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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Mag. Eder und Mag. Cede als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, in der Revisionssache des Y A in S, vertreten durch Mag. Walter Unzeitig LL.M., Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 44, gegen das am 18. August 2020 mündlich verkündete und am 2. Oktober 2020 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, G304 2177007-1/14E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der aus dem Irak stammende Revisionswerber stellte am 9. Juni 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Zu seinen Fluchtgründen brachte er vor, sein Vater, ein hochrangiger Offizier unter Saddam Hussein, sei im Jahr 2014 verschollen und sein Bruder im Jahr 2019 erschossen worden. Aus diesen Gründen sei auch er gefährdet, entführt oder getötet zu werden.
2 Mit dem Bescheid vom 13. September 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag sowohl hinsichtlich des Begehrens auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Mit Erkenntnis vom 2. Oktober 2020 wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für unzulässig.
4 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der dieses mit Erkenntnis vom 8. Juni 2021, E 4076/2020-19, im Umfang der Abweisung der Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung, den Ausspruch der Zulässigkeit der Abschiebung in den Irak und der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise aufhob, im Übrigen die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
5 In der Folge wurde die vorliegende Revision eingebracht.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Soweit die Revision ihre Zulässigkeit damit begründet, dass es das Bundesverwaltungsgericht in Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verabsäumt habe, eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens des Revisionswerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit und der objektiven Wahrscheinlichkeit des Vorbringens, auch unter Auseinandersetzung mit aktuellen Länderberichten, vorzunehmen, wendet sie sich der Sache nach gegen die Beweiswürdigung.
10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der zur Rechtskontrolle berufene Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 15.3.2021, Ra 2021/20/0047, mwN).
11 Das Bundesverwaltungsgericht ist nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, bei der es sich einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschaffen konnte, unter Bezugnahme auf eine Reihe von Widersprüchen und Unstimmigkeiten in den Angaben des Revisionswerbers zu der Schlussfolgerung gelangt, dass dessen Fluchtvorbringen nicht glaubwürdig sei. Die Revision zeigt weder auf, dass insoweit ein vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifender Fehler vorläge, noch legt sie dar, inwiefern dem Bundesverwaltungsgericht dabei im Zusammenhang mit den vorgelegten Beweismitteln Ermittlungsmängel unterlaufen seien oder eine zusätzliche Bedachtnahme auf (in der Revision nicht näher dargestellte) Inhalte von Länderberichten die Beweiswürdigung unvertretbar erscheinen ließe.
12 Wenn die Revision ihre Zulässigkeit (unter dem Aspekt von Ermittlungsmängeln) durch Bezugnahme auf die „Verschollenheit des Vaters des Revisionswerbers ... im Zusammenhang mit seiner ehemaligen Tätigkeit im Regime unter Saddam Hussein und der Religionsgruppenzugehörigkeit sowie [der] Suche der Mitglieder des Rates nach den ... männlichen Abkömmlingen bei seiner Mutter nach dem Zeitpunkt des Verschwindens des Vaters“ zu begründen versucht, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt (vgl. zum Nichtvorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, wenn sich das Zulässigkeitsvorbringen vom festgestellten Sachverhalt entfernt, VwGH 11.2.2021, Ra 2021/20/0017, mwN).
13 Soweit die Revision zur Begründung ihrer Zulässigkeit vorbringt, dass das Bundesverwaltungsgericht „eine fundierte Auseinandersetzung beziehungsweise einen Abgleich mit aktuellen Länderberichten“ unterlassen habe und auch „auf die aktuelle Situation hinsichtlich der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie im Irak“ hätte eingehen müssen, vermag sie weder konkret anzuführen, welche zusätzlichen Informationen heranzuziehen gewesen wären, noch darzulegen, zu welchen abweichenden oder weiteren Feststellungen deren Berücksichtigung hätte führen müssen. Werden Verfahrensmängel - wie hier Ermittlungs- und Feststellungsmängel - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensmangels als erwiesen ergeben hätten. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 3.12.2020, Ra 2020/20/0392, mwN).
14 Mit dem Vorbringen, dass das Bundesverwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (u.a.) zum Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens abgewichen sei, zeigt die Revision schon mangels näherer Angaben dazu, von welcher Rechtsprechung abgewichen worden sei, eine Rechtsfrage im Sinne von Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht auf. Im Übrigen übergeht sie den Umstand, dass jener Teil des angefochtenen Erkenntnisses, mit dem die Erlassung einer Rückkehrentscheidung bestätigt wurde, infolge der Aufhebung durch das (in Rn. 4 erwähnte) Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht mehr dem Rechtsbestand angehört.
15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 14. September 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020200405.L00Im RIS seit
04.10.2021Zuletzt aktualisiert am
04.10.2021