Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AVG §58 Abs2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofräte Dr. Kleiser sowie Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des J D in H, vertreten durch Mag. Katharina Eva-Maria Stehrer, Rechtsanwältin in 4060 Leonding, Dr. Herbert-Sperl-Ring 3, gegen das am 24. August 2020 verkündete und am 4. Dezember 2020 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich, Zl. LVwG-780131/18/MB/NF, betreffend Richtlinienbeschwerde nach § 89 Abs. 4 SPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Oberösterreich), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis stellte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Verwaltungsgericht) auf Grund der Richtlinienbeschwerde des Revisionswerbers vom 19. März 2020 wegen Nichtaushändigen der Visitenkarte der einschreitenden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, Nichtbekanntgabe der Dienststelle bzw. der Telefonnummer der Dienststelle der einschreitenden Organe bzw. nicht deutlicher Bekanntgabe deren Dienstnummer fest, dass die Richtlinie für das Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes durch das Handeln der der Landespolizeidirektion Oberösterreich zuzurechnenden Organe am 24. Jänner 2020 gegen 23:42 Uhr nicht verletzt worden sei (Spruchpunkt I.), und verpflichtete den Revisionswerber zum näher bestimmten Aufwandersatz (Spruchpunkt II.). Entgegen dem am 24. August 2020 verkündeten Erkenntnis sprach das Verwaltungsgericht in der schriftlichen Ausfertigung vom 4. Dezember 2020 aus, dass eine ordentlichen Revision zulässig sei (Spruchpunkt III.).
2 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung nachfolgenden, im Wesentlichen wiedergegebenen Sachverhalt zugrunde:
3 Am 24. Jänner 2020 gegen 23.43 Uhr sei es zu einer Lenkerkontrolle des Revisionswerbers und Kontrolle seines Fahrzeuges, mit dem er als Taxidienst unterwegs gewesen sei, gekommen. Im Zuge dieser Kontrolle habe der Revisionswerber vom amtsausführenden Organ die Dienstnummer verlangt. Der amtsausführende Beamte habe dem Revisionswerber verbal in moderatem Tempo und normaler Lautstärke bei normalem Umgebungslärm seine Dienstnummer bekannt gegeben. Die Visitenkarten des Organs hätten sich zu diesem Zeitpunkt auf der Polizeiinspektion befunden. In weiterer Folge habe das Organ seinen Notizblock genommen, die Dienstnummer darauf notiert und den Zettel dem Revisionswerber geben wollen. Dieser habe die Annahme verweigert und auf die Überreichung einer Visitenkarte bestanden. Eine Anfrage des Revisionswerbers an den sichernden Beamten auf Bekanntgabe der Dienstnummer sei nicht erfolgt.
4 Rechtlich führte das Verwaltungsgericht aus, das einschreitende Organ habe der Anordnung des § 9 Abs. 2 Richtlinien-Verordnung - RLV, wonach die Dienstnummer in der Regel durch Aushändigung einer mit der Dienstnummer, der Bezeichnung der Dienststelle und deren Telefonnummer versehenen Karte bekanntzugeben sei, jedoch die Dienstnummer auch auf andere zweckmäßige Weise bekanntgegeben werden könne, sofern gewährleistet sei, dass dem Betroffenen die Dienstnummer auf andere Weise unverzüglich zur Kenntnis gelange, entsprochen. Dem Revisionswerber sei ausreichend versucht worden, die zur Identifizierung notwendige Dienstnummer sowohl verbal als auch auf einem Zettel notiert zur Kenntnis zu bringen.
5 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, und ist der Ausspruch kurz zu begründen.
9 Hinsichtlich der Erlassung einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ist der Zustellung der Entscheidung deren mündliche Verkündung gleichzuhalten und wird diese Entscheidung bereits mit der mündlichen Verkündung unabhängig von der in § 29 Abs. 4 VwGVG geforderten Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung rechtlich existent (vgl. etwa VwGH 13.2.2020, Ra 2020/19/0001, Rn. 7, mwN). Für die Frage, ob und mit welchem Inhalt eine mündliche Entscheidung erlassen wurde, ist nicht die Ausfertigung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, sondern jene Urkunde entscheidend, die über den Entscheidungsinhalt und die Tatsache der Verkündung nach dem auch betreffend § 29 VwGVG einschlägigen § 62 Abs. 2 AVG angefertigt wurde (vgl. dazu etwa VwGH 23.9.2020, Ra 2019/14/0558 bis 0560, mwN).
