2021 beschlossen wurde, den BF aus der Freiheitsstrafe endgültig zu entlassen, was im April 2015 vollzogen wurde, des Weiteren mit
? Urteil von Oktober 2016, RK mit Februar 2017, wegen im November 2014 als junger Erwachsener begangenen Betruges zu einer Geldstrafe von 200 Tagessätzen zu je EUR 4,00 (EUR 800,00), im Nichteinbringungsfall 100 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, dann mit
? Urteil von August 2017, RK mit September 2017, wegen unerlaubten Umganges mit Suchtgiften Anfang des Jahres 2017 zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 4,00 EUR (200,00 EUR), im Nichteinbringungsfall 25 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, mit
? Urteil von März 2018, RK mit März 2018, wegen versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten,
wobei nach diesbezüglichem Gerichtsbeschluss der BF im November 2018 unter Anordnung der Bewährungshilfe bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren aus der Freiheitsstrafe entlassen und mit einem weiteren Gerichtsbeschluss die Bewährungshilfe im November 2019 aufgehoben wurde.
1.5.1. Der strafrechtlichen Verurteilung des BF von November 2014 lagen folgende strafbare Handlungen des BF zugrunde:
Der BF und weitere sieben Täter haben an einem Ort im österreichischen Bundesgebiet
I./ jeweils im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB), jeweils durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) teils unter Verwendung von Waffen, bestimmten im Strafrechtsurteil namentlich angeführten Personen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern,
(…)
B./ abgenötigt, und zwar
(…)
3./ der BF und weitere drei Täter am 15.08.2014 (…), (…) und (…) nachangeführte Wertsachen, dadurch, dass der BF seine Oberbekleidung hochzog und ihnen einen im Hosenbund steckenden Gegenstand zeigte und einer seiner Mittäter ihnen vorerst Schläge androhte und anschließend mit einem der Opfer um die Ecke ging, wo er ihn gegen eine Ecke drängte und ihn dazu aufforderte, ihm seine Wertgegenstände zu übergeben, woraufhin ihm das Tatopfer sein Mobiltelefon samt Aufladehülle und seine Geldbörse ausfolgte, während der BF und zwei seiner Mittäter die zwei anderen Tatopfer umringten und ihre Mobiltelefone und Bargeld forderten, wobei ein Mittäter des BF zu ihnen sagte, dass sie auch anders könnten, woraufhin eines der Tatopfer ihnen 30,00 EUR Bargeld und das zweite Tatopfer ihnen sein Mobiltelefon und Bargeld in Höhe von 5,00 EUR aushändigten;
C./ der BF und zwei Mittäter am 16.08.2014 ein Tatopfer durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (§ 89 StGB) abzunötigen versucht, indem sie ihm nachliefen, ihn festhielten und umkreisten und zur Übergabe seiner Wertgegenstände aufforderten, wobei es nur deshalb beim Versuch blieb, weil das Opfer keine Wertgegenstände bei sich hatte;
(…)“
1.5.2. Der strafrechtlichen Verurteilung des BF von März 2018 lag Folgendes zugrunde:
Der BF hat bestimmten im Strafrechtsurteil namentlich genannten Beamten mit Gewalt an einer Amtshandlung zu hindern versucht, und zwar
A./ am 18.01.2018 den Polizeibeamten Insp. (…) an der Aufrechterhaltung der zuvor ausgesprochenen Festnahme gemäß den Bestimmungen des VStG sowie der Personendurchsuchung, indem er dem Genannten mit der flachen Hand gegen den Gesichtsbereich schlug und ihn zur Seite drängte, wobei es beim Versuch blieb, weil er letztendlich festgenommen und in das PAZ (…) verbracht werden konnte;
B./ am 16.1.2018 den Exekutivbeamten Insp. (…), der im Begriff stand, ihn einer Identitätsfeststellung und Personendurchsuchung zu unterziehen, indem er mit seinem Oberkörper gegen den Oberkörper des Genannten stieß und ihn dadurch wegdrängte.
(…).“
Der BF hat dadurch die Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 dritter Fall StGB begangen und wurde deswegen zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten strafrechtlich verurteilt.
Bei den Strafbemessungsgründen wurde seitens des Strafgerichts das reumütige Geständnis des BF und der Umstand, dass die Tat im Versuchsstadium geblieben ist, mildernd, und die mehrfache Tatbegehung, eine einschlägige Vorverurteilung des BF, die Begehung während offener Probezeit und der rasche Rückfall erschwerend gewertet.
Von dem weiteren gegen ihn mit Strafantrag der Staatsanwaltschaft von Februar 2018 erhobenen Vorwurf, er habe an einem Ort im Bundesgebiet am 18.01.2018 den Polizeibeamten Insp. (…) durch die in Punkt 1./ des Strafantrages dargestellte strafbare Handlung während der Vollziehung seiner Aufgaben und Erfüllung seiner Pflichten vorsätzlich am Körper zu verletzen versucht (§ 15 StGB), wobei es aufgrund des Umstandes, dass die Tat keine Verletzungen zur Folge hatte, beim Versuch geblieben ist, wurde der BF hingegen gemäß § 259 Z. 3 StPO freigesprochen.
Als Begründung dafür wurde Folgendes angeführt:
„Es kann nicht festgestellt werden, dass der Angeklagte mit Verletzungsvorsatz einen Schlag gegen Insp. (…) ausübte, da dies weder von den Zeugen behauptet noch vom Angeklagten eingestanden wurde. Auch ein Misshandlungsvorsatz ist aus der Handlung des Angeklagten nicht ersichtlich und erlitt Insp. (…) überdies weder eine Körperverletzung noch eine Gesundheitsschädigung. Vielmehr ist davon auszugehen, dass lediglich die flache Hand des Angeklagten im Zuge seiner Widerstandshandlung Insp. (…) im Gesicht traf, ohne dass der Angeklagte dies beabsichtigte, zumal dies auch von den gehörten Zeugen im Wesentlichen so bestätigt wurde.“
1.5.2.1. Festgestellt wird, dass der BF im Zeitraum vom 27.06.2019 bis 05.10.2019, für welchen Zeitraum in einer von der Justizanstalt übermittelten Besucherliste vom BF in Haft erhaltene Besuche aufscheinen, unter anderem von seiner Mutter und seinem Bruder in Haft besucht wurde, und zwar am 27.06.2019, 17.08.2019, 14.09.2019 von seiner Mutter und am 14.09.2019 und am 05.10.2019 von seinem rund ein Jahr jüngeren Bruder.
Der BF berichtete in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 11.05.2021 befragt danach, ob er in Haft Besuche erhalten habe, davon, von seiner Mutter besucht worden zu sein. Seinen Bruder erwähnte er da nicht.
Sein Bruder, der den BF im Jahr 2019 in Haft besucht hat, ist im österreichischen Bundesgebiet selbst straffällig bzw. rechtskräftig strafrechtlich verurteilt worden und zwar im April 2019 wegen § 278 StGB und § 278b Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren. Die dieser strafrechtlichen Verurteilung zugrunde gelegenen strafbaren Handlungen des Bruders des BF in Zusammenhang mit dem IS hatten zur Folge, dass gegen diesen im Dezember 2020 rechtskräftig ein unbefristetes Aufenthaltsverbot nach § 67 Abs. 3 Z. 2 FPG erlassen worden ist. Nach diesem Aufenthaltsverbotstatbestand kann ein Aufenthaltsverbot unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet.
Der strafrechtlichen Verurteilung des Bruders des BF lag konkret Folgendes zugrunde:
Der Bruder des BF wurde für schuldig gesprochen,
A)
zumindest von 01.09.2017 bis Juni 2018 als Mitglied (§ 278 Abs. 3 StGB) einer terroristischen Vereinigung (§ 278b Abs. 3 StGB), nämlich in der UN-Sanktionsliste aufscheinenden Terrororganisation „Islamic State“, die aus der seit zumindest 2004 bestehenden Terrororganisation „Al Qaida im Irak“ hervorging und darauf gerichtet ist, dass von einem oder mehreren Mitgliedern dieser Vereinigung eine oder mehrere terroristische Straftaten (§ 278c StGB) ausgeführt werden oder Terrorismusfinanzierung (§278d StGB) betrieben wird, beteiligt gewesen zu sein, wobei er im Wissen gehandelt habe, durch seine Beteiligung die Vereinigung „Islamic State“ oder deren strafbare Handlungen zu fördern, indem er mit dem Ziel, die Sympathien der nachgenannten Personen für den IS zu unterstützen und das Gedankengut dieser terroristischen Vereinigung zu verbreiten
einen deutschsprachigen Kampf-Nasheed des IS, der zu Terroranschlägen in Europa, der Abschlachtung von Europäern und dem militärischen Dschihad aufrief, im Fahrzeug des abgesondert verfolgten (…) abspielte und lautstark mitsang, während (…) ein Video mit seinem Mobiltelefon von sich selbst und dem BF drehte, das er anschließend unter anderem an (…) schickte;
mit (…) in wiederholten Angriffen YouTube-Links mit Propagandamaterial des IS, in welchem zum militärischen Dschihad gegen die westlichen Demokratien aufgerufen wurde, in Chats teilte;
in wiederholten Angriffen Propagandamaterial des IS, nämlich den IS, dessen Kämpfer und den militärischen Dschihad glorifizierende und terroristische, religiös motivierte Gewaltverbrechen des IS an Menschen zeigende Bild- und Audiodateien und IS-Kampfnasheeds an die abgesondert verfolgten (…), (…), (…) und (…) schockte bzw. mit ihnen in Gruppenchats teilte;
B)
durch die unter Punkt A./ näher bezeichneten Handlungen an einer auf längere Zeit angelegte unternehmensähnliche Verbindung einer größeren Anzahl von Personen, nämlich der international agierenden terroristischen Verbindung einer größeren Zahl von Personen, nämlich der international agierenden terroristischen Vereinigung „Islamic State“ als Mitglied in dem Wissen beteiligt zu haben, dass er dadurch die Vereinigung in ihrem Ziel, im Irak, in Syrien, im Libanon, in Jordanien und in Palästina einen radikal-islamischen Gottesstaat (Kalifat) zu errichten und deren terroristische Straftaten nach § 278 c Abs. 1 StGB zur Erreichung dieses Ziels förderte, wobei diese Vereinigung, wenn auch nicht ausschließlich, auf die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen, die das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder das Vermögen bedrohen, sowie schwerwiegender strafbarer Handlungen im Bereich der sexuellen Ausbeutung von Menschen, der Schlepperei oder des unerlaubten Verkehrs mit Kampfmitteln, insbesondere dem tatsächlichen kriegerischen Einsatz erlangter Waffen, ausgerichtet ist, indem sie seit Sommer 2011 insbesondere in Syrien und im Irak unter Anwendung besonderer Grausamkeit durch terroristische Straftaten nach § 278 c Abs. 1 StGB die Zerstörung des syrischen und irakischen Staates betreibt, in den eroberten Gebieten in Syrien und im Irak die sich nicht ihren Zielen unterordnende Zivilbevölkerung tötet und vertreibt, sich deren Vermögen aneignet, durch Geiselnahme große Geldsummen erpresst, die vorgefundene Kunstschätze veräußert und Bodenschätze, insbesondere von Erdöl und Phosphat, zu ihrer Bereicherung ausbeutet, die durch all diese Straftaten eine Bereicherung im großen Umfang anstrebt und Dritte durch angedrohte und ausgeführte Terroranschläge insbesondere in Syrien und Irak, aber auch in Europa, einschüchtert und sich auf besondere Weise, nämlich durch Geheimhaltung ihres Aufbaues, ihrer Finanzstruktur, der personellen Zusammensetzung der Organisation und der internen Kommunikation gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abschirmt.“
In der den Bruder des BF betreffenden Aufenthaltsverbotsentscheidung des BVwG wurde des Weiteren Folgendes festgehalten:
„Jene Deradikalisierungstherapie, die der BF über Anordnung des Landesgerichtes für Strafsachen (…) zu absolvieren hat, ist nicht abgeschlossen und ist ein Ende derselben trotz einer Reduktion der Sitzungsintervalle ab dem Beginn des Jahres 2021 nicht absehbar.
