TE Bvwg Beschluss 2021/7/21 W267 2188554-2

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Veröffentlicht am 21.07.2021
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Entscheidungsdatum

21.07.2021

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W267 2188554-2/3Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Essl als Einzelrichter betreffend die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH mit Sitz in 1030 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.05.2021, Zl. XXXX , wie folgt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer reiste am 29.09.2015 irregulär und schlepperunterstützt in Österreich ein und stellte am selben Tage einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).

2.       Im Rahmen seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (PI Marchegg AGM) am 30.09.2015 sowie seiner Einvernahmen durch das Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA), Regionaldirektion OÖ, Außenstelle Linz, am 15.11.2017 gab der Beschwerdeführer unter anderem an, dass er afghanischer Staatsangehöriger sei und der Volksgruppe der Hazara angehöre. Seine Muttersprache sei Dari. Der Beschwerdeführer bekenne sich zum schiitischen Islam, sei traditionell verheiratet und habe vier Kinder, wobei seine Ehefrau mit den Kindern nach wie vor in Afghanistan lebten. Er gab weiters an, nach 12 Jahren Grundschule vier Jahre lang die Universität in Kabul besucht zu haben. Nach seinem Abgang von der Universität habe der Beschwerdeführer vier bis fünf Jahre als Sänger selbständig gearbeitet, war nebenbei aber auch als Taxifahrer tätig. Fluchtgrund seien Probleme mit den Taliban und den Mullahs aufgrund seines Berufes als Sänger, insbesondere ein ihm rund eineinhalb Monate vor der Ausreise übermittelter Drohbrief (AS 39f).

3.       Mit Bescheid vom 31.01.2018, Zl. XXXX , wies das BFA diesen (ersten) Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 29.09.2015 gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.) und erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zu (Spruchpunkt II.). Dem Beschwerdeführer wurde auch kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn vielmehr eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG 2005 nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Als Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 wurden 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

4.       Gegen diesen Bescheid vom 31.01.2018 erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und die Volkshilfe Flüchtlingsdienst- und MigrantInnenbetreuung GmbH, mit Schriftsatz vom 26.02.2018 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde (AS 387f).

5.       Mit Schriftsätzen vom 18.07.2019 und 08.08.2019 legte der Beschwerdeführer zudem zahlreiche Urkunden vor, wonach er mittlerweile zum christlichen Glauben konvertiert sei, darunter insbesondere eine Taufurkunde der All Nations Internationale Christengemeinde vom 16.02.2019 sowie eine Austrittsbestätigung aus der islamischen Glaubensgemeinschaft vom 14.02.2019.

6.       Mit – zwischenzeitig rechtskräftigem – Erkenntnis vom 24.10.2018 zu W265 2188554-1/10E wies das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge: BVwG) die oben erwähnte Beschwerde als unbegründet ab (AS 503f). Eine (ordentliche) Revision wurde vom Gericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

7.       Mit Beschluss vom 05.12.2019 zu E 4361/2019-6 wies der Verfassungsgerichtshof (VfGH) zum einen den Antrag des Beschwerdeführers auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ab, zum anderen lehnte er die Behandlung der an den VfGH gegen das Erkenntnis des BVwG erhobenen Beschwerde ab.

8.       Da der Beschwerdeführer das Bundesgebiet nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist für eine freiwillige Ausreise verlassen hat, wurde am 07.12.2019 versucht, ihn an seinem Wohnsitz zum Zwecke der für 10.12.2019 vorgesehen Abschiebung nach Afghanistan (AS 941) festzunehmen. Der Beschwerdeführer war dort jedoch nicht anzutreffen (AS 913).

9.       Am 10.12.2019 wurde der Beschwerdeführer mangels bekannten Aufenthalts aus der Grundversorgung des Landes Oberösterreich entlassen, am 14.01.2020 erfolgte seine amtswegige Abmeldung aus dem Zentralen Melderegister.

10.      Mit Beschluss vom 16.12.2019 zu E 4361/2019-8 trat der VfGH die zuvor erwähnte Beschwerde über nachträglichen Antrag des Beschwerdeführers im Sinne des § 87 Abs. 3 VfGG dem Verwaltungsgerichtshof (VwGH) zur Entscheidung ab.

11.      Am 27.01.2020 wurde den Beschwerdeführer betreffend ein neuerlicher Festaufnahmeauftrag nach § 34 Abs 3 Z 1 BFA-VG erlassen (AS 1063).

12.      Mit Bescheid vom 04.02.2020, Zl. XXXX , erteilte das BFA dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG 2005 nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Absatz 2 Ziffer 1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. Nr. 87/2012, (BFA-VG) idgF, die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.). Eine Frist für seine freiwillige Ausreise wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 55 Abs. 1a FPG nicht eingeräumt (Spruchpunkt V.).

