TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/16 W159 2234795-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.07.2021
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Entscheidungsdatum

16.07.2021

Norm

AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W159 2234795-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Nordmazedonien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.07.2020, Zl. XXXX , nach einer mündlichen Verhandlung am 15.06.2021, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

II. Gemäß § 9 BFA-VG wird festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung gegen XXXX , geb. XXXX , StA. Nordmazedonien auf Dauer unzulässig ist und XXXX eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ gemäß §§ 55 und 58 AsylG 2005 idgF für die Dauer von 12 Monaten erteilt wird.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin, ein Staatsangehörige von Nordmazedonien, beantragt beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 04.05.2020 einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Artikel 8 EMRK „Aufrechterhaltung des Privat und Familienlebens“ gem. § 55 Abs. 2 AsylG. Mit ihrem Antrag brachte sie die Heiratsurkunde, der Republik Mazedonien in Vorlage. Sie heiratete am 03.12.2019 XXXX , wohnhaft in XXXX -Austria. Sie legt eine Einstellungszusage der Firma Pflasterungen XXXX , sowie die Arbeitslosengeldbestätigung ihres Ehemanns, eine Wohnrechtsvereinbarung, eine Kopie ihres Reisepasses, ihre Meldebestätigung sowie die Geburtsurkunde ihres Sohnes vor.

In der niederschriftlichen Einvernahme am 26.05.2020 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stimmte die Beschwerdeführerin zu ohne Zuhilfenahme eines Dolmetschers einvernommen zu werden.

Die Behörde merkte an, dass die Beschwerdeführerin visumfrei nach Österreich eingereist sei. Dieser Aufenthalt wäre nur zu kurzfristigen touristischen Zwecken zu nutzen gewesen. Durch die Stellung des oben angeführten Antrages hätte die Beschwerdeführerin signalisiert, dass sie sich dauerhaft in Österreich niederlassen wolle. Ihr Tun würde somit dem Zweck der visumsfreien Einreise widersprechen und ihr Aufenthalt in Österreich sei von Anbeginn der letzten Einreise am 04.02.2020 illegal.

Die Beschwerdeführerin brachte ihren mazedonischen Reisepass, ausgestellt am 04.12.2019, gültig bis 03.12.2024, Nr. K 109994 in Vorlage und hinterlegte ihn freiwillig bis zum Abschluss des Verfahrens. Sie brachte ebenfalls einen Mietvertrag/Nutzungsvertrag/Wohnrechtsvereinbarung in Vorlage, welcher zwischen ihrem Schwiegervater und ihrem Mann abgeschlossen wurde. Sie gab an, sie würden unentgeltlich bei den Schwiegereltern wohnen.

Befragt erzählte sie, sie sei am XXXX bei XXXX /Mazedonien geboren worden und auch dort aufgewachsen. Sie habe neun Jahre die Pflichtschule besucht. Sie habe eine Ausbildung zur Krankenschwester begonnen, wobei sie nur drei von vier Jahren abgeschlossen habe. Als sie nach Österreich eingereist sei, sei sie etwa zwanzig Jahre alt gewesen. Sie sei nie zuvor in einem anderen EWR Staat gewesen. Sie sei immer nur im sichtvermerkfreien Zeitraum (touristische Zwecke) eingereist, um ihren Mann zu besuchen. Nach Ablauf der erlaubten Aufenthaltszeit sei sie wieder nach Mazedonien zurückgekehrt.

Im Herkunftsland würden ihre Eltern, ihre Schwester und ihr Bruder leben. Der andere Bruder würde in Deutschland leben. In Mazedonien habe sie bei ihren Eltern gelebt. Am 03.12.2019 habe sie die Ehe mit XXXX geschlossen und ihr Sohn XXXX sei am XXXX geboren worden. In Österreich würde sie mit den Verwandten in albanischer, mazedonischer und englischer Sprache sprechen. Sie habe in Österreich nur ihren Mann und dessen Familie.

Befragt gab sie an, sie habe in Österreich keine Schule besucht oder eine Ausbildung genossen. Sie sei in Österreich nicht beschäftigt gewesen und zurzeit auch in keinem Arbeitsverhältnis. Ihr Mann habe eine Einstellungszusage für sie bei der Fa XXXX (Pflasterungen). Ihr Mann würde seit April 2020 bei dieser Firma arbeiten und verfüge über ein monatliches Einkommen von etwa 2.000 €. Sie persönlich hätte kein Einkommen. Ihr soziales Umfeld in Österreich beschränke sich auf ihren Mann, ihren Sohn und dessen Familie. Sie treffe sich auch mit den mazedonischen und österreichischen Freunden ihres Mannes.

