TE Vwgh Erkenntnis 1997/1/23 96/06/0229

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.01.1997
beobachten
merken

Index

L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Tirol;
L82000 Bauordnung;
L82007 Bauordnung Tirol;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauO Tir 1989 §12;
BauO Tir 1989 §13;
BauO Tir 1989 §14;
BauO Tir 1989 §15;
BauO Tir 1989 §30 Abs4;
BauRallg;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde des J in I, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Berufungskommission in Bausachen der Landeshauptstadt Innsbruck vom 18. Juli 1996, Zl. I-4641/1996, betreffend Nachbareinwendungen im Bauverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1. Mag. G in W, und 2. S in I), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aufgrund der Beschwerde und der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Mit Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 11. Juni 1996 wurde den Mitbeteiligten einerseits die Grundzusammenlegung der Grundstücke Nr. 663 und Nr. 148/4, beide KG A, bewilligt und andererseits die Baubewilligung zur Errichtung einer Wohnhausanlage im Anwesen K 10 auf den beiden vereinigten Grundstücken erteilt. In demselben Bescheid wurden Einwendungen des Beschwerdeführers teilweise als unbegründet abgewiesen (betreffend die behauptete Überschreitung der zulässigen Anzahl an Vollgeschoßen und Widmungswidrigkeit des Vorhabens) bzw. als unzulässig zurückgewiesen (betreffend Überschreitung der Baudichte und Beeinträchtigung des Ort- und Stadtbildes).

Die gegen den angeführten erstinstanzlichen Bescheid erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen "und die erstinstanzliche Entscheidung unter Bezugnahme auf § 31 Abs. 10 Tiroler Bauordnung und § 14 Abs. 2 Tiroler Bauordnung im Rahmen des Berufungsvorbringens vollinhaltlich bestätigt". Diese Entscheidung der belangten Behörde wird im wesentlichen damit begründet, daß die Berufungsinstanz ihrer Begründungspflicht allgemein mit der kurzen Verweisung auf die Gründe im erstinstanzlichen Bescheid genüge, falls sie in der Frage des Tatbestandes und der rechtlichen Beurteilung mit der ersten Instanz einer Meinung sei. In der vorliegenden Angelegenheit könne die belangte Behörde sowohl den getätigten Sachverhaltsfeststellungen als auch deren rechtlicher Subsumierung unter die jeweiligen relevanten gesetzlichen Tatbestände vollinhaltlich beitreten, sodaß grundsätzlich auf die ausführliche Begründung im angefochtenen Bescheid verwiesen werden könne. Fest stehe dabei, daß der Nachbar die geltend gemachte Vermehrung des Verkehrsaufkommens auf einer öffentlichen Straße im Baubewilligungsverfahren nicht mit Erfolg geltend machen könne, da er dadurch nicht in seinen subjektiven Nachbarrechten beeinträchtigt werde. Ebenso besitze der Nachbar im Baurecht kein subjektiv-öffentliches Recht auf die Einhaltung einer örtlichen Bauvorschrift im Interesse der Einhaltung der Erhaltung eines bestimmten Ortsbildes (Dachform), sodaß auch die diesbezügliche Einwendung seitens der Baubehörde erster Instanz zu Recht zurückgewiesen worden sei. Gleiches treffe für den "Einspruch" bezüglich der erteilten Grundstückszusammenlegung zu, wozu dem Nachbarn eine Parteistellung nicht eingeräumt sei. Wenn der Beschwerdeführer die Überschreitung der zulässigen Geschoßzahl rüge, so sei ihm entgegenzuhalten, daß der zuständige Sachverständige der Bau- und Feuerpolizei in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 4. Juni 1996 schlüssig dargelegt habe, daß das in Rede stehende Dachgeschoß (sowohl vor als auch nach der Tektur vom 25. April 1996), gemessen an der Legaldefinition des § 3 Abs. 4 Tiroler Bauordnung, nicht als Vollgeschoß zu qualifizieren sei, sodaß, nachdem diese Stellungnahme auf fachlicher Ebene nicht entkräftet werden habe können, die erstinstanzliche Abweisung dieser Einwendung seitens der Berufungsbehörde zu bestätigen gewesen sei.

In der dagegen erhobenen und vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde, deren Behandlung vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 24. September 1996, B 2797/96-3, abgelehnt und zur Behandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetreten worden war, wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Der Beschwerdeführer erachtet sich im Recht auf Einhaltung der Bestimmungen der Tiroler Bauordnung betreffend den Nachbarschutz, insbesondere des § 30 Abs. 4 Tiroler Bauordnung, verletzt. Gemäß § 30 Abs. 4 leg. cit. habe der Anrainer ein Recht, daß der Bauwerber der widmungsgemäßen Verwendung von Grundstücken entsprechend baue.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 3 Abs. 9 Tiroler Bauordnung (TBO), LGBl. Nr. 33/1989, ist unter einem Bauplatz ein Grundstück im Bauland oder in einer Sonderfläche im Freiland zu verstehen, auf dem die Errichtung eines Gebäudes nach diesem Gesetz zulässig ist. Die Teilung, die Vereinigung und jede sonstige Änderung der Grenzen von Grundstücken im Bauland bedürfen gemäß § 12 Abs. 1 TBO der Bewilligung der Behörde. Diese Bestimmung zählt in der Folge im vorliegenden Beschwerdefall nicht in Betracht kommende Ausnahmen davon auf. Gemäß § 14 Abs. 1 TBO ist ein Ansuchen um Änderung von Grundstücken abzuweisen, wenn

a) die vorgesehene Grundstücksänderung eine dem Bebauungsplan entsprechende Bebauung verhindert oder erschwert,

b) die vorgesehene Grundstücksänderung Grundstücke entstehen läßt, die für eine zweckmäßige Bebauung nicht geeignet sind, außer es handelt sich um Verkehrsflächen,

c) die vorgesehene Grundstücksänderung ein bebautes Grundstück oder ein Grundstück, für das eine wirksame Bewilligung vorliegt, betrifft und das bestehende bzw. geplante Gebäude auf dem geänderten Grundstück nicht mehr errichtet werden dürfte.

Gemäß § 30 Abs. 4 TBO hat die Behörde über Einwendungen eines Nachbarn, der die Verletzung eines Rechtes behauptet, das in einer Bestimmung dieses Gesetzes oder einer Verordnung auf Grund dieses Gesetzes begründet ist, die nicht nur im öffentlichen Interesse, sondern auch dem Schutz des Nachbarn dient, abzusprechen. Derartige subjektiv-öffentliche Einwendungen können insbesondere auf Vorschriften über die widmungsgemäße Verwendung von Grundstücken, die Bauweise, die Bauhöhe, die Mindestabstände von baulichen Anlagen, die Beschaffenheit des Bauplatzes und den Brandschutz gestützt werden.

Der Beschwerdeführer macht geltend, daß eine Widmungsänderung vorgenommen worden sei, ohne daß ersichtlich wäre, aus welchem Grund dies nunmehr nach einem ca. 60jährigen Bestand der Flächenwidmungs- und Bebauungspläne erfolgt sei. Es hätten zwei Parzellen vereinigt werden müssen. Dies stelle eine weitere Änderung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes dar. Es finde die finale Determinierung im Bereich der Raumordnung durch die Flächenwidmungs- und Bebauungspläne parzellenscharf statt. Erst durch die Vereinigung der beiden Bauparzellen sei eine Bauparzelle möglich geworden, die eine Errichtung von 12 Wohnungen zulasse. Dadurch gerate die Behörde mit dem Raumordnungsziel aus den sechziger Jahren in Widerspruch, weil damals eine gelockerte Bauweise vorgesehen gewesen sei. Nunmehr werde dieses Prinzip verlassen. Gründe für das Aufgeben des Raumordnungszieles seien nicht genannt worden. Der Begriff Bauplatz sei von der belangten Behörde in denkunmöglicher Art und Weise interpretiert worden. Nach Auffassung der belangten Behörde könne ein Bauplatz im Sinne der Tiroler Bauordnung dadurch geschaffen werden, daß die Parzellen vereinigt würden. Dabei übersehe die belangte Behörde, daß die Vereinigung der beiden Parzellen bereits einen Rechtserzeugungsakt darstelle. Er bedeute die Abänderung einer bestehenden Verordnung, nämlich des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes. Damit entspreche das geplante Bauvorhaben nicht dem Erfordernis der widmungsgemäßen Verwendung des Bauplatzes.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer nicht im Recht. Gemäß den §§ 12 - 15 TBO ist u.a. eine Vereinigung von Grundstücken im Bauland unter den in § 14 Abs. 1 TBO genannten Voraussetzungen zulässig. Ein Bauplatz im Sinne des § 3 Abs. 9 TBO ist u.a. - wie im vorliegenden Fall - ein Grundstück im Bauland, auf dem die Errichtung eines Gebäudes nach diesem Gesetz zulässig ist. Beide Grundstücke liegen unbestritten im Wohngebiet. Eine Änderung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes findet durch eine gemäß der TBO zulässige Grundstücksvereinigung nicht statt. In der Folge sind für die vereinigten Grundstücke die jeweils geltende Widmung bzw. die jeweils geltenden sonstigen Anordnungen des Flächen- bzw. Bebauungsplanes maßgeblich. Die belangte Behörde hat auch zutreffend die Auffassung vertreten, daß dem Nachbarn in einem Verfahren betreffend Grundstücksänderung gemäß den §§ 12 - 15 TBO keine Parteistellung zukommt. Die Bestimmungen über die Grundstücksänderung geben keinerlei Hinweis darauf, daß sie nicht nur im öffentlichen Interesse gelegen seien. Der Umstand, daß aufgrund einer Vereinigung von Grundparzellen an der (früheren) gemeinsamen Grundstücksgrenze der beiden Grundstücke die Errichtung eines Gebäudes möglich ist, ohne daß an dieser Grundgrenze Abstandsvorschriften einzuhalten wären, verletzt den Beschwerdeführer weder im Recht des Nachbarn gemäß § 30 Abs. 4 Tiroler Bauordnung auf widmungsgemäße Verwendung eines Grundstückes noch im Recht auf Einhaltung von Mindestabständen. Die Errichtung von zwölf Wohnungen auf diesen - nun vereinigten - Grundstücken steht somit mit der widmungsgemäßen Verwendung dieser Grundstücke im Einklang.

Sofern der Beschwerdeführer meint, durch das Bauvorhaben werde eine Straßenfluchtlinie mißachtet, handelt es sich im Hinblick auf das von der belangten Behörde behandelte Berufungsvorbringen und des sich aus dem ebenfalls vorgelegten erstinstanzlichen Bescheid ergebenden Vorbringen des Beschwerdeführers, von deren vollständiger Wiedergabe auch die Beschwerde ausgeht, um ein erstmals vor dem Verwaltungsgerichtshof erstattetes Vorbringen des Beschwerdeführers, das gemäß dem vom Verwaltungsgerichtshof aus § 41 Abs. 1 VwGG im Falle eines mängelfreien Verwaltungsverfahrens abgeleitete Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht mehr beachtlich ist.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid nicht in den geltend gemachten Rechten verletzt wird, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis war auf den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, nicht mehr weiter einzugehen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996060229.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten