TE Vwgh Beschluss 2021/9/13 Ra 2020/01/0283

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.09.2021
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte

Norm

B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofräte Dr. Kleiser sowie Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des A N in W, vertreten durch Mag. Julian A. Motamedi, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Baumannstraße 9/12A, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. November 2019, Zl. W276 2196305-1/9E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - in der Sache den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, legte eine Frist zur freiwilligen Ausreise fest und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

2        Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (VfGH), der deren Behandlung mit Beschluss vom 8. Juni 2020, E 4493/2019-9, ablehnte und begründend unter anderem ausführte, das

„Bundesverwaltungsgericht hat sich mit der Frage der Gefährdung der beschwerdeführenden Partei in ihren Rechten auseinandergesetzt. Ihm kann unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht entgegengetreten werden, wenn es auf Grund der Umstände des vorliegenden Falles davon ausgeht, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts von Fremden ohne Aufenthaltstitel das Interesse am Verbleib im Bundesgebiet aus Gründen des Art. 8 EMRK überwiegt (vgl. VfSlg. 19.086/2010).“

Mit Beschluss vom 17. Juli 2020, E 4493/2019-11, trat der VfGH die Beschwerde in weiterer Folge dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung ab.

3        Sodann erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6        Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. für viele VwGH 20.12.2019, Ra 2019/01/0431-0433, mwN). Diesem Erfordernis entspricht das Zulässigkeitsvorbringen der Revision zur Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz, wonach „das Bundesverwaltungsgericht von der ständigen Judikatur der Höchstgerichte zur Frage der westlichen Orientierung, der Gewährung von subsidiärem Schutz“ abweiche, nicht.

8        Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes soll sich das Revisionsmodell nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an der Revision nach den §§ 500 ff ZPO orientieren (vgl. ErläutRV 1618 BlgNR 24. GP 16). Ausgehend davon ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. für viele VwGH 11.12.2019, Ra 2019/01/0465, mwN). Eine derart krasse Fehlbeurteilung wird im pauschalen Zulässigkeitsvorbringen, wonach „das Bundesverwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen“ habe, nicht ansatzweise dargelegt.

9        Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. für viele VwGH 18.3.2019, Ra 2019/01/0068, mwN). Mit dem bloßen Hinweis im Zulässigkeitsvorbringen auf die nach seiner Einreise in Österreich mit einer asylberechtigten afghanischen Staatsangehörigen geschlossene und nach wie vor aufrechte Ehe zeigt die Revision keine unvertretbare Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK auf (vgl. zur Beurteilung von Art. 8 EMRK im vorliegenden Fall im Übrigen den oben in Rn. 2 zitierten Beschluss des VfGH 8.6.2020, E 4493/2019-9).

10       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

11       Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 13. September 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020010283.L00

Im RIS seit

05.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

05.10.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten