TE Vwgh Erkenntnis 1997/1/23 95/06/0047

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Veröffentlicht am 23.01.1997
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Index

L80007 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Tirol;

Norm

ROG Tir 1994 §55 Abs1;
ROG Tir 1994 §55 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde

1. der Frieda B in S, 2. des Hermann B in S, 3. des N in R, alle vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 3. Jänner 1995, Zl. Ve1-550-1545/17-2, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. A in S, 2. Gemeinde S, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- zu gleichen Teilen binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die erstmitbeteiligte Partei (in der Folge kurz: Bauwerberin) beabsichtigt den Neubau einer Hofstelle (anstelle einer früheren Hofstelle, die durch einen Brand vernichtet wurde). Die Vorgeschichte des Beschwerdefalles ist dem hg. Erkenntnis vom 14. März 1991, Zl. 90/06/0030, zu entnehmen.

Da die der Bauwerberin bereits erteilte Baubewilligung mangels Ausnützung durch Zeitablauf erlosch, kam sie mit Gesuch vom 24. Juli 1992 bei der Baubehörde erster Instanz abermals um baubehördliche Bewilligung ihres Vorhabens ein. In der mündlichen Bauverhandlung vom 5. November 1992 erhoben die Beschwerdeführer als Nachbarn Einwendungen gegen das Vorhaben:

Die Voraussetzungen des § 15 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 (TROG 1984) lägen nicht vor (der vorgesehene Bauplatz befand sich im Freiland), auch würde die Realisierung des Projektes das Landschaftsbild empfindlich stören. Durch die geplante Mistablage seien erhebliche Geruchsbelästigungen zu befürchten.

Im weiteren Verfahren holte die Baubehörde erster Instanz ein ergänzendes Gutachten (vom 18. Jänner 1993) der belangten Behörde ein, das auf ein im vorangegangenen Bauverfahren abgegebenes Gutachten des landwirtschaftlichen Amtssachverständigen vom 28. Dezember 1988 verwies und dieses aufrecht hielt. Weiters holte die Baubehörde eine Stellungnahme des Kulturbauamtes Kufstein vom 2. Dezember 1992 über die ordnungsgemäße Abwasserentsorgung ein. Die Beschwerdeführer äußerten sich unter Vorlage eines Privatgutachtens des Dipl. Ing. M. K. vom 6. April 1993 ablehnend.

Mit Bescheid vom 9. April 1993 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde als Baubehörde erster Instanz die angestrebte Baubewilligung unter Vorschreibung von Auflagen; die Einwendungen der Nachbarn wurden teils abgewiesen, teils wurden sie auf den ordentlichen Rechtsweg verwiesen.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Berufung. Die Berufungsbehörde holte ein weiteres Gutachten des Dipl. Ing. A. P. vom 25. Mai 1993 ein, zu welchem sich die Beschwerdeführer ablehnend äußerten.

Mit Berufungsbescheid vom 12. Juli 1993 wies der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde die Berufung als unbegründet ab und bestätigte den bekämpften erstinstanzlichen Bescheid vom 9. April 1993. Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung.

Mit Vorstellungsentscheidung vom 10. Jänner 1994 gab die belangte Behörde der Vorstellung Folge, behob den bekämpften Berufungsbescheid wegen Verletzung von Rechten der Beschwerdeführer und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Berufungsbehörde zurück. Zusammenfassend wurde die Aufhebung damit begründet, daß die Voraussetzung des § 15 Abs. 5 TROG 1984 trotz Vorliegens eines gegenteiligen Gutachtens nicht ausreichend geprüft worden seien.

