TE Vwgh Beschluss 2021/9/10 Ra 2021/18/0158

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Veröffentlicht am 10.09.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AVG §68 Abs1
BFA-VG 2014 §21 Abs6a
BFA-VG 2014 §9
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2021/18/0159
Ra 2021/18/0160
Ra 2021/18/0161
Ra 2021/18/0162
Ra 2021/18/0163

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision 1. M A, 2. H A, 3. M A, 4. A A, 5. L A, und 6. M A, alle vertreten durch Dr. Christian Schmaus, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Chwallagasse 4/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. März 2021, 1. L502 2204004-2/3E, 2. L502 2203997-2/3E, 3. L502 2204001-2/3E, 4. L502 2203996-2/3E, 5. L502 2204002-3/3E und 6. L502 2204000-2/3E, betreffend Asylangelegenheiten (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind die Eltern der minderjährigen Dritt- bis Fünftrevisionswerber sowie der ebenfalls minderjährigen Sechstrevisionswerberin. Sie sind allesamt Staatsangehörige des Irak (ursprünglich) schiitischen Glaubens und stammen aus Basra.

2        Der Erstrevisionswerber hatte bereits am 20. August 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich gestellt, kehrte im November 2015 jedoch freiwillig in den Irak zurück, weswegen das diesbezügliche Asylverfahren am 17. Dezember 2015 eingestellt wurde.

3        Am 11. Februar 2016 stellten der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin für sich und die Dritt- bis Fünftrevisionswerber sowie am 18. August 2016 für die nachgeborene Sechstrevisionswerberin (erneut) Anträge auf internationalen Schutz in Österreich. Sie begründeten die Anträge im Wesentlichen damit, dass der Erstrevisionswerber im Irak als Polizist gearbeitet habe und infolge einer Amtshandlung von Mitgliedern einer schiitischen Miliz bedroht worden sei. Außerdem sei während seines ersten Aufenthalts in Österreich auf sein Haus im Irak geschossen worden. Im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) brachte der Erstrevisionswerber überdies vor, er sei zum Christentum konvertiert. Ebenso wurde vorgebracht, dass der Fünftrevisionswerber seit seiner Geburt an einer seltenen Stoffwechselerkrankung leide.

4        Diese Anträge wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheiden vom 31. Juli 2018 zur Gänze ab. Die dagegen erhobenen Beschwerden wurden mit Erkenntnis des BVwG vom 21. September 2020 abgewiesen.

5        Das BVwG stellte fest, dass der Erstrevisionswerber vor seiner Ausreise nicht aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit als Polizist von Kämpfern oder Anhängern einer Miliz gesucht worden sei. Er sei weiters nicht aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert und würde seinem Interesse am christlichen Glauben im Irak nicht mehr nachgehen. Zu den Rückkehrperspektiven der minderjährigen revisionswerbenden Parteien führte das BVwG unter Berücksichtigung der in den Länderberichten enthaltenen Passagen zu den Rechten von Kindern und zur Situation in der Heimatregion Basra aus, dass insbesondere vor dem Hintergrund der festgestellten Familienstruktur kein Anhaltspunkt dafür gesehen werde, dass die minderjährigen revisionswerbenden Parteien Opfer von sexueller Gewalt, Zwangsarbeit oder Zwangsrekrutierung werden würden. Es könne auch nicht erkannt werden, dass für die revisionswerbenden Parteien bei einer Rückkehr jede Lebensgrundlage fehlen würde. Der Erstrevisionswerber habe die „Matura“ erlangt und anschließend eine Laufbahn bei der Polizei eingeschlagen, wo er zuletzt 1.300 US-Dollar verdient habe. Die Zweitrevisionswerberin werde aufgrund der geringen Frauenerwerbsquote und aufgrund ihrer Ausbildung wohl nur schwer einen Arbeitsplatz erlangen können, jedoch sei das Auskommen schon aufgrund des zu erwartenden Einkommens des Erstrevisionswerbers sowie des vorhandenen leistungsfähigen und leistungswilligen familiären Netzwerkes gesichert. In Basra würden 90,7% der Kinder die Grundschule und im Zentrum Basras 64,5% die Sekundarstufe I besuchen, wobei keine Diskriminierung beim Zugang zum Schulsystem herrsche. Das BVwG berücksichtigte, dass die Herauslösung aus dem Schulverband in Österreich eine Zäsur für die minderjährigen revisionswerbenden Parteien darstelle, zugleich würden jedoch in Basra hinreichend Anknüpfungspunkte, insbesondere in Form von insgesamt 29 Cousinen und Cousins, sowie durch den dortigen Schulbesuch die Möglichkeit zur Knüpfung von neuen sozialen Kontakten bestehen. Die minderjährigen revisionswerbenden Parteien befänden sich alle im anpassungsfähigen Alter. Schließlich erwog das BVwG mit Blick auf die vorgebrachte Krankheit des Fünftrevisionswerbers, dass sich der festgestellte angeborene Stoffwechseldefekt in Augenbrennen und Lichtempfindlichkeit äußere. Dem Fünftrevisionswerber seien dagegen Augentropfen verschrieben worden. Die Krankheit werde mit einer Diät behandelt, die dem Erstrevisionswerber erklärt worden sei. Sofern die Diät eingehalten werde, würden keine körperlichen Beschwerden auftreten. Ein akuter oder laufender (medizinischer) Behandlungsbedarf liege nicht vor.

