TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/10 W140 2229403-4

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Veröffentlicht am 10.06.2020
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Entscheidungsdatum

10.06.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §80

Spruch


W140 2229403-4/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. HÖLLER als Einzelrichterin im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl: XXXX , über die weitere Anhaltung von XXXX , Staatsangehörigkeit: ALGERIEN, in Schubhaft zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG idgF wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

II. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang:

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.05.2020, XXXX ,
wurde gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

Das Bundesverwaltungsgericht führte u. a. Folgendes aus:

„Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 04.11.2019, Regionaldirektion Wien, wurde über den Beschwerdeführer (BF) gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Die Verwaltungsbehörde führte u.a. Folgendes aus:

(…)

C) Feststellungen

Der Entscheidung liegen folgende Feststellungen zugrunde:

- Zu Ihrer Person:

Sie sind nicht österreichischer Staatsbürger.

Ihre Identität steht fest. (…) Weiters liegt der ha. Behörde eine Identifizierung durch die algerische Botschaft vor.

Sie sind Moslem.

Sie sind arbeitsfähig.

Sie leiden an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung.

Sie sind in Österreich strafrechtlich angefallen.

Sie sind ledig und haben keine Kinder.

- Zu Ihrer rechtlichen Position in Österreich:

Ein/e Rückkehrentscheidung ivm einem Einreiseverbot auf die Dauer von 6 Jahren, gegen Ihre Person ist durchsetzbar. Aufgrund des Vorliegens der weiteren für eine Abschiebung erforderlichen Voraussetzungen werden Sie zur Ausreise verhalten werden.

Sie werden zum nächstmöglichen Termin nach Algerien abgeschoben.

Sie wurden bereits einmal im österreichischen Bundesgebiet rechtskräftig verurteilt. Die Verurteilung lautet wie folgt:

01) LG F.STRAFS.WIEN XXXX vom 14.07.2015 RK 18.07.2015

§ 15 StGB § 269 (1) StGB

§§ 127, 130 1. Fall StGB § 15 StGB

Datum der (letzten) Tat 19.06.2015

Freiheitsstrafe 9 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Vollzugsdatum 18.07.2015

zu LG F.STRAFS.WIEN XXXX RK 18.07.2015

(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig

Vollzugsdatum 18.07.2015

LG F.STRAFS.WIEN XXXX vom 15.03.2019

- Zu Ihrem bisherigen Verhalten:

Sie hielten sich seit Ihrer rechtskräftigen Entscheidung illegal in Österreich auf.

Sie sind nach Österreich illegal eingereist.

Sie gehen keiner Erwerbstätigkeit nach. Es besteht keine begründete Aussicht, dass Sie eine Arbeitsstelle finden.

Im bisherigen Verfahren verhielten Sie sich unkooperativ, indem Sie während Ihres Verfahrens vor dem BFA immer wieder untertauchten und Ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sind.

Sie tauchten in Österreich unter, indem Sie zwar über eine behördliche Meldung verfügen aber Sie an der Adresse nicht aufhältig sind.

Sie besitzen kein gültiges Reisedokument. Sie können Österreich aus eigenem Entschluss nicht legal verlassen.

Obwohl eine gesetzliche Verpflichtung hiezu bestand, verweigerten Sie die Ausreise aus Österreich. (…)

Sie missachteten die österreichische Rechtsordnung, indem Sie bereits einmal rechtskräftig verurteilt wurden.

Sie verfügen nicht über ausreichend Barmittel um Ihren Unterhalt zu finanzieren. Einer legalen Beschäftigung gehen Sie nicht nach.

Sie haben keinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich und hielten sich bislang unangemeldet unter Verletzung des Meldegesetzes in Österreich auf.

- Zu Ihrem Privat- und Familienleben:

Sie sind in Österreich weder beruflich noch sozial verankert.

Sie haben in Österreich keine Angehörigen oder sonstigen Verwandten, die zum dauernden Aufenthalt berechtigt sind.

Sie gehen in Österreich keiner Arbeit nach und haben keine Meldeadresse.