In weiterer Folge holte die Berufungsbehörde ein Gutachten des Dipl. Ing. H. L. zur Frage ein, ob das Vorhaben bzw. eine im Hinblick auf das Inkrafttreten des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1994 (TROG 1994) erforderliche Änderung des Flächenwidmungsplanes mit den Zielen der örtlichen Raumordnung zu vereinbaren sei. Der Sachverständige kam in seinem Gutachten vom 9. April 1994 zusammenfassend zur Beurteilung, daß aus seiner Sicht als örtlicher Raumplaner kein Einwand gegen eine Umwidmung des beabsichtigten Bauplatzes zur Errichtung einer Hofstelle bestehe. Das Flächenausmaß müßte ca. 1200 m2 (30 m x 40 m) betragen, um das geplante Gebäude errichten zu können. Voraussetzung sei jedoch, daß für diese Umwidmung ein wichtiger, im öffentlichen Interesse gelegener Grund vorliege. Den Zielen der örtlichen Raumordnung würde entsprochen werden.

Aus den Verwaltungsakten ergibt sich weiters, daß der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde am 11. April 1994 eine entsprechende Änderung des Flächenwidmungsplanes beschloß (Umwidmung einer rechteckigen Fläche im Ausmaß von 1200 m2 von Freiland in Sonderfläche für Hofstelle), und daß die belangte Behörde mit Bescheid vom 22. Juli 1994 dieser Änderung gemäß § 67 Abs. 7 TROG 1994 die aufsichtsbehördliche Genehmigung erteilte. Dies wurde damit begründet, daß die Umwidmung der gegenständlichen Grundstücksfläche zur Errichtung eines Hofes diene, damit die Bewirtschaftung des landwirtschaftlichen Areales weiterhin möglich sei, wobei die Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Flächen im landeskulturellen Interesse gelegen sei, sodaß der Nachweis des öffentlichen Interesses für die gegenständliche Umwidmung erfolgt sei. Bereits im Zuge des Bauverfahrens seien "die erforderlichen Stellungnahmen bzw. Bewilligungen eingeholt" worden, welche eine geeignete Grundlage für die gegenständliche Flächenwidmungsplanänderung seien. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft K. vom 31. August 1993 sei für den Neubau der Hofstelle die naturschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung erteilt worden (weil die Hofstelle im Uferschutzbereich des H-Sees gelegen sei). Es liege auch ein raumplanerisches Gutachten vor, in welchem der Gutachter nach Beurteilung aller Ziele der örtlichen Raumordnung zur Beurteilung komme, daß durch diese Bauführung oberhalb eines näher bezeichneten Weges zwischen den bestehenden Gebäuden keine zusammenhängende landwirtschaftliche Fläche durchbrochen werde und überdies durch die Errichtung von zwei Ferienhäusern im Nahbereich der künftigen Hofstelle und durch die bestehende Jugendherberge eine nachhaltige Beeinträchtigung des Landschaftsbildes nicht gegeben sei. Der Ortsplaner habe in ausführlicher und begründeter Weise dargelegt, daß den Zielen der örtlichen Raumordnung nach § 27 TROG 1994 nicht widersprochen werde und zudem die infrastrukturellen Einrichtungen vorhanden seien. Hinsichtlich der betriebswirtschaftlichen Notwendigkeit lägen ebenfalls positive Gutachten vor.