13.      Der Bescheid vom 04.02.2020 wurde im Wege einer öffentlichen Bekanntmachung gemäß § 25 ZustG zugestellt und mit 19.03.2020 rechtskräftig (AS 871).

14.      Am 02.06.2020 stellte der Beschwerdeführer einen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz (AS 1075).

15.      Im Rahmen seiner Erstbefragung bezüglich des neuen Antrages durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (PI Schwechat Fremdenpolizei – FGP) am 02.06.2020 im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari brachte der Beschwerdeführer lediglich (Nach)Fluchtgründe vor, die er bereits im Rahmen des rechtskräftigen Vorverfahrens geltend gemacht hatte. Er gab an, dass er am 16.02.2019 in Linz getauft worden sei und deshalb nicht mehr nach Afghanistan zurückkönne. Es gäbe zudem auch Videos auf YouTube, auf denen er in einer Kirche mitsinge.

16.      Am 15.06.2020 wurde dem Beschwerdeführer vom BFA unter anderem auch eine aktuelle Länderinformation der Staatendokumentation zu Afghanistan übergeben (AS 1159).

17.      Im Rahmen von Einvernahmen durch das BFA, Erstaufnahmestelle West, am 22.06.2020 (AS 1169) und 23.06.2020 (AS 1225) im Zulassungsverfahren bezüglich des Folgeantrages gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari neben seiner Konversion zum Christentum und seiner dortigen nunmehr aktiven Missionstätigkeit als weiteren Grund für internationalen Schutz an, dass er erfahren hätte, dass er einen Tumor an der Leber hätte. Einen für den 11.12.2019 angesetzten Operationstermin habe er jedoch nicht wahrgenommen.

18.      Am 23.06.2020 wurde das Asyl(folge)verfahren zugelassen (AS 1237).

19.      Am 24.11.2020 wurde beim Beschwerdeführer eine COVID-19-Erkrankung diagnostiziert und vom Magistrat der Stadt Salzburg (Gesundheitsamt) ein entsprechender Absonderungsbescheid zur Zl. XXXX erlassen (AS 1257).

20.      Im Rahmen einer weiteren Einvernahme durch das BFA, Regionaldirektion Salzbur, Außenstelle Salzburg, am 09.12.2020 (AS 1263) gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari an, dass er nun unter drei Tumoren an der Leber litte. Er ginge jedoch regelmäßig zur Kontrolle und nähme zwei Medikamente wegen der Leberprobleme und ein drittes Medikament wegen Darmproblemen. Zudem hielte er strenge Diät, rotes Fleisch, Kaffee und die meisten Getränke seien nicht gestattet. Den Namen und die Anschrift seines Hausarztes konnte der Beschwerdeführer allerdings auf Nachfrage nicht benennen.

Im Rahmen dieser Einvernahme entband der Beschwerdeführer seine behandelnden Ärzte von der sie betreffenden Schweigepflicht und gestattete die Beischaffung seiner medizinischen Unterlagen. Ihm wurde ferner eine aktuellere Länderinformation der Staatendokumentation zu Afghanistan übergeben.

21.      In der Folge wurden vom BFA umfangreiche Ermittlungsschritte hinsichtlich der vom Beschwerdeführer vorgelegten medizinischen Unterlagen gesetzt (AS 1315-1355). Am 11.01.2021 stellte das BFA eine medizinische Anfrage an die Staatendokumentation bezüglich der vom Beschwerdeführer geschilderten Erkrankung sowie hinsichtlich der Verfügbarkeit der von ihm eigenen Angaben nach zu nehmenden Medikation in Afghanistan.

22.      Am 01.04.2021 wurden dem Beschwerdeführer vom BFA wiederum ein aktuelles Länderinformationsblatt zu Afghanistan und die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 30.03.2021 übersandt. Zudem wurde ihm die Möglichkeit eingeräumt, eine Stellungnahme zu beidem abzugeben.

23.      Am 12.04.2021 legte der Beschwerdeführer dem BFA einen Arztbrief vom 05.01.2021 als weiteres Beweismittel vor.

24.      Mit Schriftsatz vom 15.04.2021 erstattete der Beschwerdeführer eine Stellungnahme zum Parteiengehör vom 01.04.2021.

25.      Am 20.04.2021 und 27.04.2021 legte der Beschwerdeführer, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, dem BFA weitere Beweismittel vor.

26.      Mit nunmehr angefochtenem Bescheid vom 19.05.2021, Zl. XXXX , wies das BFA diesen (zweiten) Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 02.06.2020 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Dem Beschwerdeführer wurde auch kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn vielmehr eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG 2005 nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Eine Frist für seine freiwillige Ausreise wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 55 Abs. 1a FPG nicht eingeräumt (Spruchpunkt VI.). Einer Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde zudem gem. § 18 Abs. 1 Z 6 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.).

