TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/28 G313 2238495-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.06.2021
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Entscheidungsdatum

28.06.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76

Spruch


G313 2238495-4/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren zur Überprüfung der Anhaltung in Schubhaft des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: ungeklärt, IFA-Zl. XXXX zu Recht erkannt:

A)       Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Forstsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

Feststellungen und Sachverhalt:

Zunächst ist festzuhalten, dass den im Erkenntnis des BVwG vom 01.06.2021, G14 2238495-3/6Z-dargelegten Erwägungen zum Vorliegen eines konkreten Sicherungsbedarfs und zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft auch zum Zeitpunkt dieser Entscheidung weiterhin unverändert Geltung zukommt.

Am 10.12.2019 wurde XXXX (kurz K.S.) im Zuge einer polizeilichen Personenkontrolle ohne Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet betreten. Er war zuvor illegal von Slowenien eingereist und versuchte illegal nach Österreich zu gelangen. Mit Bescheid des BFA vom 10.12.2019 wurde über den BF erstmals die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 2 Z2 FPG angeordnet und er zu seiner‚ Identität befragt. Dabei machte der K.S. dahingehende Angaben israelischer Staatsangehöriger zu sein und zum Aufenthalt als in Belgien geboren, in der EU berechtigt zu sein.

Am selben Tag beantragte er die freiwillige Rückkehr nach Israel, die Rückkehrentscheidung der Behörde wurde am 10.01.2020 rechtskräftig, die er jedoch nicht antrat.

Im Zuge des Startes des HRZ Verfahrens konnte weder zur Identität als israelischer noch als Staatsangehöriger von Frankreich von den jeweiligen Botschaften Informationen erlangt werden, da der K.S. falsche Angaben machte.

Dies wurde auch in der niederschriftlichen Einvernahme am 07.02.2020 dadurch ersichtlich, dass er keine Kenntnisse von Israel oder der hebräischen Sprache hatte, jedoch über ausgezeichnete Französisch Kenntnisse verfügte. Daher ergab sich der Hinweis, dass der K.S. möglicherweise aus Tunesien, Marokko oder Algerien stammt. Von Seiten des K.S. wurde jedoch nicht an seiner Identitätsfindung mitgewirkt.

Am 17.03.2020 wurde die Schubhaft aufgehoben da kein Reisedokument für K.S. erlangt werden konnte und er auf freiem Fuß entlassen.

K.S. reiste aus dem Bundesgebiet jedoch nicht aus und wurde bei seiner versuchten Ausreise nach Slowenien am 10.06.2020 festgenommen. Auch zu diesem Zeitpunkt konnte die Identität das K.S. nicht geklärt werde, er daher aus der Festnahme abermals entlassen wurde.

Am 06.01.2021 wurde er abermals festgenommen und wurde die Schubhaftbeschwerde seitens des BVwG als unbegründet abgewiesen.

So besteht gegen ihn eine durchsetzbare aufenthaltsbeende Maßnahme im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 3 FPG, nämlich eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung.

Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs 4 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom BVwG zu überprüfen. Mit Vorlage der Verwaltungsakte gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das BVwG hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

Mit Schreiben des BFA vom 16.06.2021 erfolgte die Aktenvorlage an das BVwG, eingelangt am 18.06.2021. Darin wurde angeführt, dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft aus den vorgebrachten Gründen weiterhin notwendig sei. Das BVwG wurde ersucht festzustellen, dass zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig sei.

Am 21.06.2021wurde dem BF die Stellungnahme des BFA zum Parteiengehör zugestellt, eine Stellungnahme nicht eingelangt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Ein Heimreisezertifikat (im Folgenden: HRZ) für den Beschwerdeführer wurde am 08.01.2020 erstmals gestartet, konnte jedoch die Identität des K.S. überhaupt nicht geklärt werden. Die Botschaft von Israel ersuchte um Bekanntgabe der ID Nummer diese wurde von K.S. jedoch nicht bekannt gegeben. Die Botschaft von Belgien gab bekannt, dass der K.S. entgegen seiner Angaben in keinem Geburtenregister von Belgien aufscheint, es sich daher wiederrum um falsche Angaben des K.S. handelte.

