TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/19 G314 2234213-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.04.2021
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Entscheidungsdatum

19.04.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art133 Abs4

Spruch


G314 2234213-2/3Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina, vertreten durch die Kinberger-Schuberth-Fischer Rechtsanwälte-GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX ,
Zl. XXXX , betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung A) beschlossen und B) zu Recht erkannt:

A)       Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)       Die Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheids) wird als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerde wird die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG nicht zuerkannt.

C)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang:

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) legte dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde vom 08.04.2021 gegen die Spruchpunkte II. bis VI. des oben angeführten Bescheids vor. Mit diesem Bescheid wurde dem Beschwerdeführer (BF) ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gegen ihn gemäß § 10 Abs 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs 9 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina festgestellt (Spruchpunkt III.), gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG ein mit fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 55 Abs 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt (Spruchpunkt V.) und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.).

Das BFA begründete die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung im Wesentlichen damit, dass die sofortige Ausreise des BF im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich sei. Es lägen keine Gründe vor, die gegen die sofortige Umsetzung der Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot sprechen würden. Das Verhalten des BF stelle eine erhebliche Gefahr dar, die mehrere Grundinteressen der Gesellschaft berühre. Daher trete sein Interesse an einem Aufenthalt in Österreich hinter das öffentliche Interesse an Ordnung und Sicherheit zurück. Es sei davon auszugehen, dass der BF auch weiterhin Delikte gegen die körperliche Unversehrtheit setzten werde. Sein weiterer Aufenthalt gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit in Österreich massiv. Eine schnellstmögliche Außerlandesbringung nach dem Strafvollzug sei daher im öffentliche Interesse.

Mit seiner Beschwerde gegen den Bescheid beantragt der BF (unter anderem) die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Es bestünde die reale Gefahr einer Verletzung von Art 8 EMRK. Er habe eine enge Beziehung zu seinen in Österreich lebenden Kindern und bemühe sich um die Aufrechterhaltung der (durch die Inhaftierung und die COVID-19-Pandemie eingeschränkten) Kontakte. Da die Kinder erst vier und 5 Jahre alt seien und die Exfrau des BF den Kontakt nicht fördere, seien weder Besuche der Kinder im Heimatstaat des BF noch Kontakte über Kommunikationsmittel wie soziale Medien möglich. Aufgrund der Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot sei daher mit einem Abbruch des Kontakts des BF zu seinen Kindern zu rechnen, obwohl für sie eine gute Beziehung zu beiden Elternteilen wichtig sei. Haftbedingt sei weder eine Verlängerung seines Aufenthaltstitels noch eine Ausreise aus dem Bundesgebiet möglich gewesen, sodass der Aufenthalt ohne Aufenthaltstitel seit XXXX nicht nachteilig gewertet werden könne.

Das BFA legte die Beschwerde samt den Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem Antrag vor, sie als unbegründet abzuweisen.

Feststellungen:

Der Beschwerdeführer (BF), ein Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina, war von XXXX .2015 bis XXXX .2019 mit der Österreicherin XXXX verheiratet. Der Ehe entstammen die am XXXX .2015 geborene XXXX und der am XXXX .2016 geborene XXXX . Die Kinder leben in einem gemeinsamen Haushalt mit ihrer Mutter in XXXX ; beide Elternteile sind mit der gemeinsamen Obsorge für sie betraut.

Der BF hält sich seit XXXX im Bundesgebiet auf. Am XXXX wurde ihm ein Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ erteilt, der mehrmals, zuletzt bis XXXX , verlängert wurde. Seither besitzt er keinen Aufenthaltstitel mehr.

Der BF war in Österreich von XXXX .2015 bis XXXX .2016, von XXXX .2016 bis XXXX .2017, von XXXX .2017 bis XXXX .2018, von XXXX .2018 bis XXXX .2018, von XXXX .2018 bis XXXX .2018, von XXXX .2019 bis XXXX .2019 sowie zuletzt am XXXX . und XXXX .2019 als Arbeiter erwerbstätig; dazwischen bezog er (erstmals ab XXXX .2017) Arbeitslosengeld, (zwischen XXXX . und XXXX .2019) Notstandshilfe und (am XXXX . und XXXX .2018 sowie von XXXX . bis XXXX .2018) Krankengeld.

Am XXXX .2019 wurde der BF verhaftet; seither wird er in der Justizanstalt XXXX in Untersuchungs- bzw. Strafhaft angehalten.

Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX , XXXX , wurde er wegen des Vergehens der Körperverletzung (§§ 15, 83 StGB) rechtskräftig zu einer zweimonatigen, bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt. Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX , XXXX , wurde er wegen der Verbrechen des Raubes nach §§ 15 Abs 1, 142 Abs 1 StGB (teilweise als Beitragstäter iSd § 12 dritter Fall StGB) sowie der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB und des Betruges nach § 146 Abs 1 StGB für schuldig erkannt und unter Bedachtnahme auf die vorangegangene Verurteilung zu einer Zusatz-Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass er im Zeitraum XXXX als einziger Erwachsener zusammen mit mehreren jugendlichen Mittätern an mehreren Raubüberfällen auf Passanten in der XXXX Innenstadt – teils als unmittelbarer Täter, teils als Beitragstäter – beteiligt war, wobei vier seiner Opfer (leicht) verletzt wurden, und außerdem unter Verwendung unterdrückter Kennzeichentafeln einen Tankbetrag (Schaden ca. EUR 140) beging.