Die Beschwerdeführerin beantwortete die Fragen der belangten Behörde: Sie gehe keiner ehrenamtlichen Tätigkeit nach. Sie sei in Österreich nicht mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Sie sei gesund. Ihr kleiner Sohn sei auch gesund. Sie würde gerne bei ihrem Mann bleiben, ihre Ausbildung fortsetzen und als Krankenschwester arbeiten.

Die Beschwerdeführerin brachte nachträglich zwei Lohnzettel ihres Ehemannes und die Anmeldebestätigung für den Deutschkurs A1 Teil 1 in Vorlage.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.07.2020, Zl. XXXX wurde unter Spruchpunkt I. der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründer des Artikel 8 EMRK abgewiesen und gem § 52 Abs 3 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen. Unter Spruchpunkt II. wurde festgestellt, dass die Abschiebung gem § 46 FPG nach Nordmazedonien zulässig sei, unter Spruchpunkt III. wurde eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise festgelegt.

Die Behörde stellte fest, dass die Beschwerdeführerin mazedonische Staatsangehörige und im Besitze eines gültigen mazedonischen Reisepasses sei. Sie habe ihren Gatten am 03.12.2019 geehelicht und visumsfrei von 07.01. bis 14.01.2020 und vom 29.02.2020 bis dato zu ihren Gatten XXXX besucht. Bei der letzten Einreise habe sie den am XXXX geborenen Sohn mitgebracht. Der Ehemann würde über einen Daueraufenthalt EU verfügen, wobei aufenthaltsbeendende Maßnahmen eingeleitet worden seien. Die letzte Einreise nach Österreich würde nicht den touristischen Zweck erfüllen, somit halte sich die Beschwerdeführerin illegal im Bundesgebiet auf. Am 04.05.2020 habe sie einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthalttitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gem. § 55 Abs. 2 Asyl gestellt. Für den Sohn habe sie keinen Antrag gem. § 55 Abs. 2 gestellt, weshalb ein Verfahren zur Einleitung aufenthaltbeendender Maßnahmen erfolge.

Zu der Rückkehr der Beschwerdeführerin nach Mazedonien wurde festgestellt, dass sie den größten Teil ihres Lebens in Nordmazedonien verbracht habe. Es sei somit eine sprachliche und soziale Integration in ihrem Heimatstaat gegeben, da auch ihre Eltern und Geschwister in Nordmazedonien aufhältig seien. Sie sei mit den Sitten und Gebräuchen ihres Heimatlandes vertraut. Es sei auch ins Treffen zu führen, dass die Verehelichung und die Geburt des Kindes in Nordmazedonien stattgefunden hätten.

In der rechtlichen Beurteilung wurde zu Spruchpunkt I. ausgeführt, dass die Identität der Beschwerdeführerin vom gültigen Reisedokument abzuleiten sei. Sie habe ihren Ehemann am 03.12.2019 in Nordmazedonien geheiratet, welcher in Österreich aufenthaltsberechtigt sei. Sie sei mit ihren in Nordmazedonien geborenen Sohn am 29.02.2020 visumsfrei eingereist, zu einem Zeitpunkt, wo sie nicht davon ausgehen hätte können, dass sie in Österreich eine Aufenthaltsberechtigung erlangen könnte. Die Einreise zu touristischen Zwecken würde ein relevantes Privatleben nicht unterstützen. Es sei von erheblichen familiären Anknüpfungspunkten und einer sozialen Vernetzung im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin auszugehen, denn ihre Eltern sowie ihre Schwester würden dort leben und sie habe eine gute Schulbildung genossen.

Die Beschwerdeführerin sei in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig, für ihren Lebensunterhalt würde ihr Ehemann XXXX aufkommen, der seit April 2020 bei seinem Onkel arbeiten würde und ein monatliches Einkommen von etwa 2.000 € habe. Es sei keine ausreichende Integration abzuleiten, die einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG begründen würde. Eine Begleitung des Gatten sei zumutbar.