Aus der Sicht des als Zeugen einvernommenen Vertreters des Vereins (…) lässt sich trotz der positiven Tendenzen in der Deradikalisierungsentwicklung des Beschwerdeführers ein Rückfall in die ursprüngliche Ideologie, deretwegen er sich der Deradikalisierung unterziehen musste, nicht zur Gänze ausschließen bzw. lässt sich auch nicht ausschließen, dass jemand, der beim Verein (…) ein Deradikalisierungsprogramm durchlief, „in einer Krisensituation zum Attentäter werden kann“ (Einvernahme des Dr. … als Zeugen in Verhandlungsniederschrift vom 26.11.2020, S. 22).“
Aus den in der den Bruder des BF betreffenden Entscheidung des BVwG wiedergegebenen rechtskräftig strafrechtlich verurteilten strafbaren Handlungen geht zudem hervor, dass an den unter A) angeführten in Zusammenhang mit dem IS begangenen strafbaren Handlungen auch ein mit Strafrechtsurteil von November 2014 zusammen mit dem BF strafrechtlich verurteilter Mittäter des BF involviert war.
Es wird daher festgestellt, dass der BF in Österreich ein kriminelles bzw. hochkriminelles für die Sicherheit in Österreich gefährliches familiäres und soziales Umfeld hat.
Bezüglich des gegen den Bruder des BF erlassenen Aufenthaltsverbotes wird zudem Folgendes festgestellt.
Das besagte Erkenntnis des BVwG von Dezember 2020, mit welchem gegen den BF ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen wurde, wurde, nachdem dagegen außerordentliche Revision erhoben worden war, mit Erkenntnis des VwGH vom 29.09.2020, Ra 2020/21/112/7, wegen fehlender mündlicher Verhandlung vor dem BVwG bzw. wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben.
Fest steht, dass sich der Bruder des BF weiterhin in Österreich aufhält und im österreichischen Bundesgebiet eine aufrechte Hauptwohnsitzmeldung aufweist.
1.5.3. Der BF ist zumindest seit Anfang des Jahres 2017 suchtmittelabhängig, wurde wegen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften im Alter von 21 Jahren Anfang des Jahres 2017 im September 2017 zu einer Geldstrafe rechtskräftig strafrechtlich verurteilt, und absolviert seit kurzem eine Therapie. Den Nachweis über die positive Absolvierung einer Therapie bzw. Drogenersatztherapie konnte der BF nicht vorlegen.
1.5.4. Der BF befindet sich nunmehr seit 04.03.2021 erneut in Haft, wegen eines versuchten Raubes bei einem Drogendealer, wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG angab (VH-Niederschrift, S. 6).
1.6. Der BF besuchte im österreichischen Bundesgebiet die Pflichtschule und dann eine Berufsschule bzw. eine Maurerlehre, die er nicht abgeschlossen hat.
1.7. Er ging in Österreich von Anfang Jänner 2012 bis 25.09.2014 als Arbeiterlehrling einer Beschäftigung nach, und hat im Zeitraum vom 01.10.2014 bis 03.03.2021 immer wieder Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung und innerhalb dieses Zeitraums im Zeitraum vom 02.02.2015 bis 09.09.2015 immer wieder bedarfsorientierte Mindestsicherung bezogen.
Festgestellt wird zudem, dass der BF Schulden hat, und zwar in Höhe von mehreren tausend Euro.
1.8. Der BF ist nicht gewillt, sich behördlich bzw. gerichtlich gesetzten aufenthaltsbeendenden Maßnahmen zu fügen.
Es ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der BF, der, nachdem mit Erlassung des gegenständlich angefochtenen Bescheides vom 21.08.2019 ein durchsetzbares auf sieben Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden und der BF am 18.10.2018 nach Polen abgeschoben worden war, kurze Zeit darauf wieder nach Österreich zurückgekehrt ist, bei einer neuerlichen Abschiebung nach Polen erneut nach Österreich zurückkommen würde, wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG mit den Worten, er „würde wieder nach Österreich kommen“ (VH-Niederschrift, S. 8), glaubhaft ankündigte.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang beruht auf dem diesbezüglichen Akteninhalt.
2.2. Zur Person des BF und seinen individuellen Verhältnissen:
2.2.1. Die Identität und Staatsangehörigkeit des BF stehen aufgrund des diesbezüglich glaubhaften Akteninhaltes fest.
Dass sich der BF ursprünglich zum römisch-katholischen Glauben bekannt hat und dann zu einem unbestimmten Zeitpunkt in Österreich zum Islam konvertiert ist, ergab sich aus dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt.
2.2.2. Die Feststellungen zum Familienstand des BF und seinen familiären Verhältnissen beruhen auf seinem diesbezüglich glaubhaften Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 11.05.2021 (VH-Niederschrift, S. 7).
2.2.3. Die Feststellungen zu den rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilungen beruhen auf einem den BF betreffenden Auszug aus dem Strafregister der Republik Österreich.
Nähere Feststellungen zu den, den strafrechtlichen Verurteilungen des BF zugrundeliegenden strafbaren Handlungen basieren auf dem Inhalt der diesbezüglichen Strafrechtsurteile im Akt (AS 117 betreffend Strafrechtsurteil von März 2018, AS 41f betreffend Strafrechtsurteil von November 2014)
Auch die Feststellungen zu den Strafbemessungsgründen und zu dem im Strafrechtsurteil von März 2018 enthaltenen Freispruch beruhen auf dem Inhalt des jeweiligen Strafrechtsurteils im Akt.
Die Feststellungen zu den, den Bruder des BF betreffenden strafbaren Handlungen in Zusammenhang mit dem IS, in welchen auch ein zusammen mit dem BF im November 2014 rechtskräftig strafrechtlich verurteilter Mittäter des BF involviert war, konnten nach Einsicht in das den Bruder des BF betreffende Erkenntnis des BVwG vom 22.12.2020, Zl. G305 2225627-1/19E, welches im BVwG-internen Computerprogramm eVa plus gespeichert ist, getroffen werden.
Mit Erlassung dieser Entscheidung des BVwG von Dezember 2020 wurde das vom BFA gegen den Bruder des BF erlassene unbefristete Aufenthaltsverbot gemäß § 67 Abs. 3 Z. 2 FPG bestätigt.
Nachdem gegen dieses BVwG-Erkenntnis außerordentliche Revision erhoben worden war, wurde diese Entscheidung mit Erkenntnis des VwGH vom 29.09.2020, Ra 2020/21/112/7 wegen fehlender mündlicher Verhandlung vor dem BVwG bzw. wegen Rechtswidrigkeit behoben. Dies geht ebenso aus dem BVwG-internen Computerprogramm eVa plus hervor.