Sie reisten illegal ins Bundesgebiet ein.

D) Beweiswürdigung

Die von der Behörde getroffenen Feststellungen resultieren aus dem Inhalt Ihres BFA-Aktes, XXXX , sowie aus Ihrer Einvernahme am 04.11.2019.

E) Rechtliche Beurteilung

(…)

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung insbesondere auch ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an der baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit überwiegt.

Entsprechend ihres bisherigen Verhaltens begründen folgende Kriterien in Ihrem Fall eine Fluchtgefahr: 1,9 (…)

Sie halten sich illegal im Bundesgebiet auf, da gegen Sie eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot auf die Dauer von 6 Jahren, besteht. Sie wurden einmal im Bundesgebiet verurteilt. Sie sind nicht gewillt der Rechtsordnung Österreichs zu folgen und haben sich bis immer wieder dem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl entzogen.

Die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung ist erforderlich, da Sie sich aufgrund Ihres oben geschilderten Vorverhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen haben. Es ist davon auszugehen, dass Sie auch hinkünftig nicht gewillt sein werden, die Rechtsvorschriften einzuhalten.

Aus Ihrer Wohn- und Familiensituation, aus Ihrer fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens kann geschlossen werden, dass bezüglich Ihrer Person ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliegt.

Wie bereits eingehend begründet, befinden Sie sich illegal im Bundesgebiet. Sie verfügen derzeit über ca. € 344,- , haben jedoch ansonsten keinerlei Barmitteln mehr zur Verfügung. Sie haben bis dato Ihren Aufenthalt im Verborgenen verbracht und sich dadurch dem Verfahren zur Erlangung eines HRZ und in weiterer Folge der Außerlandesbringung entzogen. Es besteht die Gefahr, dass Sie bei Entlassung untertauchen. Sie haben weder familiäre, berufliche noch soziale Bindungen. Es liegt daher ein berechtigter Verdacht vor, dass Sie eine Entlassung nur dazu benützen werden, um weiterhin in Österreich zu verbleiben und sich durch Untertauchen einem behördlichen Zugriff entziehen.

Bei der Prüfung der Fluchtgefahr ist auch ein massives strafrechtliches Verhalten des Fremden in Bezug auf Gewalt- und Vermögensdelikte in Verbindung mit der wegen seiner Mittellosigkeit naheliegenden Wiederholungsgefahr einzubeziehen (VwGH 25.03.2010, 2009/21/0276). Der VwGH hat auch ausgesprochen, dass eine erhebliche Deliquenz des Fremden das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Effektivität einer baldigen Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 25.03.2010, 2009/21/0276).

Sie wurden bereits einmal im österreichischen Bundesgebiet rechtskräftig verurteilt. Die Verurteilung lautet wie folgt:

01) LG F.STRAFS.WIEN XXXX vom 14.07.2015 RK 18.07.2015

§ 15 StGB § 269 (1) StGB

§§ 127, 130 1. Fall StGB § 15 StGB

Datum der (letzten) Tat 19.06.2015

Freiheitsstrafe 9 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Vollzugsdatum 18.07.2015

zu LG F.STRAFS.WIEN XXXX RK 18.07.2015

(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig

Vollzugsdatum 18.07.2015

LG F.STRAFS.WIEN XXXX vom 15.03.2019

Einem geordneten Fremdenwesen kommt im Hinblick auf die öffentliche Ordnung und dem wirtschaftlichen Wohl des Staates ein hoher Stellenwert zu. Es besteht die Verpflichtung Österreichs, seinen europarechtlichen Vorgaben, als auch den Pflichten gegenüber seinen Staatsbürgern und anderen legal aufhältigen Personen nachzukommen.

Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft und ihrer Notwendigkeit ergibt daher in Ihrem Fall, dass Ihr privates Interesse an der Schonung Ihrer persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen hat.

Dabei wurde auch berücksichtigt, dass die Schubhaft eine ultima - ratio – Maßnahme darstellt. Es ist daher zu prüfen, ob die Anordnung gelinderer Mittel gleichermaßen zur Zweckerreichung dienlich wäre. In Betracht käme dabei das gelindere Mittel gem. § 77 FPG mit den dafür vorgesehenen Aufenthalts- und Meldepflichten bzw. der Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit. Dabei kommt die finanzielle Sicherheitsleistung aufgrund Ihrer finanziellen Situation schon von vornherein nicht in Betracht.

Doch auch was die Unterkunftsnahme in bestimmten Räumlichkeiten und die periodische Meldeverpflichtung betrifft, kann in Ihrem Fall damit nicht das Auslangen gefunden werden.

Sie missachteten die bestehenden fremdenpolizeilichen Vorschriften und trachten danach Ihren illegalen Aufenthalt in Österreich fortzusetzen.

Sie sind wissentlich illegal im Bundesgebiet verblieben. Es ist daher festzustellen, dass Sie nicht bereit sind behördlichen Auflagen Folge zu leisten und ist daher zu befürchten, dass Sie untertauchen und sich dem Verfahren zur Sicherung der Abschiebung entziehen werden. Zur Sicherung des Verfahrens musste diese Maßnahme getroffen werden.

Mit der Erlassung eines gelinderen Mittels kann in Ihren Fall nicht das Auslangen gefunden werden.

Wie oben ausführlich dargelegt, besteht in Ihrem Fall aufgrund Ihrer persönlichen Lebenssituation sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens ein beträchtliches Risiko des Untertauchens. Damit wäre jedoch der Zweck der Schubhaft, nämlich die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung, vereitelt. Es liegt somit eine ultima – ratio – Situation vor, die die Anordnung der Schubhaftverhängung unabdingbar erfordert und eine Verfahrensführung, während derer Sie sich in Freiheit befinden, ausschließt.(…)

Die Behörde gelangt daher zum Ergebnis, dass sowohl die gesetzlichen Formalerfordernisse vorliegen, als auch, dass die Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis steht und im Interesse des öffentlichen Wohls dringend erforderlich und geboten ist.“

Die Verwaltungsbehörde übermittelte am 10.03.2020 zum Zwecke der Überprüfung der Schubhaft im Sinne des § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verwaltungsakten womit "die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht gilt".

Mit E-Mail vom 10.03.2020 übermittelte das BFA folgende Stellungnahme:

„(…) Der erste Asylantrag wurde am 23.01.2015 von Herrn XXXX (BF) gestellt.

Der BF wurde am 18.07.2015 vom Landesgericht für Strafsachen Wien zur GZ: XXXX wegen §§ 15, 269 Abs. 1, 127, 130 1. Fall, 15 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 9 Monaten, unter einer Probezeit von 3 Jahren, rechtskräftig verurteilt.

Das Asylverfahren des BF wurde am 18.05.2018 gem. §§ 3 und 8 AsylG in 2. Instanz rechtskräftig negativ beschieden. Gleichzeitig wurde eine Rückkehrentscheidung mit einem 6-jährigen Einreiseverbot erlassen.

Am 23.05.2018 wurde ein Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates gestartet. Am 07.01.2019 stimmte die algerische Botschaft der Ausstellung eines Heimreisezertifikates zu, da der BF als algerischer Staatsbürger identifiziert wurde.

Es wurde ein Flug für 23.03.2019 nach Algerien gebucht. Am 21.03.2019 wurde versucht den BF aufgrund eines erlassenen Festnahmeauftrages zur Abschiebung an seiner damaligen Wohnadresse festzunehmen, jedoch konnte er an dieser Adresse nicht angetroffen werden und war auch sein Aufenthaltsort nicht bekannt.

Am 26.06.2019 wurde der BF in Untersuchungshaft in die JA-Wien Josefstadt eingeliefert.

Am 03.07.2019 wurde von ha. ein Festnahmeauftrag gem. § 34 Abs. 3 Z. 3 BFA-VG erlassen, damit dieser bei Entlassung aus der JA sofort vollzogen werden kann.