Zu Spruchpunkt II. wurde ausgeführt, ob mit der Rückkehrentscheidung eine Abschiebung in einen oder mehrere bestimmte Staaten gem § 46 FPG zulässig sei.

Unter Spruchpunkt III. wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft des Bescheides bemessen.

Die Beschwerdeführerin, vertreten durch ihren Rechtsanwälte XXXX , erhob gegen alle Spruchteile des Bescheides vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, RD Oberösterreich vom 10.07.2020, Zl. XXXX fristgerecht Beschwerde.

Die belangte Behörde habe bei der Beurteilung der Frage, ob die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme zulässig sei, eine gewichtende Gegenüberstellung des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung mit dem Interesse des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich vorzunehmen. Die Frage der familiären Bindung der Beschwerdeführerin in Österreich sei falsch gelöst worden. Die Umstände und das Wohl des Kindes seien bei der Entscheidung nicht berücksichtigt worden. Es liege im übergeordneten Interesse des Kindes der Beschwerdeführerin, bei beiden Eltern aufzuwachsen. Der vorliegende Bescheid würde gegen Art. 8 EMRK verstoßen. Der Beschwerdeführerin würde das Recht auf ein Privat- und Familien verwehrt, da das Kleinkind unmöglich ohne die Beschwerdeführerin in Österreich bleiben könne, dieses aber ein Recht habe in Österreich zu bleiben, um eine Bindung zum Vater aufzubauen und um dem Kindeswohl die angemessene Bedeutung zu schenken. Auch sei die Beschwerdeführerin von ihrem Ehemann finanziell abhängig. Auf die Beziehung zwischen Vater und Kind sei nicht ausreichend Bedacht genommen worden.

Das Bundesverwaltungsgericht beraumte eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung für den 15.06.2021 an, zu der ein Vertreter der belangten Behörde entschuldigt nicht erschien und die Beschwerdeführerin sowie der Ehemann des Beschwerdeführers, ebenfalls als Beschwerdeführer, in Begleitung ihrer Rechtsvertreterin, RA XXXX für die XXXX , anwesend waren.

Die Beschwerdeführerin gab an, sie sei psychisch und physisch in der Lage der stattfindenden mündlichen Verhandlung zu folgen.

Die Rechtsvertretung brachte einen kurzen Schriftsatz in Vorlage und trug diesen vor.

Die Beschwerdeführerin gab an, dass sie die Deutsch-Prüfung A2 am 26.5. absolviert habe. Das Zeugnis wurde am 18.06.2021 nachgereicht.

Die Beschwerdeführerin hielt die Beschwerde und ihr bisheriges Vorbringen aufrecht. Sie brachte keine Ergänzungen oder Berichtigungen vor.

Befragt gab sie an, sie sei vor drei Jahren, für drei Monate das erstmals in Österreich gewesen. Sie hätten es für längere Zeit praktiziert, sie sei für drei Monate hier gewesen, dann wieder in Nordmazedonien. Seit ihrer Meldung am 04.03.2020 sei sie ständig in Österreich.

Befragt erzählte sie, sie sei am XXXX in XXXX geboren worden. Sie habe bis zu ihrer Heirat in Nordmazedonien gelebt. Sie gehöre der albanischen Volksgruppe an und sei muslimischen Glaubens. Sie habe die Grundschule besucht, danach drei Jahre eine Schule für die Ausbildung zur Krankenschwester. Diese Schule habe sie jedoch nicht abgeschlossen.

Sie habe ihren Mann im Sommer 2018 bei einer Hochzeit kennengelernt und habe ihn am 7.12.2019 in XXXX geheiratet. Die Hochzeit und auch die Entbindung des gemeinsamen Sohnes habe in Nordmazedonien stattgefunden.

Die Beschwerdeführerin erklärte, sie habe in Nordmazedonien keine Probleme mit staatlichen Behörden, Organen oder Privatpersonen gehabt. Weder sie noch ihr Sohn würden unter gesundheitlichen Problemen leiden.

Sie gab befragt an, dass ihre Eltern sich in Nordmazedonien aufhalten würden. Sie würden jedoch nicht ständig dortbleiben. Die Eltern würden die Brüder für drei Monate in Deutschland besuchen und danach wieder zurückehren. Ihre Eltern würden nicht arbeiten, ihre Brüder würden sie unterstützen. Ihre Brüder würden selbständig in Deutschland sei. Sie würden Reinigungsfirmen besitzen und vor allem Hotels reinigen. Ihre Brüder würden in XXXX leben.

