TE Bvwg Erkenntnis 2021/2/26 G307 2239656-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.02.2021
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Entscheidungsdatum

26.02.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch


G307 2239656-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , StA.: XXXX , vertreten durch die Rechtsanwaltsgemeinschaft Rast & Musili in 1080 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.01.2021, Zahl XXXX , zu Recht erkannt:

A)       

Der Beschwerde wird s t a t t g e g e b e n und der angefochtene Bescheid behoben.

B)       

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben vom 26.04.2018 forderte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien (im Folgenden: BFA) den Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) auf, zur in Aussicht genommenen Verhängung eines Aufenthaltsverbots binnen 10 Tagen ab Erhalt dieses Schreibens Stellung zu nehmen und zugleich seine finanziellen, privaten wie familiären Verhältnisse darzulegen.

2. Dieser Aufforderung kam der BF mit Schreiben vom 04.05.2018, beim BFA eingelangt am 08.05.2018, nach.

3. Am 03.03.2020 wurde der BF vor dem Hintergrund seiner mittlerweile am 09.07.2019 wegen §§ 278a, 278b Abs. 2 StGB ergangenen Verurteilung von einem Organ des BFA Wien einvernommen.

4. Am 15.06.2020 wurde dem BF von Seiten des BFA neuerlich schriftliches Parteiengehör eingeräumt, welches er am 30.06.2020 beantwortete.

5. Mit dem oben im Spruch genannten Bescheid des BFA, dem BF persönlich zugestellt am 26.01.2021, wurde gegen diesen gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), ihm gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).

6. Mit Schriftsatz vom 17.02.2021, bei der belangten Behörde eingebracht am selben Tag, erhob der BF durch die im Spruch angeführte Rechtsvertretung (RV) Beschwerde gegen diesen Bescheid. Darin wurde beantragt, der Beschwerde Folge zu geben und den Bescheid aufzuheben, in eventu den Bescheid zu beheben und (die Angelegenheit) an die Behörde erster Instanz zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen, in eventu das Aufenthaltsverbot (gemeint wohl: dessen Dauer) auf ein Mindestmaß zu reduzieren sowie eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

7. Die gegenständliche Beschwerde sowie der zugehörige Verwaltungsakt wurden vom BFA dem BVwG am 17.02.2011 vorgelegt und langte dort am selben Tag ein.

8. Am XXXX .2021 wurde der BF auf dem Luftweg in die Niederlande (nach XXXX ) abgeschoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Der BF führt die im Spruch angegebene Identität (Name und Geburtsdatum), ist holländischer Staatsangehöriger, gesund, frei von Sorgepflichten und arbeitsfähig. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF mit XXXX , geb. am XXXX verheiratet ist, mit dieser eine Beziehung oder eine Lebensgemeinschaft führt.

1.2. Die Eltern des BF, zwei Brüder, eine Schwester die Großmutter und ein Onkel des BF halten sich im Bundesgebiet auf.

1.3. Der BF ist in Serbien geboren, wanderte mit seinen Eltern im Alter von zwei Jahren in die Niederlande aus, besuchte dort die Volks- und Hauptschule, wobei er letztere in Österreich abschloss, nachdem er mit seiner Familie im Jahr 2010 nach Österreich eingereist war. Seit 30.07.2010 ist der BF (bis auf zwei Lücken von 20.07.2016 bis 26.09.2016 und 04.07.2019 bis 17.07.2019) durchgehend im Bundesgebiet gemeldet und aufhältig. Zuletzt nahm er gemeinsam mit seinen Eltern, seinen beiden Brüdern, seiner Schwester und seiner verwittweten Großmutter in der XXXX in XXXX Unterkunft.

In den Niederlanden wohnte der BF mit seinen Eltern und Geschwistern in einem in XXXX gemieten Haus. Zu Holland hat er keine Bezüge mehr.

1.4. Nach Abschluss der Pflichtschule im Inland besuchte der BF noch 3 Jahre lang das Gymnasium, welches er aus diesem Anlass nicht abschloss. Seit dem Sommersemester 2021 belegte er im Bundesgymnasium XXXX die AHS für Berufstätigte mit den Fächern Religion, Deutsch, Englisch, Latein, Geschichte, Mathematik, Geographie und Physik.

Im Rahmen einer AMS-Schulung begann der BF in XXXX den Kurs „ XXXX “, welcher vom XXXX .2020 bis zum XXXX .2021 angesetzt ist.

1.5. Der BF war vom 06.03.2017 bis 31.05.2018 selbständig erwerbstätig. Dahingehend fungierte vom 09.02.2017 bis 25.05.2018 Gesellschafter der zu FN XXXX eingetragenen XXXX , welche im Bereich des Arbeitskräfteüberlassungsgewerbes tätig war.

Abgesehen davon bezog der BF zwischen 13.02.2017 und 21.02.2017, 23.02.2017 und 27.02.2017, 02.12.2019 und 16.01.2020, 18.01.2020 und 01.03.2020, 04.03.2020 und 30.04.2020, 19.10.2020 und 20.10.2020, 4.10.2020 und 29.10.2020, 07.11.2020 und 15.11.2020, 17.11.2020 und 22.11.2020, 24.11.2020 und 21.01.2021, 23.01.2020 und 09.02.2021 sowie seit 11.02.2021 bis laufend (Stand: 22.02.2021) Arbeitslosenunterstützung.

