TE Vwgh Beschluss 2021/9/13 Ra 2021/18/0238

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Veröffentlicht am 13.09.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte

Norm

B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des A S, vertreten durch Dr. Johann Jalovetz, Rechtsanwalt in 9500 Villach, Postgasse 8, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Mai 2021, G302 2188552-1/9E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein irakischer Staatsangehöriger schiitischen Glaubens aus Bagdad, stellte am 28. August 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, aufgrund seiner finanziellen Beteiligung an einem Weingeschäft von einer schiitischen Miliz bedroht worden zu sein.

2        Mit Bescheid vom 21. Februar 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung in den Irak zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.

4        Begründend erachtete das BVwG das Fluchtvorbringen des Revisionswerbers aus näher dargelegten Gründen als nicht glaubhaft. Zur Nichtgewährung subsidiären Schutzes erwog das BVwG, dem gesunden und arbeitsfähigen Revisionswerber, der über eine mehrjährige Schulbildung, Arbeitserfahrung und familiäre Anknüpfungspunkte sowie ein Eigentumshaus in Bagdad verfüge, drohe im Falle einer Rückkehr nach Bagdad keine Art. 2 oder 3 EMRK widersprechende Behandlung. Betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kam das BVwG zu dem Ergebnis, dass eine Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK zu Lasten des Revisionswerbers ausfalle.

5        Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vorbringt, das BVwG habe betreffend die Sicherheitslage in Bagdad keine aktuellen Länderberichte herangezogen und auch keine ganzheitliche Bewertung der Gefahrenlage vorgenommen. Bei der Interessenabwägung zur Rückkehrentscheidung habe das BVwG wesentliche Aspekte außer Acht gelassen und aktenwidrig festgestellt, dass der Revisionswerber mit seiner Frau, mit der er nach islamischem Ritus verheiratet sei, nicht im gemeinsamen Haushalt lebe.

6        Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       Sofern die Revision die unterlassene Heranziehung aktueller Länderberichte zur Feststellung der Lage im Herkunftsstaat des Revisionswerbers ins Treffen führt, macht sie einen Verfahrensmangel geltend. Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss in der gesonderten Zulässigkeitsbegründung auch deren Relevanz dargetan werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Dies setzt (in Bezug auf Feststellungsmängel) voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 27.1.2021, Ra 2020/18/0428, mwN).

11       Die Revision legt mit dem pauschalen, keinen Bezug zur konkreten Situation des Revisionswerbers herstellenden Verweis auf einige sicherheitsrelevante Vorfälle, den für „den Jahreswechsel“ angekündigten Abzug der US-Truppen sowie die Massenproteste im Frühjahr nicht dar, dass und welche relevanten aktuellen Länderberichte gegen die (auf Länderberichte, die bis in das Jahr 2020 reichen, gestützte) Einschätzung des BVwG sprechen könnten, der Revisionswerber könne in seiner konkreten persönlichen Situation in den Herkunftsstaat zurückkehren, ohne asylrelevante Verfolgung befürchten zu müssen oder ernsthafte Schäden zu erleiden, die subsidiären Schutz gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 rechtfertigen würden. Der Revision gelingt es deshalb nicht, einen relevanten Verfahrensmangel aufzuzeigen.

12       Dasselbe gilt für das in der Revision überhaupt nicht näher begründete Vorbringen, das BVwG habe keine ganzheitliche Bewertung der konkreten Gefahrenlage vorgenommen.

13       Soweit sich die Revision gegen die Interessenabwägung des BVwG nach Art. 8 Abs. 2 EMRK wendet, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG ist (vgl. etwa VwGH 21.7.2021, Ra 2021/18/0243, mwN).

14       Die Revision vermag nicht darzulegen, dass das BVwG bei seiner Interessenabwägung von den Leitlinien der höchstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen wäre. Entgegen dem Revisionsvorbringen berücksichtigte das BVwG die fünfjährige Aufenthaltsdauer sowie seine Beziehung mit einer in Österreich subsidiär schutzberechtigten Frau. Da der Revisionswerber über keine Kenntnisse der deutschen Sprache verfüge, keine Beschäftigung ausübe und auch sonst keine Integrationserfolge geltend gemacht habe, ging das BVwG jedoch vertretbar davon aus, dass die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung die persönlichen Interessen des Revisionswerbers an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen würden.

15       Die Feststellung, dass der Revisionswerber mit seiner Lebensgefährtin nur nach islamischem Ritus verheiratet sei und nicht im gemeinsamen Haushalt lebe, stützte das BVwG auf die diesbezüglichen Angaben des Revisionswerbers in der Beschwerdeverhandlung. Die behauptete Aktenwidrigkeit liegt daher nicht vor. Die Beurteilung, dass deshalb kein Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK vorliege, steht mit den diesbezüglichen Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa VwGH 11.3.2020, Ra 2019/18/0382, mwN) nicht im Widerspruch.

16       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 13. September 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021180238.L00

Im RIS seit

04.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.10.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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