Entscheidungsdatum
09.06.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
G305 2207143-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geboren am XXXX , StA.: Irak, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.03.2021 zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird gemäß
§ 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abgewiesen.
II. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wird XXXX , geboren am XXXX , der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wird XXXX , geboren am XXXX , eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer von 12 Monaten erteilt.
IV. In Erledigung der Beschwerde werden die Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheides ersatzlos aufgehoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1.1. Am XXXX .2015 stellte die zum Aufenthalt im Bundesgebiet nicht berechtigte, irakische Staatsangehörige, XXXX , geboren am XXXX (in der Folge: Beschwerdeführerin oder kurz: BF), vor Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde einen Antrag auf internationalen Schutz.
1.2. Am selben Tag wurde sie von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen.
Niederschriftlich wurde bruchstückhaft lediglich der von ihrem zum selben Zeitpunkt eingereisten Bruder ( XXXX , geboren am XXXX ) angegebene Fluchtgrund festgehalten. Laut diesem sei ihr Bruder Beamter im Kanzleramt gewesen und habe dieser eines Tages einen Drohbrief mit vier Patronen erhalten. Auch sei angeblich ihr Vater verschwunden, als Brot holen wollte.
Eine von den öffentlichen Sicherheitsorganen durchgeführte EURODAC-Abfrage verlief negativ.
1.3. Am XXXX .2016 kehrte der Bruder der Beschwerdeführerin freiwillig in den Irak zurück
1.4. Am XXXX .2018 wurde die ab 08:30 Uhr von Organen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA oder belangte Behörde) einvernommen und gab sie anlässlich dieser Einvernahme an, dass bei der Erstbefragung lediglich ihr bereits in den Irak zurückgekehrter Bruder befragt worden sei.
Zu ihren eigenen Fluchtgründen gab sie zusammengefasst an, wegen ihres cholerischen und gewalttätigen Vaters aus dem Irak geflohen zu sein. Dieser soll sie und ihre Schwestern geschlagen und auch ihr strenge Bekleidungsvorschriften auferlegt haben. Zudem habe er ihr den Schulbesuch kurz vor der Matura untersagt. Zusammen mit ihrer Mutter und ihren Schwestern will sie mehrfach versucht haben, dem Vater zu entkommen und deshalb auch andere Länder aufgesucht haben. Ob der Verbindungen des Vaters zu einem Verwandten, der beim Geheimdienst tätig sein soll, habe dieser die BF jedoch immer wieder aufspüren und in den Irak zurückholen können.
Gefahr drohe ihr ausschließlich vom Vater und den ob ihrer Ausreise entstandenen Stammesproblemen; öffentliche Stellen oder Behörden stellten dagegen keine Bedrohung für sie dar.
Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme legte die BF diverse Kursbestätigungen, Schulbesuchsbestätigungen und ein Sprachzertifikat der Stufe B1 vor
1.5. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wies das BFA den Antrag der beschwerdeführenden Partei hinsichtlich des Antrages auf Erteilung von internationalem Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.) und sprach aus, dass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt werde und dass die Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiter wurde ausgesprochen, dass die Frist für seine freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).
Die belangte Behörde begründete die Entscheidung im Kern damit, dass es ihr nicht gelungen sei, eine asylrelevante Bedrohung glaubhaft zu machen. Ihr Vorbringen sei in sich vage und nicht nachvollziehbar weshalb ihm die Glaubhaftigkeit abzusprechen gewesen sei. Zudem sei es einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zufolge nahezu unmöglich, Personen im Ausland aufzuspüren, wenn sich diese ohne ihren Reisepass bewegen würden. Ihr Bruder habe außerdem freiwillig die Rückkehr in den Irak angestrebt, weshalb von einer Gefährdung durch den gemeinsamen Vater nicht ausgegangen werden könne.
1.6. Gegen diesen Bescheid erhob die BF durch ihre zum damaligen Zeitpunkt ausgewiesene Rechtsvertretung mit Schreiben vom 28.09.2018 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Ihre Beschwerde verband sie einerseits mit der Anfechtungserklärung, den Bescheid vollumfänglich anfechten zu wollen, andererseits mit den Anträgen 1.) den angefochtenen Bescheid zu beheben und ihr den Status einer Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG zuzuerkennen, 2.) in eventu den angefochtenen Bescheid zur Gänze zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Erlassung eines Bescheides an das Bundesamt zurückzuverweisen, 3.) möge ihr in eventu gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat zuerkannt werden, 4.) allenfalls die erlassene Rückkehrentscheidung aufzuheben und auf Dauer für unzulässig zu erklären und 5.) eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchzuführen. In der Beschwerde brachte sie vor, dass einer ihrer Onkel Geheimdienstmitarbeiter sei und es diesem daher leicht möglich gewesen sei, die BF im Ausland aufzuspüren. Über eine in Österreich lebende Tante habe ihr Vater zudem erfahren, dass sie sich im Bundesgebiet aufhalte. Ihr Bruder sei zwar freiwillig zurückgekehrt, dieser finde als Mann jedoch eine andere Situation vor, da er für sich selbst sorgen und ein vom Vater losgelöstes, eigenständiges Leben führen könne. Ihr als Frau sei dies nicht möglich.