Mit Berufungsbescheid vom 21. Oktober 1994 wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde, auf welchen infolge eines Devolutionsantrages der Beschwerdeführer die Zuständigkeit zur Entscheidung übergegangen war, die Berufung neuerlich als unbegründet ab und bestätigte (abermals) den bekämpften erstinstanzlichen Bescheid vom 9. April 1993. Soweit für das vorliegende Beschwerdeverfahren erheblich, wurde auf die Umwidmung des zur Bebauung vorgesehenen Grundstückes im Ausmaß von ca. 1200 m2 von Freiland in Sonderfläche für Hofstelle und auf die Begründung des Genehmigungsbescheides der Aufsichtsbehörde vom 22. Juli 1994 verwiesen. Damit erscheine der Berufungsbehörde sichergestellt, daß mit der vorgenommenen Umwidmung den Zielen der örtlichen Raumordnung im Sinne des TROG 1994 entsprochen worden sei. Von der Erlassung eines Bebauungsplanes für die gegenständliche Grundfläche könne vorliegendenfalls abgesehen werden, weil nach § 55 Abs. 1 TROG 1994 ein Bebauungsplan für Sonderflächen und Vorbehaltsflächen nur dann zu erlassen sei, wenn dies im Hinblick auf eine geordnete bauliche Entwicklung erforderlich sei. Die geordnete bauliche Entwicklung in diesem Bereich erscheine der Berufungsbehörde durch das geplante Bauvorhaben nicht gefährdet.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung (aus den Verwaltungsakten ergibt sich, daß ihnen zuvor unter anderem eine Ablichtung des Genehmigungsbescheides der belangten Behörde vom 22. Juli 1994 übermittelt worden war). Darin machten sie insbesondere geltend, daß gemäß § 55 Abs. 4 TROG 1994 die Erteilung einer Baubewilligung mangels Bebauungsplanes unzulässig sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde zusammengefaßt aus, daß die Berufungsbehörde bei Erlassung des Berufungsbescheides vom 21. Oktober 1994 das TROG 1994 anzuwenden gehabt habe, weil dieses Gesetz für anhängige Bauverfahren nur die Übergangsbestimmung des § 115 Abs. 8 kenne, welche jedoch vorliegendenfalls unanwendbar sei, weil es sich hier nicht um ein im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes als Bauland oder als Sonderfläche gewidmetes Grundstück handle. Allfällige inhaltliche Mangelhaftigkeiten des Verfahrens zur Änderung des Flächenwidmungsplanes könnten im vorliegenden Bauverfahren nicht aufgegriffen werden und zu keiner Aufhebung des Berufungsbescheides führen.