Zurzeit sei die Beschwerdeführerin bemüht die deutsche Sprache zu lernen, weswegen sie den B1-Kurs besuche. Ihre Schwiegermutter, ihre Schwägerin sowie ihr Mann würden sich um den Sohn kümmern, wenn sie nicht zu Hause sei. Da ihr Mann von morgens bis abends arbeiten würden, würde die Haushaltsführung größtenteils bei ihr liegen, jedoch würde ihr Mann sie mit dem Sohn unterstützen.

Befragt gab sie des Weiteren an, sie habe auch Kontakte zu Österreichern. Wenn sie in Österreich bleiben dürfe, möchte sie sich persönlich um ihren Sohn kümmern und ihre Ausbildung als Krankenschwester fortsetzen und dann als Krankenschwester arbeiten.


II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:

1. Feststellungen:

Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin führt den Namen XXXX , ist Staatsangehörige von Nordmazedonien und wurde am XXXX in XXXX geboren worden. Sie gehört der albanischen Volksgruppe an und ist muslimischen Glaubens. Sie lebte bis zu ihrer Heirat in Nordmazedonien. Dort besuchte sie die Grundschule und absolvierte eine Ausbildung zur Krankenschwester, welche sie nicht abgeschlossen hat.

Sie lernte ihren Mann im Sommer 2018 kennen und heiratete ihn am 7.12.2019. Die Hochzeit und auch die Entbindung des gemeinsamen Sohnes, XXXX geb. am XXXX , fand in Nordmazedonien statt. Sie führt in Österreich ein Familienleben mit ihrem Ehemann und ihrem Sohn.

Die Beschwerdeführerin hatte in Nordmazedonien keine Probleme mit staatlichen Behörden, Organen oder Privatpersonen. Weder sie noch ihr Sohn leiden unter gesundheitlichen Problemen.

Ihre Eltern pendeln zwischen Deutschland und Nordmazedonien. Die Brüder der Beschwerdeführerin leben und arbeiten in Deutschland und unterstützen die Eltern finanziell.

Zurzeit besucht die Beschwerdeführerin einen Deutschkurs Stufe B1. Sie absolvierte die A2 Prüfung.

Der Beschwerdeführerin obliegt die Haushaltsführung, da sie zurzeit nicht berufstätig ist. Sie wird dabei von ihrem Ehemann unterstützt. Sie möchte in Österreich ihre Ausbildung als Krankenschwester fortsetzen und dann als Krankenschwester arbeiten. Sie hat sich einen kleinen Freundeskreis, auch aus Österreichern geschaffen.

Im Bundesgebiet halten sich zudem weitere Verwandte des Ehemanns der Beschwerdeführerin, konkret seine Eltern, seine Schwestern (österr. Staatsbürger) sowie seine Onkel (österr. Staatsbürger) auf.

In Anbetracht des Umstandes, dass keinerlei Verfolgung oder Bedrohung im Herkunftsstaat vorgebracht wurde, war es auch nicht erforderlich, eigene Länderfeststellungen zu treffen.

Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

- Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden unstrittigen Verwaltungsakt des Bundesasylamtes zu IFA 1264283710

- Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden unstrittigen Verwaltungsakt des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl betreffend die Beschwerdeführerin; insbesondere in die Befragungsprotokolle

- die öffentliche mündliche Verhandlung am Bundesverwaltungsgericht unter Einvernahme am 15.06.2021

- Einsicht in das Strafregister

2. Beweiswürdigung:

Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.

Insofern oben Feststellungen zu Identität (Name und Geburtsdatum), Staatsangehörigkeit, Aufenthalt in Österreich, Geburt und Schul- sowie Berufsausbildung, familiären Bezugspunkten in Österreich, Familienstand, den Personalien und jeweiliger Staatsbürgerschaft des Ehemanns, familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat getroffen wurden, beruhen diese auf den Feststellungen im angefochtenen Bescheid, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Die Mutterschaft der Beschwerdeführerin in Bezug auf ihren Sohn beruht auf einer in Vorlage gebrachten entsprechenden Geburtsurkunde, das Familienleben auf ihren Aussagen und jene ihres Ehemannes.

Durch Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister konnte zudem die gemeinsame Haushaltsführung der Beschwerdeführerin und ihres Ehemanns sowie deren gemeinsamen Sohn und der Eltern des Ehemanns der Beschwerdeführerin bestätigt werden.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand und, dass sie keine Probleme mit staatlichen Behörden, Organen oder Privatpersonen in Nordmazedonien, gehabt hat, beruhen auf den von der Beschwerdeführerin vor dem Bundesverwaltungsgericht getätigten Angaben. Die Beschwerdeführerin hinterließ einen glaubhaften Eindruck bei ihrer Befragung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Zur Stattgabe der Beschwerde

Der mit „Rückkehrentscheidung“ betitelte § 52 FPG lautet wie folgt:

„§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1.       nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2.       nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1.       dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2.       dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3.       ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4.       ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1.       nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,

1a.      nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,

2.       ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3.       ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4.       der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5.       das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Liegt ein Fall des § 55a vor, so wird die Rückkehrentscheidung mit dem Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise durchsetzbar. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde.“

Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“

Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Z 10 leg cit als Drittstaatsangehöriger jeder Fremder der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist. Die Beschwerdeführerin ist weder im Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft noch ist sie EWR-Bürgerin, und aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit zu Nordmazedonien sohin Drittstaatsangehöriger iSd. § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

Gemäß § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthaltes im Bundesgebiet die Befristung oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben (Z 1), sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder eine Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind (Z 2), oder soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt (Z 9).

Die Beschwerdeführerin wurde in Nordmazedonien geboren und ist dort aufgewachsen. Sie hat in Nordmazedonien die Schul- und Berufsausbildung genossen. Sie lernte ihren Mann bei einer Hochzeitsfeier im Sommer 2018 kennen und ehelichte ihn am 07.12.2019. Nach der Geburt ihres Sohnes am XXXX reiste sie mit einem Touristenvisum am 29.02.2020 bis dato zu ihren Gatten XXXX . Bei der letzten Einreise hat sie ihren Sohn mitgebracht.

Die belangte Behörde hat sohin dem Grunde nach eine Rückkehrentscheidung zur Recht nach § 52 Abs. 4 FPG geprüft.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihres Briefverkehrs.

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit ein Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, wie sie eine Ausweisung eines Fremden darstellt, kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob die Ausweisung einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt:

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer „Familie“ voraussetzt. Der Begriff des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern bzw. von verheirateten Ehegatten, sondern auch andere nahe verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine hinreichende Intensität für die Annahme einer familiären Beziehung iSd. Art. 8 EMRK erreichen. Der EGMR unterscheidet in seiner Rechtsprechung nicht zwischen einer ehelichen Familie (sog. „legitimate family“ bzw. „famille légitime“) oder einer unehelichen Familie („illegitimate family“ bzw. „famille naturelle“), sondern stellt auf das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens ab (siehe EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 454; 18.12.1986, Johnston u.a., EuGRZ 1987, 313; 26.05.1994, Keegan, EuGRZ 1995, 113; 12.07.2001 [GK], K. u. T., Zl. 25702/94; 20.01.2009, ?erife Yi?it, Zl. 03976/05). Als Kriterien für die Beurteilung, ob eine Beziehung im Einzelfall einem Familienleben iSd. Art. 8 EMRK entspricht, kommen tatsächliche Anhaltspunkte in Frage, wie etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Art und die Dauer der Beziehung sowie das Interesse und die Bindung der Partner aneinander, etwa durch gemeinsame Kinder, oder andere Umstände, wie etwa die Gewährung von Unterhaltsleistungen (EGMR 22.04.1997, X., Y. und Z., Zl. 21830/93; 22.12.2004, Merger u. Cros, Zl. 68864/01). So verlangt der EGMR auch das Vorliegen besonderer Elemente der Abhängigkeit, die über die übliche emotionale Bindung hinausgeht (siehe Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3 [2008] 197 ff.). In der bisherigen Spruchpraxis des EGMR wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Europäischen Kommission für Menschenrechte auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Das Zusammenleben und die Bindung von Partnern, die auf einer gleichgeschlechtlichen Beziehung beruhen, fallen jedoch nicht unter den Begriff des Familienlebens iSd. Art. 8 EMRK (EGMR 10.05.2001, Mata Estevez, Zl. 56501/00).

Wie der Verfassungsgerichtshof (VfGH) bereits in zwei Erkenntnissen vom 29.09.2007, Zl. B 328/07 und Zl. B 1150/07, dargelegt hat, sind die Behörden stets dazu verpflichtet, das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegen die persönlichen Interessen des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich am Maßstab des Art. 8 EMRK abzuwägen, wenn sie eine Ausweisung verfügt. In den zitierten Entscheidungen wurden vom VfGH auch unterschiedliche – in der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) fallbezogen entwickelte – Kriterien aufgezeigt, die in jedem Einzelfall bei Vornahme einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:

-        die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.09.2004, Ghiban, Zl. 11103/03, NVwZ 2005, 1046),

-        das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567; 20.06.2002, Al-Nashif, Zl. 50963/99, ÖJZ 2003, 344; 22.04.1997, X, Y und Z, Zl. 21830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00),

-        die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

-        den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 04.10.2001, Adam, Zl. 43359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Slivenko, Zl. 48321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Sisojeva, Zl. 60654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 05.07.2005, Zl. 2004/21/0124; 11.10.2005, Zl. 2002/21/0124),

-        die Bindungen zum Heimatstaat,

-        die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 11.04.2006, Useinov, Zl. 61292/00), sowie

-        auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 05.09.2000, Solomon, Zl. 44328/98; 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07).

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sind die Staaten im Hinblick auf das internationale Recht und ihre vertraglichen Verpflichtungen befugt, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu überwachen (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80 ua, EuGRZ 1985, 567; 21.10.1997, Boujlifa, Zl. 25404/94; 18.10.2006, Üner, Zl. 46410/99; 23.06.2008 [GK], Maslov, 1638/03; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07). Die EMRK garantiert Ausländern kein Recht auf Einreise, Aufenthalt und Einbürgerung in einem bestimmten Staat (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09).

Hinsichtlich der Rechtfertigung eines Eingriffs in die nach Art. 8 EMRK garantierten Rechte muss der Staat ein Gleichgewicht zwischen den Interessen des Einzelnen und jenen der Gesellschaft schaffen, wobei er in beiden Fällen einen gewissen Ermessensspielraum hat. Art. 8 EMRK begründet keine generelle Verpflichtung für den Staat, Einwanderer in seinem Territorium zu akzeptieren und Familienzusammenführungen zuzulassen. Jedoch hängt in Fällen, die sowohl Familienleben als auch Einwanderung betreffen, die staatliche Verpflichtung, Familienangehörigen von ihm Staat Ansässigen Aufenthalt zu gewähren, von der jeweiligen Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse ab. Von Bedeutung sind dabei das Ausmaß des Eingriffs in das Familienleben, der Umfang der Beziehungen zum Konventionsstaat, weiters ob im Ursprungsstaat unüberwindbare Hindernisse für das Familienleben bestehen, sowie ob Gründe der Einwanderungskontrolle oder Erwägungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung für eine Ausweisung sprechen. War ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begründung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss und dies den Familienmitgliedern bewusst, kann eine Ausweisung nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten (EGMR 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07, mwN; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09; 03.11.2011, Arvelo Aponte, Zl. 28770/05; 14.02.2012, Antwi u.a., Zl. 26940/10).

„Bei Erlassung einer Rückkehrentscheidung ist unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 MRK ihre Verhältnismäßigkeit am Maßstab des § 9 BFA-VG 2014 zu prüfen. Nach dessen Abs. 1 ist nämlich (ua) die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FrPolG 2005, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei Beurteilung dieser Frage ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. E 12. November 2015, Ra 2015/21/0101; E 20. Oktober 2016, Ra 2016/21/0198). Das gilt aber nicht nur für die Rückkehrentscheidung und für das in § 9 Abs. 1 BFA-VG 2014 weiters ausdrücklich genannte Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FrPolG 2005, sondern auch für das - nur bei gleichzeitiger Erlassung einer Rückkehrentscheidung zulässige - Einreiseverbot iSd § 53 FrPolG 2005, in dessen Abs. 2 und 3 in Bezug auf die Bemessung der Dauer auch die Abwägung nach Art. 8 MRK angesprochen wird (vgl. B 3. September 2015, Ra 2015/21/0111; B 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0179).“ (vgl. VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0062)

Im gegenständlichen Fall hat die Beschwerdeführerin im bereits im Sommer 2018 ihren nunmehrigen Ehemann, den sie am 07.12.2019 ehelichte kennengelernt. Der Ehemann der Beschwerdeführerin ist im Bundesgebiet aufgewachsen, hat hier die Schul- und Berufsausbildung genossen sowie seine Lehre hier absolviert. Er spricht Deutsch auf muttersprachlichen Niveau. Seit März 2021 hat der Beschwerdeführer eine eigene Firma für Pflasterungen und beschäftigt 9 Personen. Sein Nettogewinn beträgt etwa 4.000 Euro. Der Lebensmittelpunkt des Ehemanns der Beschwerdeführerin in wirtschaftlicher, sozialer und familiärer Hinsicht liegt letztlich seit mittlerweile 21 ½ Jahren durchgehend in Österreich und er wurde hier auch sozialisiert.

Die Eheleute sind seit XXXX Eltern des gemeinsamen Sohnes XXXX und leben in einem gemeinsamen Haushalt, mit der Familie des Ehemanns, die nunmehr auch die Familie der Beschwerdeführerin ist, hier in Österreich. Die Beschwerdeführerin hat bereits Integrationsschritte gesetzt. Sie hat die ÖSD Prüfung auf Niveau A2 abgeschlossen. Sie möchte auch ihre Ausbildung als Krankenschwester, die sie in Mazedonien begonnen hat fortsetzen.

Der Sohn der Beschwerdeführerin hat das Recht in einem geschützten Familienleben aufzuwachsen. Er hat das Recht auf Mutter und Vater (z.B. VwGH vom 19.12.2019, Ra 2019/21/0282). Aufgrund der gesetzten Integrationsschritte und der kernfamiliären Ankerpunkte in Österreich, aber auch wegen des Kindeswohls ist ein Überwiegen der privaten Interessen der Beschwerdeführerin festzustellen (siehe dazu auch VwGH 16.07.2020, Ra 2020/21/0091).

Die Anordnung einer Rückkehrentscheidung zöge sohin eine Verletzung der Rechte der Beschwerdeführerin nach Art. 8 EMRK nach sich und erweist sich eine solche sohin iSd. § 9 BFA-VG als unzulässig.

Demzufolge war der Beschwerde stattgebend die Rückkehrentscheidung aufzuheben.

Aufgrund erfolgter Aufhebung der von der belangten Behörde ausgesprochenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme fällt auch die Voraussetzung für einen Ausspruch über die Zulässigkeit der Abschiebung (siehe § 52 Abs. 9 FPG) und die Festsetzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise (§ 55 FPG) weg, weshalb die entsprechenden Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides – im Zuge der Stattgabe der Beschwerde – ebenfalls aufzuheben waren.


Der mit Schutz des Privat und Familienlebens betitelte § 9 BFA-VG lautet:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihres Briefverkehrs.

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit ein Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, wie sie eine Ausweisung eines Fremden darstellt, kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob die Ausweisung einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt:

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer „Familie“ voraussetzt. Der Begriff des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern bzw. von verheirateten Ehegatten, sondern auch andere nahe verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine hinreichende Intensität für die Annahme einer familiären Beziehung iSd. Art. 8 EMRK erreichen. Der EGMR unterscheidet in seiner Rechtsprechung nicht zwischen einer ehelichen Familie (sog. „legitimate family“ bzw. „famille légitime“) oder einer unehelichen Familie („illegitimate family“ bzw. „famille naturelle“), sondern stellt auf das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens ab (siehe EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 454; 18.12.1986, Johnston u.a., EuGRZ 1987, 313; 26.05.1994, Keegan, EuGRZ 1995, 113; 12.07.2001 [GK], K. u. T., Zl. 25702/94; 20.01.2009, ?erife Yi?it, Zl. 03976/05). Als Kriterien für die Beurteilung, ob eine Beziehung im Einzelfall einem Familienleben iSd. Art. 8 EMRK entspricht, kommen tatsächliche Anhaltspunkte in Frage, wie etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Art und die Dauer der Beziehung sowie das Interesse und die Bindung der Partner aneinander, etwa durch gemeinsame Kinder, oder andere Umstände, wie etwa die Gewährung von Unterhaltsleistungen (EGMR 22.04.1997, X., Y. und Z., Zl. 21830/93; 22.12.2004, Merger u. Cros, Zl. 68864/01). So verlangt der EGMR auch das Vorliegen besonderer Elemente der Abhängigkeit, die über die übliche emotionale Bindung hinausgeht (siehe Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3 [2008] 197 ff.). In der bisherigen Spruchpraxis des EGMR wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Europäischen Kommission für Menschenrechte auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Das Zusammenleben und die Bindung von Partnern, die auf einer gleichgeschlechtlichen Beziehung beruhen, fallen jedoch nicht unter den Begriff des Familienlebens iSd. Art. 8 EMRK (EGMR 10.05.2001, Mata Estevez, Zl. 56501/00).

Wie der Verfassungsgerichtshof (VfGH) bereits in zwei Erkenntnissen vom 29.09.2007, Zl. B 328/07 und Zl. B 1150/07, dargelegt hat, sind die Behörden stets dazu verpflichtet, das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegen die persönlichen Interessen des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich am Maßstab des Art. 8 EMRK abzuwägen, wenn sie eine Ausweisung verfügt. In den zitierten Entscheidungen wurden vom VfGH auch unterschiedliche – in der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) fallbezogen entwickelte – Kriterien aufgezeigt, die in jedem Einzelfall bei Vornahme einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:

-        die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.09.2004, Ghiban, Zl. 11103/03, NVwZ 2005, 1046),

-        das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567; 20.06.2002, Al-Nashif, Zl. 50963/99, ÖJZ 2003, 344; 22.04.1997, X, Y und Z, Zl. 21830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00),

-        die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

-        den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 04.10.2001, Adam, Zl. 43359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Slivenko, Zl. 48321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Sisojeva, Zl. 60654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 05.07.2005, Zl. 2004/21/0124; 11.10.2005, Zl. 2002/21/0124),

-        die Bindungen zum Heimatstaat,

-        die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 11.04.2006, Useinov, Zl. 61292/00), sowie

-        auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 05.09.2000, Solomon, Zl. 44328/98; 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07).

Die Beschwerdeführerin führt ein sehr enges und intensives Familienleben mit ihrem Mann und dem im Kleinkindalter befindlichen Sohn XXXX . Sie ist auch in das Familienleben mit seinen Eltern und Geschwistern (wie es notorischer Weise unter Großfamilien dieser Herkunft üblich ist) miteingebunden. Obwohl der Ehemann der Beschwerdeführerin im Begriff ist seine Firma für Pflasterungen zu etablieren, verbringt er so viel Zeit wie möglich mit seiner Frau und seinem Kind und unterstützt seine Frau bei der Erziehung und Fürsorge des gemeinsamen Sohnes.

Es ist schließlich auch das Augenmerk darauf zu richten, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin in Österreich geboren und aufgewachsen ist und nicht nur seine familiären, sondern auch die wirtschaftlichen Bindungen sich in Österreich befinden, sodass ein Versuch sich in Nordmazedonien nicht niederlassen fehlschlagen würde. Eine Fortsetzung des Familienlebens der Kernfamilie in Nordmazedonien ist als nicht zumutbar anzusehen.

Im Sinne des Kindeswohls und der Unmöglichkeit, das Familienleben mit Kleinkindern, die einen Anspruch auf den Kontakt mit beiden Eltern haben, mit elektronischen Medien fortzusetzen (z.B. VfGH vom 03.10.2019, E3247/2019-10), würde im vorliegenden Fall eine Rückkehrentscheidung, eine Abschiebung und ein Einreiseverbot aufgrund der besonderen individuellen Umstände des Beschwerdeführers, eine Verletzung des Art. 8 EMRK darstellen.

Die Beschwerdeführerin hat bereits Integrationsschritte gesetzt. Sie hat die ÖSD Prüfung auf Niveau A2 abgeschlossen. Sie möchte auch ihre Ausbildung als Krankenschwester, die sie in Mazedonien begonnen hat fortsetzen.

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist gemäß Abs. 2 leg. cit. eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.

Das Bundesverwaltungsgericht erteilt der Beschwerdeführerin aus diesem Grund mit konstitutiver Wirkung den Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 für die Dauer von zwölf Monaten (§ 54 Abs. 2 Asylgesetz 2005) wegen Erteilung der Integrationsvereinbarung. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat dem Beschwerdeführer diesen Aufenthaltstitel in Kartenform auszustellen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung plus Behebung der Entscheidung Deutschkenntnisse Familienleben Integration Interessenabwägung Kindeswohl Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig Rückkehrentscheidung behoben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W159.2234795.1.00

Im RIS seit

04.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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