1.7. In der Folge brachte die belangte Behörde die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt dem BVwG zur Vorlage.
1.8. Am 22.03.2021 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit der BF, einer Dolmetscherin und des Lebensgefährten der BF eine mündliche Verhandlung durchgeführt.
1.9. Mit Eingabe vom 23.04.2021 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine ACCORD-Anfragebeantwortung zu den Themen Sicherheitslage in Bagdad und Kerbala in den letzten sechs Monaten sowie Umgang mit jungen Frauen in Bagdad und Kerbala, die die konventionelle Kleidung nicht tragen wollen und den Vorschriften ihres Vaters zuwiderhandeln, ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Identitätsfeststellungen
Die in XXXX geborene BF ist gesund, führt die im Spruch angegebene Identität und ist irakische Staatsangehörige. Sie gehört der Ethnie der Araber an und ist Muslima schiitischer Glaubensausrichtung. Ihre Muttersprache ist Arabisch. Sie verfügt über Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1. Sie ist kinderlos und in Beziehung mit dem in Österreich subsidiär Schutzberechtigten irakischen Staatsangehörigen XXXX , geboren am XXXX , in Bagdad.
Seit dem XXXX hat sie den Hauptwohnsitz im Bundesgebiet (seit dem XXXX .2019 gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten an der Anschrift XXXX ).
1.2. Zur Ausreise, Reise, Einreise der beschwerdeführenden Partei in Österreich und ihrer darauffolgenden Asylantragstellung:
Vor ihrer Ausreise aus dem Irak lebte sie bis zu ihrem zehnten oder elften Lebensjahr in XXXX und übersiedelte dann mit ihrer Familie nach XXXX in den Bezirk XXXX .
Am XXXX .2015 flog die BF von XXXX ausgehend mit ihrem Bruder XXXX , geboren am XXXX , unter Mitnahme eines Reisedokuments nach Istanbul und von dort weiter nach Marmariz. Von dort gelangten sie mit dem Schiff nach Athen und weiter über Mazedonien, Serbien und Ungarn nach Österreich wo sie am XXXX .2015 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellten. Die ungarisch-österreichische Grenze überquerten sie fußläufig. Die Reise von Izmir nach Griechenland gelang mittels Schleppern, sonst wurde sie selbst organisiert.
Eine von den öffentlichen Sicherheitsbehörden durchgeführte EURODAC-Abfrage verlief negativ.
1.3. Zur individuellen Situation der Beschwerdeführerin im Heimatstaat:
Die BF wurde in XXXX geboren und übersiedelte im zehnten oder elften Lebensjahr mit ihrer Familie nach XXXX wo sie bis zu ihrer Ausreise lebte. In beiden Städten besuchte sie die Schule, der Abschluss der Matura wurde ihr von ihrem Vater ein Jahr vor der Matura untersagt. Über eine Berufsausbildung verfügt sie nicht. Für den Lebensunterhalt der BF kam der Vater auf.
Die gesamte Kernfamilie der BF lebt in der Heimat. Ihre ältere Schwester verstarb im Jahr XXXX an Leukämie, ihre jüngere Schwester kam im Jahr XXXX zur Welt. Derzeit besteht keinerlei Kontakt zu den im Irak lebenden Familienmitgliedern.
In Österreich lebt eine Tante mütterlicherseits und die Tochter einer anderen Tante mütterlicherseits. Deren derzeitiger Aufenthalt ist der BF nicht bekannt und besteht keinerlei soziales oder finanzielles Abhängigkeitsverhältnis zu ihnen.
In ihrer Heimat leben neben ihrer eigenen Kernfamilie keine weiteren Verwandten.
1.4. Zu den Fluchtgründen der beschwerdeführenden Partei:
Die BF gehörte in ihrer Heimat keiner politischen Bewegung an und hatte er weder mit der Polizei, noch mit den Verwaltungsbehörden, noch mit den Gerichten des Herkunftsstaates ein Problem. Sie wurde zu keinem Zeitpunkt von staatlichen Organen oder von einer bewaffneten Gruppierung wegen ihres Religionsbekenntnisses oder aus politischen Gründen (etwa wegen einer Zugehörigkeit zu einer politischen Partei des Herkunftsstaates) verfolgt.
Dass sie von einer schiitischen Miliz, Al-Qaida, dem Islamischen Staat oder öffentlichen Stellen bedroht wurde, wurde nicht dargetan. Anhaltspunkte, dass von einer dieser Gruppen eine Bedrohung gegen sie ausgegangen wäre bzw. eine solche gegenwärtig von diesen Gruppierungen ausginge, wurden von der BF nicht einmal behautet, geschweige denn dass Anhaltspunkte in diese Richtung vorlägen.