Aufgrund der der rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung des Bruders des BF zugrunde gelegenen strafbaren Handlungen in Zusammenhang mit dem IS, in welche auch einer der Täter, die mit Strafrechtsurteil von November 2014 zusammen mit dem BF rechtskräftig strafrechtlich verurteilt worden sind, involviert war, geht jedenfalls hervor, dass der BF in Österreich ein hochkriminelles Umfeld hat.
Der BF befindet sich nunmehr seit 04.03.2021 erneut in Haft. Dies ergab sich aus dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt. Der BF gab in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 11.05.2021 an, nunmehr wegen eines versuchten Raubes bei einem Drogendealer in Haft zu sein (VH-Niederschrift, S. 6).
2.2.4. Vor seiner Inhaftnahme am 04.03.2021 wohnte der BF bei seiner Mutter. Bei dieser war er vom 07.09.2020 bis 04.03.2021 obdachlos gemeldet.
Wann der BF nach seiner aus einem Fremdenregisterauszug hervorgehenden Abschiebung nach Polen am 18.10.2019 wieder nach Österreich zurückgekommen ist, konnte nicht festgestellt werden.
Festgestellt werden konnte jedoch, dass der BF kurze Zeit nach seiner Abschiebung nach Polen wieder nach Österreich zurückgekommen ist. Dies ergab sich aus dem folgenden glaubhaften Vorbringen des BF in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG:
„Ich bin gleich wieder zurückgefahren, denn ich habe ja nichts in Polen. Danach wurde ich von der Polizei aufgehalten, nach einem Jahr ca.“ (VH-Niederschrift, S. 4)
Vor seiner Abschiebung nach Polen am 18.10.2019 weist der BF einen durchgehenden Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet zumindest seit August 2003 auf. Dies beruht auf dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt. Der BF war zudem vom 19.08.2003 bis 18.10.2019 im österreichischen Bundesgebiet durchgehend mit Hauptwohnsitz gemeldet.
Die Feststellungen zu den behördlichen Meldungen des BF konnten nach einer Einsicht in das Zentrale Melderegister getroffen werden, ebenso wie dies bezüglich der Feststellung zur aufrechten Hauptwohnsitzmeldung seines Bruders der Fall war.
2.2.5. Der BF berichtete in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG davon, 2017 drogenabhängig geworden zu sein und sein ganzes Geld in den Drogenkonsum hineinfinanziert zu haben. (VH-Niederschrift, S. 5).
Er gab befragt danach, ob er eine Drogentherapie gemacht habe, zudem Folgendes an:
„Nein, habe ich nicht gemacht. Ich habe jetzt einen Therapieplatz bekommen beim Grünen Kreis. Ich habe eben noch nie eine Therapie gemacht.“ (VH-Niederschrift, S. 5)
Dieses im Verhandlungsprotokoll festgehaltene Vorbringen ergänzte der BF durch seine Rechtsvertreterin im Nachhinein wie folgt:
„Der BF ergänzt, dass er sich derzeit in einer Substitutionstherapie mit 40mg Methadon befindet.“
Der BF ist drogensüchtig. Dies beruht auf dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt. Der BF gab in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG an, im Jahr 2017 suchtmittelabhängig geworden sein (VH-Niederschrift, S. 5).
Fest steht, dass der BF wegen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften im Jänner 2017 im August 2017 bzw. rechtskräftig im September 2017 zu einer Geldstrafe strafrechtlich verurteilt wurde.
Ob der BF tatsächlich, wie der BF vor dem BVwG angab, im Jahr 2017 drogenabhängig geworden ist (VH-Niederschrift, S. 2017), oder bereits früher, konnte nicht festgestellt werden.
Aufgrund diesbezüglich glaubhaften Vorbringens des BF vor dem BVwG, „jetzt einen Therapieplatz bekommen“ und „noch nie eine Therapie“ gemacht zu haben (VH-Niederschrift, S. 5), absolviert der BF nun erstmals eine Therapie zur Bekämpfung seiner Suchtmittelabhängigkeit.
Einen Nachweis über eine positiv absolvierte Suchtmitteltherapie konnte er nicht vorlegen.
2.2.6. Dass der BF in Österreich die Schule und eine Berufsschule besucht hat, ergab sich aus dies bescheinigenden Nachweisen im Akt. Der BF legte unter anderem den Schulbesuch im Zeitraum von 2003 bis 2011 bescheinigende Schulzeugnisse bzw. Schulnachweise, den Besuch der Berufsschule im Zeitraum von 2011 bis 2013 bescheinigende Zeugnisse und einen Ausbildungsvertrag von Oktober 2011, jeweils in Kopie, vor (AS 385ff). Laut vorgelegtem Ausbildungsvertrag war für den BF eine Lehrausbildung als Maurer im Ausbildungszeitraum vom 19.10.2011 bis 18.10.2014 vorgesehen (AS 387).
Dass ihm zum Abschluss seiner Maurerlehre noch eine Prüfung fehlt, ergab sich aus seiner diesbezüglich glaubhaften Angabe in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG (VH-Niederschrift, S. 5), und dem vom BF im Verfahren nachgewiesenen zweijährigen Berufsschulbesuch.
2.2.7. Dass der BF von Anfang Jänner 2012 bis 25.09.2014 als Arbeiterlehrling einer Beschäftigung nachgegangen ist und im Zeitraum vom 01.10.2014 bis 03.03.2021 immer wieder Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung und innerhalb dieses Zeitraums im Zeitraum vom 02.02.2015 bis 09.09.2015 immer wieder bedarfsorientierte Mindestsicherung bezogen hat, konnte nach Einsicht in das AJ-WEB Auskunftsverfahren festgestellt werden.
Der BF gab in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 11.05.2021 befragt nach der Höhe seines aktuellen Schuldenstandes Folgendes an:
„Wegen der Wohnung zwischen 7.000,00 und 8.000,00 Schulden. Und meine Verwaltungsstrafen, die sitze ich aber gerade ab. Die Polizeistrafen, das waren ca. 6.000,00 Euro.“ (VH-Niederschrift, S. 8)
Der BF sprach auch zuvor in der mündlichen Verhandlung davon, wegen der Wohnung Schulden – in Höhe von EUR 8.000,00 – zu haben (VH-Niederschrift, S. 4)
Aus dem diesbezüglich glaubhaften Vorbringen geht hervor, dass der BF mehrere tausend Euro Schulden hat. Diese haben sich aus diversen Gründen angesammelt.
2.2.8. Auf die Frage in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG, was passieren würde, wenn er nach Polen zurückmüsste, gab der BF an:
„(…). Ich würde wieder nach Österreich kommen.“ (VH-Niederschrift, S. 8)
Es ist dem BF offenbar gleichgültig, welche Entscheidung in seinem fremdenpolizeilichen Verfahren getroffen wird, würde er doch, wie er vor dem BVwG glaubhaft ankündigte, ohnehin wieder nach Österreich zurückkommen.
Es ist daher mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der BF, der, nachdem mit Erlassung des gegenständlich angefochtenen Bescheides vom 21.08.2019 ein durchsetzbares auf sieben Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden und der BF am 18.10.2018 nach Polen abgeschoben worden war, kurze Zeit darauf wieder nach Österreich zurückgekehrt ist, bei einer neuerlichen Abschiebung nach Polen erneut nach Österreich zurückkommen würde, wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG mit den Worten, er „würde wieder nach Österreich kommen“ (VH-Niederschrift, S. 8), glaubhaft ankündigte.
2.2.9. Der BF gab vor dem BVwG, nachdem er davon berichtet hatte, nach seiner Abschiebung nach Polen gleich wieder nach Österreich zurückgekommen und nach ca. einem Jahr von der Polizei aufgehalten zu sein, zudem Folgendes an:
„Die haben gemeint, dass die kein Recht haben, mich abzuschieben. Sie haben gesagt, dass ich, weil ich eine Beschwerde erhoben habe, ich eigentlich nicht abgeschoben werden hätte dürfen. (…).“ (VH-Niederschrift, S. 4)
Fest steht, dass mit Erlassung des Bescheides des BFA vom 21.08.2019, womit gegen den BF ein siebenjähriges Aufenthaltsverbot erlassen, dem BF kein Durchsetzungsaufschub erteilt und einer Beschwerde gegen das Aufenthaltsverbot die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, das gegen den BF verhängte Aufenthaltsverbot durchsetzbar geworden ist. Die erkennende Richterin teilte die Ansicht des BFA, hielt die sofortige Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbotes ebenso im öffentlichen Interesse erforderlich und erkannte der gegenständlichen Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht zu.
Die Abschiebung des BF während seines laufenden Beschwerdeverfahrens erfolgte somit zu Recht.
Der BF hielt sich jedoch nicht an das gegen ihn erlassene Aufenthaltsverbot und kehrte bald nach seiner Abschiebung wieder nach Österreich zurück.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides
3.1.1. Der mit „Aufenthaltsverbot“ betitelte § 67 FPG lautet in Abs. 1 und Abs. 2 wie folgt:
„§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.
(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.
(…) .“
Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG lautet in Absatz 1 und 2 wie folgt:
„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.“
3.1.2. Mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides des BFA vom 21.08.2019 wurde gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG gegen den BF ein für die Dauer von sieben Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Der BF, der sich ab zumindest August 2003 bis zu seiner Abschiebung nach Polen am 18.10.2019 durchgehend im österreichischen Bundesgebiet aufgehalten hat, weist eine bis zur Abschiebung mehr als zehnjährige Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet auf.
Grundsätzlich würde demnach somit der einen mindestens zehnjährigen Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet verlangende erhöhte Gefährdungsmaßstab gemäß § 67 Abs. 1 S. 5 FPG zur Anwendung kommen.
Nach dieser Bestimmung ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.
Bezüglich des gegenständlich tatsächlich zur Anwendung kommenden Gefährdungsmaßstabes wird Folgendes festgehalten:
Fest steht, dass sich der BF zumindest seit August 2003 bis zur Vollstreckung des mit Erlassung des angefochtenen Bescheides durchsetzbar gewordenen Aufenthaltsverbotes bzw. bis zu seiner Abschiebung nach Polen am 18.10.2019 auf jeden Fall bereits mehr als zehn Jahre lang im österreichischen Bundesgebiet aufgehalten hat.
Der Europäische Gerichtshof führte in seiner Entscheidung vom 17.04.2018, EuGH 17.04.2018, C-316/16, Folgendes aus:
„66 Zweitens ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass dieser Aufenthaltszeitraum von zehn Jahren grundsätzlich ununterbrochen gewesen sein muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Januar 2014, G., C-400/12, EU:C:2014:9, Rn. 27).
67 In dieser Hinsicht ist jedoch auch darauf hinzuweisen, dass Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 so zwar den Genuss des darin vorgesehenen verstärkten Schutzes vor Ausweisung von der Anwesenheit des Betroffenen im Hoheitsgebiet des fraglichen Mitgliedstaats in den letzten zehn Jahren vor der Ausweisung abhängig macht, sich aber daraus nichts zu der Frage ergibt, welche Umstände eine Unterbrechung dieser Aufenthaltsdauer von zehn Jahren bewirken können, die für den Erwerb des Rechts auf verstärkten Ausweisungsschutz erforderlich ist (Urteil vom 23. November 2010, Tsakouridis, C-145/09, EU:C:2010:708, Rn. 29).
68 Der Gerichtshof hat so entschieden, dass hinsichtlich der Frage, inwieweit Abwesenheiten vom Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats in dem in Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 genannten Zeitraum den Betroffenen daran hindern, in den Genuss des verstärkten Schutzes zu kommen, eine umfassende Beurteilung der Situation des Betroffenen jeweils zu dem genauen Zeitpunkt vorzunehmen ist, zu dem sich die Frage der Ausweisung stellt (Urteil vom 23. November 2010, Tsakouridis, C-145/09, EU:C:2010:708, Rn. 32).