Während der Haft hält der BF den Kontakt zu seinen Kindern telefonisch und über begleitete Besuchskontakte (die aufgrund der COVID-19-Pandemie bislang erst einmal stattfinden konnten) aufrecht. Für die Zeit nach dem Strafvollzug hat er eine Wohnmöglichkeit und einen Arbeitsplatz in Österreich in Aussicht. Das urteilsmäßige Strafende ist am XXXX .2022; die bedingte Entlassung zum frühestmöglichen Zeitpunkt ( XXXX .2020) wurde abgelehnt.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung maßgebliche Sachverhalt ergeben sich ohne entscheidungswesentliche Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt der Akten des Verwaltungsverfahrens, insbesondere aus den Angaben des BF, sowie aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Strafregister und dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR).

Eine Kopie des Datenblatts des Reisepasses des BF liegt vor. Die im Inland ausgeübte Erwerbstätigkeit sowie der Bezug von Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und Krankengeld gehen aus dem Versicherungsdatenauszug hervor.

Die Feststellungen zu den vom BF begangenen Straftaten und zu seinen Verurteilungen basieren auf dem Strafregister und dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX , XXXX . Seine Festnahme und die Anhaltung in der Justizanstalt XXXX gehen aus der aktenkundigen Vollzugsinformation hervor, die Ablehnung der bedingten Entlassung nach Verbüßung der Hälfte der Freiheitstrafe und der soziale Empfangsraum (Wohnung, Arbeit) aus dem vorgelegten Schreiben des BF vom XXXX .

Die festgestellten Kontakte des BF zu seinen Kindern gehen aus seinen Angaben dazu, der Besucherliste der Justizanstalt und den Angaben seiner Exfrau vor der Polizeiinspektion XXXX am XXXX hervor.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Aufgrund der in § 18 Abs 5 BFA-VG angeordneten amtswegigen Prüfung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG ist der Antrag des BF, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weder notwendig noch zulässig und daher zurückzuweisen.

Zu Spruchteil B):

Die Beschwerde richtet sich unter anderem auch gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheids, mit dem die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde. Das BVwG hat über eine derartige Beschwerde gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden.

Gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG ist einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist. Diese Voraussetzung ist hier insbesondere deshalb erfüllt, weil der BF mehrere Raubüberfälle mit erheblichem Aggressionspotential beging, obwohl von ihm eigentlich ein mäßigender Einfluss auf seine jugendlichen Mittäter zu erwarten gewesen wäre, und eine dreijährige Freiheitsstrafe für tat- und schuldangemessen erachtet wurde, obwohl es sich bei ihm um einen zuvor unbescholtenen Ersttäter handelte. Angesichts der Tatwiederholung liegt eine erhebliche Wiederholungsgefahr vor, zumal noch kein (für die Beurteilung des Gesinnungswandels eines Straftäters maßgeblicher) Wohlverhaltenszeitraum in Freiheit nach dem Strafvollzug vorliegt.

Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das BVwG der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.

Solche Gründe liegen hier nicht vor. Eine Grobprüfung der vorgelegten Akten und der dem BVwG vorliegenden Informationen über die Lage im Herkunftsstaat des BF (Bosnien und Herzegowina) ergibt keine konkreten Hinweise für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 18 Abs 5 BFA-VG, zumal es sich um einen sicheren Herkunftsstaat iSd § 19 Abs 5 BFA-VG iVm § 1 Z 1 HStV handelt. Da der BF bis 2015 dort lebte, vor seiner Inhaftierung nicht nachhaltig am österreichischen Arbeitsmarkt integriert war und zuletzt keinen gültigen Aufenthaltstitel mehr besaß, erfordern auch seine privaten und familiären Anknüpfungen im Bundesgebiet die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht. Die Kontakte zu seinen Kindern, mit denen er schon vor der Inhaftierung nicht mehr in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebte, sind schon seit längerer Zeit auf Telefonate und gelegentliche Besuche in der Justizanstalt beschränkt. Es ist ihm daher zumutbar, den Verfahrensausgang (nach einer allfälligen Enthaftung) in seinem Herkunftsstaat abzuwarten. Angesichts der schwerwiegenden Gewaltdelinquenz und der damit verbundenen Verstärkung öffentlicher Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung ist der mit der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung verbundene Eingriff in sein Privat- und Familienleben verhältnismäßig.

Der Beschwerde ist daher derzeit die aufschiebende Wirkung nicht zuzuerkennen; Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheids ist rechtskonform.

Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs 6a BFA-VG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ist und das BVwG keine grundsätzlichen Rechtsfragen iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen hatte.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung - Entfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:G314.2234213.2.00

Im RIS seit

04.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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