10 Im vorliegenden Revisionsfall hat das Verwaltungsgericht mit dem in der Verhandlung am 24. August 2020 mündlich verkündeten und in der Verhandlungsschrift beurkundeten Erkenntnis (u.a.) ausgesprochen, dass keine ordentliche Revision zulässig sei. Wenn es in weiterer Folge - davon abweichend - in Spruchpunkt III. der schriftlichen Ausfertigung des Erkenntnisses vom 4. Dezember 2020 eine ordentliche Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig erklärt hat, so führt dieser Umstand allein noch nicht zur Zulässigkeit der vorliegenden Revision, und zwar aus den folgenden Gründen:
11 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden und hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision - gesondert - vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Der Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist daher nicht gesondert anfechtbar (vgl. dazu etwa VwGH 29.5.2017, Ra 2017/16/0070, Rn. 12).
12 Dazu kommt, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Revisionswerber auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision gesondert darzulegen hat, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder er andere Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. etwa VwGH 11.1.2021, Ro 2019/01/0015, Rn. 8, mwN).
13 Im vorliegenden Revisionsfall wird auch in der Zulässigkeitsbegründung der Revision keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG dargestellt:
14 Ausgehend vom Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 20. Mai 2020, Ra 2018/01/0369, das sich unter anderem mit den Rechtsfragen, ob die Dienstnummer gemäß § 9 Abs. 2 RLV nur in bestimmten besonderen Situationen auf andere zweckmäßige Weise bekannt gegeben werden dürfe; wenn ja, ob das Nichtmitführen der Visitenkarte eine solche besondere Situation darstelle; es sich bei der mündlichen Bekanntgabe um eine andere zweckmäßige Weise iSd § 9 Abs. 2 RLV handle, auseinandergesetzt hat, erblickt die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen eine grundsätzliche Rechtsfrage darin, welche Parameter für eine „auffallende Sorglosigkeit“ im Zusammenhang mit dem Nichtmitführen der Visitenkarte vorliegen müssten, wie diese zu interpretieren seien „und ob z.B. wie im vorliegenden Fall einmaliges Nichtmitführen eine auffallende Sorglosigkeit darstellt“.
Überdies bringt die Revision zu ihrer Zulässigkeit vor, das Verwaltungsgericht weiche insofern von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Ra 2018/01/0369 ab, als es sich trotz entsprechender Offenkundigkeit über eine „aufgeheizte“ Stimmung bei der Amtshandlung nicht mit der Rechtsfrage auseinandergesetzt habe, welche Folge es habe, wenn der Betroffene so aufgebracht sei, dass daran zu zweifeln sei, ob dieser davon ausreichend Kenntnis nehmen könne, und ob eine Bekanntgabe der Dienstnummer auf andere Weise als durch Ausfolgung einer Dienstnummernkarte bei einer aufgebrachten Stimmung als „zulässig“ gelte.
15 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich zuletzt in seinem Erkenntnis vom 20. Mai 2020, Ra 2018/01/0369, eingehend mit der Bekanntgabe der Dienstnummer durch das einschreitende Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gemäß § 9 RLV iVm § 31 Abs. 2 Z 2 SPG und der Bekanntgabe der Dienstnummer auf andere zweckmäßige Weise nach § 9 Abs. 2 zweiter Satz RLV (u.a.) wie folgt auseinandergesetzt:
„10 Dem entsprechend normiert § 31 Abs. 2 Z 2 SPG, dass die Bekanntgabe der Dienstnummern der einschreitenden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ‚in einer der jeweiligen Amtshandlung angemessenen Weise‘ zu erfolgen hat. Damit ist die jeweilige Amtshandlung entscheidend dafür, in welcher Weise die Bekanntgabe der Dienstnummer angemessen ist (vgl. zur Berücksichtigung der Aufgabe oder des Zwecks des Einschreitens bei der Verpflichtung zur Ausweisleistung auch § 4 Abs. 3 der Verordnung über das Tragen von Uniformen und die Verpflichtung zur Ausweisleistung, BGBl. II Nr. 203/2005).
11 Dabei geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Bekanntgabe ‚in der Regel‘ durch Aushändigung einer mit einer Dienstnummer, der Bezeichnung der Dienststelle und deren Telefonnummer versehenen Karte zu erfolgen hat. Eine solche Dienstnummernkarte ist dem Organ von der Dienststelle zur Verfügung zu stellen (vgl. Keplinger/Pühringer, Sicherheitspolizeigesetz18 [2020], Anm. 5 zu § 30 SPG). Eine andere Bekanntgabe der Dienstnummer kann aber, wie angeführt, nach Art und Zweck der jeweiligen Amtshandlung angemessen sein.
12 Dementsprechend findet § 9 Abs. 2 zweiter Satz RLV, dass die Dienstnummer auch auf andere zweckmäßige Weise bekanntgegeben werden kann, sofern gewährleistet ist, dass dem Betroffenen die Dienstnummer unverzüglich zur Kenntnis gelangt - und damit der Zweck des § 31 Abs. 2 Z 2 SPG und zwar die Identifizierbarkeit der einschreitenden Organe gegeben ist -, in § 31 Abs. 2 Z 2 SPG Deckung.
...
13 Die Bekanntgabe der Dienstnummer auf andere Weise als durch Ausfolgung einer Dienstnummernkarte ist demnach nur zulässig, wenn dies nach Art und Zweck der jeweiligen Amtshandlung angemessen ist. Es steht daher nicht im Belieben der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ohne Vorliegen besonderer Umstände von der Ausfolgung einer Dienstnummernkarte Abstand zu nehmen und stattdessen den Betroffenen auf andere zweckmäßige Weise iSd § 9 Abs. 2 zweiter Satz RLV von der Dienstnummer in Kenntnis zu setzen.
14 Die sich aus § 9 Abs. 2 RLV iVm § 31 Abs. 2 Z 2 SPG ergebende Pflicht zur Bekanntgabe der Dienstnummer im Regelfall durch Ausfolgung einer Dienstnummernkarte setzt voraus, dass die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes solche Karten im Dienst mit sich führen. Ist Letzteres nicht der Fall, schließt dies die Bekanntgabe der Dienstnummer auf andere zweckmäßige Weise nicht von vornherein aus. Vielmehr wird nicht gegen die Richtlinie verstoßen, wenn das einschreitende Organ ohne auffallende Sorglosigkeit die Dienstnummernkarte ausnahmsweise nicht mitführt.
15 Zweck der in § 31 Abs. 2 Z 2 SPG normierten Verpflichtung der einschreitenden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zur Bekanntgabe der Dienstnummern ist die Identifizierbarkeit des Organs, dem es gemäß § 9 Abs. 2 dritter Satz RLV freigestellt ist, zusätzlich seinen Namen zu nennen. Die Informationspflicht dient insofern dem Rechtsschutz in Bezug auf das Einschreiten von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes.
16 Die schriftliche Bekanntgabe der Dienstnummer durch Ausfolgung einer Karte erleichtert dabei die Identifizierbarkeit insofern, als Mitteilungsfehler hintangehalten werden. Die Bekanntgabe der Dienstnummer auf andere zweckmäßige Weise iSd § 9 Abs. 2 zweiter Satz RLV hat auch insofern der Ausfolgung einer Dienstnummernkarte zu entsprechen. Dies ist dann der Fall, wenn das einschreitende Organ dem Betroffenen seine Dienstnummer so bekannt gibt, dass ein Gutwilliger davon ausreichend Kenntnis nehmen kann (Keplinger/Pühringer, Sicherheitspolizeigesetz18 [2020], Anm. 5 zu § 30 SPG, und Anm. 3 zu § 31 SPG). Bei einer ausschließlich mündlichen Bekanntgabe der Dienstnummer ist diese dem Betroffenen klar verständlich mitzuteilen.“
16 Ausgehend von dieser Rechtsprechung ist das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Vorgangsweise nach § 9 Abs. 2 zweiter Satz RLV nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Allein - wie im Zulässigkeitsvorbringen behauptet - ein „einmaliges Nichtmitführen“ der Dienstnummernkarte stellt jedenfalls noch keine auffallende Sorglosigkeit dar. Eine - in der Einzelfallbeurteilung allein maßgebliche - vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende krasse Fehlbeurteilung wird im Zulässigkeitsvorbringen somit nicht aufgezeigt (vgl. zur Leitfunktion des Verwaltungsgerichtshofes allgemein VwGH 27.2.2018, Ra 2018/01/0052).
17 Ebenso wenig vermag der Hinweis im Zulässigkeitsvorbringen auf eine seitens des Revisionswerbers „aufbrausende Stimmung“ aufzuzeigen, dass das einschreitende Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes vorliegend dem Revisionswerber die Dienstnummer nicht auf andere zweckmäßige Weise iSd § 9 Abs. 2 zweiter Satz RLV bekannt gab.
18 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
19 Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 13. September 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RO2021010008.J00Im RIS seit
05.10.2021Zuletzt aktualisiert am
05.10.2021