Entscheidungsdatum
12.07.2021Norm
AsylG 2005 §10Spruch
W105 2241505-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald BENDA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Serbien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, 1020 Wien, Leopold-Moses-Gasse 4, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.03.2021, Zl. 1213376008/191069005, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß §§ 57 und 10 AsylG 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-VG sowie gemäß §§ 46, 52, 53 und 55 FPG und § 18 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein serbischer Staatsangehöriger, reiste zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt in das Bundesgebiet ein.
Am 17.10.2019 langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) ein Haftmeldezettel ein, aus dem hervorgeht, dass sich der BF seit 16.10.2019 in einer Justizanstalt befinde.
Am 18.10.2019 verständigte ein Landesgericht das BFA von der am 18.10.2019 über den BF verhängten Untersuchungshaft.
Mit Schreiben vom 08.11.2019 teilte das BFA dem BF mit, dass gegen ihn ein Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes eingeleitet worden sei, gewährte ihm die Möglichkeit zum beabsichtigten Aufenthaltsverbot Stellung zu nehmen, forderte ihn zur Beantwortung einiger Fragen zu seinen persönlichen Verhältnissen auf und räumte ihm hiefür eine zweiwöchige Stellungnahmefrist ein.
Mit Schreiben vom 21.11.2019 brachte der BF vor, dass er eine Lebensgefährtin habe, die in Linz lebe. Er sei mit ihr verlobt und wolle sie heiraten. Er sei in Österreich als freiberuflicher Sänger beschäftigt und trete in verschiedenen Städten, beispielsweise in Wien und Linz, auf. Er wolle in Österreich bleiben und mit seiner künftigen Frau einen gemeinsamen Haushalt gründen.
Am 20.12.2019 langte beim BFA die Verständigung einer Staatsanwaltschaft von der gegen den BF wegen der Verbrechen der Vergewaltigung (§ 201 Abs. 1 StGB), der teils versuchten schweren Nötigung (§§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1, 15 StGB) und der schweren Erpressung (§§ 144 Abs. 1, 145 Abs. 2 Z 1 und 2 StGB) sowie der Vergehen der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung (§ 205a StGB), der fortgesetzten Gewaltausübung (§ 107b Abs. 1 StGB), der Veruntreuung (§ 133 Abs. 1 StGB), der gefährlichen Drohung (§ 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB) und des Diebstahls (§ 127 StGB) erhobenen Anklage ein.
Mit Schreiben vom 30.04.2020 teilte das BFA dem BF mit, dass gegen ihn die Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot beabsichtigt sei, gewährte ihm die Möglichkeit dazu Stellung zu nehmen, forderte ihn erneut zur Beantwortung einiger Fragen zu seinen persönlichen Verhältnissen auf und räumte ihm hiefür eine zweiwöchige Stellungnahmefrist ein.
In seiner Stellungnahme vom 08.05.2020 führte der BF aus, dass er sich seit 2016 durchgehend in Österreich aufhalte. Er habe in Österreich keine Ausbildung absolviert, sondern sei als freiberuflicher Sänger in verschiedenen Städten bei privaten Veranstaltungen aufgetreten. Krankenversichert sei er nicht gewesen. In Serbien habe er Geschwister. Er sei dort rechtskräftig zu zehn Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden und befürchte, dass er von der Geldmafia verfolgt werde, weil er sich dort vor einigen Jahren Geld geborgt habe. Er wolle in Österreich bleiben und ersuche daher, von der Erlassung der Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot abzusehen.
Am 12.05.2020 übermittelte die Landespolizeidirektion Oberösterreich einen Abschlussbericht vom 03.05.2020, aus dem hervorgeht, dass eine Frau am 16.03.2020 gegen den BF Anzeige erstattete, die vorbrachte, dass sie mit dem BF eine Beziehung eingegangen sei. Dieser habe ihr gegenüber vorgegeben, dass er in Serbien eine Geldstrafe sowie Schulden bei einem Mafia-Boss habe und erst zu ihr nach Österreich kommen könne, wenn er diese Schulden beglichen habe, sodass sie ihm zwischen EUR 7.000,00 und EUR 8.000,00 überwiesen habe.
Über telefonisches Ersuchen des BFA teilte die zuständige Staatsanwaltschaft am 09.09.2020 mit, dass das gegen den BF wegen des Verdachts des schweren Betrugs eingeleitete Ermittlungsverfahren unter Vorbehalt der späteren Verfolgung eingestellt worden sei, weil im Hinblick auf die (zum damaligen Zeitpunkt noch nicht rechtskräftige) Verurteilung vom 26.03.2020 nicht mit einer wesentlichen Zusatzstrafe zu rechnen gewesen sei.
Am 20.11.2020 verständigte eine Justizanstalt das BFA vom Strafantritt des BF wegen der am 17.11.2020 erfolgten Verurteilung des BF zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren.
Über Ersuchen des BFA vom 26.11.2020 übermittelte ein Landesgericht das gegen den BF erlassene Urteil vom 26.03.2020, mit dem er wegen der Verbrechen der Vergewaltigung (§ 201 Abs. 1 StGB), der schweren Nötigung (§§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB) und der schweren Erpressung (§§ 144 Abs. 1, 145 Abs. 2 Z 1 und 2 StGB) sowie der Vergehen der fortgesetzten Gewaltausübung (§ 107b Abs. 1 StGB), der Sachbeschädigung (§ 125 StGB), der Veruntreuung (§ 133 Abs. 1 StGB), der gefährlichen Drohung (§ 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB) und des Diebstahls (§ 127 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt wurde sowie das Urteil eines Oberlandesgericht vom 17.11.2020, mit dem der dagegen erhobenen Berufung des BF keine Folge gegeben wurde.
Mit Schreiben vom 18.01.2021 verständigte das BFA den BF erneut von der beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot, gewährte ihm wiederum die Möglichkeit dazu Stellung zu nehmen sowie Fragen zu seinen persönlichen Verhältnissen zu beantworten und räumte ihm hiefür abermals eine zweiwöchige Stellungnahmefrist ein.
Am 19.01.2021 wurde dem BFA die Überstellung des BF in eine andere Justizanstalt mitgeteilt.
Mit dem angefochtenen Bescheid erteilte das BFA dem BF gemäß § 57 AsylG keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt I.), erließ gegen ihn gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG (Spruchpunkt II.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung nach Serbien zulässig sei (Spruchpunkt III.) und erließ gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt V.) und der Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.).
Begründend führte das BFA aus, dass der BF über Jahre hinweg eine Frau massiv misshandelt, vergewaltigt und mit dem Tod bedroht habe. Er sei aufgrund einer Vielzahl von Delikten zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden, sei in Österreich nie einer legalen Beschäftigung nachgegangen und habe weder Reue gezeigt noch Beweise vorgelegt, aus denen ein künftiges gesetzeskonformes Verhalten abgeleitet werden könne. Aufgrund seiner tristen finanziellen Situation habe er zudem einen Diebstahl begangen. Der BF habe keine relevanten sozialen oder familiären Bindungen in Österreich. Demgegenüber habe er den Großteil seines Lebens in Serbien verbracht, sei gesund, erwerbsfähig und beherrsche dort die Landessprache, weshalb davon auszugehen sei, dass er dort für seinen Lebensunterhalt aufkommen könne. Zudem liege eine tiefgreifende Integration nicht vor. Insgesamt überwiege das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegenüber den ohnehin bloß geringen persönlichen Interessen des BF am weiteren Verbleib in Österreich, weshalb die Rückkehrentscheidung zulässig sei. Aufgrund der Verurteilung wegen Misshandlungen, Vergewaltigung und Todesdrohungen, des infolge der finanziellen Situation begangenen Diebstahls und der fehlenden beruflichen und sozialen Anknüpfungspunkte stelle der weitere Aufenthalt des BF eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar, weshalb auch die Erlassung des Einreiseverbotes in der Dauer von acht Jahren und die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung dringend geboten seien.
Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde in vollem Umfang, wiederholte sein bisher erstattetes Vorbringen und führte ergänzend aus, dass die Schwester des BF nach dessen Verurteilung seine ehemalige Lebensgefährtin kontaktiert habe. Diese sei davon positiv überrascht gewesen, weil sie nach der Urteilsverkündung großen Kummer gehabt habe. Einerseits sei sie nämlich von der Strafhöhe schockiert gewesen, andererseits habe sie sich vor Racheakten seitens der Familie des BF gefürchtet, weshalb sie eine Aussprache sehr begrüßt habe. Nach zahlreichen Besuchen in der Justizanstalt hätten sich der BF und seine ehemalige Lebensgefährtin mittlerweile versöhnt. Diese habe dargelegt, dass sie großes Verständnis für den BF empfinde, der quasi als Waisenkind aufgewachsen sei. Seine Mutter habe nämlich Selbstmord begangen, als er neun Jahre alt gewesen sei, für seinen Vater und seine Stiefmutter habe er keine elterlichen Gefühle empfunden. Das BFA habe keine Beurteilung des Persönlichkeitsbildes des BF vorgenommen und nicht ermittelt, dass es mittlerweile zu einer Aussöhnung des BF mit seinem Opfer gekommen sei. Zudem fehle eine Begründung, weshalb die Erlassung eines Einreiseverbots in der Dauer von acht Jahren notwendig sei. Zwar werde nicht verkannt, dass dem Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ein hoher Stellenwert zukomme, jedoch sei fallgegenständlich das Interesse an der Fortführung des Familienlebens des BF höher zu bewerten, als das Interesse an der Aufenthaltsbeendigung. Angesichts der erstmaligen strafrechtlichen Verurteilung sowie des Umstandes, dass die Strafhaft zur Einsicht des BF über den Unrechtsgehalt seiner Handlungen geführt habe, könne auch eine positive Zukunftsprognose getroffen werden. Schließlich werde zur Klärung des Sachverhalts die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter Einvernahme des BF sowie seiner ehemaligen Lebensgefährtin beantragt.
Die Beschwerde samt angeschlossenem Verwaltungsakt langte beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 16.04.2021 ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF führt den im Spruch genannten Namen und das Geburtsdatum. Seine Identität steht fest. Er ist serbischer Staatsangehöriger. Seine Muttersprache ist Serbisch.
Der BF ist in Prokuplje, Serbien, geboren und lebte zumindest bis zum Jahr 2016 durchgehend in Serbien.
In Serbien hat der BF mehrere Geschwister, darunter zumindest eine Schwester, zu der regelmäßig Kontakt besteht, sowie zumindest einen Bruder.
Im Jahr 2011 wurde der BF in Serbien wegen Diebstahls zu einer zehnmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt.
Der BF ist gesund und arbeitsfähig.
Im Jahr 2016 ging der BF eine (mittlerweile nicht mehr aufrechte) Beziehung mit einer kroatischen Staatsangehörigen, die in Österreich lebt, ein und reiste erstmals ins Bundesgebiet, um sie zu besuchen. In weiterer Folge hielt sich der BF regelmäßig zu Besuchszwecken im Bundesgebiet auf und hatte von 02.03.2018 bis 20.02.2019 einen Nebenwohnsitz bei seiner ehemaligen Lebensgefährtin. Aufgrund eines Europäischen Haftbefehls wurde der BF am 04.10.2019 an einem ungarisch-serbischen Grenzübergang festgenommen und am 16.10.2019 durch österreichische Polizeibeamte von ungarischen Behörden übernommen. Seither befindet sich der BF durchgehend in Haft (zunächst in Untersuchungs-, sodann in Strafhaft). Das errechnete Strafende ist am 04.10.2024. Eine bedingte Entlassung ist frühestens am 04.04.2022 möglich.
Der BF hatte in Österreich nie einen Aufenthaltstitel. Er hat in Österreich weder Familienangehörige, noch sonstige soziale Kontakte. Vor seiner Inhaftierung arbeitete der BF als Sänger und trat sowohl in Serbien als auch in Österreich auf privaten Veranstaltungen auf. Der BF übte die berufliche Tätigkeit in Österreich aber nicht legal aus und war nicht krankenversichert.
Mit Urteil eines Landesgerichts vom 26.03.2020 wurde der BF wegen der Verbrechen der Vergewaltigung (§ 201 Abs. 1 StGB), der (teilweise versuchten) schweren Nötigung (§§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1, 15 StGB) und der schweren Erpressung (§§ 144 Abs. 1, 145 Abs. 2 Z 1 und 2 StGB) sowie der Vergehen der fortgesetzten Gewaltausübung (§ 107b Abs. 1 StGB), der Sachbeschädigung (§ 125 StGB), der Veruntreuung (§ 133 Abs. 1 StGB), der gefährlichen Drohung (§ 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB) und des Diebstahls (§ 127 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Zusätzlich wurde dem BF die Zahlung eines Schmerzengeldbetrages von EUR 5.000,00 und die Zahlung von Schadenersatz in Höhe von EUR 4.407,00 an seine ehemalige Lebensgefährtin sowie die Zahlung von EUR 1.000,00 Schadenersatz an den Mann, dessen Funkmikrofone der BF veruntreut hatte, aufgetragen.
Der Verurteilung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der BF besuchte seine ehemalige Lebensgefährtin zwischen Mai 2016 und November 2018 regelmäßig in Österreich. Im Zuge dieser Besuche versetzte er ihr im Juli 2016 Schläge gegen den Kopf und gegen den ganzen Körper.
An einem nicht näher bekannten Tag im selben Zeitraum kam der BF nach einer Zechtour zu seiner ehemaligen Lebensgefährtin nach Hause, ging ins Schlafzimmer, beschimpfte sie als „Hure“ und warf ihr vor, dass sie als „Hure“ arbeite und ihn betrüge. Danach begann er mit den Fäusten und der flachen Hand gegen ihren Kopf zu schlagen und forderte sie auf, ihm zu zeigen, wie sie es als „Hure“ gemacht habe und dass sie ihm „einen blasen“, solle. Anschließend nahm er sein Handy, um den Oralverkehr zu filmen bzw. zu fotografieren. Die ehemalige Lebensgefährtin des BF deckte sich mit einer Decke zu, um nicht gefilmt zu werden und schlug dem BF das Handy aus der Hand. Daraufhin schlug ihr der BF mit der Faust ins Gesicht, packte sie an den Haaren, drückte ihren Kopf zu seinem Penis und forderte sie auf, bei ihm solange den Oralverkehr durchzuführen, bis er ejakuliert und das Ejakulat zu schlucken. Als sie sich weigerte, beschimpfte sie der BF erneut als „Hure“, schlug ihr wieder mit der Faust und der flachen Hand gegen das Gesicht und den Kopf, drückte sie ins Bett, packte sie wiederum an den Haaren und steckte ihr seinen Penis in den Mund. Sie versuchte den BF weiterhin wegzudrücken und sagte ihm mehrmals, dass sie nicht damit einverstanden sei. Der BF steckte ihr den Penis dennoch so fest in den Mund, dass sie Schmerzen im Rachen hatte, doch führte sie den Oralverkehr schließlich aus Angst vor weiteren Schlägen durch, bis der BF in ihrem Mund ejakuliert hatte und den Penis herauszog. Anschließend führte der BF abwechselnd seinen Penis in die Vagina und den After seiner ehemaligen Lebensgefährtin ein, obwohl sie währenddessen vor Schmerzen schrie und ihm mitteilte, dass sie das nicht wolle. Unter dem Eindruck der vorher beim Oralverkehr ausgeübten Gewalt ließ sie den Anal- und Vaginalverkehr über sich ergehen.
Um Weihnachten 2016 herum erfuhr der BF, dass seine ehemalige Lebensgefährtin mit seinem Bruder über Facebook befreundet war und diesem geschrieben hatte, dass ihr der BF immer wieder Geld herauslocke. Daraufhin nahm der BF ihren Laptop, warf ihn auf den Boden und schlug ihr mehrmals ins Gesicht. Anschließend nahm er ein großes Küchenmesser, packte sie mit einer Hand an den Haaren, setzte das Messer an ihren Hals und sagte: „Das passiert dir wenn du eine Anzeige machst.“
Anfang 2017 telefonierte die ehemalige Lebensgefährtin nach dem Duschen von ihrem Badezimmer aus über Video mit dem BF, der sie aufforderte, ihm ihre nackte Vagina zu zeigen, damit er die Fotos von ihr anschauen könne, wenn er schlafen gehe. Der BF beteuerte, dass sie ihm fehlen würde, weshalb sie ihr Kleid hochhob und der Aufforderung nachkam. Der BF erstellte mit seinem Handy ein Foto, lachte und kündigte an, dass er dieses einer anderen Frau schicken werde. In der Folge forderte der BF seine ehemalige Lebensgefährtin zwischen 23.02.2017 und 16.11.2017 mehrmals auf, ihm Geld zu schicken, widrigenfalls er das Foto an die genannte Frau, über Facebook oder an Freunde weiterleite. Sie tätigte daraufhin insgesamt 24 Überweisungen in Höhe von insgesamt EUR 3.810,00 und zahlte dafür weitere EUR 267,00 an Überweisungsgebühren.
