TE Vwgh Erkenntnis 1997/1/23 97/06/0004

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Veröffentlicht am 23.01.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13a;
AVG §71 Abs1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde des Karl S und der Susanne S in P, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in E, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 15. November 1996, Zl. 03-12.10 M 63 - 96/5, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer Kanalanschlußangelegenheit (mitbeteiligte Partei: Gemeinde M, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 2. September 1996 wurde die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 29. Mai 1996 als unbegründet abgewiesen. Dieser Bescheid wurde den Beschwerdeführern lt. Rückschein am Donnerstag, dem 5. September 1996 zugestellt; der Bescheid wurde laut Beschwerdevorbringen von der Zweitbeschwerdeführerin tatsächlich übernommen, die auch den Bescheid für den Erstbeschwerdeführer übernommen habe, obwohl dieser am 5. September 1996 ortsabwesend gewesen und erst am 6. September 1996 an die Abgabestelle zurückgekehrt sei. Die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung wurde jedoch erst am Freitag, dem 20. September 1996 persönlich beim Gemeindeamt M eingebracht. Der Umstand, daß die Rechtsmittelfrist am Donnerstag, dem 19. September 1996 abgelaufen war und die Vorstellung somit verspätet eingebracht schien, wurde den Beschwerdeführern zur Kenntnis gebracht, diese haben mit Schreiben vom 22. Oktober 1996 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Vorstellungsfrist beantragt. Als Begründung führten sie aus, daß ihnen zwar der Bescheid des Gemeinderates am 5. September 1996 zugestellt wurde, jedoch irrigerweise der 20. September 1996 als letzter Tag der Frist zur Erhebung der Vorstellung angenommen wurde. Weshalb es zu dem Irrtum gekommen sei, wurde nicht dargetan.

Mit Bescheid vom 15. November 1996 hat die belangte Behörde den Wiedereinsetzungsantrag der Beschwerdeführer abgewiesen. Zur Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens im wesentlichen ausgeführt, Voraussetzung für die Bewilligung der Wiedereinsetzung sei, daß die Partei glaubhaft mache, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert gewesen sei, die Frist einzuhalten. Als unvorhergesehen sei ein Ereignis dann zu betrachten, wenn die Partei es tatsächlich nicht einberechnet habe und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme von zumutbarer Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte. Als unabwendbar sei ein Ereignis jedenfalls dann anzusehen, wenn sein Eintritt objektiv von einem Durchschnittsmenschen nicht verhindert werden könne. Demzufolge liege im Gegenstand kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis vor, es hätten die Beschwerdeführer bei gebotener Sorgfalt die Frist einhalten können. Diesbezüglich wurde auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hingewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Es wird ausgeführt, es sei die Vorstellung zumindest vom Erstbeschwerdeführer nicht verspätet erhoben worden, weil dieser am 5. September 1996 ortsabwesend und erst am 6. September 1996 von der Zustellung des Bescheides Kenntnis erlangt habe. Der Umstand, daß eine unvertretene Partei die Ansicht vertrete, daß die Rechtsmittelfrist im Falle der Ortsabwesenheit erst zu laufen beginne, wenn die ortsabwesende Partei an die Abgabestelle zurückgekehrt sei, begründe ein Ereignis, das die Bewilligung der Wiedereinsetzung rechtfertige. Insbesondere könne nämlich der ortsabwesenden Partei kein erhebliches Verschulden, sondern - wenn überhaupt - nur ein Verschulden minderen Grades angelastet werden. Die Behörde habe keine Feststellungen darüber getroffen, weshalb die Frist versäumt worden sei. Da die Beschwerdeführer unvertreten gewesen seien, hätte sie die Behörde zur Bekanntgabe auffordern müssen, wieso von den Beschwerdeführern irrigerweise der 20. September 1996 als letzter Tag der Rechtsmittelfrist angenommen worden sei. Bei mängelfreiem Verfahren hätte somit die Behörde erkannt, daß die Beschwerdeführer nur deshalb die Frist versäumt hätten, weil der Erstbeschwerdeführer am 5. September 1996 ortsabwesend gewesen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Ihren Wiedereinsetzungsantrag haben die Beschwerdeführer in ihrem Schreiben vom 22. Oktober 1996 an die belangte Behörde damit begründet, daß ihnen zwar der Bescheid des Gemeinderates am 5. September 1996 zugestellt, jedoch irrigerweise als letzter Tag der Rechtsmittelfrist der 20. September 1996 angenommen worden sei. Sie haben somit den Irrtum hinsichtlich der Rechtsmittelfrist als Grund für die Wiedereinsetzung angegeben. Nun kann nicht nur ein äußeres Ereignis, sondern auch ein "Irrtum" ein Ereignis im Sinne des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG sein. Dies beispielsweise dann, wenn der Irrtum durch eine unrichtige Rechtsauskunft eines behördlichen Organes veranlaßt oder bestärkt wurde. Als unvorhergesehen ist ein Ereignis aber nur dann zu betrachten, wenn es die Partei tatsächlich nicht einberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme von zumutbarer Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte; als unabwendbar ist ein Ereignis jedenfalls dann anzusehen, wenn sein Eintritt objektiv von einem Durchschnittsmenschen nicht verhindert werden kann. Hinsichtlich des Begriffes des minderen Grades des Versehens ist er als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, das heißt die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben (vgl. den hg. Beschluß vom 10. Februar 1994, Zl. 94/18/0038 u.a.).

Die Beschwerde enthält nun keine Ausführungen dahingehend, weshalb die Zweitbeschwerdeführerin, die den Bescheid des Gemeinderates persönlich am 5. September 1996 übernommen hat, davon ausgegangen ist, daß diese Übernahme für sie keine Zustellwirkung entfaltet hätte und somit die Rechtsmittelfrist in bezug auf die Zweitbeschwerdeführerin noch nicht in Gang gesetzt worden wäre. Durch die Einbringung der Vorstellung erst am 20. September 1996, somit einen Tag nach Fristablauf, handelte die Zweitbeschwerdeführerin jedenfalls auffallend sorglos, es sind keine Gründe dargetan worden, inwiefern die Zweitbeschwerdeführerin die ihr zumutbare Sorgfalt bei der Wahrung von Terminen entfaltet hätte.

Auch nach dem Beschwerdevorbringen hat der Erstbeschwerdeführer den Wiedereinsetzungsantrag in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung der Vorstellung ausschließlich damit begründet, daß irrigerweise der letzte Tag der Rechtsmittelfrist mit dem 20. September 1996 angenommen wurde. Gründe, weshalb der Erstbeschwerdeführer der Meinung gewesen sei, daß für ihn die Zustellung erst am 6. September 1996 erfolgt sei, wurden erst in der Beschwerde dargetan und sind daher wegen des aus § 41 Abs. 1 VwGG ableitbaren Neuerungsverbotes unbeachtlich.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist die Behörde auch nicht gehalten, im Sinne des § 13a AVG Unterweisungen zu erteilen, wie ein Vorbringen zu gestalten ist, damit dem Antrag allenfalls stattgegeben werden könnte (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 17. September 1986, Zl. 85/01/0150, sowie vom 15. Juni 1989, Zl. 87/06/0056 u.v.a.). Vielmehr ist der Antragsteller verpflichtet, INITIATIV alles vorzutragen, was seiner Entlastung dient ("Behauptungspflicht", vgl. die hg. Erkenntnisse vom 9. September 1981, Zl. 81/03/0098 sowie vom 30. Mai 1995, Zl. 95/05/0060). Dem Beschwerdevorbringen, der Erstbeschwerdeführer habe die Rechtsmittelfrist gar nicht versäumt, ist entgegenzuhalten, daß auch in einem derartigen Fall dem Wiedereinsetzungsantrag nicht stattzugeben ist (vgl. die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, S. 672 zu 9a zitierte hg. Judikatur).

Mit Recht ist daher die belangte Behörde davon ausgegangen, daß die Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vorlagen.

Da sohin schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von den Beschwerdeführern behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997060004.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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