Dass die BF im Herkunftsstaat einer asylrelevanten Bedrohung ausgesetzt gewesen wäre bzw. nach einer Rückkehr in diesen Herkunftsstaat einer solchen ausgesetzt sein könnte, vermochte sie nicht darzutun.
1.5. Zu etwaigen Integrationsschritten der BF im Bundesgebiet:
Die BF hat nachweislich ein Sprachzertifikat der Stufe B1 erworben. Seit XXXX ist sie Schülerin eines Abendgymnasiums in XXXX und absolviert eine vier Jahre andauernde, modulare Ausbildung. Sie arbeitet freiwillig bei der Caritas, gibt Volksschulkindern Nachhilfe und hilft älteren Menschen.
Die BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
Auf weitere integrationsverfestigende Merkmale konnte sie nicht verweisen.
Seit dem Jahr XXXX kennt sie ihren Lebensgefährten, den in XXXX geborenen XXXX . Dieser ist in Österreich subsidiär Schutzberechtigter und derzeit als Arbeiter in einem vollversicherten Beschäftigungsverhältnis tätig.
Die BF ist gesund und nicht erwerbstätig. Sie bezieht keinerlei Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung und wird von ihrem Lebensgefährten versorgt. Seit dem XXXX 2018 ist sie als nichtverwandte Haushaltsführerin durch ihren Lebensgefährten krankenversichert
1.6. Zur Lage im Irak wird festgestellt:
1.6.1. Sicherheitslage:
Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit den schiitischen Milizen, den sogenannten Popular Mobilisation Forces (PMF), mit Unterstützung durch die alliierten ausländischen Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz Al Anbar bzw. deren Metropolen Fallouja und Ramadi als auch aus den nördlich an Bagdad anschließenden Provinzen Diyala und Salah al Din zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines „Kalifats“ in der Stadt Mossul, Provinz Ninava, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze. Ab November 2016 wurden die Umgebung von Mossul sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des Tigris sukzessive wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von Mossul eingekesselt. Der sunnitische IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in Bagdad und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier Abadi Mossul für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von Mossul in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt Tal Afar durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz Anbar sowie eine Enklave um Hawija südwestlich von Kirkuk.
Die Lage im Irak ist seit der Tötung des iranischen Generals Qassem Soleimani durch einen Luftangriff der Vereinigten Staaten und einen Vergeltungsschlag des Irans gegen amerikanisch genutzte Militärstützpunkte sehr angespannt. Schiitische Milizen haben für die Tötung Soleimanis und eines hohen irakischen Milizenführers Vergeltung angekündigt, der bei dem amerikanischen Angriff ebenfalls ums Leben kam.
Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich Dohuk, Erbil und Suleimaniya, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt Kirkuk betreffend. Zuletzt kam es zu einer Besetzung dieser Region sowie weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze durch die irakische Armee und der Zentralregierung nahestehende Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen. Der Konflikt zwischen Bagdad und Erbil hat sich im Lauf des Jahres 2018 wieder beruhigt, und es finden seither regelmäßig Gespräche zwischen den beiden Seiten statt. Grundlegende Fragen wie Öleinnahmen, Haushaltsfragen und die Zukunft der umstrittenen Gebiete sind jedoch weiterhin ungelöst zwischen Bagdad und der KRI.
Die KRI ist seit Jahrzehnten zwischen den beiden größten Parteien geteilt, der Kurdischen Demokratischen Partei (KDP), angeführt von der Familie Barzani, und deren Rivalen, der Patriotischen Union Kurdistans (PUK), die vom Talabani-Clan angeführt wird. Die KDP hat ihr Machtzentrum in Erbil, die PUK ihres in Suleimaniya. Beide verfügen einerseits über eine bedeutende Anzahl von Sitzen im Irakischen Parlament und gewannen andererseits auch die meisten Sitze bei den Wahlen in der KRI im September 2018. Der Machtkampf zwischen KDP und PUK schwächt einerseits inner-kurdische Reformen und andererseits Erbils Position gegenüber Bagdad. Dazu kommen Gorran („Wandel“), eine 2009 gegründete Bewegung, die sich auf den Kampf gegen Korruption und Nepotismus konzentriert, sowie eine Reihe kleinerer islamistischer Parteien.
Eine Einreise in die drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist angesichts eines Luftraumembargos der Nachbarstaaten Türkei und Iran gegen die kurdische Regionalregierung auf direkte Weise aktuell nur auf dem Landweg möglich.
Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz Basra, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war diese Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in Anbar und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte zuletzt eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden, verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte.
Die Sicherheitslage im Großraum Bagdad war durch die genannten Ereignisse im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten, um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten nicht, ebenso auch nicht in Bezug auf die Säuberung von ethnischen oder religiösen Gruppierungen bewohnte Gebiete.