Ende Jänner/Anfang Februar 2017 schlug der BF seiner ehemaligen Lebensgefährtin in Anwesenheit ihrer beiden Nichten, ihrer Tochter sowie einer Bekannten mehrmals mit den Fäusten auf den Kopf und gegen die Rippen, trat gegen ihre Schienbeine, fuhr mit seiner Hand in den Mund seines Opfers, um ihn gewaltsam aufzureißen und stieß ihren Kopf gegen eine Mauer. Dadurch riss der BF ein Stück der Zunge seiner ehemaligen Lebensgefährtin heraus und verursachte starke Blutungen in ihrem Mund. Zudem erlitt das Opfer striemenförmige Verletzungen an den Schienbeinen und an der Schulter sowie Prellungen am Kopf. Im Anschluss daran zerstörte der BF die Mobiltelefone einer Nichte sowie der Bekannten seiner ehemaligen Lebensgefährtin.
Im August 2017 schlug der BF seiner ehemaligen Lebensgefährtin eine Woche nach einer Magenbypassoperation mit einem Handyladegerät so fest auf die Brust, auf den Rücken und den restlichen Körper, dass sie Urin lassen musste und hörte erst auf, als sie ihm sagte, dass sie ihre Notdurft verrichten müsse. Dadurch erlitt das Opfer zumindest rote Striemen an den Oberschenkeln.
Ein halbes Jahr später warf der BF einen Laptop nach seiner ehemaligen Lebensgefährtin, den sie mit den Händen abwehrte, sodass er zu Boden fiel. Daraufhin schlug der BF mehrmals mit der flachen Hand und der Faust gegen ihren Körper und zerriss ihr Oberteil, während sie auf dem Boden lag. Als sie aufstand, trat er sie. Anschließend setzte sie sich auf die Couch, woraufhin der BF sie zweimal mit einem Ladekabel schlug. Erst als sie vor ihm auf den Boden kniete, seine Beine umfasste und ihn anflehte, aufzuhören, tat er dies auch. Etwa zur gleichen Zeit kam es zu einem weiteren Streit zwischen dem BF und seiner ehemaligen Lebensgefährtin. Im Zuge dessen schlug er ihr mit einem Mikrofonkabel und mit der Faust gegen den Kopf und riss an ihren Haaren.
Am 19.11.2017 sowie weiteren nicht näher bekannten Zeitpunkten schickte der BF seiner ehemaligen Lebensgefährtin folgende Nachrichten via Facebook-Massenger: „Du hast die Anzeige nicht zurückgezogen, wie ich es dir gesagt habe. Ich werde dein Kind vor deinen Augen vergewaltigen und sie schwängern!“, „Ich werde dich so schlagen, dass du entweder stirbst oder im Rollstuhl sitzt! Mir ist egal, wenn ich dafür ins Gefängnis komme!“, „Wenn du nach Serbien kommst, werde ich dich begraben!“ und „Ich werde dir alles brechen und dir alle Zähne ausreißen aus deinem Mund!“
Anfang 2018 schlug sie der BF mit der flachen Hand und den Fäusten so stark, dass sie bewusstlos wurde. Während sie am Boden lag, trat er ihr mit einem Knie gegen die Rippen. Als sie zu ihrer Rippe griff und hineindrückte, hörte sie ein Knacken, das auch dem BF nicht entging. Daraufhin hielt sich der BF ein Messer an die Kehle. Als ihm seine ehemalige Lebensgefährtin das Messer wegnahm, umarmte er sie, fragte, was er gemacht habe und meinte, dass er dies nicht gewollt habe. Daraufhin begab sich das Opfer in das Unfallkrankenhaus, wo festgestellt wurde, dass die Rippe nicht gebrochen war. Sie musste für drei Wochen einen Gurt tragen und hatte während dieses Zeitraumes Schmerzen. Bevor sich die ehemalige Lebensgefährtin des BF ins Krankenhaus begab, sagte der BF zu ihr: „Du weißt genau, was du beim Arzt zu sagen hast!“, was sie als Drohung auffasste.
Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt um den 23.10.2018 suchte der BF einen Mann auf und erkundigte sich bei ihm nach zwei Funkmikrofonen für eine Feier. Am 26.10.2018 kehrte er zusammen mit seiner ehemaligen Lebensgefährtin zurück, füllte einen „Verleih-Vertrag“ betreffend die genannten Geräte aus, zahlte den Verleihpreis von EUR 60,00 und kündigte an, die Geräte am 27.10.2018 zurückzubringen. Der BF kam dem allerdings nicht nach, sondern behielt die Funkmikrofone im Wissen, dass ihm diese nicht gehörten, sondern lediglich anvertraut waren und ging davon aus, dass die Gegenstände einen Gesamtwert von EUR 1.000,00 aufweisen.
Am 26.11.2018 nahm der BF ohne Wissen oder Wollen seiner ehemaligen Lebensgefährtin EUR 330,00 aus ihrer Brieftasche. Diese forderte das Geld zurück, womit der BF nicht einverstanden war, sodass es erneut zum Streit kam. Währenddessen nahm der BF das Handy seiner ehemaligen Lebensgefährtin und las eine SMS-Unterhaltung, in welcher sie einem Bekannten von den Übergriffen des BF erzählte. Dieser warf ihr daraufhin vor, dass sie dem Mann Geld geschickt habe, schlug sie mit der Faust gegen den Kopf, sodass sie zu Boden ging, riss sie an Haaren, versetzte ihr – während sie am Boden lag – mehrmals Tritte gegen den Bauch und die Körperseite auf Höhe der Niere und verursachte dadurch Prellungen am Kopf. Nachdem die ehemalige Lebensgefährtin wieder aufgestanden war, sagte der BF zu ihr: „Ich schneide deinen Kopf und deinen Hals herunter!“. Dann nahm er sie unter den Achseln, brachte sie zum offenen Fenster und drohte ihr dort mit den Worten: „Ich schmeiße dich beim Fenster hinaus und lasse es wirken, als ob du Selbstmord begangen hättest, weil du schon im LSF warst, wird das auch jeder glauben!“
Über die geschilderten Angriffe hinaus versetzte der BF seiner ehemaligen Lebensgefährtin zwischen Mai 2016 und November 2018 mit der flachen Hand und der Faust immer wieder Ohrfeigen, Schläge gegen den Kopf und den Körper oder riss sie an den Haaren. Er erwischte sie außerdem öfter mit einer Hand bei ihrem Hals, drückte fest zu und würgte sie, wobei er erst von ihr abließ, wenn sie seine Hände drückte und ihn trat. Während des Würgens hatte sie Angst davor zu sterben. Darüber hinaus äußerte der BF gegenüber seiner Lebensgefährtin mehrmals, dass es ihm egal oder sogar wert sei, für 20 Jahre ins Gefängnis zu gehen, wenn er sie umbringe und sagte während der Schläge mehrmals zu ihr, diese würden vom Himmel kommen und er werde durch seine Erziehung eine Frau aus ihr machen. Sie sei Alkoholikerin und habe psychische Probleme.
Durch die geschilderten gewaltsamen Übergriffe erlitt die ehemalige Lebensgefährtin des BF Blutungen, kurzfristige Bewusstlosigkeit, anhaltende Schmerzen, Rötungen und Schwellungen im Bereich der Wangen, Hämatome und Rötungen im Bereich der Beine, des Rückens und im Gesicht sowie Prellungen und Hörbeeinträchtigungen. Die Drohungen erweckten bei ihr den Eindruck, dass seine Ankündigungen ernst gemeint sind und er durchaus in der Lage und willens ist, diese tatsächlich in die Tat umzusetzen. Außerdem überlegte die ehemalige Lebensgefährtin des BF sich das Leben zu nehmen, indem sie Alkohol konsumierte und beabsichtigte, sämtliche Tabletten, die sie zuhause hatte, einzunehmen, sodass sie, über Intervention ihrer Tochter, im August 2018 für einen Monat in ein Krankenhaus eingeliefert wurde. Dennoch kam sie (vorerst) nicht vom BF los und gab ihn, als er sie besuchen wollte, für ihren Cousin aus.
Am 06. oder 07.09.2019 telefonierten der BF und seine ehemalige Lebensgefährtin über Facebook-Massenger. Dabei forderte er sie auf, ihm EUR 900,00 zu schicken. Als sie ihm mitteilte, dass sie das Geld nicht habe, drohte er ihr, sie umzubringen, wenn sie einen Mann habe oder nach Serbien gehen würde. Weiters kündigte er an, dass er den Reisepass tauschen, vor ihrer Tür auf sie warten, sie vor ihrer Tochter umbringen und in den Keller stecken werde.
Bei der Strafzumessung wertete das Landesgericht als erschwerend das Zusammentreffen von mehreren Verbrechen mit mehreren Vergehen, den langen Deliktszeitraum und die einschlägige Vorverurteilung des BF in Serbien, als mildernd hingegen, dass sich der BF hinsichtlich der Veruntreuung der Funkmikrofone sowie der Drohungen über Facebook-Massenger geständig verantwortete und den Umstand, dass die Taten teilweise beim Versuch blieben.
Der gegen dieses Urteil eingebrachten Berufung gab das zuständige Oberlandesgericht mit Urteil vom 17.11.2020 keine Folge und ergänzte die als erschwerend gewerteten Strafzumessungsgründe um die Anwendung von Gewalt gegen die ehemalige Lebensgefährtin des BF in Anwesenheit ihrer zum damaligen Zeitpunkt minderjährigen Tochter, den mehrfachen Einsatz eines außergewöhnlich hohen Ausmaßes an Gewalt und die Drohung mit einer Waffe durch Ansetzen eines großen Fleischermessers am Hals des Opfers. Die Verurteilung des BF in Serbien wertete das Oberlandesgericht hingegen nicht als Erschwerungsgrund, weil nicht ausgeschlossen werden konnte, dass diese bereits getilgt war. Den Erfolgsunwert der fortgesetzten Gewaltausübung sah das Oberlandesgericht insbesondere in der Intensität der vom Opfer des BF erlittenen Verletzungen, wobei besonders hervorgehoben wurde, dass sich dieses einer stationären Behandlung unterziehen musste. Angesichts des keineswegs erheblichen Beitrags der herangezogenen Milderungsgründe sowie der bloß in geringem Umfang teilgeständigen Verantwortung des BF und des Erfolgsunwerts der begangenen Verbrechen schloss das Oberlandesgericht die Strafbemessungsrelevanz der Milderungsgründe aus und stellte fest, dass eine Herabsetzung der verhängten Strafe nicht in Betracht kommt. Ebenso wenig beanstandete das Berufungsgericht die zugesprochenen privatrechtlichen Ansprüche und wies insbesondere darauf hin, dass der ehemaligen Lebensgefährtin des BF als Opfer geschlechtlicher Handlungen nicht nur für den erlittenen Schaden und den entgangenen Gewinn, sondern auch für immaterielle Schäden, insbesondere die bloße Beeinträchtigung der sexuellen Selbstbestimmung und der mit dem Eingriff unmittelbar verbundenen Folgen, Ersatzansprüche zustanden.
Am 16.03.2020 erstattete eine weitere Frau, die eine Beziehung mit dem BF hatte, Anzeige gegen ihn, weil er ihr gegenüber vorgegeben habe, dass in Serbien eine Geldstrafe offen sei und er Schulden bei einem Mafia-Boss habe, sodass er erst zu ihr nach Österreich kommen könne, wenn er diese Schulden beglichen habe, weshalb sie ihm zwischen 10.06.2019 und 09.03.2020 zwischen EUR 7.000,00 und EUR 8.000,00 überwiesen habe.
Das daraufhin eingeleitete Ermittlungsverfahren stellte die zuständige Staatsanwaltschaft unter Vorbehalt der späteren Verfolgung ein, weil im Hinblick auf die bereits erfolgte (zum damaligen Zeitpunkt noch nicht rechtskräftige) Verurteilung des BF vom 26.03.2020 nicht mit einer wesentlichen Zusatzstrafe gerechnet wurde.
Zur allgemeinen Lage in Serbien (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA, Version 2, 02.09.2020):
Politische Lage
Letzte Änderung: 02.09.2020
Am 21. Juni 2020 fanden in Serbien die Parlamentswahlen statt. Dies waren die ersten Wahlen, die in Europa in Zeiten der Covid-19 Pandemie abgehalten wurden. Die serbische Fortschrittspartei des Präsidenten Vu?i? gewann rund 62% der Stimmen und erhielt 191 der 250 Sitze im Parlament. Eine so große Mehrheit eröffnet Präsident Vu?i? und der SNS die Möglichkeit, die Verfassung zu ändern. Der bisherige Regierungspartner der SNS, die Sozialisten unter Führung von Außenminister Ivica Dacic, erreichten etwa elf Prozent der Wählerstimmen und sicherte sich damit 32 Mandate. Die neue Partei „Spas“ (Rettung) des ehemaligen Wasserballers Aleksandar Šapi? kommt auf etwa vier Prozent der Stimmen und zwölf Mandate (oiip 30.6.2020).
Wenig überraschend bescherten die Parlamentswahlen am 21. Juni 2020 der regierenden Serbischen Fortschrittspartei (Srpska Napredna Stranka, SNS) einen klaren Wahlsieg. Genau genommen hatte sich die SNS hierfür einen anderen Namen gegeben. Sie trat als Liste "Aleksandar Vu?i? - für unsere Kinder" auf. So erschien Präsident Vu?i? zwar nicht als Kandidat, dominierte aber dennoch den Wahlkampf mit seiner medialen Omnipräsenz. Dass es sich hier um keine freien, geheimen und demokratischen Wahlen handelt, wurde schnell klar. Als um 14 Uhr Ortszeit die Wahlbeteiligung noch bei mageren 22% lag, berichteten Einwohner von Novi Sad und Belgrad, dass Aktivisten der SNS, in Einzelfällen sogar ortsbekannte Hooligans, die sich schon in der Vergangenheit als mietbare Helfer der Regierungspartei hervorgetan hatten, von Haus zu Haus gingen, um Bewohner dazu zu nötigen, zur Wahl zu gehen und für "die richtige Partei" zu stimmen. Tatsächlich verdoppelte sich bis 19 Uhr die Wahlbeteiligung (DS 29.6.2020).
Die zehnte Sitzung der Beitrittskonferenz mit Serbien auf Ministerebene fand am 27.6.2019 in Brüssel statt, um Verhandlungen über Kapitel 9 - Finanzdienstleistungen - aufzunehmen. Mit dieser Konferenz wurden von insgesamt 35 Verhandlungskapiteln 17 für die Verhandlungen geöffnet, von denen zwei bereits vorläufig abgeschlossen wurden. Weitere Beitrittskonferenzen werden gegebenenfalls geplant, um den Prozess in der zweiten Jahreshälfte 2019 voranzutreiben (Der Europäische Rat 27.6.2019).
Serbien führt bereits seit 2014 Beitrittsverhandlungen mit der EU. Die Aussöhnung mit dem Kosovo gilt aber als zentrale Bedingung dafür, dass die Gespräche irgendwann einmal erfolgreich abgeschlossen werden können (Handelsblatt 26.4.2019).
[…]
Sicherheitslage
Letzte Änderung: 15.06.2020
Die politische Lage ist stabil. In der Grenzregion zu Kosovo kann es zu Spannungen kommen. Insbesondere in Belgrad und anderen Städten sind vereinzelt Proteste und Demonstrationen möglich, die meistens friedlich verlaufen (AA 23.9.2019b).
Tausende von Demonstranten gingen auch am 11.5.2019 auf die Straßen, um gegen Präsident Aleksandar Vu?i? und seine Regierung zu demonstrieren. Sie werfen der Regierung Korruption und Einschränkung der Medienfreiheit vor. Die wöchentlichen Proteste begannen im Dezember 2018 und wurden durch einen Angriff auf einen Oppositionsführer ausgelöst (BN 13.5.2019).
Serbien hat ein gewisses Maß an Vorbereitung bei der Umsetzung des Rechtsbestands im Bereich Sicherheit erreicht. Einige Fortschritte wurden durch die Stärkung des Rechtsrahmens zur Bekämpfung der Geldwäsche und die Erfüllung der meisten Empfehlungen des letzten Jahres erzielt. Serbien trägt als Transitland weiterhin erheblich zur Steuerung der gemischten Migrationsströme in die EU bei, indem Serbien eine aktive und konstruktive Rolle spielt und effektiv mit seinen Nachbarn und EU-Mitgliedstaaten zusammenarbeitet. Bei der Umsetzung der integrierten Grenzschutzstrategie und des Aktionsplans hat Serbien einige Fortschritte erzielt. Die Strategie und der Aktionsplan zur Bekämpfung der irregulären Migration wurden angenommen (EK 29.5.2019).