6        Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 9. Dezember 2020, E 3878-3883/2020-5, die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde ab. Revision wurde gegen das Erkenntnis des BVwG vom 21. September 2020 nicht erhoben.

7        Am 22. Dezember 2020 stellten die revisionswerbenden Parteien die nunmehr relevanten (Folge-)Anträge auf internationalen Schutz. Sie brachten im Wesentlichen vor, es sei ihnen nicht möglich, als Christen im Irak zu leben. Die Familie der Zweitrevisionswerberin habe den Kontakt mit ihr abgebrochen und sie - für den Fall, dass sie den Erstrevisionswerber nicht verlasse - bedroht. Der jüngere Sohn sei krank.

8        Mit Bescheid vom 29. Jänner 2021 wies das BFA die Folgeanträge der revisionswerbenden Parteien im Zulassungsverfahren gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück, erteilte den revisionswerbenden Parteien keine Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen sie Rückkehrentscheidungen und stellte fest, dass ihre Abschiebung in den Irak zulässig sei. Weiters sprach das BFA aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe, und erließ gegen den Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot.

9        In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde insbesondere vorgebracht, dass die Zweitrevisionswerberin Atheistin sei und der Fünftrevisionswerber an einer seltenen Stoffwechselerkrankung leide.

10       Das BVwG wies diese Beschwerde mit dem angefochtenen Erkenntnis ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

11       Begründend führte es aus, dass kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt vorliege. Bei den vorgebrachten Drohungen der Brüder der Zweitrevisionswerberin aufgrund der behaupteten Konversion des Erstrevisionswerbers handle es sich um eine Ergänzung des bisherigen Vorbringens, dem kein glaubhafter Kern zukomme. Des Weiteren sei keine maßgebliche Änderung der asyl- und abschieberelevanten Lage im Irak seit dem Abschluss des Erstverfahrens eingetreten. Mit Blick auf das Kindeswohl erwog das BVwG, dass sich die Dritt- bis Fünftrevisionswerber (weiterhin) im anpassungsfähigen Alter befänden, im Irak geboren und mit den kulturellen Gepflogenheiten des Herkunftslandes vertraut seien. Es sei davon auszugehen, dass sie Arabisch als Muttersprache sprechen würden. Die Sechstrevisionswerberin sei ebenso durch das Aufwachsen im Familienverband mit den irakischen Gepflogenheiten vertraut und spreche Arabisch. Festgestellt wurde überdies, dass der Dritt- und Viertrevisionswerber in Basra vor ihrer Ausreise die Grundschule besucht hätten und sie zuletzt bis zur Ausreise im Haus des Vaters des Erstrevisionswerbers gelebt hätten. Auch würden zahlreiche Familienangehörige (Tanten, Onkeln, Cousins und Cousinen) in Basra leben. Die Krankheit des Fünftrevisionswerbers sei bereits im Vorverfahren festgestellt und berücksichtigt worden. Eine zwischenzeitliche Verschlechterung sei weder festzustellen noch zu erwarten. Auch die Covid-19-Pandemie stehe der Rückführung nicht entgegen.

12       Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zunächst eine Verletzung der Begründungspflicht geltend macht, weil im angefochtenen Erkenntnis Länderfeststellungen zur Gänze fehlen würden und lediglich auf die Feststellungen des Bescheides des BFA verwiesen worden sei. Zudem habe sich das BVwG mit der konkreten Gefahrenlage und den aktuell bestehenden Bedrohungen im Irak nur unzureichend bis gar nicht auseinandergesetzt und sei dadurch von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Die Revision rügt ferner eine mangelnde Bedachtnahme auf das Kindeswohl im Zuge der Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK sowie im Zuge der Erlassung des Einreiseverbots. Das BVwG habe sich nicht mit den negativen Implikationen auf die Entwicklung und Entfaltung der Kinder auseinandergesetzt. Ihre Integration habe sich seit der zuletzt ergangenen Entscheidung maßgeblich intensiviert. Sie würden im Irak kein auffangendes familiäres Netz vorfinden, da aufgrund der seitens der Familie der Zweitrevisionswerberin ausgesprochenen Bedrohungen keine Unterstützung zu erwarten sei. Schließlich hätte das BVwG nicht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absehen dürfen. Bereits die durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Voraussetzungen zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG lägen nicht vor, weil der Beweiswürdigung des BFA in der Beschwerde insbesondere betreffend die Vulnerabilität der minderjährigen revisionswerbenden Parteien sowie zur Behandlungsnotwendigkeit der Krankheit des Fünftrevisionswerbers substantiiert entgegengetreten worden sei. Die Abstandnahme von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung erweise sich auch nach § 21 Abs. 3 und 6a BFA-VG als unzulässig, weil Ermittlungsmängel vorlägen, die vom BVwG in „gebotener Eile“ beseitigt hätten werden können.