Aufgrund der widersprüchlichen Angaben wurde er am 01.02.2021 nochmals niederschriftlich befragte und zwar zu seinen Angaben israelischer Staatsangehöriger zu sein, wobei die Vorführung bei der israelischen Botschaft in Wien ergab, dass er nicht als israelischer Staatsangehöriger identifiziert wurde.

Am 02.02.2021 wurden daher HRZ Verfahren mit Tunesien, Marokko und Algier gestartet.

Am 13.04.2021 wurde von der tunesischen Botschaft mittgeteilt, dass er kein Staatsbürger von Tunesien wäre, gleiche am 31.05.2021 von Marokko.

Die Identifikation mit Algerien ist noch offen, ein Interview Termin mit der Botschaft ist in Planung.

Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 04.05.2021 gab er weiterhin an StA von Israel zu sein. Er beteuerte nach Israel freiwillig ausreisen zu wollen. Seitens der israelischen Botschaft wurde jedoch aufgrund fehlender Identität als israelischer StA nach Überprüfung seiner Fingerabdrücke eine HRZ abgelehnt. Zur mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 01.06.2021 ist K.S. nicht erschienen.

K.S. wurde wegen einer schweren Körperverletzung die er im Juli 2020 währenddessen er sich auf freiem Fuß befand am 19.05.2021 zu einer 9-monatigen bedingten Freiheitsstrafe verurteilt.

Das HRZ mit Algerien ist derzeit noch offen liegt aktuell noch nicht vor, mit der Ausstellung kann jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit gerechnet werden, zuvor jedoch muss der Vorführtermin bei der algerischen Botschaft noch stattfinden, danach wird die Abschiebung geplant.

Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Festnahme des BF, zu dessen familiären Verhältnissen, dem abgeführten Asylverfahren, dem Betreiben zur Erlangung eines Heimreisezertifikats, den fehlenden Integrationsschritten, der laufenden Anhaltung in Schubhaft, begründen sich auf dem Inhalt des gegenständlichen Verwaltungsaktes. Die Feststellung der Staatsangehörigkeiten ist aus dem Akt ersichtlich.

Die Verpflichtung zur Aktenvorlage zwecks Überprüfung der weiteren Schubhaftvoraussetzungen ergeben sich aus § 22a Abs. 4 BFA-VG, wonach Schubhaften erstmalig 4 Monate nach deren Erlassung einer neuerlichen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit seitens des BVwG zu unterziehen sind.

Das Gericht geht davon aus, dass in weiterer Folge vom weiteren nachhaltigen Bestehen eines Sicherungsbedarfes auszugehen und Prüfungsgegenstand des Verfahrens lediglich die Verhältnismäßigkeit und die Notwendigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft ist. Im gerichtlichen Überprüfungsverfahren sind diesbezüglich keine Hinweise zu Tage getreten, welche an der Aufrechterhaltung der Schubhaft Zweifel ließen.

Aufgrund der aktuellen Information des BFA vom 16.06.2021 steht fest, dass mit einer Abschiebung des BF innerhalb der höchstzulässigen Schubhaftdauer zu rechnen ist.

Aus einer Überprüfung der formalen Grundlagen für die Aufrechterhaltung der gegenständlichen Schubhaft ergibt sich, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung nach wie vor eine durchsetzbare, rechtliche Grundlage für die Abschiebung des BF vorliegt.

Der BF ist nicht gewillt an der Erwirkung eines Ersatzreisedokumentes mitzuwirken. Seinen Reisepass habe er verloren. Die Kopie einer Geburtsurkunde zur Identitätsfeststellung wurde vom K.S. nicht eingeholt. Er machte im gesamten Verfahren die Angabe israelischer Staatsangehöriger zu sein und in Belgien geboren worden zu sein. Beide Angaben haben sich als falsch herausgestellt.