In den letzten sechs Monaten (Anfang Oktober 2020 bis Ende Mai 2021) gab es insgesamt 23 sicherheitsrelevante Vorfälle in Kerbala. 21 der 23 Vorfälle waren Demonstrationen, 16 davon friedlich und fünf mit Ausschreitungen. Von den restlichen zwei Vorfällen sei einer eine strategische Entwicklung gewesen und der andere ein Angriff gegen einen Zivilisten oder eine Zivilistin. In der Woche vom 7. Februar hätten Unbekannte einen Aktivisten oder eine Aktivistin entführt und gefoltert.
Joel Wings Blog Musings on Iraq und der Iraq Security and Humanitarian Monitor von EPIC wurden nach sicherheitsrelevanten Vorfällen in Kerbala durchsucht und es wurden dort mit Ausnahme von Demonstrationen keine Vorfälle in der Stadt genannt. Euch die zuletzt erschienen EASO Country Guidence zum Irak mit Stand Jänner 2021 verdeutlichen, dass Gewalt in Kerbala grundsätzlich auf einem sehr geringen Level stattfindet, sodass von nur von einem sehr geringen Risiko für Zivilisten ausgegangen werden kann, davon betroffen zu sein.
Die BF war im Herkunftsstaat keiner asylrelevanten Verfolgung oder Bedrohung ausgesetzt. Sie hatte weder mit der Polizei, noch mit den Gerichten noch mit den Verwaltungsbehörden des Herkunftsstaates Probleme. Sie war auch nie Adressatin einer gegen sie persönlich gerichteten strafgerichtlichen Verfolgung. Auch liegt keine strafgerichtliche Verurteilung gegen sie vor. Sie war nie Mitglied einer im Herkunftsstaat tätigen bewaffneten Gruppierung (Al-Qaida, IS bzw. Milizen) bzw. wurde sie von einer bewaffneten Gruppierung des Herkunftsstaates zu keinem Zeitpunkt angeworben, insbesondere für Kampfhandlungen. Insgesamt kam anlassbezogen nicht hervor, dass sie im Herkunftsstaat einer asylrelevanten Bedrohung ausgesetzt gewesen wäre.
Quellen (Zugriff am 08.05.2021):
- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges- amt- bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf
- ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zum Irak: Aktuelle Sicherheitslage in den Provinzen Bagdad und Kerbala [a-11553-1] vom 23.04.2021
- BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Von schiitischen Milizen dominierte Gebiete (Ergänzung zum Länderinformationsblatt), 04.01.2018 https://www.ecoi.net/en/file/local/1422124/5618_1516263925_irak-sm-von-schiitischen-milizen-dominierte-gebiete-2018-01-04-ke.doc
- EASO – Security situation Iraq (Oktober 2020): https://www.ecoi.net/de/dokument/2043991.html
- EASO – Coutry Guidance Iraq (Jänner 2021): https://www.ecoi.net/de/dokument/2045437.html
- Frankfurter Allgemeine, 12.01.2020, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/irak-raketenangriff-auf-us-stuetzpunkt-nahe-bagdad-16578012.html
- France24 (22.2.2020): Iraqi Kurds rally against 'corruption' of ruling elite, https://www.france24.com/en/20200222-iraqi-kurds-rally-against-corruption-of-ruling-elite,
- - GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2020a): Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/irak/geschichte-staat/
- - KAS - Konrad Adenauer Stiftung (2.5.2018): Mapping the Major Political Organizations and Actors in Iraq since 2003, http://www.kas.de/wf/doc/kas_52295-1522-1-30.pdf?180501131459,
- - Süß, Clara-Auguste (21.8.2017): Al-Hashd ash-Sha’bi: Die irakischen „Volksmobilisierungseinheiten“ (PMU/PMF), in BFA Staatendokumentation: Fact Finding Mission Report Syrien mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1410004/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf
- UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017 https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf
- UNHCR – UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12.04.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf
1.6.2. Berufsgruppen:
Aus den Länderinformationen zum Herkunftsstaat der bfP geht hervor, dass Polizisten, Soldaten, Journalisten, Menschenrechtsverteidiger, Intellektuelle, Richter und Rechtsanwälte und alle Mitglieder des Sicherheitsapparats besonders gefährdet seien.
Inhaber von Geschäften, in denen Alkohol verkauft wird - fast ausschließlich Angehörige von Minderheiten, vor allem Jesiden und Christen, Zivilisten, die für internationale Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen oder ausländische Unternehmen arbeiten sowie medizinisches Personal seien ebenfalls immer wieder Ziel von Entführungen oder Anschlägen.
Die BF war nach eigenen Angaben in ihrer Heimat Schülerin und übte keine berufliche Tätigkeit aus, deretwegen sie einer exponentiellen Gefährdung ausgesetzt gewesen wäre bzw. ausgesetzt sein könnte.