Ein Zwischenfall mit serbischen Soldaten, denen am 7.9.2019 die Einreise zu einer Gedenkfeier in Kroatien verweigert wurde, hat zu einem Eklat zwischen den beiden Ländern geführt. Zagreb kritisierte eine "Provokation" aus Belgrad, in Serbien wurde dem Nachbarland Geschichtsrevisionismus vorgeworfen. Die serbische Militärdelegation hatte am 7.9.2019 in Jasenovac an einer Gedenkfeier der serbisch-orthodoxen Kirche für die Opfer des dortigen Konzentrationslagers teilnehmen wollen. Elf Militärangehörigen, die laut Medien in Zivil unterwegs waren und ihre Uniformen im Gepäck hatten, hatte die kroatische Grenzpolizei die Einreise verweigert. Laut Kroatien war die Delegation nicht angemeldet, die serbische Seite behauptet das Gegenteil. Der Delegation gehörten Berichten zufolge Offiziere der Militärakademie sowie Kadetten und Schüler des Militärgymnasiums an (Der Standard 9.9.2019).
Die im Norden der Republik Serbien gelegene Provinz Vojvodina zeichnet sich durch eine eigenständige, durch jahrhundertealte Koexistenz der Serben mit verschiedenen nationalen Minderheiten (u.a. Ungarn, Rumänen, Ruthenen, Kroaten, Deutschen) geprägte Tradition aus. In der mehrheitlich von ethnischen Albanern bewohnten Grenzregion Südserbiens zu Kosovo und Nordmazedonien (Gebiet der Gemeinden Bujanovac, Preševo, Medvedja) ist die Lage stabil (AA 3.11.2019).
Die von serbischer Seite als politische Strafzölle empfundenen 100 %-Erhöhungen der Importzölle für Waren in den Kosovo bleiben weiterhin der Hauptgrund der erneut belasteten bilateralen Beziehungen zu Pristina (VB 29.9.2019).
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Rechtsschutz / Justizwesen
Letzte Änderung: 15.06.2020
Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor, aber die Gerichte bleiben weiterhin anfällig für Korruption und politischen Einfluss (USDOS 11.3.2020).
Das serbische Justizwesen besteht aus einem Verfassungsgericht, dem Obersten Gerichtshof, 30 Bezirksgerichten und 138 Gemeindegerichten. Daneben bestehen spezielle Gerichte wie Verwaltungsgerichte und Handelsgerichte. Im Belgrader Bezirksgericht existiert eine Sonderkammer für die Verfolgung von Kriegsverbrechen, daneben existiert eine Staatsanwaltschaft für Kriegsverbrechen - beiden zusammen obliegt die juristische Aufarbeitung der Kriegsverbrechen aus den Balkankriegen der 1990er Jahre. Ihre Einrichtung ist Teil des Prozesses der Schließung des UN-Kriegsverbrechertribunals für das ehemalige Jugoslawien (Den Haag) und der Überführung seiner Aufgaben auf die nationalen Justizbehörden in den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien (LIPortal 6.2019).
Serbien hat im Bereich Justiz einige Fortschritte erzielt; während die Empfehlungen des Vorjahres nur teilweise umgesetzt wurden, wurden bei der Reduzierung alter Vollstreckungsfälle und der Weiterverfolgung von Maßnahmen zur Harmonisierung der Gerichtspraxis Fortschritte erzielt. Einige Änderungen der Regeln für die Ernennung von Richtern und Staatsanwälten und für die Bewertung der Arbeit von Richtern und Staatsanwälten wurden angenommen, aber das System muss nach der Annahme der Verfassungsänderungen grundlegend überarbeitet werden, um eine leistungsbezogene Stellenbesetzungen und Beförderungen von Richtern zu ermöglichen. Politische Einflussnahme im Bereich der Justiz bleibt weiterhin ein Problem. Die Verfassungsreform befindet sich im Gange (EK 25.9.2019).
Das Parlament hat am 21.5.2019 eine umstrittene Änderung des Strafrechts gebilligt, gemäß der Straftäter, die wegen Vergewaltigung und Ermordung eines Minderjährigen oder einer schwangeren oder behinderten Person zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt werden, zukünftig keine Möglichkeit einer frühzeitigen Entlassung mehr haben. Bislang belief sich die Höchststrafe in Serbien auf 40 Jahre. Der Europarat kritisierte den Gesetzesentwurf und sprach von einem Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (BN 27.5.2019).
Prinzipiell kann sich jede Person in Serbien, die sich privaten Verfolgungshandlungen ausgesetzt sieht, sowohl an die Polizei wenden als auch direkt bei der Staatsanwaltschaft persönlich oder schriftlich eine Anzeige einbringen. Auch können entsprechende Beschwerden an die Ombudsmann Institutionen getätigt werden. Darüber hinaus besteht auch für solche Personen, die Möglichkeit der Aufnahme in das Zeugen- bzw. Opferschutzprogramm. Die Bevölkerung hat die Möglichkeit, sich wegen rechtswidriger Akte der Sicherheitsdienste an den serbischen Ombudsmann oder den serbischen Datenschutzbeauftragten zu wenden (VB 29.9.2019).
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Sicherheitsbehörden
Letzte Änderung: 15.06.2020
Die Polizei des Landes untersteht der Aufsicht des Innenministeriums, wobei die Behörden eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte ausüben. Die Effektivität der Polizei variiert. Die meisten Beamten sind ethnische Serben, jedoch sind auch Angehörige von Minderheiten als Polizeibeamte tätig. Korruption und Straffreiheit in der Polizei sind ein Problem. Im Laufe des Jahres 2019 stellten Experten der Zivilgesellschaft fest, dass sich die Qualität der polizeilichen internen Ermittlungen weiter verbessert hat. Die neu geschaffene Antikorruptionsabteilung im Innenministerium wurde geschaffen, um schwere Korruption zu untersuchen. Es gibt keine spezialisierte Regierungsstelle, die Morde durch die Sicherheitskräfte untersuchen kann. Die Polizei, das Sicherheitsinformationszentrum (BIA) und die Direktion für die Vollstreckung strafrechtlicher Sanktionen untersuchen solche Fälle durch interne Kontrollen. In den ersten acht Monaten 2019 reichte die interne Kontrolle des Innenministeriums 136 Strafanzeigen gegen 285 Personen wegen 388 Verbrechen ein; 124 waren Polizisten und 161 Zivilbeamte. In 45 der Fälle wurden die Täter zu Haftstrafen verurteilt (USDOS 13.3.2020).
Durch eine unsystematische Umsetzung der Reform, ohne größeren Plan und Strategie, sind die eigentlichen Ziele, die Polizei zu de-kriminalisieren, de-politisieren, de-militarisieren und eine Dezentralisierung einzuleiten, bis heute nur bedingt erreicht. Gegenwärtig unterstehen die etwa 43.000 Polizisten des Landes dem Innenministerium und sind u.a. unterteilt in Zoll, Kriminalpolizei, Grenzpolizei sowie zwei Anti-Terroreinheiten, die „Special Antiterrorist Unit“ und die „Counterterrorist Unit“ (BICC 6.2019).
Es kommt in Einzelfällen immer noch vor, dass die Sicherheitsbehörden ihre Vollmachten überschreiten oder Anträge und Anfragen nicht so effizient bearbeiten. Dies beschränkt sich jedoch nicht auf bestimmte Personengruppen, sondern bezieht sich auf alle Einwohner der Republik Serbien. Alle Einwohner bzw. Bürger der Republik Serbien haben den gleichen Zugang zum Justizwesen, zu den Gerichten und den Polizeibehörden. Rechtsschutzmittel gegen polizeiliche Übergriffe sind vorgesehen, nämlich Strafanzeige und/oder Disziplinarverfahren. Jedoch gibt es keine „besonderen“ Rechtsschutzmittel betreffend Übergriffe gegen Roma-Angehörige. Diese sind, wie alle Einwohner der Republik Serbien, vor dem Gesetz gleich (VB 29.9.2019).
