Entscheidungsdatum
24.06.2021Norm
AsylG 2005 §57Spruch
G314 2243636-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehöriger von Jamaika, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .2021, Zl. XXXX , betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot und Nebenentscheidungen:
A)
Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.
B)
Der Beschwerde wird insofern Folge gegeben, als der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs 3 VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen wird.
C)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
Verfahrensgang und Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer (BF), ein am XXXX in XXXX geborener Staatsangehöriger von Jamaika, verfügt jedenfalls seit 2005 über unbefristete Aufenthaltstitel in Österreich. Zuletzt wurde ihm am XXXX ein Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt - EU“ erteilt; über seinen Verlängerungsantrag vom XXXX wurde noch nicht entschieden. Er wurde im Bundesgebiet drei Mal strafgerichtlich verurteilt: Im XXXX wurde wegen der Vergehen der Begünstigung (§ 299 Abs 1 StGB) und der falschen Beweisaussage (§ 288 Abs 1 und 4 StGB) eine dreimonatige Freiheitsstrafe verhängt, die zunächst bedingt und XXXX endgültig nachgesehen wurde. Im XXXX wurde der BF wegen des Vergehens der Körperverletzung (§ 83 Abs 1 StGB) zu einer sechsmonatigen, bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt, wobei die Probezeit anlässlich der Folgeverurteilung auf fünf Jahre verlängert wurde. Schließlich wurde im XXXX wegen des Verbrechens der schweren Nötigung (§§ 105, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB) eine Strafenkombination (unbedingte Geldstrafe von 240 Tagessätzen á EUR 4 sowie bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zehn Monaten) ausgesprochen.
Im XXXX leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gegen den BF ein und forderte ihn mit Schreiben vom 24.11.2020 auf, sich zu der aufgrund seiner strafgerichtlichen Verurteilungen geplanten Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot zu äußern und konkrete Fragen zu seinem Aufenthalt im Bundesgebiet und zu seinem Privat- und Familienleben zu beantworten.
Der BF erstattete über seinen anwaltlichen Vertreter eine Stellungnahme, in der er vorbringt, sich seit 1991 in Österreich aufzuhalten. Er habe hier die Schule besucht und eine Lehre absolviert; derzeit sei er arbeitslos und beziehe Arbeitslosengeld sowie Wohnbeihilfe. Er habe regelmäßige Kontakte zu seinem XXXX geborenen Sohn, einem österreichischen Staatsbürger, für den er Geldunterhalt leiste. Er habe keine Bindungen zu seinem Herkunftsstaat und sei in Österreich vollständig integriert. Er bedaure seine Straftaten; die Strafgerichte seien jedoch von einer positiven Zukunftsprognose ausgegangen, sodass jeweils bedingte Freiheitsstrafen verhängt worden seien. Die laut dieser Stellungnahme gleichzeitig vorgelegte Urkunde (Beurkundung über die Anerkennung der Vaterschaft) wurde dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nicht übermittelt.