Nach Hinweis auf die Bestimmung des § 55 Abs. 1 TROG 1994 führte die belangte Behörde weiter aus, die "Neuregelung der Bebauungspläne" im TROG 1994 sei aufgrund des Umstandes erfolgt, daß die Erreichung der aktuellen Raumordnungsziele in bezug auf die Entwicklung des Baulandes ohne konkrete Bebauungsplanung nicht möglich sei. Dies gelte vor allem im Hinblick auf die Durchsetzung einer bodensparenden, aufeinander abgestimmten Bebauung der vorhandenen Bauplätze. Es sei deshalb bestimmt worden, daß eine Bautätigkeit künftig nur auf Grundlage einer abgeschlossenen Bebauungsplanung möglich sein solle. Die Zielsetzung der Bebauungsplanung sollte durch vorgezogene Baumaßnahmen nicht unterlaufen bzw. die Bebauungsplanung gleichsam vor vollendete Tatsachen gestellt werden können und zu diesen allgemeinen Zielsetzungen sollten daher für den Bereich des Baulandes und jener Sonderflächen und Vorbehaltsflächen, bei denen der festgelegte besondere Verwendungszweck dies erfordere, vorerst ein allgemeiner Bebauungsplan erlassen und, auf diesem aufbauend, konkrete Bebauungsplanfestlegungen in ergänzenden Bebauungsplänen getroffen werden. Im einzelnen würden in den ergänzenden Bebauungsplänen die Höchstgröße der Bauplätze, die Baufluchtlinien, die Bauweisen und die Bauhöhen festgelegt. Die Festlegung der Höhenlage und der Baugrenzlinien sei ebenso zulässig wie ergänzende Bauhöhen- oder Baudichtenfestlegungen und eine spezielle Festlegung über die Mindestabstände. Im Hinblick hierauf vertrete die belangte Behörde die Auffassung, daß die Widmungsbezeichnung "Sonderfläche Hofstelle" nicht zu jenen gehöre, bei denen im Hinblick auf den besonderen Verwendungszweck eine Bebauungsplanung zur Sicherstellung einer geordneten baulichen Entwicklung erforderlich sei. Nach ihrer Auffassung sei es ausreichend, Hofstellen im Freiland außerhalb des Siedlungsbereiches durch Festlegung der im Gesetz nunmehr vorgesehen Sonderflächenwidmung einer gezielten Freiraumplanung zuzuführen. Eine darüber hinausgehende Bebauungsplanung und Festlegung von Straßenfluchtlinien, Mindestbaudichte usw. sei bei Festlegung derartiger Sonderflächen im Regelfall nicht erforderlich, um eine geordnete bauliche Entwicklung sicherzustellen, da wohl nur in Ausnahmefällen eine mit der Raumordnungsproblematik im Bauland vergleichbare Sachlage vorliegen werde. Diese Ansicht werde vorliegendenfalls zudem durch das von den Beschwerdeführern zitierte Gutachten des Dipl. Ing. F. (vom 1. August 1990) bestätigt, weil in diesem Gutachten davon die Rede sei, daß sich nicht so sehr die Größe des geplanten Objektes nachteilig auf das Landschaftsbild auswirke, weil vom See aus in erster Linie nur die Schmalseite des Gebäudes wirksam werde. Es sei vor allem die Situierung des Gebäudes am Horizont, welche zu einer Beeinträchtigung des Landschaftsbildes führen würde. Hiezu sei darauf zu verweisen, daß zwischenzeitlich ein positiver Bescheid der Naturschutzbehörde vorliege und sich die genannten Bedenken gegen den Standort als solchen richteten, sich der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde im Flächenwidmungsplanänderungsverfahren dennoch für diesen Standort entschieden habe und im genannten Verfahren eine Auseinandersetzung mit der Frage des Landschaftsbildes durch Einholung eines weiteren Gutachtens eines befugten Ziviltechnikers erfolgt sei. Auch könne der Prüfungsmaßstab im Flächenwidmungsplanänderungsverfahren nicht der sein, ob andere Standortvarianten besser geeignet wären, sondern nur, ob die gegenständliche Umwidmung schlüssig und nachvollziehbar unter Einhaltung der Ziele des Raumordnungsgesetzes erfolgt sei. Daß es im Bauverfahren ebenso nicht um die Prüfung von Ersatzvarianten, sondern um die baurechtliche Beurteilung eines vorliegenden Projektes gehe, sei bereits im Vorstellungsbescheid vom 10. Jänner 1994 dargelegt worden. Abschließend sei darauf zu verweisen, daß nach Ansicht der Beschwerdeführer "eine Bebauungsplanung aus Gründen des Schutzes des Landschaftsbildes erforderlich wäre" und ihnen diesbezüglich nach der Tiroler Bauordnung kein Mitspracherecht zukomme.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Auch die mitbeteiligten Parteien haben Gegenschriften eingebracht; Kosten wurden nicht verzeichnet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt:

Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A, u. v.a.).

Gemäß dem § 30 Abs. 4 der Tiroler Bauordnung (TBO), LGBl. Nr. 33/1989, sind derartige subjektiv-öffentliche Rechte als Rechte definiert, die in einer Bestimmung der Tiroler Bauordnung oder einer auf der Grundlage der Tiroler Bauordnung ergangenen Verordnung begründet sind, die nicht nur der Wahrung öffentlicher Interessen, sondern auch dem Schutz des Nachbarn dienen. Danach können subjektiv-öffentlichrechtliche Einwendungen insbesondere auf Vorschriften über die widmungsgemäße Verwendung von Grundstücken, auf die Bauweise, die Bauhöhe, die Mindestabstände von baulichen Anlagen, die Beschaffenheit des Bauplatzes und den Brandschutz gestützt werden.

Der 4. Abschnitt des II. Teiles des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1994 (TROG 1994) enthält nähere Bestimmungen hinsichtlich der Bebauungspläne, wobei, soweit hier erheblich, § 55 allgemeine Bestimmungen enthält, § 56 hingegen nähere Bestimmungen zum Inhalt der Bebauungspläne.