Quellen (Zugriff am 08.05.2021):
- - AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf
- - USDOS - US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom: https://www.ecoi.net/de/dokument/2011175.html
1.6.3. Medizinische Versorgung
Das Gesundheitswesen besteht aus einem privaten und einem öffentlichen Sektor. Grundsätzlich sind die Leistungen des privaten Sektors besser, zugleich aber auch teurer. Ein staatliches Krankenversicherungssystem existiert nicht. Alle irakischen Staatsbürger, die sich als solche ausweisen können - für den Zugang zum Gesundheitswesen wird lediglich ein irakischer Ausweis benötigt - haben Zugang zum Gesundheitssystem. Fast alle Iraker leben maximal eine Stunde vom nächstgelegenen Krankenhaus bzw. Gesundheitszentrum entfernt. In ländlichen Gegenden lebt jedoch ein bedeutender Teil der Bevölkerung weiter entfernt von solchen Einrichtungen. Staatliche, wie private Krankenhäuser sind fast ausschließlich in den irakischen Städten zu finden. Dort ist die Dichte an praktizierenden Ärzten, an privaten und staatlichen Kliniken um ein Vielfaches größer. Gleiches gilt für Apotheken und medizinische Labore. Bei der Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen muss zunächst eine Art Praxisgebühr bezahlt werden. Diese beläuft sich in der Regel zwischen 15.000 und 20.000 IQD (Anm.: ca. 12-16 EUR). Für spezielle Untersuchungen und Laboranalysen sind zusätzliche Kosten zu veranschlagen. Außerdem müssen Medikamente, die man direkt vom Arzt bekommt, gleich vor Ort bezahlt werden. In den staatlichen Zentren zur Erstversorgung entfällt zwar in der Regel die Praxisgebühr, jedoch nicht die Kosten für eventuelle Zusatzleistungen. Darunter fallen etwa Röntgen- oder Ultraschalluntersuchungen.
Insgesamt bleibt die medizinische Versorgungssituation angespannt. Auf dem Land kann es bei gravierenden Krankheitsbildern problematisch werden. Die Erstversorgung ist hier grundsätzlich gegeben; allerdings gilt die Faustformel: Je kleiner und abgeschiedener das Dorf, umso schwieriger die medizinische Versorgung. In Bagdad arbeiten viele Krankenhäuser mit eingeschränkter Kapazität. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, doch haben viele aus Angst vor Entführung oder Repression das Land verlassen. Die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen örtlichen Gesundheitszentren (ca. 2.000 im gesamten Land) sind entweder geschlossen oder wegen baulicher, personeller und Ausrüstungsmängel nicht in der Lage, die medizinische Grundversorgung sicherzustellen. Spezialisierte Behandlungszentren für Personen mit psychosoziale Störungen existieren zwar, sind jedoch nicht ausreichend. Laut Weltgesundheitsorganisation ist die primäre Gesundheitsversorgung nicht in der Lage, effektiv und effizient auf die komplexen und wachsenden Gesundheitsbedürfnisse der irakischen Bevölkerung zu reagieren.
Anlässlich ihrer Einvernahme vor dem BFA und dem BVwG bezeichnete sich die BF als gesund. Aus dem Umstand, dass sie in Österreich gelegentlich einer freiwilligen Tätigkeit nachging, kann grundsätzlich Arbeitsfähigkeit vorausgesetzt werden. Sämtliche Aspekte führen dazu, dass davon ausgegangen werden kann, dass keine, der Rückführung entgegenstehenden Einschränkungen (insb. gesundheitlicher Natur) vorliegen.
Quellen (Zugriff am 18.05.2021):
- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (12.2019): Alltag, https://www.liportal.de/irak/alltag/
- IOM - Internationale Organisation für Migration (1.4.2019): Länderinformationsblatt Irak (Country Fact Sheet 2018), https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698617/18363939/Irak_%2D_Country_Fact_Sheet_2018%2C_deutsch.pdf?nodeid=20101157&vernum=-2
- UNAMI - United Nations Assistance Mission to Iraq (12.2016): Report on the Rights of Persons with Disabilities in Iraq, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/UNAMI_OHCHR__Report_on_the_Rights_of_PWD_FINAL_2Jan2017.pdf
- WHO - World Health Organization (o.D.): Iraq: Primary Health Care, http://www.emro.who.int/irq/programmes/primary-health-care.html
1.6.4. Junge Frauen die den Vorgaben des Vaters widersprechen und konventionelle Kleidung nicht tragen wollen; Schulweg
Aus den zuletzt eingelangten ACCORD-Anfragebeanwortungen ergibt sich, dass Schülerinnen an die im Irak herrschenden Kleidungsvorschriften an Schulen gebunden sind. Außerhalb von Schulgebäuden sind je nach Region unterschiedliche Kleidungsvorschriften vorzufinden. Abhängig von der Größe des Ballungsraumes ist festzustellen, dass Frauen auf der Straße eher traditionelle Kleidung tragen während sie zu Hause oftmals westlich gekleidet sind. Diese Vorgaben werden jedoch nicht nur von religiöser Seite gegeben, sondern auch oftmals von Vätern durchgesetzt, während es - abgesehen von Schuluniformen - keine staatlich vorgeschriebenen Bekleidungsvorschriften gebe. Im Jahr 2017 gab es im Provinzrat von Kerbala eine Abstimmung darüber, ob unverhüllten Frauen der Zutritt zur Stadt verboten werden solle, Frauen würden auf der Straße durch Plakate aufgefordert, einen Schleier zu tragen.