69 Dafür haben die mit der Anwendung von Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 betrauten nationalen Behörden alle in jedem Einzelfall relevanten Umstände zu berücksichtigen, insbesondere die Dauer jeder einzelnen Abwesenheit des Betroffenen vom Aufnahmemitgliedstaat, die Gesamtdauer und die Häufigkeit der Abwesenheiten sowie die Gründe, die ihn dazu veranlasst haben, diesen Mitgliedstaat zu verlassen. Zu prüfen ist nämlich, ob die fraglichen Abwesenheiten bedeuten, dass sich der Mittelpunkt der persönlichen, familiären oder beruflichen Interessen des Betroffenen in einen anderen Staat verlagert hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. November 2010, Tsakouridis, C-145/09, EU:C:2010:708, Rn. 33)
70 Was die Frage betrifft, ob gegebenenfalls Zeiträume der Verbüßung einer Haftstrafe als solche und unabhängig von Zeiten der Abwesenheit vom Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats ebenfalls zu einem Abreißen des Bandes zu diesem Staat und zu einer Diskontinuität des Aufenthalts dort führen können, hat der Gerichtshof entschieden, dass zwar solche Zeiträume grundsätzlich die Kontinuität des Aufenthalts im Sinne des Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 unterbrechen. Für die Zwecke der Feststellung, ob sie damit zu einem Abreißen des zuvor geknüpften Bandes der Integration zum Aufnahmemitgliedstaat dergestalt geführt haben, dass der Betroffene nicht mehr in den Genuss des durch diese Bestimmung verbürgten verstärkten Schutzes kommen kann, ist aber gleichwohl eine umfassende Beurteilung der Situation des Betroffenen zu dem genauen Zeitpunkt vorzunehmen, zu dem sich die Frage der Ausweisung stellt. Im Rahmen dieser umfassenden Beurteilung sind die Zeiträume der Verbüßung einer Haftstrafe zusammen mit allen anderen Anhaltspunkten zu berücksichtigen, die die Gesamtheit der im Einzelfall relevanten Gesichtspunkte ausmachen, wozu gegebenenfalls der Umstand zählt, dass der Betroffene in den letzten zehn Jahren vor seiner Inhaftierung seinen Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat hatte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Januar 2014, G., C-400/12, EU:C:2014:9, Rn. 33 bis 38).
71 Insbesondere bei einem Unionsbürger, der früher, noch vor der Begehung einer seine Inhaftierung begründenden Straftat, bereits die Voraussetzung eines ununterbrochenen Aufenthalts von zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat erfüllte, kann nämlich der Umstand, dass er von den Behörden dieses Staates in Haft genommen wurde, nicht als geeignet angesehen werden, ohne Weiteres seine zuvor zum Aufnahmemitgliedstaat geknüpften Integrationsbande abreißen zu lassen sowie die Kontinuität seines Aufenthalts in dessen Hoheitsgebiet im Sinne des Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 zu unterbrechen und ihn damit um den verstärkten Ausweisungsschutz zu bringen, der durch diese Bestimmung verbürgt ist. Ein solches Verständnis hätte auch zur Folge, dass dieser Bestimmung weitgehend ihre praktische Wirksamkeit genommen würde, da eine Ausweisung zumeist gerade wegen des Verhaltens des Betroffenen verfügt werden wird, das zu seiner Verurteilung und zum Freiheitsentzug geführt hat.
72 Im Rahmen der oben in Rn. 70 angesprochenen umfassenden Beurteilung, die hier vom vorlegenden Gericht vorzunehmen sein wird, wird dieses, was die Integrationsbande betrifft, die B in der Zeit des Aufenthalts vor seiner Inhaftierung zum Aufnahmemitgliedstaat geknüpft hat, zu berücksichtigen haben, dass, je fester diese Integrationsbande zu dem besagten Staat insbesondere in gesellschaftlicher, kultureller und familiärer Hinsicht sind – in einem Maße beispielsweise, dass sie zu einer echten Verwurzelung in der Gesellschaft dieses Staates geführt haben, wie sie vom vorlegenden Gericht im Ausgangsverfahren festgestellt worden ist –, umso geringer die Wahrscheinlichkeit sein wird, dass eine Verbüßung einer Freiheitsstrafe zu einem Abreißen der Integrationsbande und damit zu einer Diskontinuität des Aufenthalts von zehn Jahren im Sinne des Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 geführt haben kann.
73 Was die anderen für die Zwecke dieser umfassenden Beurteilung relevanten Anhaltspunkte anbelangt, so können sie, wie vom Generalanwalt in den Nrn. 123 bis 125 seiner Schlussanträge ausgeführt, zum einen die Art der die fragliche Haft begründenden Straftat sowie die Umstände, unter denen die Straftat begangen wurde, und zum anderen alle maßgeblichen Gesichtspunkte in Bezug auf das Verhalten des Betroffenen während des Vollzugs umfassen.
74 Während nämlich die Art der Straftat und die Umstände ihrer Begehung ermessen lassen, in welchem Maß sich der Betroffene gegebenenfalls der Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats entfremdet hat, kann sein Verhalten während der Haft wiederum dazu beitragen, dass eine solche Entfremdung verstärkt wird, oder aber im Gegenteil dazu, dass im Hinblick auf die baldige Wiedereingliederung des Betroffenen in die Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats zuvor zu diesem geknüpfte Integrationsbande aufrechterhalten oder wiederhergestellt werden.
75 In letzterer Hinsicht ist auch zu berücksichtigen, dass, wie vom Gerichtshof bereits festgestellt, die Resozialisierung des Unionsbürgers in dem Staat, in den er vollständig integriert ist, nicht nur im Interesse dieses Staates, sondern auch im Interesse der Europäischen Union insgesamt liegt (Urteil vom 23. November 2010, Tsakouridis, C-145/09, EU:C:2010:708, Rn. 50).
(…)
81 Wie sich nämlich aus den Rn. 66 bis 75 des vorliegenden Urteils ergibt, ändert sich, wenn die Entscheidung über die Ausweisung während oder am Ende des Haftzeitraums ergeht, nichts daran, dass nach Maßgabe der in diesen Randnummern gemachten Ausführungen eine umfassende Beurteilung der Situation des betroffenen Bürgers vorzunehmen ist, um festzustellen, ob er in den Genuss dieses verstärkten Schutzes kommen kann.
(…).“ EuGH 17.04.2018, C-316/16
In Gesamtbetrachtung des Verhaltens des BF, der in Österreich im November 2014 wegen versuchten Raubes, im Oktober 2016 wegen Betruges, im August 2017 wegen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften und im März 2018 wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt jeweils rechtskräftig strafrechtlich verurteilt worden ist und sich auch nunmehr wegen neuerlicher strafbarer Handlungen seit 04.03.2021 in Haft befindet, sowie aller individuellen Umstände, darunter insbesondere des Umstandes, dass der BF, zu einem unbestimmten Zeitpunkt vom römisch katholischen Glauben zum Islam konvertiert, in Österreich in ein hochkriminelles familiäres und soziales Umfeld eingebettet ist, war doch ein zusammen mit dem BF im November 2014 strafrechtlich verurteilter Mittäter des BF in den von seinem Bruder in Zusammenhang mit dem IS ab September 2017 begangenen im April 2019 rechtskräftig strafrechtlich verurteilten strafbaren Handlungen involviert, ist im gegenständlichen Fall von einer Unterbrechung der Kontinuität des Inlandsaufenthalts des BF und dem Abreißen der zuvor geknüpften Integrationsbande auszugehen (vgl. EuGH 17.04.2018, C-316/16, C-424/16).