Das BFA führte keine weiteren Erhebungen durch, sondern erließ den nunmehr angefochtenen Bescheid, ohne die gegen den BF ergangenen Strafurteile anzufordern. Mit diesem Bescheid erteilte es dem BF keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt I.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 5 FPG iVm § 9 BFA-VG (Spruchpunkt II.), stellte gemäß § 52 Abs 9 BFA-VG die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Jamaika fest (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG“ ein mit drei Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt IV.), gewährte gemäß § 55 Abs 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt V.) und erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VI.). Es begründet dies – nach Wiedergabe der im Strafregister aufscheinenden Daten - im Wesentlichen damit, dass der BF gesund sei und im Bundesgebiet, wo er sich seit 1999 aufhalte, über eine aufrechte Wohnsitzmeldung und einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ verfüge. Er gehe derzeit keiner Arbeit nach und sei beim AMS gemeldet. Er leiste Geldunterhalt für seinen XXXX geborenen Sohn. Er sei mehrfach rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt worden und habe dadurch seine negative Einstellung zur österreichischen Rechtsordnung dokumentiert. Es könne keine positive Zukunftsprognose erstellt werden. Ein „Aufenthaltsverbot“ (gemeint wohl: Einreiseverbot) sei die einzig adäquate Maßnahme, um auf die von ihm ausgehende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zu reagieren. Das BFA traf darüber hinaus Feststellungen zur allgemeinen Situation in Jamaika. In rechtlicher Hinsicht folgerte es, dass angesichts des nicht rechtmäßigen Aufenthalts des BF die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG von Amts wegen zu prüfen sei, die Voraussetzungen dafür aber nicht vorlägen. Eine Interessenabwägung iSd § 9 BFA-VG ergebe, dass auch bei Berücksichtigung seines Privat- und Familienlebens eine Rückkehrentscheidung zulässig sei. Zwei strafgerichtliche Verurteilungen hätten keinen Sinneswandel bewirkt; der BF sei zum dritten Mal verurteilt worden, wobei abgesehen von seinem Geständnis keine Milderungsgründe festgestellt werden könnten. Seine Sprachkenntnisse könnten nicht festgestellt werden. Sein Privatleben sei angesichts der Straftaten wenig schutzwürdig. Eine Entwurzelung, die ihm das Leben in Jamaika unzumutbar machen würde, sei nicht festzustellen. Der BF sei kein Flüchtling iSd Genfer Flüchtlingskonvention und habe auch keinen anderen dauerhaften Aufenthaltsstatus. Eine Verankerung in der österreichischen Gesellschaft sei nicht erkennbar; die Begehung strafbarer Handlungen konterkariere allfällige Integrationsschritte. Das Gewicht familiärer Beziehungen zu Angehörigen werde relativiert, weil der BF bereits erwachsen sei. Gründe für die Unzulässigkeit der Abschiebung nach Jamaika seien nicht ersichtlich. Die Voraussetzungen für die Erlassung eines bis zu zehnjährigen Einreiseverbots seien angesichts der rechtskräftigen Verurteilungen erfüllt. Die Erlassugn eines Einreiseverbots sei im Hinblick auf die Ziele des Art 8 Abs 2 EMRK dringend geboten, zumal der BF unbelehrbar sei. Von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise sei aufgrund der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung abzusehen. Da eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vorliege, sei die sofortige Ausreise des BF erforderlich, zumal für ihn bei der Rückkehr nach Jamaika keine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung bestünde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und der Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde mit den Anträgen auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und auf Anberaumung einer Beschwerdeverhandlung. Der BF strebt damit primär die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheids an. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag. Die Beschwerde wird zusammengefasst damit begründet, dass er 1991 mit seiner Mutter und seinem Bruder nach Österreich gekommen und seither nie nach Jamaika zurückgekehrt sei. Er sei in Österreich sozialisiert und habe hier seine schulische und berufliche Ausbildung absolviert. Er sei gemeinsam mit der Mutter seines Sohnes mit dessen Obsorge betraut, leiste regelmäßig Geldunterhalt und habe mehrmals wöchentlich Kontakt zu ihm. Außerdem unterstütze er den erkrankten Ex-Ehemann seiner Mutter. Die Feststellung, wonach er sich erst seit 1999 im Bundesgebiet aufhalte, sei falsch. Das BFA habe die engen Bindungen zu seinem Bruder, seiner Mutter und deren Ex-Ehemann sowie zu einem breiten Netz an Freunden und Bekannten in Österreich nicht berücksichtigt. Die herangezogenen Länderberichte seien (insbesondere vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie) nicht hinreichend aktuell. Das BFA habe für die Rückkehrentscheidung die falsche Rechtsgrundlage herangezogen und nicht berücksichtigt, dass die Wertungen des (aufgehobenen) § 9 Abs 4 BFA-VG für den von klein auf im Inland aufgewachsenen BF weiter beachtlich seien. Es sei keine das Gesamtverhalten des BF berücksichtigende Prognosebeurteilung vorgenommen worden, zumal der Strafrahmen bei den Verurteilungen nicht ausgeschöpft worden sei und seit der letzten Tat fast zwei Jahre vergangen seien. Das BFA habe eine einseitige Interessenabwägung iSd Art 8 EMRK vorgenommen und insbesondere das Wohl des Sohnes des BF und die fehlenden Bindungen zu seinem Heimatstaat nicht entsprechend berücksichtigt. Mit der Beschwerde legte der BF einen Meldezettel vom XXXX .1991, Unterstützungsschreiben von seiner Mutter, deren Ex-Ehemann und der Mutter seines Sohnes, einen Bericht seiner Bewährungshelferin sowie das Abschlusszeugnis der Landesberufsschule vom XXXX vor.
Das BFA legte die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vor. Die Strafurteile gegen den BF wurden nicht vorgelegt.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des Gerichtsakts des BVwG (Abfragen im Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister, Zentralen Melderegister und Strafregister). Entscheidungswesentliche Widersprüche liegen insoweit nicht vor, sodass sich eine eingehendere Beweiswürdigung erübrigt.
Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
Aufgrund der in § 18 Abs 5 BFA-VG angeordneten amtswegigen Prüfung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG ist der Antrag des BF, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weder notwendig noch zulässig und daher zurückzuweisen.
Zu Spruchteil B):
Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über eine Bescheidbeschwerde iSd Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG wie die vorliegende dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder dessen Feststellung durch das Gericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2). Wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen, hat das Gericht gemäß § 28 Abs 3 VwGVG dann meritorisch zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an die Behörde zurückverweisen, die dann an die rechtliche Beurteilung, von der das Gericht ausgegangen ist, gebunden ist.
§ 28 VwGVG normiert somit einen prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte (siehe z.B. VwGH 19.06.2020, Ra 2019/06/0060). Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt dann in Betracht, wenn die Behörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Behörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Wenn die Behörde den entscheidungswesentlichen Sachverhalt unzureichend festgestellt hat, indem sie keine für die Sachentscheidung brauchbaren Ermittlungsergebnisse geliefert hat, ist eine Zurückverweisung gemäß § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG zulässig (VwGH 28.03.2017, Ro 2016/09/0009). Solche gravierenden Ermittlungslücken liegen hier vor.
Dabei ist von folgender rechtlicher Beurteilung auszugehen: Sollen eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot (wie hier) auf strafgerichtliche Verurteilungen gestützt werden, ist es notwendig, Ermittlungen zu dem diesen zugrundeliegenden Fehlverhalten unter Berücksichtigung von Art und Schwere der konkreten Straftaten vorzunehmen. Das BFA hätte sich dabei nicht mit der Abfrage im Strafregister begnügen dürfen, sondern hätte zumindest die gegen den BF erlassenen Urteile der Strafgerichte einholen müssen, zumal der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich (nach einem allfälligen Strafvollzug) in Freiheit wohlverhalten hat.
Außerdem hätte das BFA erheben müssen, ob sich der BF tatsächlich schon seit 1991 im Bundesgebiet aufhält und ob sein Aufenthalt auch schon vor 2005 rechtmäßig war. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bereits vor dem 01.03.2002 abgemeldete Wohnsitze nicht im Zentralen Melderegister aufscheinen, sondern nur im lokalen Melderegister der damals örtlich zuständigen Meldebehörde eingetragen sind. Wenn die Angaben des BF zu Dauer und Rechtmäßigkeit seines Inlandsaufenthalts zutreffen, wäre im Rahmen der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG darauf Bedacht zu nehmen, dass er möglicherweise den früheren Aufenthaltsverfestigungstatbestand des § 9 Abs 4 Z 1 BFA-VG erfüllt. Um vor diesem Hintergrund dennoch eine Rückkehrentscheidung (und ein Einreiseverbot) rechtfertigen zu können, bedürfte es einer spezifischen, auf Grund besonders gravierender Straftaten von ihm ausgehenden Gefahr (vgl. VwGH 18.01.2021, Ra 2020/21/0306).