Der Widerstand gegen Vorgaben von Vätern führt oft Bestrafungen von „Taschengeldentzug“ bis hin zu körperlichen Misshandlungen, je nachdem, welche Vorschriften des Vaters verletzt werden.
Wenn Frauen ohne Erlaubnis des Vaters ins Ausland fliehen, wird dies als ein Beflecken der Familienehre angesehen und ist auch Blutrache in diesem Zusammenhang nicht auszuschließen. Da die Familienehre oft an Mädchen hängt, ist deren Weglaufen vielfach eine Katastrophe für die Familie und bringt die Tochter oftmals in starke gesellschaftliche Probleme.
Der Schulweg wird unterschiedlich gestaltet, während es für bereits größere Mädchen, die in der Nähe der Schulen leben, üblich ist, dass diese gemeinsam den Schulweg bestreiten kommt es auch vor, dass Väter oder Mütter ihre Kinder in die Schule bringen. Auch private Schulbusse werden zum Transport organisiert.
Quellen (Zugriff am 18.05.2021):
- ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zum Irak: Umgang mit jungen Frauen in Bagdad und Kerbala, die die konventionelle Kleidung nicht tragen wollen und Vorschriften des Vaters nicht akzeptieren: übliche Kleidung von Schülerinnen in Kerbala und Bagdad, Bekleidungsvorschriften für Frauen, übliche Art des Schulwegs, mögliche Gefahren, wenn junge Musliminnen sich den Anordnungen ihres Vaters widersetzen, und Möglichkeit von Blutrache im Falle einer Rückkehr [a-11553-2] vom 23.04.2021
Aus den Angaben der BF, vom Vater mit Bekleidungsvorschriften belegt worden zu sein, lässt sich nicht entnehmen, dass sie gegenüber Schülerinnen ihres Alters schlechter behandelt worden wäre bzw. dass die vom Vater angeblich vertretenen Bekleidungsvorschriften strenger gewesen wären, als jene in diesem Kulturkreis üblichen. Auch lässt sich in Zusammenhalt mit ihren Angaben, wie ihre Mitschülerinnen beim Schulbesuch gekleidet waren und zu deren Lebensumständen, keine Ungleichbehandlung der BF im Vergleich mit ihren Mitschülerinnen erkennen. Im Übrigen ist die BF hinsichtlich der behaupteten Behandlung durch den Vater so allgemein und unbestimmt geblieben, dass es ihr nicht gelang, die behauptete Ungleichbehandlung gegenüber ihren Mitschülerinnen, die sie vor dem Bundesverwaltungsgericht im Übrigen relativierte, und die behaupteten Misshandlungen durch den Vater (in Gestalt durch körperliche Züchtigungen) glaubhaft zu machen.
1.7. Abgesehen davon lässt sich aus den Angaben der BF entnehmen, dass sie mit den Behörden, der Polizei oder den Gerichten des Herkunftsstaates etwa wegen ihres Religionsbekenntnisses, ihrer ethnischen Zugehörigkeit zur arabischen Volksgruppe oder aus politischen Gründen keine Probleme hatte. Den Länderberichten lässt sich nicht entnehmen, dass Schüler bzw. Maturanten wie die BF per se einer Verfolgung ausgesetzt wären bzw. sein könnten, die alleine aufgrund dieses Status als asylrelevant eingestuft werden kann. Es gibt auch keinerlei Hinweise in die Richtung, dass die Beschwerdeführerin oder die Angehörigen ihrer Kernfamilie darüber hinaus politisch exponiert aktiv gewesen wären oder als Mitglied einer politisch aktiven Bewegung oder einer bewaffneten Gruppierung des Herkunftsstaates angehört hätten.
Mit den Angehörigen derselben Glaubensrichtung oder mit den Angehörigen einer anderen, im Herkunftsstaat beheimateten Glaubensrichtung hatte sie keine Probleme.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang und die in der Folge getroffenen (sachverhaltsbezogenen) Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes, sowie aus den niederschriftlich protokollierten Angaben des BF anlässlich seiner Befragung durch die Organe der belangten Behörde.
2.2. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:
Soweit in der gegenständlichen Rechtssache zur Identität, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie der Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin Feststellungen getroffen wurden, beruhen diese im Wesentlichen auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, den von der BF vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde, andererseits vor den Organen der belangten Behörde getätigten Angaben sowie auf den im Akt befindlichen Kopien der vorgelegten Dokumente und Urkunden.
Diese Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung der Person der Beschwerdeführerin im gegenständlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren.