1.6. Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX (im Folgenden: LG XXXX ) zu XXXX , in Rechtskraft erwachsen am XXXX .2019, wegen §§ 278a, 278b Abs. 2 StGB zu einer 17monatigen bedingten Freiheitsstrafe unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren verurteilt.

Dem BF wurde darin angelastet, er habe sich zusammen mit zwei weiteren Mittätern als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung, nämlich der in der UN-Sanktionsliste aufscheinenden Terrororganisation „IS-Islamic-State“, die aus der seit zumindest 2004 bestehenden Terrororganisation „AlQaida im Irak“ hervorgegangen und darauf ausgerichtet sei, das von einem oder mehreren Mitgliedern dieser Vereinigung eine oder mehrere terroristische Straftaten ausgeführt oder Terrorismusfinanzierung betrieben werde/n beteiligt. Dabei hätten er und die beiden anderen Täter im Wissen gehandelt, durch ihre Beteiligung den Kampfgeist und die Gruppenmoral der in Wien und im syrischen Kriegsgebiet aufhältigen IS-Sympathisanten und IS-Mitglieder, die Vereinigung des IS als Organisation sowie deren strafbare Handlungen zu fördern, indem er folgende Unterstützungshandlungen setzte, und zwar

-        durch den Erwerb eines Flugtickets, lautend auf XXXX , um der abgesondert verfolgten IS-Anhängerin XXXX unter der genannten Alias-Identität die Reise nach Syrien zur Unterstützung des IS zu ermöglichen,

-        durch Beteiligung an einer auf längere Zeit angelegten, unternehmensähnlichen Verbindung einer größeren Zahl von Personen, die, wenn auch nicht ausschließlich, auf die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen, die das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder das Vermögen bedrohen oder schwerwiegender strafbarer Handlungen im Bereich der sexuellen Ausbeutung von Menschen, der Schlepperei oder des unerlaubten Verkehrs mit Kampfmitteln ausgerichtet ist, die dadurch eine Bereicherung im großen Umfang anstrebt und die andere zu korrumpieren oder die einzuschüchtern oder auf besondere Weise gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen sucht.

Konkret wurde der BF darin für schuldig befunden, er habe Verfügungsberechtigte mehrerer Unternehmen durch Täuschung über die Tatsache seiner Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit sowie unter Angabe von Daten fremder Personen, mithin unter Benützung falscher Daten, gegenüber diversen Unternehmen im Gesamtwert von € 23.696,74, sohin in einem € 5.000,00 übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt. Dabei gab er im Zuge der Online-Bestellungen stets eine fiktive Rufnummer sowie jeweils eine von ihm für diesen Zweck angelegte Email-Adresse an, um den Zeitpunkt der Zustellung überwachen, in weiterer Folge die Hinterlegungsbenachrichtigungen aus den jeweiligen Postfächern zu „fischen“ und die Pakete sodann beheben zu können. Diese Taten setzte er wie folgt, indem er

-        am XXXX .2018 zum Nachteil von C., zwei Mobiltelefone der Marke Samsung Galaxy S8+ jeweils im Wert von € 704,00 bestellte, wobei er beide Pakte am XXXX .2018 im Paketshop M. T in XXXX unter Vorlage seines Führerscheins lautend auf Adnan HAMIDOVIC abholte,

-        von XXXX .2018 bis XXXX .2018 in drei Angriffen zum Nachteil von N. ein Mobiltelefon der Marke Samsung Galasy J7 im Wert von € 299,99 und zwei Geräte der Marke Apple iPhone im Wert von € 579,99 und 653,87, bestellte wobei er die hinterlegten Pakete in weiterer Folge aus einer Postempfangsbox in XXXX entnahm,

-        am XXXX .2018 zum Nachteil der B. E Gesellschaft mbH ein hochpreisiges Armband mit Diamanten im Wert von € 2.369,00 bestellte, wobei es beim Versuch blieb, weil der BF die von der Verkäuferin geforderte Vorauszahlung nicht leistete, weshalb die Ware nicht versandt wurde,

-        am XXXX .2018 zum Nachteil der XXXX einen Brillant-Ring mit der Artikelnummer XXXX im Wert von € 3.559,00, bestellte, wobei es beim Versuch blieb, weil der BF die von der Verkäuferin geforderte Vorauszahlung nicht bezahlte, weshalb die Ware nicht versandt wurde,

-        am XXXX .2018 zum Nachteil der XXXX ein in einem Paket verpacktes Schmuckstück mit der Artikelnummer XXXX der Marke XXXX im Wert von € 1.950,00 behob.