Am 04.11.2019 wurde der BF aus der Strafhaft entlassen und wurde somit, um 08:00 Uhr der Festnahmeauftrag vom 03.07.2019 vollzogen. Anschließend wurde der BF ins PAZ Hernalser Gürtel eingeliefert.

Am 04.11.2019, um 14:00 Uhr wurde der BF niederschriftlich einvernommen.

Am 04.11.2019, um 14:35 Uhr wurde dem BF der Schubhaftbescheid persönlich zugestellt.

Der BF ist am 06.11.2019 in Hungerstreik getreten. Am 19.11.2019 wurde einer Heilbehandlung gem. 78 Abs. 6 FPG zugestimmt, sollte diese notwendig sein. Am 10.12.2019 hat er den Hungerstreik beendet.

Am 09.12.2019, um 15:00 Uhr wurde dem BF die Information über die bevorstehende Abschiebung persönlich zugestellt.

Am 11.12.2019 stellte der BF einen neuerlichen Asylantrag und wurde dem BF am 12.12.2019, um 13:15 Uhr der Aktenvermerk gem. § 76 Abs. 6 FPG, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung in Schubhaft weiterhin vorliegen, persönlich zugestellt.

Am 17.12.2019 wurde mittels durchsetzbaren Mandatsbescheid gem. § 12a Abs. 4 AsylG entschieden, dass der faktische Abschiebeschutz nicht zuerkannt wird.

Es wurde ein Flug mit drei Eskorten für den 18.12.2019 nach Algerien gebucht. Am 18.12.2019 wurde der BF zum Flughafen verbracht. Die Eskorten sind mit dem BF ins Flugzeug eingestiegen und nachdem Platznehmen, hat der BF angefangen lautstark zu schimpfen und sich aggressiv zu verhalten. Aus diesem Grund hat der Pilot die Abschiebung abgebrochen und mussten der BF und die Eskorten aus dem Flugzeug wieder aussteigen. Der BF wurde wieder ins PAZ zurückgebracht.

Am 28.01.2020 wurde mittels Aktenvermerk gem. § 80 Abs. 6 FPG festgestellt, dass die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft weiterhin vorliegt.

Am 06.03.2020 wurde ein Flug nach Algerien gebucht. Es wird neuerlich am 04.04.2020 versucht den BF nach Algerien abzuschieben.

Der Sicherungsbedarf ist noch immer gegeben, da der BF jede Gelegenheit nützen wird, um sich dem Verfahren zur Sicherung der Abschiebung zu entziehen.

Die letzte Abschiebung wurde durch den Piloten abgebrochen, aufgrund des aggressives Verhaltens des BF.

Die Einhaltung von behördlichen Auflagen musste ausgeschlossen werden und konnte daher ein gelinderes Mittel nicht angewandt werden. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Risiko, dass die Partei untertaucht, um sich dem Verfahren zur Sicherung der Abschiebung nach Algerien zu entziehen, als schlüssig anzusehen ist, da der BF am 04.04.2020 nach Algerien abgeschoben wird. Der Sicherungsbedarf ist noch immer gegeben.

Die Regionaldirektion Wien ersucht das Bundesverwaltungsgericht um Feststellung, ob zum Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG (§ 22a Abs. 4 BFA-VG) die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.“

Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.03.2020, XXXX , und vom 16.04.2020, XXXX , stellten die zuständigen Einzelrichterinen unter jeweiligem Anschluss an die oben zitierte Begründung des Schubhaftbescheides gemäß §22a Abs. 4 BFA-VG idgF fest, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

Ergänzend wurde in beiden Entscheidungen festgehalten, dass zum jeweiligen Entscheidungszeitpunkt keine für die Freilassung des Beschwerdeführers sprechenden Umständen vorlägen.

Hervorgehoben wurde bereits im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.03.2020, XXXX , dass der BF hat bereits am 18.12.2019 die Überstellung nach Algerien vereitelt hatte.

Mit Schreiben vom 12.05.2020 legte die Verwaltungsbehörde den Schubhaftakt vor, gab eine mit dem obzitierten Bescheid übereinstimmende Stellungnahme ab und begehrte die weitere Fortsetzung der Schubhaft. Im Besonderen führte die Behörde nach Hervorhebung der Abschiebungsvereitelung „Es wurde ein Flug mit drei Eskorten für den 18.12.2019 nach Algerien gebucht. Am 18.12.2019 wurde der BF zum Flughafen verbracht. Die Eskorten sind mit dem BF ins Flugzeug eingestiegen und nachdem Platznehmen, hat der BF angefangen lautstark zu schimpfen und sich aggressiv zu verhalten. Aus diesem Grund hat der Pilot die Abschiebung abgebrochen und mussten der BF und die Eskorten aus dem Flugzeug wieder aussteigen. Der BF wurde wieder ins PAZ zurückgebracht.“ aus: „Der BF war von 18.04.2020 bis 03.05.2020 im Hungerstreik. Die Aufrechterhaltung der Schubhaft ist auch in der aktuellen Situation im Zusammenhang mit dem Corona-Virus (COVID-19) als verhältnismäßig einzustufen. Entsprechend der medialen Berichterstattung werden zwar aktuell die Reisebewegungen weltweit und aus Österreich vermehrt eingeschränkt. Jedoch handelt es sich bei den derzeitigen Restriktionen um zeitlich begrenzte Maßnahmen. Dies bedeutet, dass im vorliegenden Fall eine Abschiebung zwar vorübergehend nicht möglich ist, jedoch in den kommenden Wochen möglich sein wird.“

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Feststellungen:

Die von der Verwaltungsbehörde im obzitierten Bescheid getroffenen, vom Bundesverwaltungsgericht in den angeführten Erkenntnissen übernommenen und im Verfahrensgang dargestellten Feststellungen werden zum gegenständlichen Sachverhalt erhoben.

Ergänzend wird festgestellt:

Der Beschwerdeführer war vom 18.04.2020 bis 03.05.2020 – erneut – im Hungerstreik; erst als am 19.11.2019 einer Heilbehandlung gem. 78 Abs. 6 FPG zugestimmt wurde, sollte diese notwendig sein, beendete er am 10.12.2019 den ersten Hungerstreik.

Es sind (daher) auch aktuell keinerlei Umstände aufgetreten, die zu einem vom Bescheid der Verwaltungsbehörde und den Vorerkenntnissen abweichenden und für die Freilassung des Beschwerdeführers sprechenden Sachverhalt führen könnten, sodass die vom Beschwerdeführer zu verantwortende Schubhaft weiter fortzusetzen ist.

Beweiswürdigung:

Hinsichtlich der vom angeführten Bescheid (auch bereits in den angeführten Vorerkenntnissen) übernommenen Feststellungen ist auf die diesbezügliche zutreffende Beweiswürdigung zu verweisen.

Die ergänzende Feststellung, dass zwischenzeitlich keinerlei für den Beschwerdeführer sprechende Änderung des Sachverhaltes eingetreten ist. ergibt sich als logische Konsequenz daraus, wobei ergänzend der aktuell in der Zeit vom 18.04.2020 bis 03.05.2020 währende Hungerstreik, der erneut die mangelnde Kooperationsbereitschaft des Beschwerdeführers zeigt, hervorzuheben ist. Es ist dies bereits der zweite Hungerstreik.

Rechtliche Beurteilung (…)

Vor dem Hintergrund des aktuell unbestritten feststehenden Sachverhaltes, welcher bereits der angeführten Entscheidung der Verwaltungsbehörde sowie den Vorentscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes zugrunde gelegt wurde, waren, wie ausgeführt, auch keine zwischenzeitlich für den Beschwerdeführer sprechenden Änderungen auf Sachverhaltsebene zu konstatieren; es wird daher die rechtliche Beurteilung des Schubhaftbescheides zur rechtlichen Beurteilung erhoben. Nochmals ist auf die Straffälligkeit des Beschwerdeführers – rechtskräftige Verurteilung wegen §§ 15, 269 Abs. 1, 127, 130 1. Fall, 15 StGB – hinzuweisen.

Aufgrund der Verbesserung der COVID-19 Situation und damit verbunden mit hoher Wahrscheinlichkeit weiter einhergehenden Lockerung der Reisebeschränkungen ist daher auch mit einer zeitnahen Realisierung der Rückführung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat zu rechnen.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer mit der Vereitelung seiner Rückführung im Dezember 2019 hauptverantwortlich für die immer noch währende Anhaltung in Schubhaft zeichnet. Im Hinblick auf die gesetzlich mögliche Maximaldauer erweist sich daher die bisherige Anhaltung auch unter diesem Aspekt jedenfalls als verhältnismäßig. Es war daher die Fortsetzung der Schubhaft auszusprechen.“

Die Verwaltungsbehörde übermittelte am 08.06.2020 zum Zwecke der Überprüfung der Schubhaft im Sinne des § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verwaltungsakten womit "die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht gilt".

Mit E-Mail vom 08.06.2020 übermittelte das BFA folgende Stellungnahme:

„(…) Bisheriger Verfahrensgang:

Der Verfahrensgang zum Fremden ist unbestritten und hält er sich rechtswidrig im Bundesgebiet auf. Gegen den Fremden besteht eine durch das BVwG bereits bestätigte Rückkehrentscheidung, respektive Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes.

Die Anordnung von Schubhaft erweist sich daher als im Grunde zulässig.

Die ha. Behörde hat bisher alles versucht, um die Schubhaftdauer so kurz wie möglich zu halten – nach heutigem Stand ist damit zu rechnen, dass der Flugverkehr in das Heimatland des Fremden zumindest innerhalb einer solchen Zeitspanne wiederaufgenommen werden wird, dass die weitere Anhaltung im Lichte seiner Straffälligkeit jedenfalls verhältnismäßig erscheint. Laut Auskunft der Direktion des BFA ist mit einer Wiederaufnahme des internationalen Flugplanes der XXXX ab Mitte, spätestens Ende Juni 2020 zu rechnen.

Ein HRZ wurde bereits durch das alg. Konsulat ausgestellt (20.03.2020).

Der Fremde hatte am 06.06.2020 laut seinen Angaben um 6 Uhr einen Hunger-, und Durststreik begonnen, diesen laut Mitteilung der LPD jedoch bereits wieder am 08.06.2020 beendet.

Er ist weiterhin uneingeschränkt haftfähig.

Die Behörde beantragt daher im Wege der amtswegigen Schubhaftbeschwerde gem. §22a Abs. 1 und 3 BFA-VG den Fortsetzungsausspruch, dass die weitere Anhaltung des Fremden im Stande der Schubhaft den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit im Sinne des § 13 FPG entspricht.“


Das Bundesverwaltungsgericht hat von Amts wegen erwogen:

1. Feststellungen:

Die von der Verwaltungsbehörde im Bescheid getroffenen - vom Bundesverwaltungsgericht in den angeführten Erkenntnissen übernommenen und im Verfahrensgang dargestellten - Feststellungen werden zum gegenständlichen Sachverhalt erhoben; ebenso die von der Verwaltungsbehörde in ihrer Stellungnahme anlässlich der Aktenvorlage angeführten Ausführungen u. a. zum Heimreisezertifikat.

Auf der Tatsachenebene liegt keine Änderung - die Fluchtgefahr betreffend - vor. Der Beschwerdeführer war vom 06.06.2020 bis 08.06.2020 erneut im Hungerstreik.

Es sind auch aktuell keinerlei Umstände aufgetreten, die zu einem vom Bescheid der Verwaltungsbehörde und den Vorerkenntnissen abweichenden und für die Freilassung des Beschwerdeführers sprechenden Sachverhalt führen könnten.

Der BF ist haftfähig, es sind keine Umstände hervorgekommen, dass die weitere Inschubhaftnahme unverhältnismäßig wäre.

2. Beweiswürdigung:

Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen und die Haftfähigkeit des BF ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes. Hinsichtlich der vom angeführten Bescheid - auch bereits in den angeführten Vorerkenntnissen - übernommenen Feststellungen ist auf die diesbezügliche Beweiswürdigung zu verweisen. Die Feststellung, dass zwischenzeitlich keinerlei für den Beschwerdeführer sprechende Änderung des Sachverhaltes eingetreten ist ergibt sich als Konsequenz daraus, wobei ergänzend der aktuell in der Zeit vom 06.06.2020 bis 08.06.2020 erneut währende Hungerstreik - der erneut die mangelnde Kooperationsbereitschaft des Beschwerdeführers zeigt - hervorzuheben ist.

Im Besonderen ist hervorzuheben, dass die Behörde dargetan hat, dass durch das Algerische Konsulat bereits ein Heimreisezertifikat ausgestellt wurde und mit einer Wiederaufnahme des internationalen Flugplanes ab Mitte - spätestens Ende - Juni 2020 zu rechnen ist.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. – Fortsetzung der Schubhaft

Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG idgF die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

Gemäß § 76 Abs 1 FPG idgF können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

Die Schubhaft darf gemäß § 76 Abs 2 FPG idgF nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

§ 76 Abs. 3 FPG idgF lautet:

Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise - wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG - erreicht werden ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig.

§ 80 FPG idgF lautet:

(1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich
1.         drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;
2.         sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil
1.         die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2.         eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,
3.         der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder
4.         die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.


Zur Judikatur:

Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auf Art 1 Abs. 3 PersFrSchG 1988 hinzuweisen, aus dem sich das für alle Freiheitsentziehungen geltende Gebot der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit ergibt, deren Prüfung im Einzelfall eine entsprechende Interessenabwägung verlangt. Für die Schubhaft ergibt sich das im Übrigen auch noch aus der Wendung "... wenn dies notwendig ist, um ..." in Art 2 Abs. 1 Z 7 PersFrSchG 1988. Dementsprechend hat der VfGH - nachdem er bereits in seinem Erkenntnis vom 24.06.2006, B 362/06, die Verpflichtung der Behörden betont hatte, von der Anwendung der Schubhaft jedenfalls Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und verhältnismäßig ist - in seinem Erkenntnis vom 15.06.2007, B 1330/06 und B 1331/06, klargestellt, dass die Behörden in allen Fällen des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 unter Bedachtnahme auf das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit verpflichtet sind, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen. Der VwGH hat dazu beginnend mit dem Erkenntnis vom 30.08.2007, 2007/21/0043, mehrfach festgehalten, dass die Schubhaft auch dann, wenn sie auf einen der Tatbestände des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 gestützt werden soll, stets nur ultima ratio sein dürfe.“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann stets nur dann rechtens sein, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich infrage kommt. Die begründete Annahme, dass eine Aufenthaltsbeendigung erfolgen wird, ist dabei ausreichend. Dass die Effektuierung mit Gewissheit erfolgt, ist nicht erforderlich (vgl. dazu etwa VwGH 07.02.2008, Zl. 2006/21/0389; VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/21/0039). Steht hingegen von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Anderenfalls erwiese sich die Schubhaft nämlich als für die Erreichung des Haftzweckes (der Abschiebung) "nutzlos". Umgekehrt schadet es - wie sich aus den Verlängerungstatbeständen des § 80 FPG ergibt - nicht, wenn der ins Auge gefassten Abschiebung zeitlich befristete Hindernisse entgegenstehen. Den erwähnten Verlängerungstatbeständen liegt freilich zugrunde, dass die infrage kommenden Hindernisse längstens innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer beseitigt werden. Ist hingegen bereits bei Beginn der Schubhaft absehbar, dass das Abschiebehindernis nicht binnen dieser Frist zu beseitigen ist, so soll die Schubhaft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers von Anfang an nicht verhängt werden. Dasselbe gilt, wenn während der Anhaltung in Schubhaft Umstände eintreten, aus denen erkennbar ist, dass die Abschiebung nicht in der restlichen noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann. (vgl. VwGH 11.06.2013, Zl. 2013/21/0024, zum Erfordernis einer Prognosebeurteilung, ob die baldige Ausstellung eines Heimreisezertifikates trotz wiederholter Urgenzen durch das Bundesministerium für Inneres angesichts der Untätigkeit der Vertretungsbehörde des Herkunftsstaates zu erwarten ist; vgl. VwGH 18.12.2008, Zl. 2008/21/0582, zur rechtswidrigen Aufrechterhaltung der Schubhaft trotz eines ärztlichen Gutachtens, wonach ein neuerlicher Versuch einer Abschiebung des Fremden in den nächsten Monaten aus medizinischen Gründen nicht vorstellbar sei).

Aufgrund der zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, welche über die Viermonatsfrist gehen solle, vorzulegen. Dabei hat sie darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig wäre. Es ist Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen und hat sich im Rahmen dieser Überprüfung auch im Hinblick auf die vorzunehmende Zukunftsprognose für das Gericht ergeben, dass eine weitere Anhaltung weiter als verhältnismäßig angesehen werden kann.

Der Verwaltungsgerichthof führte in seiner Entscheidung vom 30.08.2018 (Ra 2018/21/0111) Folgendes aus: „In einem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG 2014 ergangenen Erkenntnis wird entsprechend dem Wortlaut der genannten Bestimmung (nur) ausgesprochen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. Diese Entscheidung stellt - ebenso wie ein Ausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG 2014 - einen neuen Hafttitel dar. Über vor oder nach der Entscheidung liegende Zeiträume wird damit nicht abgesprochen. Ein Erkenntnis nach § 22a Abs. 4 BFA-VG 2014 steht daher einer Beschwerde nach § 22a Abs. 1 BFA-VG 2014, mit der die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von vor oder nach der Erlassung des Erkenntnisses liegenden Haftzeiten begehrt wird, nicht entgegen.“

Aufgrund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z 1 FPG liegt weiterhin Fluchtgefahr vor und ist auch Sicherungsbedarf gegeben. Insbesondere zu berücksichtigen ist, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Die Schubhaft ist jedenfalls wegen Fluchtgefahr aufrechtzuerhalten, weil aus dem vergangenen und aktuellen Verhalten des Beschwerdeführers mit Sicherheit geschlossen werden kann, dass der Beschwerdeführer seine Abschiebung zu verhindern oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt. Es ist zu betonen, dass bei Kooperation des Beschwerdeführers die Anhaltung in Schubhaft schon früher hätte beendet werden können. Dass sie noch andauert - und damit nun auch von den Maßnahmen hinsichtlich der Covid-19-Pandemie betroffen war/ist - hat der Beschwerdeführer zu verantworten. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer mit der Vereitelung seiner mit 3 Eskorten begleiteten Abschiebung im Dezember 2019 hauptverantwortlich für die immer noch währende Anhaltung in Schubhaft zeichnet.

Der Beschwerdeführer hatte keine berücksichtigungswürdigen Umstände dargetan, wonach die Schonung seiner Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde. Die Schubhaft ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände und vor dem Hintergrund - dass durch das Algerische Konsulat bereits ein Heimreisezertifikat ausgestellt wurde und mit einer Wiederaufnahme des internationalen Flugplanes ab Mitte (spätestens Ende) Juni 2020 zu rechnen ist - auch verhältnismäßig.

In diesem Zusammenhang war auch die Straffälligkeit des Beschwerdeführers zu berücksichtigen und §76 Abs. 2a FPG anzuwenden: „(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.“

Das Verhalten des Beschwerdeführers in der Vergangenheit schließt auch die Anordnung gelinderer Mittel aus.

Die getroffenen Feststellungen und ihre rechtliche Würdigung lassen im Hinblick auf ihre Aktualität und ihres Zukunftsbezuges keine - die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft - ändernden Umstände erkennen.

Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.


Zu Spruchpunkt II. – Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie ausgeführt, sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebung Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft illegale Einreise Mittellosigkeit öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit strafrechtliche Verurteilung Untertauchen Vereitelung Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W140.2229403.4.00

Im RIS seit

01.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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