2.3. Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin:
Die zu ihrer Ausreise aus dem Irak, zur weiteren Reiseroute und zur Einreise ins Bundesgebiet getroffenen Konstatierungen ergeben sich aus ihren glaubhaften Angaben anlässlich ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor den Organen der Sicherheitsbehörde (AS 7), die – obwohl von ihrem Bruder stammend – im Wesentlichen unstrittig geblieben sind und der gegenständlichen Entscheidung daher im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu Grunde gelegt werden konnten. Die negative EURODAC-Abfrage ergibt sich aus einem demensprechenden Auszug im Verwaltungsakt (AS 25).
Die zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates und zu ihrer Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat getroffenen Feststellungen beruhen einerseits auf ihren Angaben vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde sowie auf den vor den Organen der belangten Behörde gemachten Angaben und auf ihren Angaben vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde wurde – verfahrensgegenständlich nicht relevant – als Fluchtgrund der Erhalt eines Drohbriefs und das Verschwinden des Vaters angegeben.
Anlässlich ihrer Einvernahme vor dem BFA gab sie als Fluchtgrund an, wegen ihres cholerischen und gewalttätigen Vaters aus dem Irak geflohen zu sein. Dieser habe sie und ihre Schwestern geschlagen und ihr auch strenge Kleidungsvorschriften auferlegt. Zudem habe er ihr den Schulbesuch kurz vor dem Abschluss der Matura untersagt. Sie habe zusammen mit ihrer Mutter und ihren Schwestern mehrfach versucht, dem Vater zu entkommen und deshalb auch andere Länder aufgesucht. Ob der Verbindungen des Vaters zu einem Verwandten, der beim Geheimdienst tätig sei, habe dieser die BF jedoch immer wieder aufspüren und in den Irak zurückholen können. Die Gewalt und auch seine Vorgaben hätten für sie weniger ein Problem dargestellt als das Verbot des Schulbesuchs.
Während die Reiseroute und deren Verlauf im Wesentlichen glaubhaft geschildert wurden gelang es der BF nicht, ihre Fluchtgründe als asylrelevant darzustellen.
Die gesamte Flucht der BF resultiert ausschließlich aus der häuslichen Gewalt durch ihren Vater. Die von ihrem Bruder genannte Bedrohung und auch das Verschwinden des Vaters erwähnte die BF im gesamten Verfahren nicht und schloss sogar eine Entführung explizit aus (Seite 17 der Verhandlungsniederschrift).
Die von der BF angegebenen Fluchtgründe sind nicht als asylrelevant zu qualifizieren. Die gegen sie selbst gerichtete Gefährdung geht nach ihrer eigenen Aussage von einer Privatperson - ihrem Vater - aus bzw. durch ihre Flucht aus dem Irak gegebenenfalls vom gesamten Clan, die keiner staatlichen Seite oder einer solchen nachstehenden Organisation zugeordnet werden können. Auch konnte sie ob ihres widersprüchlichen Vorbringens, das zudem noch sehr allgemein und unsubstantiiert gehalten war, nicht glaubhaft machen, dass ihr Vater Gewalt gegen sie angewendet hätte. Gegen eine direkte Asylrelevanz spricht zudem, dass sie im Zuge ihrer Aussage vor dem BFA angab, dass sie die Vorgaben ihres Vaters und dessen physische Gewalt weniger gestört hätten, als das Verbot, die Schule zu besuchen.
Eine Verfolgung wegen ihres Glaubens oder auch aus patriarchalisch-familiären Gründen ist daher auszuschließen.
Sämtliche von der BF vorgebrachten Fluchtgründe und die zuvor geschehenen Gewalthandlungen sind nicht geeignet, asylrelevante Verfolgung klar zu belegen.
Eine Verfolgung aus religiösen (die BF ist Schiitin) oder politischen Gründen schloss die BF explizit aus.
Insgesamt erscheint ihr Fluchtvorbringen daher nicht als asylrelevant im Sinne der Flüchtlingskonvention und in sich widersprüchlich und nicht konsistent. Die getroffenen Feststellungen waren daher im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu treffen.
2.4. Zur Lage im Herkunftsstaat:
Die länderkundlichen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Irak gründen auf dem Amtswissen des erkennenden Gerichtes und auf den als notorisch zu qualifizierenden aktuellen Ereignissen im Herkunftsstaat der BF in Verbindung mit den dazu ergänzend eingesehenen länderkundlichen Informationsquellen. Diesen war auch kein über die oben erörterten, vom der BF selbst dargebotenen Verfolgungsgründe hinausgehender Sachverhalt zu entnehmen, der allenfalls Anhaltspunkte für eine aus sonstigen Gründen drohende individuelle asylrelevante Gefährdung beinhaltet hätte.
Zudem konnten diese anhand rezenter Informationen der Staatendokumentation, der EASO – Country Guidance: Iraq mit Stand Jänner 2021 welche auch auf den EASO Sicherheitsbericht mit Stand Oktober 2020 zurückgreift und der zuletzt eingelangten ACCORD- Anfragebeantwortungen vom 23.04.2021 getroffen werden. Die darin aufgelisteten Ergebnisse resultieren aus Research-Verfahren öffentlicher Einrichtungen, die ob ihres Wirkens hohen Standards unterliegen und zur Objektivität verpflichtet sind.