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Bewegungsfreiheit
COVID-19 Pandemie
Letzte Änderung: 15.06.2020
Die Bewegungsfreiheit der Menschen in Serbien (Staatsbürger als auch Fremde) wurde mit Beendigung des Ausnahmezustandes am 7.5.2020 nach fast 2 Monaten wieder hergestellt. Der Ausnahmezustand war aufgrund der festgestellten COVID-19 Entwicklung am 15.3.2020 durch den Präsidenten verfügt worden (VB 11.5.2020).
Seit dem 22. Mai 2020 ist eine Ein- und Durchreise nach und durch Serbien wieder ohne jede Einschränkung möglich. Reisende erhalten an der Grenze ein zweisprachiges Informationsblatt über die zu beachtenden Maßnahmen (AA 3.6.2020).
Keine Einreisebeschränkungen mehr seit 22. Mai 2020 (IOM AVRR 26.5.2020).
Die Verfassung garantiert das Recht auf Reisefreiheit innerhalb des Landes, Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung, und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 11.3.2020). Die Bewegungsfreiheit wird aber nicht immer angemessen geschützt (BTI 29.4.2020).
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Grundversorgung / Wirtschaft
Letzte Änderung: 15.06.2020
Die Stärkung der serbischen Wirtschaft ist seit Jahren eines der innenpolitischen Hauptthemen. Als EU-Beitrittskandidat strebt Serbien nach Anpassung an die EU-Standards. Die Wirtschaftszahlen zeigen große Erfolge bei der Haushaltskonsolidierung sowie eine leichte Besserung mit Blick auf die allgemeine Wirtschaftsentwicklung (AA 2.5.2019c).
Trotz erheblicher Reformanstrengungen und dem grundsätzlichen Umbau einer verstaatlichten, reglementierten und von starken Einbrüchen geprägten zu einer modernen Marktwirtschaft sieht sich Serbien auch nach einem Jahrzehnt grundlegenden Strukturproblemen gegenüber, welche die wirtschaftliche und Haushaltsstabilität bedrohen (LIPortal Wirtschaft & Entwicklung 9.2019).
Im Jahr 2019 lag die Arbeitslosenquote in Serbien bei rund 10,9 %. Für das Jahr 2021 wird die Arbeitslosenquote in Serbien auf rund 13 % prognostiziert. Die Jugendarbeitslosenquote (bei 14 bis 24-jährigen) wird bei rund 32,05 % geschätzt. Im Jahr 2018 betrug das Bruttoinlandsprodukt in Serbien rund 50,5 Milliarden US-Dollar. Für das Jahr 2024 wird das BIP Serbiens auf rund 75,2 Milliarden US-Dollar prognostiziert. Im Jahr 2018 betrug das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Serbien rund 7.223 US-Dollar. Im Jahr 2019 belief sich die durchschnittliche Inflationsrate in Serbien auf rund 2 % gegenüber dem Vorjahr (Statista 24.4.2020).
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Sozialbeihilfen
Letzte Änderung: 02.09.2020
Armut in Serbien ist v.a. ein ländliches Phänomen und betrifft außerdem sozial benachteiligte Gruppe überproportional, unter anderem Roma. Zugleich ist das bisher gültige System der Sozialhilfe nicht angepasst an die Bedürfnisse der Bedürftigsten, es kommt bisher nur ein kleinerer Teil der Transferzahlungen bei Ihnen an. Mit Unterstützung der Weltbank hat die serbische Regierung in den letzten Jahren erste Schritte zu einer Reform des Sozialhilfesystems unternommen (LIPortal Wirtschaft & Entwicklung 9.2019).
Ein Sozialamt ist in allen Gemeinden Serbiens zu finden. Der Umfang der Aktivitäten, der seitens der Sozialämter angeboten wird, beinhaltet Unterstützung für folgende Personengruppen: Individuen oder Familien ohne Einkommen, Menschen mit Behinderungen oder ältere Menschen, die nicht in der Lage sind, für sich selber zu sorgen, Waisen, Drogen- oder Alkoholabhängige, Verurteilte, die sich im Gefängnis aufhalten, minderjährige Eltern, Familien mit drei oder mehr Kindern. Zusätzlich gibt es spezielle Unterstützung um Familiengewalt vorzubeugen. Sozialhilfe ist in Serbien kostenfrei. Das Sozialsystem ist für jeden serbischen Staatsbürger zugänglich (IOM Country Fact Sheet 2018).
Anspruch auf Sozialhilfe haben in Serbien Bürger, die arbeitsunfähig sind und auch sonst keine Mittel zum Unterhalt haben. Außerdem sind Bürger sozialhilfeberechtigt, die ihren Unterhalt durch ihre Arbeit allein, durch Unterhaltspflichten von Verwandten, durch ihr Vermögen oder auf andere Art und Weise nicht sichern können. Neben der Sozialhilfe wird als weitere staatliche Unterstützungsmaßnahme an Bedürftige monatlich Kindergeld in Höhe von umgerechnet ca. 25 Euro ausbezahlt (AA 3.11.2019).
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Medizinische Versorgung
Letzte Änderung: 15.06.2020
Die medizinische Versorgung ist außerhalb der größeren Städte nicht überall gewährleistet (EDA 24.9.2019).
Eine medizinische Versorgung nach deutschem Standard ist in Serbien nicht landesweit gewährleistet. Auch Krankenhäuser verfügen nicht immer über eine adäquate Ausstattung und sind mitunter nicht in der Lage, Patienten mit bestimmten Krankheitsbildern angemessen medizinisch zu versorgen. Die hygienischen Rahmenbedingungen sind oft unzureichend. Vorwiegend in Belgrad existieren - oft private - Kliniken und Arztpraxen mit Ausstattungen, die europäischen Standards entsprechen (AA 23.9.2019b).
Das Gesundheits- und Krankenversicherungssystem ist in zwei Gruppen aufgeteilt: Öffentlich (kostenlos) und privat. Behandlungen und Medikamente sind gänzlich kostenlos für alle Bürger, die im öffentlichen Krankenversicherungssystem registriert sind. Für folgende Bürger sind Kosten und Leistungen von der Krankenversicherung abgedeckt: Neugeborene und Kinder bis zu sechs Jahren, einschließlich präventive und regelmäßige Check-Ups, Impfungen und spezielle Gesundheitspflege, Schulkinder und junge Erwachsene bis zu 19 Jahren wie Kinder bis sechs; Frauen: volle medizinische Leistungen abgedeckt; Erwachsene: volle medizinische Leistungen abgedeckt. Einfache medizinische Einrichtungen können in ganz Serbien in fast jedem Ort gefunden werden. Die größten Krankenhäuser in Serbien befinden sich in Novi Sad, Belgrad, Kragujevac und Nis. Um kostenlos behandelt zu werden, muss der Patient im Besitz einer staatlichen Krankenversicherung sein. Alle Medikamente sind erhältlich und die meisten Arzneimittel haben ähnliche Preise wie in anderen europäischen Ländern. Abhängig von der Art der Krankenversicherung sowie der Anspruchsberechtigung, kann die Behandlung entweder kostenlos oder nur teilweise gedeckt sein. Der öffentliche Krankenversicherungsfond wird durch Pflichtbeiträge aller erwerbstätigen Bürger oder Arbeitgeber im privaten Sektor finanziert. Arbeitslose Bürger besitzen eine Krankenversicherung auf Kosten des Staates. Sollte einer der Familienmitglieder eine Krankenversicherung besitzen, sind Familienmitglieder unter 26 Jahren automatisch versichert. Rückkehrer müssen ein Anmeldeformular ausfüllen und gültige Ausweisdokumente (serbische Ausweisdokumente, Geburtsurkunde und serbische Staatsbürgerschaft) beim öffentlichen Krankenversicherungsfond einreichen um im öffentlichen Krankenversicherungssystem registriert werden zu können (IOM 1.4.2019).
Überlebensnotwendige Operationen sind in der Regel durchführbar, auch können z.B. in Belgrad Bypassoperationen vorgenommen werden. Einsatz, Kontrolle und Wartung von Herzschrittmachern ist in Belgrad grundsätzlich möglich (nicht jedes Modell). Herz- und sonstige Organtransplantationen (mit Ausnahme der relativ häufigen Nierentransplantationen) werden gelegentlich durchgeführt, sind aber noch keine Routineoperationen. Im Juli 2018 wurde in Serbien ein Transplantationsgesetz und ein Gesetz über eine Organspenderdatenbank, welche jedoch bis heute nicht funktionsfähig ist, verabschiedet. Mehr als 1.000 Patienten warten auf eine Organtransplantation, während die Zahl der potentiellen Spender sehr gering ist (AA 3.11.2019).
Behandelbar sind in Serbien (keine abschließende Aufzählung): Diabetes mellitus (die Versorgung mit allen Arten von gängigen Insulinpräparaten ist regelmäßig und sicher), orthopädische Erkrankungen (auch kranken-gymnastische u.ä. Therapien), psychische Erkrankungen, u.a. Depressionen, Traumata, Schizophrenie, posttraumatische Belastungsstörungen (medikamentöse und psychologische Behandlung), Atemwegserkrankungen (u.a. Asthma bronchiale), Hepatitis B und C (abhängig von der Verfügbarkeit antiviraler Medikamente, die teilweise selbst gekauft werden müssen), Epilepsie, ein Großteil der Krebsformen, Nachsorge für Herzoperationen, Krebsoperationen, orthopädische Operationen etc. Dialyse wird bei Verfügbarkeit eines Platzes durchgeführt. Es gibt auch in Belgrad und Novi Sad private Zentren zur Dialyse. Diese beiden Kliniken haben Verträge mit der staatlichen Krankenversicherung abgeschlossen, wonach sie auch bei Bedarf auf Kosten der staatlichen Krankenversicherung Dialysen durchführen können (AA 3.11.2019).
Psychische Krankheiten werden in Serbien vorwiegend medikamentös behandelt. Es besteht jedoch (wenn auch in begrenztem Umfang) auch die Möglichkeit anderer Therapieformen, so gibt es z. B. für die Teilnahme an Gruppenpsychotherapie Wartelisten. Neben dem Therapiezentrum in der Wojwodina existieren mittlerweile weitere Therapiezentren in Vranje, Leskovac und Bujanovac (Südserbien). Es gibt Kliniken für die Behandlung von Suchtkrankheiten. Schulen für Schüler mit Gehör- und Sprachschädigung sind in Serbien vorhanden. Die Grundversorgung mit häufig verwendeten, zunehmend auch mit selteneren Medikamenten, ist gewährleistet. Spezielle (insbesondere ausländische, in Einzelfällen auch in Serbien hergestellte) Präparate sind jedoch in staatlichen Apotheken nicht immer verfügbar, können aber innerhalb weniger Tage auch aus dem Ausland bestellt werden, wenn sie für Serbien zugelassen sind. Für den Patienten fällt bei Vorlage eines vom Allgemeinarzt ausgestellten Rezeptes lediglich eine Beteiligungsgebühr von 50,- RSD an (ca. 0,50 Euro) (AA 3.11.2019).
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COVID-19 PANDEMIE
Letzte Änderung: 15.06.2020
Negative Journalistenberichte über unzureichende Gesundheitssicherheitsmaßnahmen für das eingesetzte medizinische Personal als auch die Sicherheitskräfte wurden von der Regierung umgehend zurückgewiesen. Es gab anfängliche logistische Probleme im ganzen Land die entsprechende Schutzausrüstung bereitzustellen. Zugleich hat Serbien enorme Anstrengungen mithilfe der EU, Chinas und Russlands unternommen, im medizinischen Bereich nachzurüsten, so beim Ankauf zahlreicher Beatmungsgeräte. Eine flächendeckende Versorgung mit der notwendigen medizinischen Ausrüstung scheint nach zwei Monaten COVID-19 Bekämpfung landesweit gegeben zu sein. Serbien hatte den ersten festgestellten COVID-19 Fall am 6.3.2020 im Land bestätigt und nachfolgend eine täglich ansteigende Fallzahl. Gesundheitspolitisch darf der Ausnahmezustand, welcher über 53 Tage (15.3. bis 7.5.2020) Gültigkeit hatte, als erfolgreich bezeichnet werden. Mit Stand 9.5.2020 hatte Serbien 10.032 Erkrankungsfälle und damit verbunden 213 Todesfälle (VB 11.5.2020).
Das Gesundheitsministerium der Republik Serbien hat eine Homepage bezüglich des möglichen Auftretens des Coronavirus (COVID-19) mit Informationen und Verhaltensregeln auf Englisch online gestellt, welche laufend aktualisiert wird (BMEIA 12.5.2020).
Auf dem Portal www.covid19.rs werden täglich Informationen zur Ausbreitung des Coronavirus aktualisiert und Empfehlungen zum Umgang mit der Situation sowie eine Hotline-Nummer sind dort veröffentlicht. Lockerungen seit 6.5.2020:
? Alle Exportverbote, die während der Covid-19 Krise eingeführt wurden, sind wieder aufgehoben
? Keine Ausgangssperren
? Kein Einsatz von Militär für zivile Zwecke
? Öffentliche Verkehrsmittel werden wieder den Betrieb aufnehmen
? Handschuhe- und Schutzmaskenpflicht in öffentl. Verkehrsmitteln sowie Gaststätten
? Kindergärten öffnen wieder, aber Schulen bleiben geschlossen (Unterricht online)
? Kinos und Theater bleiben geschlossen
? Abstandspflicht von 2 Metern und weiterhin Social Distancing
? Größere Zusammentreffen (Feiern) erst ab 15. Juni erlaubt, derzeit sind Versammlungen im Innen- sowie Außenbereich bis 50 Personen unter Befolgung der Schutz- und Desinfektionsmaßnahmen zugelassen (WKO 8.5.2020).
Die Vorschriften im Zusammenhang mit dem neuen Coronavirus (COVID-19) ändern sich laufend (EDA 3.6.2020).
Die Modernisierung der Labore in Serbien wird von der EU mit 7,5 Millionen Euro unterstützt. Die EU hat insgesamt 38 Millionen Euro Soforthilfe an die sechs Nicht-EU-Staaten auf dem Balkan - etwa für Beatmungsgeräte - zur Verfügung gestellt. Das weitaus meiste Geld davon (nämlich 15 Millionen) bekam Serbien, um die fünf Flugtransporte mit den Hilfsgütern zu bezahlen. In Serbien wurden bisher etwa 26.000 Personen getestet, davon waren über 4.800 positiv, das sind etwa 5,4 %. Problematisch ist zurzeit vor allem, dass das Virus sich auch in zwölf Heimen verbreitet hat - darunter zwei Heime für Behinderte. Der serbische Präsident selbst hatte angegeben, dass Serbien von China einige Beatmungsgeräte geschenkt bekommen habe und einige von China eingekauft habe (DS 16.4.2020).
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Rückkehr
Letzte Änderung: 15.06.2020
Seit dem 22. Mai 2020 ist eine Ein- und Durchreise nach und durch Serbien wieder ohne jede Einschränkung möglich. Reisende erhalten an der Grenze ein zweisprachiges Informationsblatt über die zu beachtenden Maßnahmen (AA 3.6.2020).
Keine Einreisebeschränkungen mehr seit 22. Mai 2020 (IOM AVRR 26.5.2020).
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Durch das StarthilfePlus - Level D Programm, bietet IOM Serbien konkrete Unterstützung bei der Reintegration von Rückkehrenden an. Außerdem stellt das DIMAK Beratungszentrum (Deutsches Informationszentrum für Migration, Ausbildung und Karriere in Serbien) durch sein 'Build Your Future'-Programm immaterielle Unterstützung bei der Reintegration zur Verfügung. Das Programm klärt darüber auf, welche Möglichkeiten es für die Betroffenen in Serbien gibt (inklusive Weiterbildungsmöglichkeiten) und unterstützt bei der Jobbewerbung. Zusätzlich organisiert DIMAK in Zusammenarbeit mit Firmen, die neues Personal suchen, regelmäßig Berufsmessen in Serbien. Nach der Rückkehr sollte die rückkehrende Person sich bei relevanten Behörden und Stellen (wieder) anmelden; dazu ist unbedingt der Personalausweis erforderlich - dieser kann, falls nötig, bei einer lokalen Polizeistelle beantragt werden; sich für die (staatliche) Krankenversicherung/Rentenversicherung anmelden; Sozialhilfe beantragen; Stellen kontaktieren, die bei der Arbeits- und Wohnungssuche unterstützen; die Anmeldung bei Kinderbetreuung, Schule und weitere Bildungsinstitutionen in die Wege leiten (IOM 2019).
