TE Vwgh Beschluss 2021/9/10 Ra 2021/18/0205

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Veröffentlicht am 10.09.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des J N, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. April 2021, W226 2119526-2/19E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger der Demokratischen Republik Kongo, stellte am 16. Oktober 2013 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er zusammengefasst damit begründete, dass seine Mutter ein Mitglied der Oppositionspartei UDPS gewesen sei, weshalb Polizisten ihn entführt und gefoltert hätten, um ihren Aufenthaltsort zu erfahren.

2        Nachdem die erste Entscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) über diesen Antrag aus dem Jahr 2015 aufgrund einer Beschwerde des Revisionswerbers vom Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Beschluss aus dem Jahr 2016 gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen worden war, wies das BFA den Antrag - nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens - mit Bescheid vom 19. Dezember 2018 abermals zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in die Demokratische Republik Kongo zulässig sei, gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise, sprach gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 aus, dass der Revisionswerber sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet am 21. September 2015 verloren habe, und erließ ein auf die Dauer von einem Jahr befristetes Einreiseverbot.

3        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das BVwG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

4        Begründend erachtete das BVwG das Fluchtvorbringen des Revisionswerbers aus näher dargestellten Gründen als nicht glaubhaft. Eine Rückkehr in die Hauptstadt Kinshasa sei dem jungen, gesunden und erwerbsfähigen Revisionswerber auch unter Berücksichtigung der Covid-19-Pandemie möglich, ohne dass ihm die reale Gefahr einer Verletzung seiner Rechte nach Art. 2 und 3 EMRK drohe, zumal er über eine grundlegende Schulbildung sowie Verwandte in Kinshasa verfüge, mit deren Unterstützung er seinen Lebensunterhalt sichern und bei denen er Unterkunft nehmen könne. Die Rückkehrentscheidung sei bei Abwägung der für und gegen den Verbleib des Revisionswerbers in Österreich sprechenden Interessen zulässig.

5        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Ermittlungspflicht abgewichen. Das Verwaltungsgericht hätte sich bei korrekter Vorgangsweise mit dem Fluchtvorbringen auseinandersetzen, amtswegige Ermittlungen in der Demokratischen Republik Kongo tätigen und prüfen müssen, ob der Revisionswerber im Falle einer Rückkehr auf ein soziales Netzwerk zurückgreifen könne, welches ihn - vor allem in Zeiten einer Pandemie - ausreichend unterstützen könne. Zudem habe es das BVwG unterlassen, die konkreten Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die Gesellschaft in der Demokratischen Republik Kongo zu beurteilen und entsprechend zu würdigen. Hinsichtlich der Rückkehrentscheidung habe das BVwG nicht die von der Rechtsprechung geforderte Gesamtabwägung vorgenommen und sei seiner Begründungspflicht nicht nachgekommen, worauf näher in den Revisionsgründen zurückgekommen werde.

6        Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       Werden - wie in der vorliegenden Revision - Verfahrensfehler als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 7.6.2021, Ra 2021/18/0170, mwN).

11       Das BVwG setzte sich mit dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers - entgegen dem Revisionsvorbringen - auseinander, erachtete dieses jedoch als nicht glaubhaft. Welche amtswegigen Erhebungen betreffend welche konkreten Umstände im Herkunftsstaat in diesem Zusammenhang erforderlich gewesen wären, legt die Revision nicht dar. Das BVwG traf weiters Feststellungen zur Sicherheits- und Versorgungslage in der Demokratischen Republik Kongo und insbesondere zur Covid-19-Pandemie; auch diesbezüglich wird in der Revision nicht konkret aufgezeigt, welche weiteren oder anderen Tatsachen als erwiesen anzunehmen gewesen wären. Der Feststellung des BVwG, der Revisionswerber verfüge über ein unterstützungswilliges familiäres Netzwerk in Kinshasa, setzt die Revision ebenso nichts Stichhaltiges entgegen.

12       Soweit sich die Revision gegen die im Rahmen der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorgenommene Interessenabwägung mit dem Vorbringen wendet, das BVwG habe ohne Gesamtabwägung bloß einzelne „Integrationsgründe und Umstände“ herausgegriffen, um das Überwiegen des öffentlichen Interesses zu begründen, versäumt sie es, konkret jene Umstände zu bezeichnen, die unberücksichtigt geblieben wären oder denen zu viel Gewicht beigemessen worden wäre. Die Revision vermag daher nicht aufzuzeigen, dass das BVwG seine Interessenabwägung in einer unvertretbaren Weise vorgenommen hätte oder die Gewichtung der einbezogenen Umstände den in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien (vgl. etwa VwGH 7.6.2021, Ra 2021/18/0167, mwN) widerspreche.

13       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 10. September 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021180205.L00

Im RIS seit

04.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.10.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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