Aus der dem Gericht vorliegenden Stellungnahme des BFA und der Angaben des K.S. ergibt sich, dass der BF in Österreich keinen Wohnsitz hat, kein Einkommen und keine Anknüpfungspunkte und nicht rückkehrwillig ist. Er hat sich zuletzt illegal in Slowenien befunden und versuchte auch wieder dorthin zu gelangen.

Währenddessen er sich auf freiem Fuß befand wurde er mit einer schweren Körperverletzung straffällig wofür zu einer 9-monatigen Freiheitsstrafe bedingt verurteilt wurde. Die nunmehr laufende Schubhaft stellt unbestritten eine freiheitsentziehende Maßnahme dar. Berücksichtigt man die Tatsache, dass der BF über kein Reisedokument verfügt, auch an seiner Identitätsfeststellung nicht nur nicht mitwirkt, sondern auch sogar wissentlich falsche Angaben machte die Schubhaft wegen der nach wie vor aktuellen, möglichen Fluchtgefahr geschuldet ist.

Im Verfahren sind keine Anhaltspunkte, auch keine gesundheitlichen entgegenstehenden, dafür hervorgekommen, dass bei Ausstellung eines HRZ eine geplante Außerlandesbringung des BF nicht möglich wäre.

Die Feststellung hinsichtlich jeglichen Fehlens von relevanten, sozialen Kontakten ergibt sich aus den eigenen Angaben des BF in dem im Akt befindlichen Einvernahmeprotokollen und den Bescheiden.

Basierend auf der oberwähnten Verhalten des BF ist von erhöhter Fluchtgefahr auszugehen.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A.:

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

1.       dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2.       die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1.       ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

2.       ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3.       ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4.       ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5.       ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6.       ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7.       ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8.       ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen oder Meldeverpflichtungen gemäß
§§ 56 oder 71 FPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder 15a AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9.       der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und
§ 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Die Grundlage zur Überprüfung der Verhältnismäßigkeit einer Fortsetzung der Schubhaft über die Viermonatsfrist im BFA-VG iVm. § 80 FPG lautet:

„§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1.       er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2.       er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3.       gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auf Art 1 Abs. 3 PersFrSchG 1988 hinzuweisen, aus dem sich das für alle Freiheitsentziehungen geltende Gebot der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit ergibt, deren Prüfung im Einzelfall eine entsprechende Interessenabwägung verlangt. Für die Schubhaft ergibt sich das im Übrigen auch noch aus der Wendung "... wenn dies notwendig ist, um ..." in Art 2 Abs. 1 Z 7 PersFrSchG 1988. Dementsprechend hat der VfGH - nachdem er bereits in seinem Erkenntnis vom 24.06.2006, B 362/06, die Verpflichtung der Behörden betont hatte, von der Anwendung der Schubhaft jedenfalls Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und verhältnismäßig ist - in seinem Erkenntnis vom 15.06.2007, B 1330/06 und B 1331/06, klargestellt, dass die Behörden in allen Fällen des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 unter Bedachtnahme auf das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit verpflichtet sind, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen. Der VwGH hat dazu beginnend mit der Erkenntnis vom 30.08.2007, 2007/21/0043, mehrfach festgehalten, dass die Schubhaft auch dann, wenn sie auf einen der Tatbestände des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 gestützt werden soll, stets nur ultima ratio sein dürfe." (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008)

Eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann stets nur dann rechtens sein, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich in Frage kommt. Die begründete Annahme, dass eine Aufenthaltsbeendigung erfolgen wird, ist dabei ausreichend. Dass die Effektuierung mit Gewissheit erfolgt, ist nicht erforderlich (vgl. dazu etwa VwGH 07.02.2008, Zl. 2006/21/0389; VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/21/0039). Steht hingegen von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Anderenfalls erwiese sich die Schubhaft nämlich als für die Erreichung des Haftzweckes (der Abschiebung) "nutzlos". Umgekehrt schadet es - wie sich aus den Verlängerungstatbeständen des § 80 FPG ergibt - nicht, wenn der ins Auge gefassten Abschiebung zeitlich befristete Hindernisse entgegenstehen. Den erwähnten Verlängerungstatbeständen liegt freilich zu Grunde, dass die in Frage kommenden Hindernisse längstens innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer beseitigt werden. Ist hingegen bereits bei Beginn der Schubhaft absehbar, dass das Abschiebehindernis nicht binnen dieser Frist zu beseitigen ist, so soll die Schubhaft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers von Anfang an nicht verhängt werden. Dasselbe gilt, wenn während der Anhaltung in Schubhaft Umstände eintreten, aus denen erkennbar ist, dass die Abschiebung nicht in der restlichen noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann. (vgl. VwGH 11.06.2013, Zl. 2013/21/0024, zum Erfordernis einer Prognosebeurteilung, ob die baldige Ausstellung eines Heimreisezertifikates trotz wiederholter Urgenzen durch das Bundesministerium für Inneres angesichts der Untätigkeit der Vertretungsbehörde des Herkunftsstaates zu erwarten ist; vgl. VwGH 18.12.2008, Zl. 2008/21/0582, zur rechtswidrigen Aufrechterhaltung der Schubhaft trotz eines ärztlichen Gutachtens, wonach ein neuerlicher Versuch einer Abschiebung des Fremden in den nächsten Monaten aus medizinischen Gründen nicht vorstellbar sei).

Aufgrund der oben zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, vorzulegen.

Es besteht nun die Verpflichtung, gegenständlich durch die Aktenvorlage die Voraussetzungen für die Fortführung der Schubhaft zu prüfen. Dabei hat die Behörde darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft weiter notwendig und verhältnismäßig wäre. Es ist Aufgabe des BVwG, hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen und hat sich in deren Rahmen auch im Hinblick auf die vorzunehmende Zukunftsprognose für das Gericht ergeben, dass eine weitere Anhaltung weiterhin als verhältnismäßig angesehen werden kann. Betrachtet man die Interessen des BF an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse, so zeigt sich, dass dieser im Inland keinerlei integrative Bezugspunkte vorweisen konnte und keinerlei sozialen Kontakte zu berücksichtigen sind.

Darüber hinaus hat das Ermittlungsverfahren ergeben, dass der BF auch in finanzieller Hinsicht nicht selbsterhaltungsfähig ist.

Betrachtet man den Unwillen zur Mitwirkung an seiner Identitätsfeststellung, seinem fehlendem Ausreisewillen und rechtskräftig abgeschlossen negativen Verfahren ergibt sich hohe Fluchtgefahr durch Untertauchen. Ein gelinderes Mittel kommt daher nicht in Betracht.

Im Zuge der zu erwartenden Ausstellung eines HRZ für die Abschiebung und wird das Verfahren durch die Behörde zügig betrieben, ein Vorführtermin bei der Botschaft von Algerien steht noch aus, geht das Gericht daher im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zum Zeitpunkt der Entscheidungserlassung davon aus, dass eine Außerlandesbringung des BF nach heutigem Wissensstand möglich und realistisch ist.

Seitens der Behörde wird durch Urgenzen bei den Botschaften auch darauf hingewirkt .Die Ausstellung von HRZ und Identifizierungen sind jedoch auch derzeit usus.

Das Gericht kommt daher zu dem Schluss, dass eine weitere Fortsetzung der Schubhaft weiterhin verhältnismäßig und notwendig ist.

Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt gegenständlicher Entscheidung die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft weiterhin vorliegen.

Entfall der mündlichen Verhandlung:

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014,
Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) hinsichtlich Art. 47 iVm. Art. 52 der Grundrechte-Charta der Europäischen Union (VfGH 14.03.2012, VfSlg. 19.632/2012) festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Verwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Für eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr wurde den Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung, der Erforschung der materiellen Wahrheit und des Parteiengehörs entsprochen. So ist die belangte Behörde ihrer Ermittlungspflicht hinreichend nachgekommen. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet. Auf das Parteiengehör das ihm am 21.06.2021 zugestellt wurde, hat er eine Stellungnahme eingebracht.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Fluchtgefahr Interessenabwägung öffentliche Interessen Schubhaft Schubhaftbeschwerde Sicherungsbedarf Verhältnismäßigkeit Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:G313.2238495.4.00

Im RIS seit

05.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

05.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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