Daher kommt im gegenständlichen Fall nicht der bei einem mindestens zehnjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet grundsätzlich zur Anwendung kommende erhöhte Gefährdungsmaßstab nach § 67 Abs. 1. S. 5 FPG, sondern der Gefährdungsmaßstab gemäß § 67 Abs. 1 zweiter bis vierter Satz FPG („tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt“) zur Anwendung.
Im Rahmen der Gefährdungsprognose hinsichtlich eines Aufenthaltsverbotes ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung eines Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (vgl. VwGH 29.6.2017, Ra 2017/21/0068, sowie schon zur Vorläuferbestimmung des § 86 Abs. 1 FPG VwGH 5.7.2011, 2008/21/0131, jeweils mwN). Für eine nachvollziehbare Gefährdungsprognose ist es nicht ausreichend, wenn lediglich das Gericht, die Urteilsdaten, die maßgeblichen Strafbestimmungen und die verhängte Strafe angeführt werden (vgl. VwGH 19.5.2015, Ra 2015/21/0001; 19.5.2015, Ra 2014/21/0057, mwN). Im Rahmen der zu treffenden Feststellungen kann es fallbezogen mitunter aber auch nicht ausreichend sein, die im Urteilstenor des Strafgerichts zum Ausdruck kommenden Tathandlungen wiederzugeben, sondern es sich als notwendig darstellen, darüberhinausgehende Feststellungen zu treffen, um die Gefährdungsprognose in einer dem Gesetz entsprechenden Weise vornehmen zu können (vgl. VwGH 01.03.2018, Ra 2018/19/0014, mwN).
Fest steht, dass der BF in Österreich verschiedenartige Straftaten begangen hat, angefangen als junger Erwachsener im August 2014, welche Handlungen eine mit Strafrechtsurteil von November 2017 gegen ihn verhängte Freiheitsstrafe von 15 Monaten, davon 12 Monate bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, wegen versuchten Raubes nach sich gezogen hat.
Der BF wurde am 11.04.2015 bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren aus der Freiheitsstrafe entlassen. Er hat sich während dieser dreijährigen Probezeit erneut strafbar gemacht.
Nachdem der BF wegen im November 2014 begangenen Betruges im Februar 2017 rechtskräftig strafrechtlich verurteilt worden war, wurde er im August 2017 (RK September 2017) wegen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften Anfang des Jahres 2017 und im März 2018 (RK) wegen im Jänner 2018 versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt strafrechtlich verurteilt.
Der BF gab in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 11.05.2021 nach Vorhalt, dass es nicht normal sei, dass man Widerstand gegen die Staatsgewalt ausübt, an:
„Wenn man sich nicht festnehmen will, dann ist das schon normal.“ (VH-Niederschrift, S. 6)
Nachdem diese Aussage des BF im Zuge der mit dem in einer Haftanstalt aufhältigen BF per Videokonferenz durchgeführten mündlichen Verhandlung niederschriftlich festgehalten worden und dann das Verhandlungsprotokoll der Rechtsvertreterin des BF zugekommen war, brachte die Rechtsvertreterin des BF bezüglich dieser Aussage des BF Folgendes vor:
„Der BF gibt an, diesen Satz in dieser Form nicht gesagt zu haben. Aufgrund der Videoübermittlung wurde seine Antwort wahrscheinlich akustisch falsch verstanden. Er hat gesagt: „Wenn man sich nicht festnehmen will, dann ist das schon automatisch ein Widerstand gegen die Staatsgewalt.“
Dieser Satz lautet jedoch völlig anders als die im Verhandlungsprotokoll niederschriftlich festgehaltene Aussage des BF. Sollte die Rechtsvertreterin des BF gemeint haben, dass der BF nichts anderes gesagt, sondern mit seiner Aussage, „wenn man sich nicht festnehmen will, dann ist das schon normal“, gemeint hat, wenn man sich nicht festnehmen will, man sich dagegen wehrt und dies Widerstand gegen die Staatsgewalt sei, wurde damit zugegeben, dass der BF Widerstand gegen die Staatsgewalt geleistet hat.
Es ist jedoch im gegenständlichen Fall aufgrund des vom BF bislang im Bundesgebiet gezeigten Fehlverhaltens, seines Umgangs mit kriminellen bzw. hochkriminellen auch für die Sicherheit Österreichs gefährlichen Personen aus seiner Familie und seinem sozialen Umfeld, und der im Verfahren erkennbaren Persönlichkeitsstruktur des BF, der nicht gewillt ist, sich an österreichische Rechtsvorschriften zu halten, ohnehin davon auszugehen, dass der BF die im VH-Protokoll festgehaltene Aussage, „wenn man sich nicht festnehmen will, dann ist das schon normal“, in der Verhandlung tatsächlich so gesagt und damit verdeutlicht hat, sich nicht festnehmen lassen zu wollen und sich gegebenenfalls dagegen zu wehren.
Der BF war zuletzt wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt, weswegen er zu einer zehnmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde, in Strafhaft und wurde am 01.11.2018 bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren aus der Freiheitsstrafe entlassen.
Ein Gesinnungswandel eines Straftäters ist grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat. Das gilt auch im Fall einer (erfolgreich) absolvierten Therapie (vgl. VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0276, mwN).
Der BF konnte nach seiner – bedingten – Haftentlassung am 01.11.2018 jedenfalls kein Verhalten setzen, welches für einen positiven Gesinnungswandel sprechen würde.
Er ging keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und bezog bis 03.03.2021 immer wieder Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, bevor er am 04.03.2021 wegen neuerlicher strafbarer Handlungen erneut in Haft kam, wo er sich auch derzeit befindet, diesmal wegen eines versuchten Raubes bei einem Drogendealer, wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 11.05.2021 angab (VH-Niederschrift, S. 6).
Der BF, der zumindest seit dem Jahr 2017 Drogen konsumiert hat, im September 2017 wegen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften rechtskräftig strafrechtlich verurteilt wurde und erst seit kurzem eine Therapie zur Bekämpfung seiner Drogenabhängigkeit absolviert, konnte keinen Nachweis für die positive Absolvierung einer Suchtmitteltherapie vorlegen.
Festgehalten wird an dieser Stelle, dass Suchtgiftdelinquenz ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (siehe VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0249).
Fest steht, dass der BF im österreichischen Bundesgebiet verschiedenartige Straftaten begangen hat, angefangen als junger Erwachsener und dann fortgesetzt sogar innerhalb der mit Strafrechtsurteil von November 2014 ausgesprochenen dreijährigen Probezeit.
Nachdem er am 01.11.2018 bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren aus der Haft, in welcher er sich wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt befand, entlassen worden war, dauerte es zudem nicht lange, bis der BF – am 04.03.2021 – erneut in Haft kam.
Daraus geht hervor, dass der BF nicht gewillt ist, nicht gegen österreichische Rechts- bzw. Strafvorschriften zu verstoßen.
Ebenso nicht gewillt ist er, sich behördlich bzw. gerichtlich gesetzten aufenthaltsbeendenden Maßnahmen zu fügen, ist er doch bereits kurze Zeit, nachdem er nach durchsetzbar gewordenem Aufenthaltsverbot am 18.10.2019 nach Polen abgeschoben worden war, wieder nach Österreich zurückgekehrt, und würde er bei einer erneuten Außerlandesbringung nochmals dasselbe tun, wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 11.05.2021 mit den Worten, er „würde wieder nach Österreich kommen“ (VH-Niederschrift, S. 8), glaubhaft ankündigte.
Im gegenständlichen Fall kann aufgrund der vom BF im österreichischen Bundesgebiet gezeigten auf verschiedenen schädlichen Neigungen beruhenden strafbaren und rechtskräftig strafrechtlich verurteilten Handlungen, seines gesamten Fehlverhaltens einschließlich seines nachhaltig gezeigten Unwillens, sich an österreichische Rechtsvorschriften und behördlich bzw. gerichtlich gesetzte Maßnahmen zu halten, und seines kriminellen bzw. hochkriminellen Umfeldes, in welchem er sich aufhält, von keiner positiven Zukunftsprognose ausgegangen werden.
Es besteht eine vom BF für die öffentliche Ordnung und Sicherheit im österreichischen Bundesgebiet ausgehende gegenwärtige, erhebliche Gefahr iSv § 67 Abs. 1 S. 2 FPG.
Das vom BFA gegen den BF erlassene Aufenthaltsverbot besteht dem Grunde nach somit zu Recht.
Festgehalten wird an dieser Stelle, dass bei der Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes gemäß § 67 Abs. 4 FPG auf alle für seine Erlassung maßgeblichen Umstände, insbesondere auch auf die privaten und familiären Verhältnisse, Bedacht zu nehmen ist, (VwGH 24.05.2016, Ra 2016/21/0075).
Im gegenständlichen Fall waren keine berücksichtigungswürdigen familiären und privaten Interessen des wegen verschiedenartigen Straftaten rechtskräftig strafrechtlich verurteilten BF an einem weiteren Bleiberecht erkennbar.
Es gibt in seinem familiären und sozialen Umfeld niemanden, der dem in Österreich zu einem unbestimmten Zeitpunkt vom römisch-katholischen Glauben zum Islam konvertierten BF behilflich sein könnte, zu einem positiven Gesinnungswandel zu gelangen, im Gegenteil, befindet sich der BF in Österreich doch vielmehr in einem familiären und sozialen Umfeld, in welchem er davon abgehalten wird, auf den Weg zu einem positiven Gesinnungswandel zu gelangen.
Sein in Österreich aufhältiger Bruder, der ihn nachweislich im Jahr 2019 in Haft besucht hat, wurde wegen strafbarer Handlungen in Zusammenhang mit dem IS, in welche auch ein im Strafrechtsurteil des BF von November 2014 namentlich angeführter Mittäter des BF involviert war, rechtskräftig strafrechtlich verurteilt. Daraus war erkennbar, dass sich der BF in einem für die Sicherheit in Österreich gefährlichen kriminellen Umfeld aufhält.
Das vom BFA mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid erlassene Aufenthaltsverbot wird unter Berücksichtigung des gesamten Verhaltens des BF und aller individuellen Verhältnisse und Umstände somit auch der vom BFA ausgesprochene siebenjährigen Dauer nach für unbedingt notwendig gehalten.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird folglich als unbegründet abgewiesen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.
Der BF hat in Österreich verschiedenartige Straftaten begangen und wurde deswegen rechtskräftig strafrechtlich verurteilt. Er hat sich inmitten der mit Strafrechtsurteil von November 2014 ausgesprochenen dreijährigen Probezeit wiederholt strafbar gemacht. Nachdem er am 11.04.2015 bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren bedingt aus seiner Haftstrafe entlassen worden war, kam er am 04.03.2021 erneut in Haft. Der BF zeigte sich in Österreich als unbelehrbar und nicht gewillt, sich an österreichische Rechtsvorschriften zu halten und behördlich bzw. gerichtlich gesetzten (aufenthaltsbeendenden) Maßnahmen zu folgen.
Im gegenständlichen Fall wird die sofortige Ausreise des unbelehrbaren und sich nicht an österreichische Rechtsvorschriften und behördlich bzw. gerichtlich gesetzte Maßnahmen halten wollenden BF im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit somit unbedingt für erforderlich gehalten.
Aus Sicht des erkennenden Gerichtes war wegen der vom BF im österreichischen Bundesgebiet ausgehenden erheblichen Gefahr die sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit notwendig, um diese beiden Belange zu schützen, sodass die belangte Behörde dem BF in Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides zu Recht keinen Durchsetzungsaufschub gewährt hat.
3.3. Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.
Mit Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wurde einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Seitens des BVwG wurde aufgrund der in Österreich gezeigten Unbelehrbarkeit des BF, der sich im österreichischen Bundesgebiet weder an österreichische Rechtsvorschriften noch an behördliche bzw. gerichtliche (aufenthaltsbeendende) Maßnahmen halten will, ebenso eine sofortige Ausreise bzw. Außerlandesbringung des BF im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit für erforderlich gehalten, weshalb der Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt werden konnte.
Auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides war daher als unbegründet abzuweisen.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Schlagworte
Aufenthaltsverbot EU-Bürger individuelle Verhältnisse Interessenabwägung öffentliche Interessen strafrechtliche Verurteilung UnionsrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:G313.2224301.1.00