TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/21 G307 2196234-1

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Veröffentlicht am 21.06.2021
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Entscheidungsdatum

21.06.2021

Norm

AsylG 2005 §54 Abs2
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4

Spruch


G307 2196234-1/9E

Im namen der republik!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , alias XXXX , geb. XXXX , StA: Irak, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuung- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mbH in 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.04.2018, Zahl XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I.       Die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunktes III. wird als unbegründet abgewiesen.

II.     Der Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte IV. bis VI. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben, eine Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt und dem Beschwerdeführer gemäß §§ 55 Abs. 1 iVm. 54 Abs. 2 AsylG, der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte am 16.10.2015 einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

2. Am 12.11.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die polizeiliche Erstbefragung des BF statt.

3. Am 09.01.2018 wurde der BF im Asylverfahren niederschriftlich durch ein Organ des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) einvernommen.

4. Mit dem oben im Spruch genannten Bescheid des BFA, dem BF persönlich zugestellt am 24.04.2018, wurde der gegenständliche Antrag auf Einräumung internationalen Schutzes bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Irak zulässig sei (Spruchpunkt V.), sowie festgestellt, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist zur freiwilligen Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

5. Mit per E-Mail am 22.05.2018 beim BFA eingebrachtem Schriftsatz erhob der BF durch seine damalige Rechtsvertretung, die Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige Gesellschaft mbH – ARGE Rechtsberatung, in 1170 Wien, Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG).

Darin wurde neben der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung jeweils in eventu, die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder jener des subsidiär Schutzberechtigten, die dauerhafte Erklärung der Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung sowie die Zurückverweisung der Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde beantragt.

6. Die gegenständliche Beschwerde und der zugehörige Verwaltungsakt wurden vom BFA dem BVwG vorgelegt und langten am 24.05.2018 beim BVwG ein.

7. Mit Schriftsatz vom 22.02.2019, beim BVwG eingebracht am selben Tag, brachte der BF ergänzend Unterlagen in Vorlage.

8. Mit auf elektronischem Wege am 16.04.2021 dem BVwG übermittelten Schreiben übermittelte der BF über seine RV dem Verwaltungsgericht weitere Unterlagen.

9. Am 31.05.2021 zog der BF durch seine Rechtsvertretung (im Folgenden: RV) die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides ausdrücklich zurück und nahm zudem ergänzend zu den Spruchpunkten III. bis VI. des angefochtenen Bescheides Stellung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF führt die im Spruch angegebene Identität (Name und Geburtsdatum), ist irakischer Staatsangehöriger, gesund und arbeitsfähig. Seine Muttersprache ist Arabisch.

1.2. Der BF ist im Irak geboren und aufgewachsen. Er hat im Herkunftsstaat die Schule besucht und war zuletzt bei der Firma XXXX im Irak 11 Jahre lang beschäftigt. Am 03.10.2015 verließ der BF seinen Herkunftsstaat und reiste am 14.10.2015 ins Bundesgebiet ein, wo er sich seither durchgehend aufhält. Am 12.11.2015 stellte der BF einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes in Österreich.

1.3. Der BF ist verheiratet und Vater eines Kindes. Die Frau und das gemeinsame Kind des BF halten sich nach wie vor im Irak auf und verfügt der BF zudem über weitere familiäre Bezugspunkte im Herkunftsstaat in Form zweier Brüder und einer Schwester.

1.4. Im Bundesgebiet lebt ein Cousin des BF. Darüber hinaus weist der BF keine familiären Bezüge im Bundesgebiet auf, jedoch pflegt er hierorts eine Vielzahl an sozialen Kontakten.

1.5. Der BF wird von seinem sozialen Umfeld als integriert, verantwortungsvoll, höflich, sozial und hilfsbereit beschrieben.

1.6. Der BF half im Frühjahr 2019 im Haushalt von XXXX aus, zumal diese aufgrund einer Augenoperation auf Hilfe angewiesen war.

1.7. Zudem ist der BF seit August 2017 im Ausmaß von 25 Wochenstunden in der Anstaltsapotheke der Klinik Donaustadt gemeinnützig beschäftigt. Der BF ist im Rahmen dieser Beschäftigung zuständig für:

?        Kommissionierung (Bereitstellung) von Infusionen, Sondennahrung und Desinfektionsmitteln,

?        Nach-/Einräumen von Übervorräten und Wareneingängen von Infusionen, Sondennahrungen und Desinfektionsmitteln,

?        Instandhaltung des Infusions-, Sondennahrungs- und Desinfektionslagers,

?        Bestücken der Transportcontainer des automatischen Transportsystems mit vorbereiteter Ware,

?        Abfertigung des automatischen Transportsystems,

?        Verräumen der Transportbehälter (Apothekenkisten),

?        Auslieferung von Palettenware an die Dialyse- und Intensivstationen,

?        Verräumen der leeren Paletten.

Der BF erfüllt diese Aufgaben zur vollsten Zufriedenheit seines Arbeitgebers, und wird von diesem als Schlüsselarbeitskraft angesehen, dessen Arbeit als Teil der Sicherstellung der Gesundheitsversorgung im Krankenhaus dient.

Darüber hinaus geht der BF keiner Erwerbstätigkeit in Österreich nach und lebt überwiegend von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Der BF ist zudem nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels für Österreich.

1.8. Der BF hat am XXXX .2019 die Integrationsprüfung auf den Deutsch-Niveau „A2“ bestanden und von 08.04.2019 bis 28.06.2019 einen Deutschkurs des Niveaus „B1“ absolviert. Zudem hat der BF am 11.06.2018 eine Fahrbewilligung für E-Stapler erworben.

Der BF hat von 22.08.2016 bis 16.08.2017 an mehreren Deutsch-Lerngruppen im Rahmen des „ XXXX “ sowie am XXXX .2016 am Werte- und Orientierungskurs des Österreichischen Integrationsfonds teilgenommen.

1.9. Der BF erweist sich in strafgerichtlicher Hinsicht als unbescholten.

1.10. Am 31.05.2021 zog der BF die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. (Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten) und II. (Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten) zurück.

2. Beweiswürdigung

2.1.Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gerichts auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zu Identität, Staatsangehörigkeit, Familienstand, Vaterschaft, familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat, Ausreise aus dem Irak, Einreise in Österreich, Stellung eines Asylantrages, durchgehendem Aufenthalt in Österreich, Schulbesuch und Erwerbstätigkeit im Herkunftsstaat, den Arabisch-Kenntnissen, Gesundheitszustand und Arbeitsfähigkeit des BF getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Den positiven Abschluss der Integrationsprüfung des Niveaus „A2“ beruht auf einer in Vorlage gebrachten Bestätigung (siehe OZ 7). Ferner brachte der BF zudem Bestätigungen über den Besuch der oben genannten Deutsch-Lerngruppen (siehe AS 95ff), über die Absolvierung eines Deutsch-Kurses des Niveaus „B1“ (siehe OZ 7) sowie über die Absolvierung eines Werte- und Orientierungskurses (siehe AS 123) in Vorlage.

Darüber hinaus brachte der BF eine Vielzahl an Empfehlungsschreiben aus seinem sozialen und beruflichen Umfeld in Vorlage (siehe OZ 7 und 8), denen die oben genannten charakterlichen Einstufungen des BF entnommen werden können. Einem Schreiben von XXXX vom 03.05.2021 kann zudem entnommen werden, dass der BF dieser nach deren Augenoperation im Haushalt geholfen hat und ist dessen ehrenamtliche Tätigkeit beim oben genannten Krankenhaus samt der dahingehenden Aufgabenbeschreibung, eines Arbeitszeugnisses und der Einstufung der Tätigkeit des BF als Teil der Gesundheitsversorgung sowie des BF als Schlüsselkraft durch mehrere Schreiben des Arbeitsgebers des BF belegt (siehe OZ 8 und 7).

Die Erwerbslosigkeit des BF wiederum folgt dem Inhalt des auf den Namen des BF lautenden Sozialversicherungsauszuges und beruht die strafgerichtliche Unbescholtenheit auf dem Amtswissen des erkennenden Gerichts in Form der Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.

Der familiäre Bezugspunkt des BF in Form eines Cousins ist mit den den verifizierbaren Angaben des BF vor der belangten Behörde in Einklang zu bringen.

Durch Einsichtnahme in das Zentrale Fremdenregister konnte ermittelt werden, dass der BF keinen Aufenthaltstitel besitzt und geht aus dem GVS-Informationssystem hervor, dass er während seines Aufenthaltes in Österreich überwiegend Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung bezogen hat.

Letztlich lässt der Wortlaut im Schreiben des RV des BF vom 31.05.2021 (siehe OZ 8), keine Zweifel darüber aufkommen, dass er die gegenständliche Beschwerde im Umfang der Spruchpunkte I. und II. des gegenständlich angefochtenen Bescheides zurückgezogen hat. (arg: „Auf ausdrücklichen Wunsch des BF wird die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und II. des Bescheides vom 19.04.2018 zur Zahl XXXX zurückgezogen; siehe OZ 8)

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Prozessgegenstand und Prüfungsumfang:

Der BF erhob mit beim BFA am 22.05.2018 eingebrachtem Schreiben fristgerecht vollumfänglich Beschwerde gegen den oben im Spruch genannten Bescheid. Mit am 31.05.2021 beim BVwG eingebrachtem Schriftsatz zog der BF die Beschwerde jedoch hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides durch seine RV zurück. (vgl. dazu VwGH 23.02.2017, Ro 2017/21/0002). Damit sind die besagten Spruchpunkte in Rechtskraft erwachsen.

Gemäß § 27 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) beschränkt sich die Prüfung der vorliegenden Beschwerde somit auf die Spruchpunkt III. bis VI. des angefochtenen Bescheides (vgl. VwGH 19.11.2004, 2004/02/0230; 23.02.2017, Ro 2017/21/0002).

3.2. Zu Spruchpunkt I.:

Der mit „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ betitelte § 57 AsylG 2005 lautet wie folgt:

„§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:

1.       wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2.       zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3.       wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.

(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.

(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können.“

Umstände, dass allenfalls von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre, liegen unter Zugrundelegung des festgestellten Sachverhaltes nicht vor.

Weder war der Aufenthalt des BF im Bundesgebiet zu irgendeinem Zeitpunkt geduldet, noch brachte der BF vor, Opfer eines Verbrechens gewesen und/oder in ein Gerichtsverfahren involviert zu sein.

Demzufolge war die Beschwerde im besagten Umfang als unbegründet abzuweisen.

3.3. Zu Spruchpunkt II. (Stattgabe der Beschwerde):

3.3.1.  Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1.       der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2.       der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3.       der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4.       einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

5.       einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das BFA gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1.       dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2.       dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3.       ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4.       ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das BFA mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, so ist gemäß § 9 Abs. 1 BFA VG die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere folgende Punkte zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Nach § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 hat das BFA einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA VG rechtskräftig auf Dauer unzulässig erklärt wurde.

Gemäß § 58 Abs. 3 AsylG 2005 hat das BFA über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 AsylG 2005 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

3.3.2.  Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihres Briefverkehrs.

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit ein Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, wie sie eine Ausweisung eines Fremden darstellt, kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob die Ausweisung einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt:

Die Zulässigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, insbesondere die gegenständlichen Rückkehrentscheidung, setzt nach § 9 Abs. 1 BFA-VG unter dem dort genannten Gesichtspunkt eines Eingriffs in das Privat- und/oder Familienleben voraus, dass ihre Erlassung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (vgl. VwGH vom 12.11.2015, Zl. Ra 2015/21/0101).

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer „Familie“ voraussetzt. Der Begriff des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern bzw. von verheirateten Ehegatten, sondern auch andere nahe verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine hinreichende Intensität für die Annahme einer familiären Beziehung iSd. Art. 8 EMRK erreichen. Der EGMR unterscheidet in seiner Rechtsprechung nicht zwischen einer ehelichen Familie (sog. „legitimate family“ bzw. „famille légitime“) oder einer unehelichen Familie („illegitimate family“ bzw. „famille naturelle“), sondern stellt auf das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens ab (siehe EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 454; 18.12.1986, Johnston u.a., EuGRZ 1987, 313; 26.05.1994, Keegan, EuGRZ 1995, 113; 12.07.2001 [GK], K. u. T., Zl. 25702/94; 20.01.2009, ?erife Yi?it, Zl. 03976/05). Als Kriterien für die Beurteilung, ob eine Beziehung im Einzelfall einem Familienleben iSd. Art. 8 EMRK entspricht, kommen tatsächliche Anhaltspunkte in Frage, wie etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Art und die Dauer der Beziehung sowie das Interesse und die Bindung der Partner aneinander, etwa durch gemeinsame Kinder, oder andere Umstände, wie etwa die Gewährung von Unterhaltsleistungen (EGMR 22.04.1997, X., Y. und Z., Zl. 21830/93; 22.12.2004, Merger u. Cros, Zl. 68864/01). So verlangt der EGMR auch das Vorliegen besonderer Elemente der Abhängigkeit, die über die übliche emotionale Bindung hinausgeht (siehe Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3 [2008] 197 ff.). In der bisherigen Spruchpraxis des EGMR wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Europäischen Kommission für Menschenrechte auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Wie der Verfassungsgerichtshof (VfGH) bereits in zwei Erkenntnissen vom 29.09.2007, Zl. B 328/07 und Zl. B 1150/07, dargelegt hat, sind die Behörden stets dazu verpflichtet, das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegen die persönlichen Interessen des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich am Maßstab des Art. 8 EMRK abzuwägen, wenn sie eine Ausweisung verfügt. In den zitierten Entscheidungen wurden vom VfGH auch unterschiedliche – in der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) fallbezogen entwickelte – Kriterien aufgezeigt, die in jedem Einzelfall bei Vornahme einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:

•        die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.09.2004, Ghiban, Zl. 11103/03, NVwZ 2005, 1046),

•        das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567; 20.06.2002, Al-Nashif, Zl. 50963/99, ÖJZ 2003, 344; 22.04.1997, X, Y und Z, Zl. 21830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00),

•        die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

•        den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 04.10.2001, Adam, Zl. 43359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Slivenko, Zl. 48321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Sisojeva, Zl. 60654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 05.07.2005, Zl. 2004/21/0124; 11.10.2005, Zl. 2002/21/0124),

•        die Bindungen zum Heimatstaat,

•        die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 11.04.2006, Useinov, Zl. 61292/00), sowie

•        auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 05.09.2000, Solomon, Zl. 44328/98; 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07).

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sind die Staaten im Hinblick auf das internationale Recht und ihre vertraglichen Verpflichtungen befugt, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu überwachen (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80 ua, EuGRZ 1985, 567; 21.10.1997, Boujlifa, Zl. 25404/94; 18.10.2006, Üner, Zl. 46410/99; 23.06.2008 [GK], Maslov, 1638/03; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07). Die EMRK garantiert Ausländern kein Recht auf Einreise, Aufenthalt und Einbürgerung in einem bestimmten Staat (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09).

Hinsichtlich der Rechtfertigung eines Eingriffs in die nach Art. 8 EMRK garantierten Rechte muss der Staat ein Gleichgewicht zwischen den Interessen des Einzelnen und jenen der Gesellschaft schaffen, wobei er in beiden Fällen einen gewissen Ermessensspielraum hat. Art. 8 EMRK begründet keine generelle Verpflichtung für den Staat, Einwanderer in seinem Territorium zu akzeptieren und Familienzusammenführungen zuzulassen. Jedoch hängt in Fällen, die sowohl Familienleben als auch Einwanderung betreffen, die staatliche Verpflichtung, Familienangehörigen von ihm Staat Ansässigen Aufenthalt zu gewähren, von der jeweiligen Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse ab. Von Bedeutung sind dabei das Ausmaß des Eingriffs in das Familienleben, der Umfang der Beziehungen zum Konventionsstaat, weiters ob im Ursprungsstaat unüberwindbare Hindernisse für das Familienleben bestehen, sowie ob Gründe der Einwanderungskontrolle oder Erwägungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung für eine Ausweisung sprechen. War ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begründung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss und dies den Familienmitgliedern bewusst, kann eine Ausweisung nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten (EGMR 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07, mwN; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09; 03.11.2011, Arvelo Aponte, Zl. 28770/05; 14.02.2012, Antwi u.a., Zl. 26940/10).

Bei Beurteilung der Frage, ob die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 zur Aufrechterhaltung des Privat- und/oder Familienlebens iSd Art. 8 MRK geboten ist bzw. ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 MRK geschützten Rechte darstellt, ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. E 12. November 2015, Ra 2015/21/0101). (vgl. VwGH 08.11.2018, Ra 2016/22/0120)

Die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gegen einen Fremden, dessen Aufenthalt lediglich auf Grund der Stellung von einem oder mehreren Asylanträgen oder Anträgen aus humanitären Gründen besteht, und der weder ein niedergelassener Migrant noch sonst zum Aufenthalt im Aufenthaltsstaat berechtigt ist, stellt in Abwägung zum berechtigten öffentlichen Interesse einer wirksamen Einwanderungskontrolle keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Privatleben dieses Fremden dar, wenn dessen diesbezüglichen Anträge abgelehnt werden, zumal der Aufenthaltsstatus eines solchen Fremden während der ganzen Zeit des Verfahrens als unsicher gilt (EGMR 08.04.2008, Nnyanzi, Zl. 21878/06).

3.3.3. „Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nehmen die persönlichen Interessen des Fremden an seinem Verbleib in Österreich grundsätzlich mit der Dauer seines bisherigen Aufenthalts zu. Die bloße Aufenthaltsdauer ist jedoch nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren (vgl. VwGH 10.11.2015, Ro 2015/19/0001).“ (vgl. VwGH 08.11.2018, Ro 2016/22/0120)

Der BF hält sich mittlerweile seit 5 Jahren und beinahe 8 Monaten im Bundesgebiet auf, und war dessen Aufenthalt aufgrund eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 13 Abs. 1 AsylG durchgehend rechtmäßig. Ferner verfügt der BF über verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte in Österreich und geht seit August 2017 einer gemeinnützigen Tätigkeit im Bereich der Gesundheitsversorgung im Bundesgebiet nach. Der BF nimmt seine diesbezüglichen Aufgaben verlässlich und zufriedenstellend war und wird von seinem Arbeitgeber als Schlüsselkraft bezeichnet. Ferner weist der BF ein großes soziales Umfeld in Österreich auf und hat er die Zeit im Bundesgebiet dazu genutzt sich fortgeschrittenen Kenntnisse des Deutschen anzueignen. Zudem hat er sich in den gemeinnützigen Dienst an einer auf Hilfe angewiesenen Person gestellt und dieser im Haushalt geholfen. Von seinem sozialen Umfeld wird der BF sehr positiv beschrieben und dessen Integrationswille und Hilfsbereitschaft hervorgehoben.

Dem BF kann sohin eine überdurchschnittliche Integration im Bundesgebiet attestiert werden.

Demgegenüber ist jedoch in Anschlag zu bringen, dass der Aufenthalt des BF einzig aufgrund eines letzten Endes negativ entschiedenen Antrages auf internationalen Schutz – vorübergehend – legitimiert war und er sich der Unsicherheit seines Verbleibes im Bundesgebiet bewusst gewesen sein musste, ferner, dass er den Großteil seines Lebens im Irak verbracht hat, nach wie vor über familiäre Bezugspunkte ebendort verfügt und bis dato nicht selbsterhaltungsfähig war.

Das Verwaltungsgericht verkennt keinesfalls, dass der Beachtung fremdenrechtlicher, die Einreise und den Aufenthalt von Fremden in Österreich regelnder Normen sowie jener der Beendigung unrechtmäßiger Aufenthalte im Bundesgebiet (vgl. VwGH 09.03.2003, 2002/18/0293) große Bedeutung zukommt. Es ist nach Abwägung der einander widerstreitenden Interessen im gegenständlich konkreten Fall unter Berücksichtigung der besonderen Integrationsleistungen des BF im sprachlichen und sozialen Bereich dennoch ein Überwiegen der privaten Interessen des BF festzustellen. Er hat nicht nur seine Arbeitskraft über Jahre hinweg in den Dienst der Gemeinschaft gestellt, sondern auch hilfsbedürftigen Menschen geholfen und damit seinen Willen, ein Teil der österreichischen Gesellschaft werden zu wollen, in hohem Ausmaß zum Ausdruck gebracht. Angesichts der erworbenen Deutschkenntnisse und des bisher unter Beweis gestellten Arbeitswillens, kann davon ausgegangen werden, dass der BF zukünftig in der Lage sein wird, sich seinen Unterhalt durch Erwerbstätigkeiten aus eigenem zu finanzieren.

Die Anordnung einer Rückkehrentscheidung zöge im Ergebnis eine Verletzung der Rechte des BF nach Art. 8 EMRK nach sich und erweist sich eine solche sohin aufgrund des nicht nur vorübergehenden Wesens der dieser Verletzung zugrundeliegenden Umstände, als iSd. § 9 Abs. 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig.

Insofern liegen die Voraussetzungen für die Erteilungen eines Aufenthaltstitels an den BF gemäß §§ 58 Abs. 2 iVm. 55 AsylG vor (vgl. Szymanski, AsylG § 55 Anm. 1, in Schrefler-König/Szymanski (Hrsg) Fremdenpolizei- und Asylrecht Teil II: wonach § 55 AsylG das Bleiberecht iSd. der Judikatur des VfGH um setzt, und hierfür Bedingung sei, dass eine Aufenthaltsbeendigung im Hinblick auf Art 8 EMRK auf Dauer unzulässig ist).

Der BF hat die Integrationsprüfung auf des Niveaus „A2“ am XXXX .2019 erfolgreich bestanden und damit die Voraussetzungen des Modul 1 der Integrationsvereinbarung iSd. § 13 Abs. 4 Z 1 erfüllt.

Demzufolge war der Beschwerde stattzugeben und spruchgemäß festzustellen, dass dem BF ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 Abs. 1 iVm. § 54 Abs. 2 AsylG „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von 12 Monaten zu erteilen ist. Ausschlussgründe iSd. § 60 AsylG liegen nicht vor.

3.3.4. Aufgrund erfolgter – die Aufhebung der von der belangten Behörde ausgesprochenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme bewirkender – Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG an den BF, fällt auch die Voraussetzung für einen Ausspruch über die Zulässigkeit der Abschiebung (siehe § 52 Abs. 9 FPG) samt Feststellung des Bestehens einer Frist zur freiwilligen Ausreise (§ 55 FPG) weg, weshalb die entsprechenden Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides – im Zuge der Stattgabe der Beschwerde – als aufgehoben gelten.

3.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFAVG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung „wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint“ unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) vom 12.03.2012, Zl. U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFAVG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Für eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr wurde den Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung, der Erforschung der materiellen Wahrheit und des Parteiengehörs entsprochen. So ist die belangte Behörde ihrer Ermittlungspflicht hinreichend nachgekommen. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes konnte im vorliegenden Fall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, weil der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde samt Ergänzung geklärt war. Was das Vorbringen des BF in der Beschwerde betrifft, so findet sich in dieser kein neues bzw. kein ausreichend konkretes Tatsachenvorbringen, welches die Durchführung einer mündlichen Verhandlung notwendig gemacht hätte.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung plus Deutschkenntnisse Integration Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:G307.2196234.1.00

Im RIS seit

04.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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