27.      Mit Verfahrensanordnung vom 21.05.2021 wurde dem Beschwerdeführer die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (in der Folge: BBU GmbH) gemäß § 52 BFA-VG für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

28.      Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, nunmehr vertreten durch die BBU GmbH, mit Schriftsatz vom 23.06.2021 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde, wobei von ihm wiederum zahlreiche Urkunden vorgelegt wurden.

29.      Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt sind am 15.07.2021 beim BVwG eingelangt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Anzuwendendes Recht:

1.1.    Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005; in der Folge AsylG) und auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Asylanträge anzuwenden. Im gegenständlichen Fall wurde insbesondere auch der verfahrensgegenständliche Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz nach diesem Zeitpunkt gestellt, weshalb das AsylG in der Fassung des BGBl. I Nr. 110/2021 zur Anwendung gelangt.

1.2.    Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide des BFA und Asyl das BVwG. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

1.3.    Das Verfahren der Verwaltungsgerichte (mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes) richtet sich nach den Bestimmungen des VwGVG (BGBl. I 33/2013) in der geltenden Fassung, geregelt, das auch auf das gegenständliche Verfahren Anwendung findet.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

1.4.    Gemäß § 17 Abs. 1 Z 1 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und diese Zurückweisung mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist oder bereits eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung besteht, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen durch Beschluss die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Staat, in den die aufenthaltsbeendende Maßnahme lautet, eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

1.5.    Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht einer Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom BFA aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.

1.6.    Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

2.       Rechtlich folgt daraus:

2.1.    Zu A) – Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung

Der Beschwerdeführer hat seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich im Jahre 2015 gestellt. Diesen ersten Antrag betreffend, ferner hinsichtlich dessen Abweisung und in der Folge auch bezüglich des verfahrensgegenständlichen zweiten Antrages auf internationalen Schutz und dessen negative Erledigung sowie der darüber hinaus behördlich gesetzten Maßnahmen wurden vom Beschwerdeführer zahlreiche Schriftsätze erstattet, Urkunden vorgelegt und Rechtsmittel ergriffen. Die bisherigen, im gegenständlichen Verfahren zu berücksichtigenden Behörden- und Gerichtsakten haben bislang bereits einen Umfang von insgesamt rund als 1.800 Seiten erreicht.

§ 18 Abs. 5 BFA-VG sieht grundsätzlich eine Entscheidung durch das Gericht binnen einer Woche vor, allerdings ist der Beschwerdeführer durch die BBU GmbH vertreten, der gerichtliche Erledigungen grundsätzlich mittels ERV zuzustellen sind. Dem Erkenntnis des VfGH vom 09.06.2017 zu E 2686/2016-15 folgend, hat die Zustellung durch das Gericht daher bereits einen Tag früher zu erfolgen, was die Entscheidungsfrist verkürzt. Hinzu kommt, dass die vom Beschwerdeführer als (Nach)Fluchtgründe geltend gemachten Umstände medizinischer bzw. religiöser Natur eine genauere Überprüfung bedingen, die in der kurzen Zeit nicht mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt werden kann. Insbesondere auch im Hinblick auf Art. 6 EMRK wird dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zu bieten sein, einem unabhängigen Gericht seinen nunmehrigen Status der Konversion zu vermitteln.

Nach Durchführung einer Grobprüfung der dem BVwG derzeit zur Verfügung stehenden Verwaltungs- und Gerichts(vor)akten sowie der ihm unspezifisch zugänglichen aktuellen Länderinformationen zu Afghanistan gelangt das erkennende Gericht daher zur Überzeugung, dass es ihm aufgrund der besonderen Gegebenheiten des Falles und des Umfangs der Vorakten innerhalb der relativ kurzen Frist des § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht möglich sein wird, eine das Parteienvorbringen und die konkreten Umstände umfassend würdigende Entscheidung über die erhobene Beschwerde zu treffen, bei der mit der in diesem Zusammenhang erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass mit einer Rückführung des Beschwerdeführers nach Afghanistan eine reale Gefahr der Verletzung seiner in der EMRK garantierten Rechte einherginge.

Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten ist, vielmehr handelt es sich dabei um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen. Es ist in diesem Zusammenhang daher lediglich darauf abzustellen, ob es – im Sinne einer Grobprüfung – von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass die Angaben des Beschwerdeführers als „vertretbare Behauptungen“ zu qualifizieren sind, die in den Schutzbereich der hier relevanten Bestimmungen der EMRK reichen.

Zumal auch in der Beschwerde jene Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Beschwerdeführers stützt, ausreichend genau bezeichnet wurden, war das BVwG im Ergebnis gehalten, gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG vorzugehen und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG in Verbindung mit § 24 VwGVG entfallen.

2.2.    Zu B) – Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W267.2188554.2.00

Im RIS seit

05.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

05.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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