Serbische Staatsangehörige, die zurückgeführt wurden, können nach ihrer Ankunft unbehelligt in ihre Heimatstädte fahren. Eine Befragung durch die Polizei u.ä. findet nicht statt, sofern nicht in Serbien aus anderen Gründen Strafverfahren anhängig sind. Sanktionen wegen der Stellung eines Asylantrags im Ausland gibt es weder de iure noch de facto. Als erste Anlaufstelle für Rückkehrer dient ein Wiederaufnahmezentrum für Rückgeführte am Flughafen Belgrad, das eine Informationsbroschüre auf Deutsch, Serbisch und Romanes bereithält, die u.a. Fragen zur Registrierung und den dafür erforderlichen Unterlagen sowie Kontakttelefonnummern enthält (AA 3.11.2019).
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2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Identität, Staatsangehörigkeit und zum Geburtsort des BF ergeben sich aus der im Akt erliegenden Kopie seines serbischen Reisepasses.
Die Feststellung, dass der BF in Serbien mehrere Geschwister hat, ergibt sich aus dem Vorbringen des BF in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 08.05.2020. Die Feststellungen zu seiner Schwester sind aus der Beschwerde abzuleiten, in der der BF ausführte, dass seine Schwester Kontakt zu seiner ehemaligen Lebensgefährtin aufgenommen habe. Dass er daneben zumindest einen Bruder hat, geht aus den Feststellungen des Strafurteils vom 26.03.2020 hervor, wonach die ehemalige Lebensgefährtin des BF mit seinem Bruder auf Facebook befreundet gewesen und diesem geschrieben habe, dass der BF mehrmals Geld von ihr verlangt habe.
Die Verurteilung in Serbien beruht auf den Feststellungen des Strafgerichts im Urteil vom 26.03.2020 sowie den damit übereinstimmenden Ausführungen des BF in seiner Stellungnahme vom 08.05.2020.
Der Gesundheitszustand des BF beruht auf dem Umstand, dass weder in den schriftlichen Stellungnahmen noch in der Beschwerde eine Gesundheitsbeeinträchtigung behauptet wurde, keine medizinischen Unterlagen dazu vorgelegten wurden und der BF seit einem Jahr und acht Monaten durchgehend haftfähig ist. Aus der Vollzugsinformation vom 09.09.2020 geht überdies hervor, dass dem BF während der Haft am 10.12.2019 und 03.06.2020 jeweils eine Arbeitserlaubnis erteilt wurde, sodass auch von seiner Arbeitsfähigkeit auszugehen war.
Die Beziehung zu seiner ehemaligen Lebensgefährtin ergibt sich aus den Feststellungen im Strafurteil vom 26.03.2020 sowie den Angaben des BF in der Beschwerde. Dass es sich dabei um eine kroatische Staatsangehörige handelt, geht aus einem amtswegig eingeholten ZMR-Auszug sowie den im Abschlussbericht der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 05.03.2020 festgehaltenen Personendaten hervor. Der Umstand, dass die ehemalige Lebensgefährtin des BF (nach wie vor) in Österreich lebt, beruht auf dem ZMR-Auszug sowie der in der Beschwerde für die Zeugenladung angeführten Adresse. Die regelmäßigen Aufenthalte des BF ab dem Jahr 2016 in Österreich beruhen auf den Angaben des BF zuletzt in der Beschwerde sowie der im Zentralen Melderegister aufscheinenden Nebenwohnsitzmeldung. Entgegen der Angaben des BF in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 08.05.2020 geht das Gericht allerdings nicht von einem durchgehenden Aufenthalt des BF seit dem Jahr 2016 aus. Zum einen räumte der BF nämlich zuletzt in der Beschwerde ein, dass er sich während der Beziehung zu seiner ehemaligen Lebensgefährtin lediglich zu Besuchszwecken in Österreich aufgehalten habe. Zum anderen ergibt sich aus der vom BFA eingeholten und im Akt erliegenden Auskunft aus der Personeninformationsdatenbank vom 17.10.2019 sowie dem Strafurteil vom 26.03.2020, dass der BF mittels Europäischem Haftbefehl zur Fahndung ausgeschrieben wurde und am 04.10.2019 am ungarisch-serbischen Grenzübergang festgenommen wurde. Schließlich geht aus dem Melderegisterauszug hervor, dass der BF lediglich zwischen 02.03.2018 und 20.02.2019 einen Nebenwohnsitz in Österreich hatte. Ein durchgehender Aufenthalt in Österreich seit dem Jahr 2016 ist daher auszuschließen. Die Verbüßung der Haftstrafe geht aus dem Urteil vom 26.03.2020, der Vollzugsinformation vom 09.09.2020, der Verständigung vom Strafantritt vom 19.01.2021 und dem Melderegisterauszug hervor. Das errechnete Strafende sowie der frühestmögliche Zeitpunkt für die bedingte Entlassung ergeben sich ebenfalls aus der Verständigung vom 19.01.2021.
Die Feststellung, dass der BF in Österreich nie einen Aufenthaltstitel hatte, ergibt sich aus einem amtswegig eingeholten Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister, in dem weder die Ausstellung einer Aufenthaltsberechtigungskarte, noch die Einleitung eines Verfahrens zur Erteilung eines Aufenthaltstitels aufscheinen.
Mit Schreiben vom 08.11.2019 und 30.04.2020 forderte das BFA den BF ausdrücklich zur Bekanntgabe seiner persönlichen Verhältnisse und familiären Bindungen in Österreich sowie seines sozialen Umfeldes, insbesondere hinsichtlich Freundschaften, auf, fragte ihn nach dem Bestehen eines gemeinsamen Haushaltes und gab ihm Gelegenheit, zu seiner beruflichen und schulischen Ausbildung sowie etwaigen beruflichen Tätigkeiten in Österreich Auskunft zu geben. In seiner Stellungnahme vom 21.11.2019 führte der BF zwar aus, dass er in Österreich eine Lebensgefährtin habe, die er heiraten wolle und mit der er in Zukunft einen gemeinsamen Haushalt beziehen wolle. Allerdings geht aus dem polizeilichen Abschlussbericht vom 03.05.2020 hervor, dass die in der Stellungnahme vom 21.11.2019 namentlich genannte Frau am 16.03.2020 Anzeige gegen den BF erstattete, weil sie ihm mehrmals Geld überwiesen habe und – nachdem sie mit der ehemaligen Lebensgefährtin des BF in Kontakt getreten sei und die Gründe für seine Inhaftierung erfahren habe – davon ausgehe, dass er sie nie geliebt habe, sondern lediglich wegen des Geldes mit ihr zusammen gewesen sei. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die vom BF behauptete Beziehung nicht mehr aufrecht ist, zumal er die Beziehung in der Stellungnahme vom 08.05.2020 nicht mehr erwähnte, im angefochtenen Bescheid keine Feststellungen zu einer etwaigen Beziehung getroffen wurden und der BF in der Beschwerde den Feststellungen nicht entgegentrat. Zwar behauptete der BF in der Beschwerde dennoch, dass er familiäre Interessen in Österreich habe, doch blieb es lediglich bei der pauschalen Behauptung ohne nähere Ausführungen. Auch in der vom BF in der Beschwerde behaupteten, mittlerweile erfolgten Versöhnung, mit seiner ehemaligen Lebensgefährtin, auf die er die geschilderten gewaltsamen Übergriffe beging, sind familiäre Beziehungen nicht abzuleiten, da der BF selbst einräumte, dass eine Wiederaufnahme der Beziehung angesichts der ausgeübten Gewalt wohl nicht mehr in Betracht komme. Auch ist dem Vorbringen des BF nicht zu entnehmen, dass er in Österreich Freundschaften geschlossen oder – abgesehen von gelegentlichen Auftritten als Sänger auf privaten Veranstaltungen – eine schulische oder berufliche Ausbildung bzw. eine längerfristige berufliche Tätigkeit in Österreich vorweisen kann. Im Übrigen setzt die Ausübung einer legalen Erwerbstätigkeit in Österreich durch einen Drittstaatsangehörigen zumindest einen Aufenthaltstitel voraus (vgl. §§ 31, 32 NAG), den der BF – wie sich aus einem amtswegig eingeholten Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister ergibt – nie hatte. Vor diesem Hintergrund war festzustellen, dass der BF weder über familiäre, noch über soziale Anknüpfungspunkte in Österreich verfügt und auch keiner legalen Erwerbstätigkeit nachging. Die Feststellung, dass der BF nicht krankenversichert war, geht aus seinem Vorbringen vom 08.05.2020 hervor.
Die Feststellungen zur Verurteilung, dem zugrundeliegenden Sachverhalt und den bei der Strafzumessung berücksichtigten Erschwerungs- und Milderungsgründen stützen sich auf das im Akt erliegende Urteil eines