Des Weiteren unternahm der BF am XXXX .2017, XXXX .2017, XXXX .2017, XXXX .2017, XXXX .2017, XXXX .2017, XXXX .2017, XXXX .2018, XXXX .2018 XXXX .2018 und XXXX .2018, Online Bestellungen, bzw versuchte zu den diesbezüglichen Artikeln zu gelangen, dies auf den Namen XXXX , geboren am XXXX , wohnhaft in XXXX unter Angabe der email Adresse XXXX , wobei es sich dabei Waren im Wert von € 1.580,00 (1), € 699,95 (2), € 129,00 (3), € 122,99 (4), € 105,99 (5) € 166,99 (6), € 499,99 (7), € 259,99 (8), € 679,99 (9), € 379,00 (10) € 120,00 (11), € 349,00 (12) € 1.925,00 (13), € 1.925,00 (14) sowie € 1.954,00 (15) handelte. Darunter befanden sich Ohrringe (1), eine Lederjacke (2), eine Outdoorhose (3), ein Mainboard (4), ein Corair Arbeitsspeicher wie ein Intel Prozessor (4 und 5), zwei Mobiltelefone (7 und 8), ein Fahrradcomputer (9), Schmuck (10), zwei Stück Brillenfassungen (11), eine Smartwatch Gear (12) Sport SMR600, ein Schmuckstück der Marek XXXX mit der Artikelnummer XXXX (13), sowie zwei Herrenuhren der Marke XXXX (14 und 15).

Als mildernd wurden hiebei der bisher ordentliche Lebenswandel und das Alter unter 21 Jahren, als erschwerend das Zusammentreffen von zwei Verbrechen gewertet. Es wird festgestellt, dass der BF die beschriebenen Verhaltensweisen gesetzt und die genannten strafbaren Handlungen begangen hat.

Der BF befand sich vom XXXX .2018 bis zum XXXX .2019 in der Justizanstalt XXXX in Untersuchungshaft.

1.7. Der BF ist nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Institution. Es konnten keine Deutschkenntnisse eines bestimmten Niveaus festgestellt werden, der BF ist jedoch in der Lage, sich in dieser Sprache zu verständigen.

1.8. Der BF ist seit 25.03.2011 im Besitz einer Anmeldebescheinigung.

1.9. Der BF wurde am XXXX .2021 auf dem Luftweg nach Holland ( XXXX ) abgeschoben.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund des vorliegenden Aktes durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

2.2.1. Die strafgerichtliche Verurteilung des BF in Österreich, die näheren Ausführungen zu den verübten Straftaten sowie die Feststellung, dass der BF diese begangen und das diesbezügliche Verhalten gesetzt hat, folgen dem Amtswissen des erkennenden Gerichts durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich sowie einer Ausfertigung des oben zitierten Strafurteils des LG XXXX . Die in Untersuchungshaft verbrachte Zeit erschließt sich aus der Vollzugsdateninformation der Justizanstalt XXXX (AS 98) und deckt sich mit dem Inhalt des ZMR.

Der Zeitpunkt der Einreise nach Österreich, der durchgehende Aufenthalt im Bundesgebiet, der Aufenthalt der oben erwähnten Verwandten im Inland, der in den Niederlanden in der Vergangenheit gelegene Wohnort sowie die gemeinsame Haushaltsführung mit Eltern, Geschwistern und Großmutter sind dem Inhalt der Einvernahme des BF vor dem Bundesamt und den beiden Stellungnahmen zu entnehmen und mit dem Inhalt des auf den Namen des BF lautenden Auszuges aus dem Zentralen Melderegister in Einklang zu bringen. Die beiden Meldelücken konnten zwar nicht aufgeklärt werden, sie sind jedoch – selbst wenn sich der BF während der besagten Zeiträume außer Landes befunden hätte – iSd § 53a Abs. 2 Z 1 NAG nicht relevant (Abwesenheit unter 6 Monaten).

Die bisher selbständig ausgeübte Erwerbstätigkeit, der Bezug von Arbeitslosengeld wie jener von Notstands- und Überbrückungshilfe ergeben sich aus dem Inhalt des den BF betreffenden Sozialversicherungsdatenauszuges, jenem auf die V & S Event Personalmanagement Gesellschaft mbH bezogenen Abtretungsvertrag und den Ausführungen des BF selbst.

Die vom BF konsumierte Schulausbildung in den Niederlanden und in Österreich wie die von ihm belegte AMS-Ausbildung sind aus den im Akt dahingehend einliegenden Bestätigungen auf den AS 23 bis 25, 109 bis 114 sowie 231 bis 233 ersichtlich.

In seiner Einvernahme am 03.03.2020 führte der BF selbst aus, nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Institution zu sein. Er legte zwar kein Sprachzertifikat vor. Da er jedoch die Einvernahme vor der belangten Behörde zur Gänze in Deutsch absolvierte, ist davon auszugehen, dass er sich in dieser Sprache problemlos verständigen kann.

Des Weiteren gab der BF an, gesund zu sein. Vor dem Hintergrund des Besuchs von Weiterbildungsmaßnahmen beim AMS und des Fehlens von Anhaltspunkten für das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit, ist davon auszugehen, dass der BF arbeitsfähig ist.

Der Besitz der unter I.1.8. erwähnten Anmeldebescheinigung ergibt sich aus dem Inhalt des auf den BF bezogenen Auszuges aus dem Zentralen Fremdenregister (ZFR).

Der Umstand der Abschiebung ist dem im Akt einliegenden Abschiebeauftrag (AS 190) wie dem ZFR-Auszug zu entnehmen.

Der BF gab in der Einvernahme vor dem Bundesamt am 03.03.2020 konkret an, ledig und nie verheiratet gewesen zu sein. In seiner zweiten Stellungnahme vom 30.06.2020 hob er zwar hervor, mittlerweile nach islamischen Ritus verheiratet zu sein, nannte jedoch weder Namen, noch Geburtsdatum oder Wohnanschrift der angeblichen Lebensgefährtin. In der Beschwerde wiederum wird XXXX , geb. Am XXXX als die Gattin des BF bezeichnet. Weitere Hinweise auf das Bestehen einer aufrechten Ehe mit ihr, wie etwa eine Heiratsurkunde wurden der Beschwerde nicht beigefügt. Ferner findet sich bei Abgleich des ZMR-Auszuges der Genannten mit jenem des BF keine einzige gemeinsame Meldeadresse, weder in der Vergangenheit noch in der Gegenwart. Des Weiteren scheint XXXX im ZMR mit dem Status „verheiratet“ auf, während der BF dort als „ledig“ geführt wird. Schließlich lag dem Rechtsmittel keine schriftliche oder anderweitige Bestätigung der XXXX bei, in deren Zuge sie eine Lebensgemeinschaft oder Beziehung mit dem BF bestätigt hätte. Im Ergebnis konnten somit weder der Bestand einer Ehe noch einer Beziehung oder (umfassenden) Lebensgemeinschaft des BF mit der Genannten festgestellt werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zur Stattgabe der Beschwerde:

3.1.1. Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, jener der die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Abs. 4 Z 8 leg cit als EWR-Bürger, jener Fremder, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist.

Der BF als Staatsangehöriger der Niederlande ist sohin EWR-Bürger iSd. § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.

3.2. Der mit „Ausweisung“ betitelte § 66 FPG lautet:

„§ 66. (1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

(2) Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat das Bundesamt insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.

(3) Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, die Ausweisung wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)“

3.3. Der mit „Aufenthaltsverbot“ betitelte § 67 FPG lautet:

„§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.

(Anm.: Abs. 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)“

3.3.1. Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG lautet:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“

3.3.2. Der mit „Unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von EWR-Bürgern für mehr als drei Monate“ betitelte § 51 NAG lautet:

„§ 51. (1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

1.       in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;

2.       für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder

3.       als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen.

(2) Die Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbständiger gemäß Abs. 1 Z 1 bleibt dem EWR-Bürger, der diese Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübt, erhalten, wenn er

1.       wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig ist;

2.       sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt;

3.       sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrages oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt, wobei in diesem Fall die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten erhalten bleibt, oder

4.       eine Berufsausbildung beginnt, wobei die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft voraussetzt, dass zwischen dieser Ausbildung und der früheren beruflichen Tätigkeit ein Zusammenhang besteht, es sei denn, der Betroffene hat zuvor seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren.

(3) Der EWR-Bürger hat diese Umstände, wie auch den Wegfall der in Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen der Behörde unverzüglich, bekannt zu geben. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, die näheren Bestimmungen zur Bestätigung gemäß Abs. 2 Z 2 und 3 mit Verordnung festzulegen.“

3.3.3. Der mit „Aufenthaltsrecht für Angehörige von EWR-Bürgern“ betitelte § 52 NAG lautet:

„§ 52. (1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§§ 51 und 53a) sind, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

1.       Ehegatte oder eingetragener Partner sind;

2.       Verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres und darüber hinaus sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird;

3.       Verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird;

4.       Lebenspartner sind, der das Bestehen einer dauerhaften Beziehung nachweist, oder

5.       sonstige Angehörige des EWR-Bürgers sind,

a)       die vom EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat Unterhalt tatsächlich bezogen haben,

b)       die mit dem EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben, oder

c)       bei denen schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege zwingend erforderlich machen.

(2) Der Tod des zusammenführenden EWR-Bürgers, sein nicht bloß vorübergehender Wegzug aus dem Bundesgebiet, die Scheidung oder Aufhebung der Ehe sowie die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft mit ihm berühren nicht das Aufenthaltsrecht seiner Angehörigen gemäß Abs. 1.“

3.3.4. Der mit „Bescheinigung des Daueraufenthalts von EWR-Bürgern“ betitelte § 53a NAG lautet wie folgt:

„§ 53a. (1) EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), erwerben unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 51 oder 52 nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt. Ihnen ist auf Antrag nach Überprüfung der Aufenthaltsdauer unverzüglich eine Bescheinigung ihres Daueraufenthaltes auszustellen.

(2) Die Kontinuität des Aufenthalts im Bundesgebiet wird nicht unterbrochen von

1.       Abwesenheiten von bis zu insgesamt sechs Monaten im Jahr;

2.       Abwesenheiten zur Erfüllung militärischer Pflichten oder

3.       durch eine einmalige Abwesenheit von höchstens zwölf aufeinander folgenden Monaten aus wichtigen Gründen wie Schwangerschaft und Entbindung, schwerer Krankheit, eines Studiums, einer Berufsausbildung oder einer beruflichen Entsendung.

(3) Abweichend von Abs. 1 erwerben EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 vor Ablauf der Fünfjahresfrist das Recht auf Daueraufenthalt, wenn sie

1.       zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben das Regelpensionsalter erreicht haben, oder Arbeitnehmer sind, die ihre Erwerbstätigkeit im Rahmen einer Vorruhestandsregelung beenden, sofern sie diese Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet mindestens während der letzten zwölf Monate ausgeübt und sich seit mindestens drei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben;

2.       sich seit mindestens zwei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben und ihre Erwerbstätigkeit infolge einer dauernden Arbeitsunfähigkeit aufgeben, wobei die Voraussetzung der Aufenthaltsdauer entfällt, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit eingetreten ist, auf Grund derer ein Anspruch auf Pension besteht, die ganz oder teilweise zu Lasten eines österreichischen Pensionsversicherungsträgers geht, oder

3.       drei Jahre ununterbrochen im Bundesgebiet erwerbstätig und aufhältig waren und anschließend in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwerbstätig sind, ihren Wohnsitz im Bundesgebiet beibehalten und in der Regel mindestens einmal in der Woche dorthin zurückkehren;

Für den Erwerb des Rechts nach den Z 1 und 2 gelten die Zeiten der Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als Zeiten der Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet. Zeiten gemäß § 51 Abs. 2 sind bei der Berechnung der Fristen zu berücksichtigen. Soweit der Ehegatte oder eingetragene Partner des EWR-Bürgers die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder diese nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat, entfallen die Voraussetzungen der Aufenthaltsdauer und der Dauer der Erwerbstätigkeit in Z 1 und 2.

(4) EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 sind, erwerben ebenfalls das Daueraufenthaltsrecht, wenn der zusammenführende EWR-Bürger das Daueraufenthaltsrecht gemäß Abs. 3 vorzeitig erworben hat oder vor seinem Tod erworben hatte, sofern sie bereits bei Entstehung seines Daueraufenthaltsrechtes bei dem EWR-Bürger ihren ständigen Aufenthalt hatten.

(5) Ist der EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 im Laufe seines Erwerbslebens verstorben, bevor er gemäß Abs. 3 das Recht auf Daueraufenthalt erworben hat, so erwerben seine Angehörigen, die selbst EWR-Bürger sind und die zum Zeitpunkt seines Todes bei ihm ihren ständigen Aufenthalt hatten, das Daueraufenthaltsrecht, wenn

1.       sich der EWR-Bürger zum Zeitpunkt seines Todes seit mindestens zwei Jahren im Bundesgebiet ununterbrochen aufgehalten hat;

2.       der EWR-Bürger infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit verstorben ist, oder

3.       der überlebende Ehegatte oder eingetragene Partner die österreichische Staatsangehörigkeit nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat.“

3.3.5. Der mit „Ausreiseverpflichtung und Durchsetzungsaufschub“ betitelte § 70 FPG lautet:

„§ 70. (1) Die Ausweisung und das Aufenthaltsverbot werden spätestens mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar; der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige hat dann unverzüglich auszureisen. Der Eintritt der Durchsetzbarkeit ist für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde.

(Anm.: Abs. 2 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)

(3) EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen ist bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

(4) Der Durchsetzungsaufschub ist zu widerrufen, wenn

1.       nachträglich Tatsachen bekannt werden, die dessen Versagung gerechtfertigt hätten;

2.       die Gründe für die Erteilung weggefallen sind oder

3.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige während seines weiteren Aufenthaltes im Bundesgebiet ein Verhalten setzt, das die sofortige Ausreise aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gebietet.“

3.3.6. Der Beschwerde gegen den Bescheid des BFA war aus folgenden Gründen stattzugeben:
„Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. - noch zu § 86 FPG in der Fassung vor dem FrÄG 2011, der Vorgängerbestimmung des § 67 FPG - etwa die hg. Erkenntnisse vom 26. September 2007, Zl. 2007/21/0197, und vom 21. Februar 2013, Zl. 2012/23/0042, mwN).“ (VwGH 25.04.2014, Ro 2014/21/0039)

„Hinsichtlich Personen, die das Daueraufenthaltsrecht erworben haben, ist nicht nur bei der Ausweisung, sondern auch bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes der in § 66 Abs. 1 letzter Satzteil FrPolG 2005 vorgesehene Gefährdungsmaßstab, der jenem in Art. 28 Abs. 2 der Freizügigkeitsrichtlinie entspricht, heranzuziehen (vgl. VwGH 13.12.2012, 2012/21/0181; VwGH 22.1.2014, 2013/21/0135; VwGH 3.7.2018, Ra 2018/21/0066). Dieser Maßstab liegt im abgestuften System der Gefährdungsprognosen über dem Gefährdungsmaßstab nach dem ersten und zweiten Satz des § 67 Abs. 1 FrPolG 2005. § 53a Abs. 1 NAG 2005 stellt in Bezug auf den Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt auf einen fünf Jahre rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt im Bundesgebiet ab. Auf dieser Grundlage darf nur bei Vorliegen von Gründen iSd § 66 Abs. 1 letzter Satzteil FrPolG 2005 (schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit) ein Aufenthaltsverbot erlassen werden.“ (vgl. VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0205)

„Für Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, die das Recht auf Daueraufenthalt genießen, bestimmt aber Art. 28 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie, dass eine Ausweisung nur aus "schwerwiegenden" Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügt werden darf, wobei zwar auch hier gemäß Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie auf das persönliche Verhalten abzustellen ist, das eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen muss, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, insgesamt aber ein größeres Ausmaß an Gefährdung verlangt wird. Diese Vorgaben der Unionsbürgerrichtlinie wurden im FrPolG 2005 insofern umgesetzt, als nach dessen § 66 Abs. 1 idF FrÄG 2011 die Ausweisung von EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen, die bereits das Daueraufenthaltsrecht erworben haben, nur dann zulässig ist, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt“ (vgl. VwGH 13.12.2012, 2012/21/0181).

Der mit „Schutz vor Ausweisung“ betitelte Art 28 der Freizügigkeitsrichtlinie lautet:

(1) Bevor der Aufnahmemitgliedstaat eine Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügt, berücksichtigt er insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Betroffenen im Hoheitsgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Aufnahmemitgliedstaat und das Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat.

(2) Der Aufnahmemitgliedstaat darf gegen Unionsbürger oder ihre Familienangehörigen, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, die das Recht auf Daueraufenthalt in seinem Hoheitsgebiet genießen, eine Ausweisung nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügen.

(3) Gegen Unionsbürger darf eine Ausweisung nicht verfügt werden, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, wenn sie

a)       ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt haben oder

b)       minderjährig sind, es sei denn, die Ausweisung ist zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

In seiner Entscheidung vom 16.01.2014, Zahl Rs C-400/12 hat der EuGH zur Frage nach dem auf einen Fremden anzuwendenden Gefährdungsmaßstab im Hinblick auf Art. 28 Abs. 3 lit. a der RL 2004/38/EG (Freizügigkeitsrichtlinie) unter anderem erwogen:

Der zum erhöhten Gefährdungsmaßstab nach Art. 28 Abs. 3 lit. a der genannten RL bzw. dem fünften Satz des § 67 Abs. 1 FrPolG 2005 führende zehnjährige Aufenthalt im Bundesgebiet muss demnach grundsätzlich ununterbrochen sein. Es können einzelne Abwesenheiten des Fremden unter Berücksichtigung von Gesamtdauer, Häufigkeit und der Gründe, die ihn dazu veranlasst haben, Österreich zu verlassen, auf eine Verlagerung seiner persönlichen, familiären oder beruflichen Interessen schließen lassen. Auch der Zeitraum der Verbüßung einer Freiheitsstrafe durch den Betroffenen ist grundsätzlich geeignet, die Kontinuität des Aufenthaltes iSd Art. 28 Abs. 3 lit. a der Freizügigkeitsrichtlinie zu unterbrechen und sich damit auf die Gewährung des dort vorgesehenen verstärkten Schutzes auch in dem Fall auszuwirken, dass sich der Fremde vor dem Freiheitsentzug mehrere Jahre lang (kontinuierlich) im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat. Dies ist - bei einer umfassenden Beurteilung - im Rahmen der Prüfung zu berücksichtigen, ob die zuvor mit dem Aufnahmemitgliedstaat geknüpften Integrationsverbindungen abgerissen sind VwGH 24.03.2015, Ro 2014/21/0079, mwN).

Das entscheidende Kriterium für die Gewährung des durch Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 verbürgten verstärkten Schutzes ist nichts desto weniger, ob sich der Unionsbürger, der im Aufnahmemitgliedstaat über ein Recht auf Daueraufenthalt im Sinne von Art. 16 und Art. 28 Abs. 2 dieser Richtlinie verfügt, wie von besagtem Art. 28 Abs. 3 gefordert, in den letzten zehn Jahren vor der Ausweisungsverfügung in diesem Mitgliedstaat aufgehalten hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 23. November 2010, Tsakouridis,
C-145/09, EU:C:2010:708, Rn. 31, und vom 16. Januar 2014, G., C-400/12, EU:C:2014:9, Rn. 23).

Daraus folgt insbesondere, dass der für die Gewährung des verstärkten Schutzes gemäß Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 erforderliche Aufenthalt von zehn Jahren vom Zeitpunkt der Verfügung der Ausweisung der betreffenden Person an zurückzurechnen ist (Urteil vom 16. Januar 2014, G., C-400/12, EU:C:2014:9, Rn. 24). Zweitens ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass dieser Aufenthaltszeitraum von zehn Jahren grundsätzlich ununterbrochen gewesen sein muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Januar 2014, G., C-400/12, EU:C:2014:9, Rn. 27).

Der Gerichtshof hat so entschieden, dass hinsichtlich der Frage, inwieweit Abwesenheiten vom Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats in dem in Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 genannten Zeitraum den Betroffenen daran hindern, in den Genuss des verstärkten Schutzes zu kommen, eine umfassende Beurteilung der Situation des Betroffenen jeweils zu dem genauen Zeitpunkt vorzunehmen ist, zu dem sich die Frage der Ausweisung stellt (Urteil vom 23. November 2010, Tsakouridis, C-145/09, EU:C:2010:708, Rn. 32).

Dafür haben die mit der Anwendung von Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 betrauten nationalen Behörden alle in jedem Einzelfall relevanten Umstände zu berücksichtigen, insbesondere die Dauer jeder einzelnen Abwesenheit des Betroffenen vom Aufnahmemitgliedstaat, die Gesamtdauer und die Häufigkeit der Abwesenheiten sowie die Gründe, die ihn dazu veranlasst haben, diesen Mitgliedstaat zu verlassen. Zu prüfen ist nämlich, ob die fraglichen Abwesenheiten bedeuten, dass sich der Mittelpunkt der persönlichen, familiären oder beruflichen Interessen des Betroffenen in einen anderen Staat verlagert hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. November 2010, Tsakouridis, C-145/09, EU:C:2010:708, Rn. 33)

Im Rahmen dieser umfassenden Beurteilung sind die Zeiträume der Verbüßung einer Haftstrafe zusammen mit allen anderen Anhaltspunkten zu berücksichtigen, die die Gesamtheit der im Einzelfall relevanten Gesichtspunkte ausmachen, wozu gegebenenfalls der Umstand zählt, dass der Betroffene in den letzten zehn Jahren vor seiner Inhaftierung seinen Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat hatte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Januar 2014, G., C-400/12, EU:C:2014:9, Rn. 33 bis 38).

Insbesondere bei einem Unionsbürger, der früher, noch vor der Begehung einer seine Inhaftierung begründenden Straftat, bereits die Voraussetzung eines ununterbrochenen Aufenthalts von zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat erfüllte, kann nämlich der Umstand, dass er von den Behörden dieses Staates in Haft genommen wurde, nicht als geeignet angesehen werden, ohne Weiteres seine zuvor zum Aufnahmemitgliedstaat geknüpften Integrationsbande abreißen zu lassen sowie die Kontinuität seines Aufenthalts in dessen Hoheitsgebiet im Sinne des Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 zu unterbrechen und ihn damit um den verstärkten Ausweisungsschutz zu bringen, der durch diese Bestimmung verbürgt ist.

In letzterer Hinsicht ist auch zu berücksichtigen, dass, wie vom Gerichtshof bereits festgestellt, die Resozialisierung des Unionsbürgers in dem Staat, in den er vollständig integriert ist, nicht nur im Interesse dieses Staates, sondern auch im Interesse der Europäischen Union insgesamt liegt (Urteil vom 23. November 2010, Tsakouridis, C-145/09, EU:C:2010:708, Rn. 50).

In den vorstehend in den Rn. 77 bis 81 angesprochenen Fallgestaltungen hängt also die Gewährung oder Nichtgewährung des in Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 vorgesehenen verstärkten Schutzes weiterhin von der Dauer des Aufenthalts und vom Grad der Integration des betroffenen Bürgers im Aufnahmemitgliedstaat ab.

Nach alledem ist auf die ersten drei Fragen in der Rechtssache C-316/16 zu antworten, dass Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 dahin auszulegen ist, dass im Fall eines Unionsbürgers, der eine Freiheitsstrafe verbüßt und gegen den eine Ausweisungsverfügung ergeht, die Voraussetzung dieser Bestimmung, den "Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat" gehabt zu haben, erfüllt sein kann, sofern eine umfassende Beurteilung der Situation des Betroffenen unter Berücksichtigung aller relevanten Gesichtspunkte zu dem Schluss führt, dass die Integrationsbande, die ihn mit dem Aufnahmemitgliedstaat verbinden, trotz der Haft nicht abgerissen sind. Zu diesen Gesichtspunkten gehören insbesondere die Stärke der vor der Inhaftierung des Betroffenen zum Aufnahmemitgliedstaat geknüpften Integrationsbande, die Art der die verhängte Haft begründenden Straftat und die Umstände ihrer Begehung sowie das Verhalten des Betroffenen während des Vollzugs.

Nach dieser Bestimmung "darf eine Ausweisung nicht verfügt werden" gegen einen Unionsbürger, der seinen Aufenthalt "in den letzten zehn Jahren" im Aufnahmemitgliedstaat gehabt hat, es sei denn, es liegen zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit vor.

Aus diesem Wortlaut ergibt sich, dass unter "den letzten zehn Jahren" die zehn Jahre vor der Ausweisungsverfügung zu verstehen sind, so dass die Voraussetzung des ununterbrochenen zehnjährigen Aufenthalts zum Zeitpunkt des Ergehens der Ausweisungsverfügung zu prüfen ist.