2.5. Zur Integration der BF in Österreich:
Die Feststellungen zu den von der Beschwerdeführerin in Österreich gesetzten Integrationsschritten (Deutschkursbesuch, ehrenamtliche Mitarbeit) ergeben sich aus den diesbezüglichen glaubhaften Nachweisen im Akt, Schulbesuchsbestätigungen liegen dem Akt bei.
Dass die BF keine Leistungen der Grundversorgung bezieht und in Beziehung mit einem in Österreich subsidiär Schutzberechtigten irakischen Staatsbürger lebt und durch diesen krankenversichert ist, ergibt sich aus ihren diesbezüglich als glaubhaft zu wertenden Angaben vor dem Bundesverwaltungsgericht und den damit in Einklang stehenden jeweiligen GVS-Auszügen beider Personen und den mit diesen korrelierenden Versicherungsdaten. Ihre strafrechtliche Unbescholtenheit konnte mittels eines von Amts wegen eingeholten Strafregisterauszug festgestellt werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht
3.1.1. Die gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 28.08.2018 erhobene Beschwerde der BF ist rechtzeitig und legte die belangte Behörde die Beschwerdesachen dem Bundesverwaltungsgericht vor.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF., entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) das Bundesverwaltungsgericht.
3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt die Entscheidung in der gegenständlichen Rechtssache dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte, mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.2. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids:
3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.
Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“ (vgl. VwGH vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131 und vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370 und vom 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, der sich eignet, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH vom 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; vom 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; vom 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN; vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131 und vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).
Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318 und vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH vom 05.11.1992, Zl. 92/01/0792 und vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH vom 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH vom 01.06.1994, Zl. 94/18/0263 und vom 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH vom 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).
Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370 und vom 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).
Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor einer konkreten Verfolgung findet (VwGH vom 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. „inländische Fluchtalternative“ vor. Der Begriff „inländische Fluchtalternative“ trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH vom 08.09.1999, Zlen. 98/01/0503 und 98/01/0648).
Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH vom 21.01.1999, Zl. 98/20/0399 und vom 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).
3.2.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die gegenständliche Beschwerde als unbegründet:
Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.
Eine gegen eine Person gerichtete Verfolgungsgefahr aus solchen Gründen wurde von der Beschwerdeführerin weder im Verfahren vor der belangten Behörde, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht glaubhaft gemacht.
Soweit sie geltend gemacht hat, wegen ihres gewalttätigen Vaters den Irak verlassen zu haben, ist diesen als unglaubwürdig gewerteten Angaben in Bezug auf sie selbst bei Wahrunterstellung keine Asylrelevanz zuzuerkennen, zumal es sich hierbei um Handlungen innerhalb der familiären Struktur handelt und dies dem irakischen Staat nicht zuordenbar sind. Eine Gefahr von staatlicher Seite, die auf ihrem Glauben oder ihrer politischen Gesinnung resultieren könnte, schloss sie während des gesamten Verfahrens aus. Auch wurden direkte staatliche Angriffe oder Übergriffe öffentlicher Stellen gegen ihre Person nicht behauptet, in concreto sogar explizit ausgeschlossen.
Aus ihrem gesamten Vorbringen lassen sich keinerlei Hinweise darauf entnehmen, dass sie einer jener Risikogruppen angehört, die durch die GFK geschützt werden.
In Anbetracht der von der BF vorgebrachten Sachverhalte und den hierzu getätigten Ausführungen lassen sich diese nicht unter die Fluchtgründe des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK subsumieren, da eine etwaige Bedrohung einer bestimmten Gruppe oder öffentlichen Person nicht zugewiesen werden konnte.
Aus den angeführten Gründen erübrigt sich die Prüfung einer Fluchtalternative, zumal die bfP eine asylrelevante Verfolgung oder Bedrohung nicht glaubhaft gemacht hat.
3.2.3. Aus den angeführten Gründen war daher der gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gerichtete Teil der Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
3.3. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids:
3.3.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn der beschwerdeführenden Partei eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.
Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.
Somit ist vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH vom 23.02.1995, Zl. 95/18/0049; vom 05.04.1995, Zl. 95/18/0530; vom 04.04.1997, Zl. 95/18/1127; vom 26.06.1997, ZI. 95/18/1291 und vom 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH vom 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).
Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH vom 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH vom 14.10.1998, Zl. 98/01/0122 und vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).
Unter „realer Gefahr“ ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen („a sufficiently real risk“) im Zielstaat zu verstehen (VwGH vom 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (z.B. VwGH vom 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; vom 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438 und vom 30.05.2001, Zl. 97/21/0560).
Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH vom 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; vom 08.06.2000, Zl. 99/20/0203 und vom 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offenbliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (vgl. VwGH vom 08.06.2000, Zl. 99/20/0203).
Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH vom 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; vom 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR vom 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; vom 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).
Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten i