TE Vwgh Erkenntnis 1997/1/23 97/06/0013

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Veröffentlicht am 23.01.1997
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Index

L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Tirol;
L80007 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Tirol;
L82007 Bauordnung Tirol;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

BauO Tir 1989 §14;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art140 Abs7;
ROG Tir 1994 §115;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde des W in R, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 18. September 1995, Zl. Ve1-550-2348/1-1 (mitbeteiligte Partei: Gemeinde R, vertreten durch den Bürgermeister), betreffend eine Grundteilungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.680,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Der Beschwerdeführer suchte bei der mitbeteiligten Gemeinde um die Bewilligung der Teilung des Grundstückes Nr. 4439, KG R, an. Mit Bescheid vom 10. März 1995 versagte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde die beantragte Bewilligung gemäß § 14 Abs. 1 lit. a, b und c der Tiroler Bauordnung (TBO). Eine Berufung des Beschwerdeführers wurde mit

Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 3. Juli 1995 als unbegründet abgewiesen. Die vom Beschwerdeführer erhobene Vorstellung wurde mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof zur Zl. 95/06/0228 angefochtenen Bescheid vom 18. September 1995 als unbegründet abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde insbesondere aus, daß das zu teilende Grundstück zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1994, LGBl. Nr. 81/1993 (TROG 1994), dem 1. Jänner 1994, als Bauland gewidmet gewesen sei. Für das gegenständliche Gebiet sei bisher weder ein allgemeiner noch ein ergänzender Bebauungsplan nach dem TROG 1994 erlassen worden. Deshalb sei in einem Verfahren auf Grund eines Ansuchens um Bewilligung einer Grundteilung nicht nur zu prüfen, ob die Abweisungsgründe des § 14 Abs. 1 lit. a, b oder c Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 33/1989 in der Fassung LGBl. Nr. 10/1995 (TBO), vorlägen, sondern auf Grund der Übergangsbestimmung des § 116 Abs. 2 TROG 1994 sei darüberhinaus zu prüfen, ob die Interessen des § 115 Abs. 2 lit. a und b TROG 1994 nicht beeinträchtigt würden. Im Beschwerdefall sei auf Grund der zuletzt genannten Rechtsvorschrift zu prüfen, ob die geplante Teilung des betreffenden Grundstückes einer geordneten baulichen Gesamtentwicklung der Gemeinde im Sinne der Ziele der örtlichen Raumordnung zuwiderlaufe. Mit näherer Begründung kommt die belangte Behörde zum Ergebnis, daß die inhaltliche Beurteilung der Gemeindebehörden auf Grund der zitierten Bestimmungen zutreffend und in einem mängelfreien Verfahren zustandegekommen sei. Rechte des Beschwerdeführers würden durch den angefochtenen Gemeindebescheid daher nicht verletzt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Verletzung im Recht auf Teilung von im Bauland befindlichen Grundstücken gemäß § 12 TBO geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

2. Aus Anlaß der Beratungen über den vorliegenden Beschwerdefall sind beim Verwaltungsgerichtshof Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der im Beschwerdefall anzuwendenden §§ 115 Abs. 2 und 116 Abs. 2 TROG 1994 entstanden. Der Verwaltungsgerichtshof stellte daher an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle § 115 Abs. 2 und § 116 Abs. 2 Tiroler Raumordnungsgesetz 1994, LGBl. Nr. 81/1993, als verfassungswidrig aufheben.

3. Mit Erkenntnis vom 28. November 1996, G 195/96 u.a., hob der Verfassungsgerichtshof einerseits das Tiroler Raumordnungsgesetz 1994, LGBl. für Tirol Nr. 81/1993, idF der Kundmachungen LGBl. für Tirol Nr. 6/1995 und Nr. 68/1995 zur Gänze auf, soweit ihm nicht durch die 1. Raumordnungsgesetz-Novelle, LGBl. für Tirol Nr. 4/1996, derogiert wurde, bzw. sprach aus, daß es verfassungswidrig gewesen sei, soweit ihm durch die 1. Raumordnungsgesetz-Novelle, LGBl. für Tirol Nr. 4/1996, derogiert wurde, und sprach weiters aus, daß das verfassungswidrige Gesetz auch in den beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefällen, in denen der Verwaltungsgerichtshof Gesetzesprüfungsanträge gestellt hatte, nicht mehr anzuwenden sei.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. §§ 12 und 14 Tiroler Bauordnung 1989, LGBl. Nr. 33, in der Fassung des Landesgesetzes LGBl. Nr. 7/1994, lauten:

"Gestaltung des Baulandes

§ 12

Änderung von Grundstücken

(1) Die Teilung, die Vereinigung und jede sonstige Änderung der Grenzen von Grundstücken im Bauland bedürfen der Bewilligung der Behörde. Davon ausgenommen sind Grundstücksänderungen, die sich im Rahmen eines Verfahrens nach dem III. Teil des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 ergeben oder die nach den §§ 13 und 15 des Liegenschaftsteilungsgesetzes, BGBl. Nr. 3/1930, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl. Nr. 91/1976, oder im Zusammenhang mit der Verwendung für öffentliche Verkehrsflächen und öffentliche Versorgungseinrichtungen vorgenommen werden.

(2) Um die Erteilung der Bewilligung nach Abs. 1 haben die betreffenden Grundstückseigentümer bei der Behörde schriftlich anzusuchen. Dem Eigentümer eines Grundstückes ist eine Person gleichzuhalten, die einen Rechtstitel nachweisen kann, der für die grundbücherliche Einverleibung des Eigentums am Grundstück geeignet ist."

"§ 14

Bewilligung

(1) Ein Ansuchen um die Erteilung der Bewilligung nach § 12 Abs. 1 ist abzuweisen, wenn

a) die vorgesehene Grundstücksänderung eine im Bebauungsplan entsprechende Bebauung verhindert oder erschwert,

b) die vorgesehene Grundstücksänderung Grundstücke entstehen läßt, die für eine zweckmäßige Bebauung nicht geeignet sind, außer es handelt sich um Verkehrsflächen,

c) die vorgesehene Grundstücksänderung ein bebautes Grundstück oder ein Grundstück, für das eine wirksame Baubewilligung vorliegt, betrifft und das bestehende bzw. geplante Gebäude auf dem geänderten Grundstück nicht mehr errichtet werden dürfte.

(2) Liegen keine Gründe für eine Abweisung vor, so hat die Behörde die Bewilligung mit schriftlichem Bescheid zu erteilen.

(3) Die Bewilligung tritt außer Kraft, wenn nicht innerhalb eines Jahres nach dem Eintritt ihrer Rechtskraft die grundbücherliche Durchführung der Grundstücksänderung beantragt wurde."

2. Das TROG 1994 ordnete in § 55 Abs. 5 an, daß vor dem Inkrafttreten des allgemeinen und des ergänzenden Bebauungsplanes die Bewilligung für die Teilung, die Vereinigung und jede sonstige Änderung der Grenzen von Grundstücken nach § 14 Abs. 2 der Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 33/1989, in der jeweils geltenden Fassung nicht erteilt werden dürfe. Gemäß § 116 Abs. 1 galt dieser § 55 Abs. 5 TROG 1994 jedoch nicht für Grundstücke, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des TROG 1994 als Bauland oder als Sonderflächen gewidmet waren und auch nicht für Grundstücke, für die Verbauungspläne (Wirtschaftspläne) bestehen.

3. § 116 Abs. 2 TROG 1994 lautete:

"(2) Die Bewilligung für die Teilung, die Vereinigung und jede sonstige Änderung der Grenzen von Grundstücken nach § 14 Abs. 2 der Tiroler Bauordnung darf bei Grundstücken nach Abs. 1 bis zur Erlassung des allgemeinen und des ergänzenden Bebauungsplanes nur erteilt werden, wenn dadurch die Interessen nach § 115 Abs. 2 lit. a und b nicht beeinträchtigt werden. Soweit diese Bebauungspläne noch nicht bestehen, findet § 14 Abs. 1 lit. a der Tiroler Bauordnung keine Anwendung."

4. Gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG ist ein Gesetz, das vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurde, im Anlaßfall nicht mehr anzuwenden. Im oben genannten Erkenntnis hat der Verfassungsgerichtshof überdies ausdrücklich ausgesprochen, daß das Gesetz (zur Gänze, nicht nur hinsichtlich der jeweils vom Aufhebungsantrag erfaßten Bestimmungen) in den nach der Geschäftszahl bestimmten, beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefällen, darunter auch dem Beschwerdefall, nicht mehr anzuwenden sei.

5. Die Gemeindebehörden haben sich in dem dem Beschwerdeverfahren zugrundeliegenden Verwaltungsverfahren, ausgehend von § 116 Abs. 2 TROG 1994, mit der Frage befaßt, ob die Interessen des § 115 Abs. 2 lit. a und b TROG 1994 beeinträchtigt werden. Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid der Beurteilung der Gemeindebehörden gefolgt. Ungeachtet des Umstandes, daß § 14 Tiroler Bauordnung 1989 vom Verfassungsgerichtshof nicht aufgehoben wurde und somit die Rechtsgrundlage für die Erteilung einer Grundteilungsbewilligung und die Bewilligungskriterien gemäß § 14 Tiroler Bauordnung 1989 unverändert dem Rechtsbestand angehören, ergibt sich aus dem dargestellten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. November 1996, daß die Versagung einer Grundteilungsbewilligung nicht auf einen Widerspruch zu den in § 115 TROG 1994 verankerten Interessen gestützt werden darf. Da sich die Gemeindebehörden bei der Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf einen solchen Widerspruch stützten, mußte die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung nicht prüfen, ob die Abweisung des Antrages allenfalls auch auf § 14 TBO gegründet werden könnte.

6. Aus diesem Grunde erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, da er sich auf eine aufgehobene, im Beschwerdefall nicht mehr anzuwendende Rechtsgrundlage stützt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

7. Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des Antrages auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997060013.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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