Außerdem hätten angesichts des Tatsachenvorbringens des BF in seiner Stellungnahme ergänzende Erhebungen zu seinem Privat- und Familienleben, insbesondere zur Intensität der Kontakte zu seinem österreichischen Sohn, durchgeführt werden müssen. Bei der Erlassung von Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung der privaten und familiären Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet mit den gegenläufigen öffentlichen Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs 3 BFA-VG ergebenden Wertungen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (siehe etwa VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0062). Das bisherige Ermittlungsverfahren bietet – wie die Beschwerde zu Recht aufzeigt - keine geeignete Grundlage für diese Interessenabwägung, sondern ist in wesentlichen Teilen ergänzungsbedürftig. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass grundsätzlich ein Kind Anspruch auf "verlässliche Kontakte" zu beiden Elternteilen hat (siehe VwGH 06.10.2020, Ra 2019/19/0332) und dem Vater eines (Klein-)Kindes (und umgekehrt) das Recht auf persönlichen Kontakt zukommt (VwGH 14.04.2021, Ra 2020/18/0288).
Auf Basis der vorliegenden Ermittlungsergebnisse ist weder eine taugliche Gefährdungsprognose noch eine nachvollziehbare Interessenabwägung iSd § 9 BFA-VG möglich. Aufgrund der groben Ermittlungsmängel und des Fehlens zentraler Entscheidungsgrundlagen sind die relevanten Ermittlungsergebnisse nur ansatzweise vorhanden, sodass die Voraussetzungen für die Zurückverweisung der Sache an das BFA gemäß § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG erfüllt sind. So fehlen insbesondere Informationen zu den Taten, auf denen die strafgerichtlichen Verurteilungen des BF basieren, wobei sich anhand des Strafregisters vermuten lässt, dass keine schwerwiegende Kriminalität vorlag. Außerdem ist das BFA auf das Vorbringen des BF zu seinen privaten und familiären Anknüpfungen im Bundesgebiet nicht eingegangen und hat die behaupteten Tatsachen weder überprüft noch Feststellungen dazu getroffen. Die notwendige Ergänzung des Ermittlungsverfahrens erreicht ein solches Ausmaß, dass ihre Nachholung durch das BVwG weder im Interesse der Raschheit gelegen noch mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Da das BFA noch keine geeigneten Schritte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts gesetzt hat und dieser in zentralen Teilen ergänzungsbedürftig ist, kann derzeit noch nicht beurteilt werden, ob gegen den BF eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot zu erlassen ist und wenn ja, für wie lange. Angesichts der Hinweise auf seine starke Verankerung im Bundesgebiet ist denkbar, dass eine Rückkehrentscheidung im Hinblick auf § 9 BFA-VG sogar dann nicht verhängt werden kann, wenn die Voraussetzungen dafür prinzipiell erfüllt wären.
Im Ergebnis ist der angefochtene Bescheid daher gemäß § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur allfälligen Erlassung eines neuen Bescheids nach Verfahrensergänzung an das BFA zurückzuverweisen.
Im fortgesetzten Verfahren wird im Zusammenhang mit Spruchpunkt I. des Bescheids zu beachten sein, dass § 58 Abs 1 Z 5 AsylG für die amtswegige Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG einen nicht rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet voraussetzt.
Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG, weil schon aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Zu Spruchteil C):
Die Revision ist mangels einer grundsätzlichen Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG, in Bezug auf Spruchteil B) insbesondere wegen der Einzelfallbezogenheit der Entscheidung über die Anwendung des § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG, die im Allgemeinen keine solche Rechtsfrage begründet (siehe z.B. VwGH 31.01.2019, Ra 2018/07/0486), nicht zuzulassen.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung - Entfall Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Rückkehrentscheidung strafrechtliche Verurteilung ZukunftsprognoseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:G314.2243636.1.00Im RIS seit
05.10.2021Zuletzt aktualisiert am
05.10.2021