Diese Bestimmungen lauten auszugsweise:

"§ 55

Allgemeines

(1) Im allgemeinen Bebauungsplan und in den ergänzenden Bebauungsplänen sind unter Berücksichtigung der Ziele der örtlichen Raumordnung, des örtlichen Raumordnungskonzeptes, des Flächenwidmungsplanes und der Ergebnisse der Bestandsaufnahme die Art der verkehrsmäßigen Erschließung und der Bebauung des Baulandes sowie jener Sonderflächen und Vorbehaltsflächen, bei denen dies im Hinblick auf den besonderen Verwendungszweck im Interesse einer geordneten baulichen Entwicklung erforderlich ist, festzulegen.

(2) Ein ergänzender Bebauungsplan ist zu erlassen, sobald unter Bedachtnahme auf das örtliche Raumordnungskonzept im Hinblick auf die angestrebte bauliche Entwicklung in der Gemeinde ein Bedarf an der widmungsgemäßen Verwendung der betreffenden Grundflächen besteht und die Gemeinde finanziell in der Lage ist, die verkehrsmäßige Erschließung und die Erschließung mit den Einrichtungen zur Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung vorzunehmen. Die ergänzenden Bebauungspläne sind möglichst jeweils für zusammenhängende Gebiete zu erlassen.

...

(4) Die Baubewilligung für den Neubau von Gebäuden mit Ausnahme von Nebengebäuden zu bestehenden Gebäuden darf nur erteilt werden, wenn für das betreffende Grundstück der allgemeine und der ergänzende Bebauungsplan bestehen und die darin festgelegte verkehrsmäßige Erschließung rechtlich sichergestellt ist. Bescheide, mit denen entgegen dieser Bestimmung eine Baubewilligung erteilt wird, leiden an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler.

....

§ 56

Inhalt

(1) Im allgemeinen Bebauungsplan sind hinsichtlich der verkehrsmäßigen Erschließung die Straßenfluchtlinien (§ 58) der Straßen nach § 54 Abs. 1 und hinsichtlich der Bebauung die Mindestbaudichten (§ 61) festzulegen.

(2) In den ergänzenden Bebauungsplänen sind hinsichtlich der verkehrsmäßigen Erschließung die Straßenfluchtlinien der Straßen, die der inneren Erschließung des jeweiligen Gebietes dienen, und hinsichtlich der Bebauung die Höchstgröße der Bauplätze, die Baufluchtlinien (§ 59 Abs. 1 und 2), die Bauweisen (§ 60) und die Bauhöhen (§ 62 Abs. 1, 2 und 3) festzulegen. In den ergänzenden Bebauungsplänen können weiters die Höhenlage (§ 62 Abs. 4) und die Baugrenzlinien (§ 59 Abs. 3) festgelegt sowie ergänzende Festlegungen über die Baudichten getroffen werden. In den ergänzenden Bebauungsplänen kann auch festgelegt werden, daß statt der Mindestabstände nach § 7 Abs. 1 lit. b der Tiroler Bauordnung jene nach § 7 Abs. 1 lit. a der Tiroler Bauordnung einzuhalten sind.

(3) Liegen die Voraussetzungen nach § 55 Abs. 2 erster Satz vor und ist ein allgemeiner Bebauungsplan noch nicht erlassen, so können die Festlegungen nach den Abs. 1 und 2 in einem Bebauungsplan getroffen werden."

Die Beschwerdeführer machen, wie schon im Vorstellungsverfahren, geltend, die Erteilung der Baubewilligung verstoße gegen § 55 Abs. 4 TROG 1994; die Auffassung, die die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid vertreten habe, sei unzutreffend.