Nach alledem ist auf die vierte Frage in der Rechtssache C-316/16 zu antworten, dass Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 dahin auszulegen ist, dass die Frage, ob eine Person die Voraussetzung dieser Bestimmung, den "Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat" gehabt zu haben, erfüllt, zu dem Zeitpunkt zu beurteilen ist, zu dem die ursprüngliche Ausweisungsverfügung ergeht."

Der VwGH hat in seiner Entscheidung vom 07.03.2019, Ra 2018/21/0097 zu diesem Thema unter anderem festgehalten:

„Demnach ist bei dieser "umfassenden Beurteilung", ob die mit dem Aufnahmemitgliedstaat geknüpften Integrationsverbindungen durch den Freiheitsentzug "abgerissen" sind, auch zu berücksichtigen, wie lange sich der Fremde vor dem Freiheitsentzug im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat. Des Weiteren kommt es dabei auf die Gesamtdauer der "Unterbrechungen" des Aufenthalts und auf deren Häufigkeit an (vgl. VwGH 24.3.2015, Ro 2014/21/0079).“

3.3.7. Der BF hielt sich – in Anknüpfung an die soeben zitierte Rechtsprechung von EuGH und VwGH – zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung am 26.01.2021 rund 10 ½ Jahre im Bundesgebiet auf.

Der BF weist unbestritten eine Verurteilung des LG XXXX wegen (teils versuchter) Krimineller Organisation und Terroristischer Vereinigung zu einer 17monatigen, auf 3 Jahre bedingten Freiheitsstrafe auf. Dieses Verhalten stellt ohne Zweifel eine Gefährdung öffentlicher Interessen dar und kann keinesfalls gebilligt werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hielt jedoch in seinem Erkenntnis vom 29.09.2020, Zahl Ra 2021/21/0112, unter anderem fest, dass – im Hinblick auf § 9 BFA-VG – allein aus dem Umstand einer Verurteilung zu einer bedingten Freiheitsstrafe nach den §§ 278a und 278b StGB eine besonders massive, vom Fremden ausgehende Gefahr nicht abgeleitet werden könne. Es bedürfe (vielmehr) einer fallbezogenen Beurteilung, um das tatsächliche Gefährdungspotential des Fremden beurteilen zu können.

Der BF wurde als junger Erwachsener zu einer ausschließlich bedingten Freiheitsstrafe und erstmalig verurteilt.

Der BF hält sich seit Juli 2010, somit seit dem 12. Lebensjahr, durchgehend in Österreich auf, beendete hier die Pflichtschule und ist im Besitz einer Anmeldebescheinigung. Seine Eltern, Geschwister und seine Großmutter halten sich ebenfalls seitdem in Österreich auf und wohnten mit dem BF bis zu dessen Abschiebung im gemeinsamen Haushalt.

Dem BF als EWR-Bürger kam sohin bis zu dessen Volljährigkeit ebenfalls ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht iSd. § 52 Abs. 1 Z 2 NAG in Österreich zu, weil ihm von seinen Eltern bis dahin tatsächlich Unterhalt gewährt wurde. Abgesehen davon hat er aufgrund seines ab dem Jahr 2015 5 Jahre übersteigenden, durchgehend rechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich mittlerweile das unionsrechtliche Daueraufenthaltsrecht iSd. § 53a NAG erworben. Demzufolge erwies sich der Aufenthalt des BF bis dahin als durchgehend rechtmäßig und kommt bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Ausspruches eines Aufenthaltsverbotes somit der Prüfungsmaßstab des § 66 Abs. 1 letzter Satzteil FPG zur Anwendung (siehe VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0205).

Gegen den BF als grundsätzlich unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 Abs. 1 FPG iVm. § 66 Abs. 1 letzter Satzteil FPG nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet schwerwiegend gefährdet wäre., wobei die Gefährdung tatsächlich, erheblich und gegenwärtig vorliegen muss. (vgl. VwGH 13.12.2012, 2012/21/0181). Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

Im Ergebnis rechtfertigen im gegenständlichen Fall weder die Rechtsprechung des VwGH zu §§ 278a, 278b StGB (siehe zuvor) noch jene des EuGH zum mehr als 10jährigen Aufenthalt die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, weshalb der gegenständlichen Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid zu beheben waren

3.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in Bezug auf § 41 Abs. 7 AsylG 2005 in der Fassung bis 31.12.2013 unter Berücksichtigung des Art. 47 iVm. Art. 52 der Grundrechte-Charta der Europäischen Union (im Folgenden: GRC) ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde erklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat die beschwerdeführende Partei hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor der belangten Behörde releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, wenn die von der beschwerdeführenden Partei bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen – allenfalls mit ergänzenden Erhebungen – nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfGH 14.03.2012, U 466/11-18, U 1836/11-13).

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung „wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint“ unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des VfGH vom 12.03.2012, Zl. U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Der Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet.

Es konnte daher die gegenständliche Entscheidung auf Grund der Aktenlage getroffen und von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung dauernder Aufenthalt EU-Bürger EuGH Interessenabwägung Privat- und Familienleben strafrechtliche Verurteilung Unionsrecht Voraussetzungen VwGH Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:G307.2239656.1.00

Im RIS seit

04.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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