TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/16 G314 2216960-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.07.2021
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Entscheidungsdatum

16.07.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §53 Abs2 Z7

Spruch


G314 2216960-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des serbischen Staatsangehörigen XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch den Rechtsanwalt Mag. Stefan ERRATH, gegen das in Spruchpunkt IV. des Bescheids des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .2019, Zl. XXXX , erlassene Einreiseverbot zu Recht:

A)       

Der Beschwerde wird Folge gegeben und Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids ersatzlos behoben.

B)       

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) wurde am XXXX .2019 in Wien von Beamten der Landespolizeidirektion XXXX bei Arbeiten auf einer Baustelle ohne arbeitsmarktrechtliche Bewilligung betreten und noch am selben Tag vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot vernommen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid sprach das BFA aus, dass dem BF ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde (Spruchpunkt I.). Weiters erließ es gegen ihn gemäß § 10 Abs 2 AsylG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG (Spruchpunkt II.) und stellte gemäß § 52 Abs 9 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung nach Serbien fest (Spruchpunkt III.). Gleichzeitig erließ es gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 6 und 7 FPG ein auf eineinhalb Jahre befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt IV.) und erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt V.). Das Einreiseverbot wurde im Wesentlichen mit der Mittellosigkeit des BF, seinem unrechtmäßigen Aufenthalt und der Betretung bei der Ausübung einer illegalen Erwerbstätigkeit (Schwarzarbeit) begründet.

Nach der Zustellung dieses Bescheids reiste der BF am XXXX .2019 nach Serbien aus. Er erhob eine ausdrücklich nur gegen das Einreiseverbot laut Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids gerichtete Beschwerde mit dem Antrag, dieses nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu beheben; hilfsweise stellte er einen Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag.

Mit dem Erkenntnis vom 14.11.2019 gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) der Beschwerde statt und behob Spruchpunkt IV. des Bescheids ersatzlos. Aufgrund einer Amtsrevision des BFA hob der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) dieses Erkenntnis mit seiner Entscheidung vom XXXX , XXXX , wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit auf, weil das BVwG von der Rechtsprechung des VwGH betreffend die nach § 53 Abs 2 FPG vorzunehmende Beurteilung, inwieweit der Aufenthalt des drittstaatsangehörigen BF die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder anderen in Art 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft, abgewichen sei. Da der BF angegeben habe, dass er ca. 25 Tage vor seiner Betretung in die Slowakei eingereist und ab da jeden Tag wegen der Arbeit zwischen der Slowakei und Österreich hin- und hergereist sei, liege eine nennenswerte Wiederholungsgefahr vor. Es sei nicht erkennbar, inwiefern sich der Umstand der Erteilung eines slowakischen Aufenthaltstitels positiv auf die Gefährdungsprognose auswirke. Eine vorsätzliche Vorgehensweise sei keine Voraussetzung der Erfüllung des Tatbestands nach § 53 Abs 2 Z 7 FPG. Das BVwG habe keine Feststellungen zur Erfüllung des vom BFA auch herangezogenen Tatbestands nach § 53 Abs 2 Z 6 FPG getroffen. Zum Entscheidungszeitpunkt vermochte die Begründung des BVwG die ersatzlose Behebung des Einreiseverbots somit nicht zu tragen. Im fortzusetzenden Verfahren sei die weitere Entwicklung (insbesondere die Frage, ob dem BF mittlerweile ein neuerliches Fehlverhalten zur Last liege) einzubeziehen und zu beachten, dass die eineinhalbjährige Dauer des Einreiseverbots (ausgehend von der Ausreise des BF am XXXX .2019) bereits abgelaufen sei.

Im Hinblick auf die VwGH-Entscheidung trug das BVwG dem BFA auf, bekanntzugeben, ob dem BF mittlerweile ein neuerliches Fehlverhalten zur Last liege und ob die Erlassung eines Einreiseverbots gegen ihn noch notwendig sei.

Am 13.07.2021 teilte das BFA dem BVwG mit, dass der BF seit der Erlassung des Einreiseverbots kein neuerliches Fehlverhalten gesetzt habe und ihm zugute zu halten sei, dass er sich bislang an das (nicht rechtskräftige) Einreiseverbot gehalten habe. Aus der Sicht des BFA sei die Aufrechterhaltung des Einreiseverbots daher nicht mehr notwendig.

Feststellungen:

Der BF ist serbischer Staatsangehöriger. Er wurde am XXXX in der serbischen Stadt XXXX geboren und spricht Serbisch. Er ist ledig, frei von Sorgepflichten, gesund und arbeitsfähig. In Serbien leben Familienangehörige des BF.

Am XXXX .2019 wurde der BF von Beamten der Landespolizeidirektion XXXX auf einer Baustelle in Arbeitskleidung beim Einbau von Fenstern angetroffen. Er war ungefähr 25 Tage davor in die Slowakei eingereist und ab da jeden Tag zwischen der Slowakei und Österreich hin- und hergereist, um hier zu arbeiten. Er war in Österreich ohne arbeitsmarktrechtliche Bewilligung für den serbischen Staatsangehörigen XXXX , der in der Slowakei ein Bauunternehmen betreibt, tätig. Eine EU-Entsendebestätigung wurde nicht vorgelegt.

Von XXXX .2019 bis zu seiner Ausreise am XXXX .2019 wurde der BF in einem Polizeianhaltezentrum in Schubhaft angehalten. Abgesehen davon war er im Bundesgebiet nie mit Wohnsitz gemeldet. Er wurde in Österreich nie strafgerichtlich verurteilt.

Seit der Erlassung des angefochtenen Bescheids am XXXX .2019 hat der BF kein neuerliches Fehlverhalten mehr gesetzt. Er kehrte nach seiner Ausreise am XXXX .2019 nicht mehr in das Bundesgebiet zurück.
Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG.

Auch zu den entscheidungswesentlichen Feststellungen bestehen keine widersprüchlichen Beweisergebnisse. Name, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit und Geburtsort des BF werden durch seinen in Kopie vorliegenden Personalausweis belegt. Serbischkenntnisse des BF sind aufgrund seiner Herkunft plausibel; Anhaltspunkte für andere Sprachkenntnisse sind nicht aktenkundig. Gegenüber dem BFA gab er an, dass seine Eltern und Geschwister in Serbien leben und er über keine Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet verfügt.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus dem Strafregister; seine Wohnsitzmeldung während der Schubhaft und das Fehlen weiterer Wohnsitzmeldungen werden anhand des Zentralen Melderegisters festgestellt.

Das Verfahren hat keine Anhaltspunkte für gesundheitliche Probleme oder Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit des BF ergeben. Im Fremdenregister ist weder eine österreichische Aufenthaltsgenehmigung noch ein entsprechender Antrag des BF dokumentiert. Dergleichen wird von ihm auch gar nicht behauptet, zumal er vor dem BFA angab, dass er um einen slowakischen Aufenthaltstitel angesucht habe, der in der Folge auch vorgelegt wurde.

Die Feststellung, dass der BF am XXXX .2019 in XXXX bei der Arbeit ohne entsprechende Bewilligung angetroffen wurde, beruht auf der vor dem BFA aufgenommenen Niederschrift vom XXXX .2019 und der im Akt einliegenden Anzeigeschrift der LPD XXXX , Zl.: XXXX .

Die Feststellung, wonach der BF danach kein weiteres Fehlverhalten mehr gesetzt hat und nach seiner Ausreise nicht nach Österreich zurückgekehrt ist, basiert auf der Mitteilung des BFA vom 13.07.2021.

Rechtliche Beurteilung:

Aufgrund der Aufhebung des Erkenntnisses des BVwG vom 14.11.2019 durch das Erkenntnis des VwGH vom XXXX tritt die Rechtssache gemäß § 42 Abs 3 VwGG in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung der Entscheidung befunden hat. Die Herstellung des der Rechtsanschauung des VwGH entsprechenden Rechtszustands erfolgt durch die Erlassung einer Ersatzentscheidung des BVwG (Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 Rz 1407 ff). Das BVwG ist dabei zwar an die für das VwGH-Erkenntnis ausschlaggebenden Entscheidungsgründe gebunden, hat seiner Entscheidung aber die zum Entscheidungszeitpunkt aktuelle Sach- und Rechtslage zugrunde zu legen.

Hier wurde der BF Anfang 2019 bei der Ausübung einer unerlaubten Beschäftigung angetroffen, sodass der Tatbestand des § 53 Abs 2 Z 7 FPG erfüllt ist, was grundsätzlich indiziert, dass sein (weiterer) Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit nicht nur geringfügig gefährdet. Diese Gefährdungsannahme ist beim Tatbestand des § 53 Abs 2 Z 7 FPG bereits bei einmaliger Verwirklichung berechtigt, sodass zum damaligen Zeitpunkt an sich die Erlassung eines Einreiseverbots geboten war.

Da dem BF aber seither kein neuerliches Fehlverhalten zur Last fällt und er nach seiner Ausreise am XXXX nicht mehr in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist, ist angesichts eines Wohlverhaltenszeitraums, der die vom BFA ursprünglich mit eineinhalb Jahren bemessene Dauer des Einreiseverbots bereits deutlich übersteigt, die Erlassung eines Einreiseverbots mittlerweile nicht mehr notwendig, um der von ihm ausgehenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit und andere in Art 8 Abs 2 EMRK genannte öffentliche Interessen (namentlich das wirtschaftliche Wohl des Landes) wirksam zu begegnen, zumal für die Frage, ob ein Einreiseverbot zusätzlich zu einer Rückkehrentscheidung zu verhängen ist, eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose vorzunehmen ist, in die das Gesamtverhalten des BF einzubeziehen ist. Der angefochtene Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids ist daher in Stattgebung der Beschwerde ersatzlos zu beheben.

§ 21 Abs 7 BFA-VG erlaubt das Unterbleiben einer Verhandlung sogar dann, wenn deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Da der entscheidungswesentliche Sachverhalt anhand der Aktenlage und des Beschwerdevorbringens geklärt werden konnte, kann die Beschwerdeverhandlung entfallen.

Die Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zuzulassen, weil das BVwG (insbesondere aufgrund der Bindung an die für das Erkenntnis des VwGH vom 25.05.2021 ausschlaggebenden Entscheidungsgründe und der Ausführungen des VwGH in Rz 17 dieses Erkenntnisses) keine grundsätzlichen Rechtsfragen im Sinne dieser Gesetzesstelle zu lösen hatte.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Einreiseverbot Rechtsanschauung des VwGH Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:G314.2216960.1.00

Im RIS seit

04.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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