Mit diesem Vorbringen sind die Beschwerdeführer im Hinblick auf die erst im Zuge des Berufungsverfahrens eingetretene Rechtsänderung nicht präkludiert; es vermag ihnen aber nicht zum Erfolg zu verhelfen: Die Anwendbarkeit des § 55 Abs. 4 TROG 1994 setzt begrifflich voraus, daß für das zu bebauende Grundstück die Erlassung von Bebauungsplänen überhaupt erforderlich ist. Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Beurteilung der belangten Behörde, daß nach der Lage des Falles für die hier zu bebauende Grundfläche die Erlassung von Bebauungsplänen nicht erforderlich ist, weil nicht ersichtlich ist, daß dies im Sinne des § 55 Abs. 1 leg. cit. für diese im Freiland gelegene, 1200 m2 große Sonderfläche für eine Hofstelle "im Interesse einer geordneten baulichen Entwicklung" nötig wäre und den Raumordnungszielen oder auch der Berücksichtigung des Landschaftsbildes nicht im konkreten Baubewilligungsverfahren entsprechend Rechnung getragen werden könnte.

Soweit die Beschwerdeführer sichtlich meinen, im Zuge einer "umfassenden Bebauungsplanung" wären auch andere Standortvarianten zu prüfen gewesen (gemeint: nämlich ein Standort der zu errichtenden Hofstelle außerhalb der im Zuge des Bauverfahrens umgewidmeten Grundfläche), verkennen sie das Wesen von Bebauungsplänen.

Sollten die Ausführungen hingegen dahin zu verstehen sein, daß die Flächenwidmungsplanänderung zu Unrecht erfolgt sei, vermögen sie keine Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit dieser Umwidmung zu erwecken: Schon dem Grunde nach ist die Änderung der Flächenwidmung im Beschwerdefall unbedenklich, weil es sich um die Festlegung einer Widmungskategorie handelt, die erst durch das TROG 1994 geschaffen wurde. Weiters ist es zwar richtig, daß Gutachten auch andere Standorte als im Bereich jener Fläche, die letztlich umgewidmet wurde, befürwortet haben und insbesondere auch der Sachverständige Dipl. Ing. H. L. in seinem Gutachten vom 9. April 1994 einen anderen Standort als "ortsplanerisch ideal" bezeichnet hat (nämlich die Standortvariante 2 gemäß dem Gutachten des Dipl. Ing. R. F. im Gutachten vom 1. August 1990). Er hat aber auch hinzugefügt, worauf die Beschwerdeführer hier nicht verweisen, daß von einem landwirtschaftlichen Sachverständigen geprüft werden müßte, inwieweit dieser andere Standort zur Bewirtschaftung des Hofes geeignet sei; ein größerer Abstand von der vorbeiführenden Straße mit mitunter nicht unbedeutendem Ausflugsverkehr erschiene jedenfalls im Hinblick auf die Wohnqualität des Hauses erforderlich. Diesbezüglich hat aber der Sachverständige Dipl. Ing. A. P. in seinem Gutachten vom 25. Mai 1993 schlüssig ausgeführt, daß der von der Bauwerberin vorgesehene Standort (das ist die in der Folge umgewidmete Grundfläche) den Standortvarianten in dem Gutachten R. F. vom 1. August 1990 und in dem von den Beschwerdeführern in der Beschwerde bezogenen Gutachten M. K. vom 6. April 1993 eindeutig überlegen sei. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher nicht zu einer entsprechenden Antragstellung gemäß Art. 139 B-VG an den Verfassungsgerichtshof veranlaßt.

Da vorliegendenfalls für die zu bebauende Grundfläche keine Bebauungspläne zu erlassen waren, geht auch die weitere Annahme der Beschwerdeführer ins Leere, das Fehlen eines Bebauungsplanes sei einer Bausperre gleichzusetzen (was ihnen ihrer Beurteilung nach ein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht auf Versagung der Baubewilligung einräume).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG konnte von der Durchführung der von den Beschwerdeführern beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995060047.X00

Im RIS seit

07.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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