13       Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

14       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

15       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

16       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

17       Die Revision rügt zu Recht, dass das angefochtene Erkenntnis keine Feststellungen zur Lage im Irak im Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG enthält und dieser Umstand in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung wiederholt als Begründungsmangel aufgegriffen wurde, weil sich das Erkenntnis dadurch einer nachprüfenden Kontrolle entziehe (vgl. etwa VwGH 5.3.2020, Ra 2019/19/0447; VwGH 6.11.2018, Ra 2018/18/0213, mwN). Gleichzeitig vermag die Revision aber nicht aufzuzeigen, dass diesem Verfahrensmangel fallbezogen Relevanz zukommen kann: Zwischen dem rechtskräftigen Erkenntnis des BVwG vom 21. September 2020 (im vorangegangenen Asylverfahren) und der Entscheidung des BFA über die gegenständlichen Folgeanträge lagen zeitlich lediglich vier Monate. „Sache“ des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG war die Frage, ob die Zurückweisung dieser Folgeanträge durch das BFA gemäß § 68 Abs. 1 AVG rechtens war, was voraussetzt, dass zwischen dem rechtskräftig entschiedenen ersten Asylverfahren und der Entscheidung des BFA über die Folgeanträge keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist. Eine maßgebliche Änderung der Lage in diesem Sinne wurde vom BVwG im angefochtenen Erkenntnis verneint. Die Revision bezweifelt dies zwar, legt aber nicht hinreichend dar, welche Lageänderung in dem kurzen Zeitraum zwischen dem ersten Asylverfahren und der Entscheidung über die Folgeanträge eine Durchbrechung der Rechtskraft der Erstentscheidungen gerechtfertigt hätte.

18       Was die Beanstandung der Auseinandersetzung mit dem Kindeswohl im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK betrifft, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. VwGH 14.4.2021, Ra 2020/18/0288, mwN) die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit den Auswirkungen einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme auf das Kindeswohl bei der nach § 9 BFA-VG vorzunehmenden Interessenabwägung betont. Dabei sind insbesondere das Maß an Schwierigkeiten, denen die Kinder im Heimatstaat begegnen, sowie die sozialen, kulturellen und familiären Bindungen sowohl zum Aufenthaltsstaat als auch zum Heimatstaat zu berücksichtigen. Maßgebliche Bedeutung kommt dabei den Fragen zu, wo die Kinder geboren wurden, in welchem Land und in welchem kulturellen und sprachlichen Umfeld sie gelebt haben, wo sie ihre Schulbildung absolviert haben, ob sie die Sprache des Heimatstaats sprechen, und insbesondere, ob sie sich in einem anpassungsfähigen Alter befinden (vgl. etwa VwGH 5.5.2021, Ra 2021/18/0050, mwN).

19       Das BVwG führte - vor dem Hintergrund der oben wiedergegebenen, bereits im rechtskräftig gewordenen Erkenntnis vom 21. September 2020 enthaltenen diesbezüglichen Interessenabwägung - aus, dass sich die Dritt- bis Fünftrevisionswerber im anpassungsfähigen Alter befänden, im Irak geboren seien und mit den kulturellen Gepflogenheiten des Herkunftslandes vertraut seien. Es sei davon auszugehen, dass sie Arabisch als Muttersprache sprechen würden. Die Sechstrevisionswerberin sei ebenso durch das Aufwachsen im Familienverband mit den irakischen Gepflogenheiten vertraut und spreche Arabisch. Festgestellt wurde überdies, dass die Dritt- und Viertrevisionswerber in Basra vor ihrer Ausreise die Grundschule besucht hätten, sie zuletzt bis zur Ausreise im 150 m² großen Haus des Vaters des Erstrevisionswerbers gelebt hätten und in Basra zahlreiche Familienangehörige (Onkeln, Tanten, Cousins und Cousinen) lebten. Dem hält die Revision zwar entgegen, dass die revisionswerbenden Parteien aufgrund der Bedrohungen durch die Familienmitglieder der Zweitrevisionswerberin kein soziales Netz im Irak vorfinden würden, dabei entfernt sie sich jedoch vom festgestellten Sachverhalt, wonach die Brüder der Zweitrevisionswerberin nicht von der (bereits im Erstverfahren vorgebrachten und als nicht glaubwürdig erachteten) Konversion des Erstrevisionswerbers erfahren hätten und die revisionswerbenden Parteien von diesen auch nicht bedroht werden würden.

20       Das BVwG berücksichtigte auch die bereits im Erstverfahren vorgebrachte und im Erkenntnis vom 21. September 2020 ebenso behandelte Stoffwechselerkrankung des Fünftrevisionswerbers. Es erwog, dass sich die Krankheit durch Augenbrennen und Lichtempfindlichkeit äußere, wogegen dem Fünftrevisionswerber Augentropfen verschrieben worden seien, und die Krankheit durch eine Diät behandelt werde, die den revisionswerbenden Parteien erklärt worden sei. Es habe nicht festgestellt werden können, dass sich der Fünftrevisionswerber in regelmäßiger ergo- und logotherapeutischer Behandlung befinde. Ein diesen Erwägungen widersprechendes und entscheidungsmaßgebliches Vorbringen wurde nicht erstattet.

21       Im Übrigen wurden auch mit Blick auf das Kindeswohl seit Ergehen der Entscheidung im Erstverfahren, in der sich das BVwG noch umfassender als in der hier bekämpften Entscheidung mit den Rückkehrperspektiven der minderjährigen revisionswerbenden Parteien auseinandersetzte, keine neuen entscheidungsmaßgeblichen Tatsachen vorgebracht. Insbesondere bleibt die Revision jegliche Konkretisierung schuldig, wenn sie geltend macht, dass sich die Integration der revisionswerbenden Parteien seit Ergehen der Erstentscheidung maßgeblich verfestigt habe.

22       Ob - wie in der Revision vorgebracht - im Zuge des gegen den Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin erlassenen Einreiseverbots das Kindeswohl berücksichtigt hätte werden müssen, weil die minderjährigen revisionswerbenden Parteien davon physisch und psychisch betroffen wären, kann dahingestellt bleiben, weil gegen die minderjährigen revisionswerbenden Parteien selbst kein Einreiseverbot ausgesprochen wurde. Maßgebliche konkrete im Kindeswohl gelegene Umstände, aufgrund derer das BVwG bezüglich des Erstrevisionswerbers und der Zweitrevisionswerberin zu einem anderen Ergebnis hätte kommen müssen, werden in der Revision nicht aufgezeigt.

23       Schließlich bringt die Revision vor, das BVwG habe zu Unrecht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen, weil sich die Beschwerde substantiiert gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde gewendet habe. Insbesondere mit dem ausführlichen Beschwerdevorbringen zur Vulnerabilität der minderjährigen dritt- bis sechstrevisionswerbenden Parteien, zur Behandlungsnotwendigkeit der Krankheit des Fünftrevisionswerbers und zur durchzuführenden Kindeswohlprüfung sei ein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender Sachverhalt behauptet worden.

24       Sofern die Revision die Vulnerabilität der minderjährigen revisionswerbenden Parteien anspricht, wendet sie sich gegen die Entscheidung des BVwG, wonach keine maßgebliche allgemeine Lageänderung im Hinblick auf die Zuerkennung von subsidiärem Schutz seit der ersten Entscheidung des BVwG eingetreten sei. In diesem Zusammenhang ist erneut auf den oben bereits dargelegten Prüfumfang des BVwG in Folgeverfahren hinzuweisen. Entgegen dem Revisionsvorbringen wurde eine maßgebliche Lageänderung im Irak seit Ergehen des ersten Erkenntnisses in der Beschwerde nicht dargetan. Auch was die Erkrankung des Fünftrevisionswerbers betrifft, ist festzuhalten, dass diese bereits im Erstverfahren berücksichtigt wurde und das hierzu in der Beschwerde erstattete Vorbringen auch nicht über jenes im Erstverfahren hinausgeht. Dasselbe trifft auf die allgemeine Berücksichtigung des Kindeswohls der minderjährigen revisionswerbenden Parteien zu. Dass das BVwG durch das Absehen von einer mündlichen Verhandlung sein ihm in § 21 Abs. 6a BFA-VG eingeräumtes Ermessen überschritten hat, wird daher nicht aufgezeigt (vgl. dazu grundlegend VwGH 30.6.2016, Ra 2016/19/0072).

25       In der Revision werden im Ergebnis keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 10. September 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021180158.L00

Im RIS seit

04.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.10.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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