Entscheidungsdatum
06.09.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W208 2243046-2/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch Rechtsanwälte HÜBEL & PAYER, gegen den Bescheid der Zivildienstserviceagentur vom 02.08.2021, Zl. 5055505/23/ZD/0821, beschlossen:
A)
Der Bescheid wird gem. § 28 Abs 4 VwGVG aufgehoben und zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (BF) wurde mit Beschluss der Stellungskommission XXXX vom 09.06.2020 für den Wehrdienst als tauglich befunden.
2. Mit Bescheid der Zivildienstserviceagentur (ZISA) vom 14.12.2020 wurde der Eintritt seiner Zivildienstpflicht mit 19.11.2020 rechtskräftig festgestellt.
3. Mit Bescheid vom 29.04.2021 wurde er der „Rettungsstelle XXXX des Arbeiter-Samariterbundes Österreich“ für den Zuweisungszeitraum 01.07.2021 bis 31.03.2022 zur Dienstleistung zugewiesen. Diese Zuweisung wurde aufgrund einer Beschwerde – in der der BF ein ärztliches Attest vorlegte, dass ihm eine orhtost. Dysregulation bei Gegenwart von Blutprodukten attestierte und feststellte, dass er aufgrund dessen für den Rettungsdienst nicht geeignet sei, weil er kollabieren könnte – mit Beschwerdevorentscheidung vom 16.06.2021 abgeändert. Der BF wurde auf seinen Wunsch der Einrichtung „Haus für Senioren im XXXX “ für den Zeitraum von 01.07.2021 – 31.03.2022 zugewiesen.
4. In der Folge musste sich der BF jedoch einer Operation unterziehen und war von 01.07.2021 bis 24.07.2021 krankheitsbedingt vom Dienst abwesend, sodass er ab 25.07.2021 gemäß § 19a ZDG vorzeitig aus dem Dienst entlassen wurde.
5. Mit dem beschwerdegegenständlichen Bescheid (zugestellt am 04.08.2021) erließ die belangte Behörde ohne weiteres Ermittlungsverfahren und Einräumung eines Parteiengehörs den beschwerdegegenständlichen Zuweisungsbescheid. Darin wurde der BF dem „ XXXX Seniorenwohnanlage“ zur Dienstleistung von 01.12.2021 bis 07.08.2022 zugewiesen.
Die Begründung beschränkt sich im Wesentlichen auf die Feststellung, dass der BF eine Restdienstzeit vom 250 Tagen abzuleisten habe und er schon einmal zugewiesen worden war.
4. Mit Schriftsatz vom 20.08.2021 brachte der – durch einen Rechtsanwalt vertretene - BF eine Beschwerde gegen den oa Bescheid ein und brachte zusammengefasst vor, dass er beabsichtige ein Studium zu beginnen und mittlerweile eine „Wunschanforderung“ seitens der Hilfswerk XXXX Seniorenheime GmbH vorliege, wo er bereits am 01.10.2021 seinen restlichen Zivildienst ableisten könne (beigelegt war das entsprechende Anforderungsformular, datiert mit 09.08.2021).
10. Mit Schriftsatz vom 01.09.2020 legte die belangte Behörde – ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen – die Beschwerde und den dazugehörigen Verwaltungsakt dem BVwG zur Entscheidung vor (eingelangt 03.09.2021). Sie merkte dabei an, dass der BF – bereits zum zweiten Mal – erst nach Zustellung des Zuweisungsbescheides eine Anforderung einer Zivildiensteinrichtung vorgelegt habe und diese aufgrund des bereits erlassenen Zuweisungsbescheides nicht berücksichtigt werden konnte.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Aufgrund des oa Verfahrensganges sowie des vorgelegten Verwaltungsaktes steht fest, dass die belangte Behörde vor Erlassung des angefochtenen weiteren Zuweisungsbescheides kein Ermittlungsverfahren geführt und dem BF kein Parteiengehör zum von ihr beabsichtigten Zuweisungsdatum eingeräumt hat. Aus diesem Grund hatte sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung keine Kenntnis von dem Zuweisungswunsch bzw der Anforderung des Hilfswerkes zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt.
Es steht nicht fest, ob eine um zwei Monate frühere Zuweisung möglich ist bzw der Wunsch des Rechtsträgers nach Maßgabe der – derzeit nicht bekannten – zivildienstlichen Erfordernisse berücksichtigt werden kann.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die Feststellungen konnten unmittelbar aufgrund der Aktenlage getroffen werden und sind unstrittig.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zulässigkeit und Verfahren
Gemäß § 2a Abs 4 ZDG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) über Beschwerden gegen Bescheide der Zivildienstserviceagentur. Die Beschwerde wurde fristgerecht eingebracht und ist auch sonst kein Anhaltspunkt für eine Unzulässigkeit erkennbar.
Die Einzelrichterzuständigkeit ergibt sich aus § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), wonach das BVwG durch Einzelrichter entscheidet, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit erheblicher Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).
Nach § 28 Abs 4 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Behörde bei ihrer Entscheidung Ermessen zu üben hat und es nicht gemäß Abs 2 in der Sache zu entscheiden hat und wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, den Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu ua festgestellt:
Wenn sich die behördliche Ermessensübung im Ergebnis als nicht im Sinne des Gesetzes erfolgt erweist - was insb auch der Fall wäre, wenn die für die Übung des Ermessens maßgeblichen Umstände nicht frei von Verfahrensmängeln oder unvollständig festgestellt wurden - wäre das VwG befugt, bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Entscheidung in der Sache selbst (§ 28 Abs 2 VwGVG), gegebenenfalls nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens eigenes Ermessen zu üben. Bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen für eine Entscheidung in der Sache selbst wäre nach § 28 Abs 4 VwGVG vorzugehen (VwGH 01.03. 2016, Ro 2015/11/0106).
Wenn das Verwaltungsgericht in der Sache selbst entscheidet, hat seine Entscheidung an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszurichten. Gleiches gilt auch für den Fall, dass ein Verwaltungsgericht nicht in der Sache selbst entscheidet, zumal andernfalls die für einen solchen Fall angeordnete Bindung der Verwaltungsbehörde an die Begründung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung konterkariert würde (vgl § 28 VwGVG, insbesondere Abs 3 und 4; VwGH 21.10.2014, Ro 2014/03/0076).
Zu A)
3.2. Gesetzliche Grundlagen
Die Bestimmungen des Zivildienstgesetztes (ZDG) lauten (Kürzungen auf das Wesentliche und Hervorhebungen durch BVwG):
„§ 8 (1) Der Zivildienstpflichtige ist von der Zivildienstserviceagentur einer gemäß § 4 anerkannten Einrichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes durch Bescheid zuzuweisen. Hierbei ist die Zivildienstserviceagentur ermächtigt, soweit Erfordernisse im Bereich des Rettungswesens, der Sozial- und Behindertenhilfe und der Katastrophenhilfe dies notwendig machen, an Einrichtungen aus diesen Bereichen bevorzugt zuzuweisen.
(2) Zivildienstpflichtige, die zum ordentlichen Zivildienst zugewiesen werden sollen, haben einen Anspruch darauf, dass der Zuweisungsbescheid von der Zivildienstserviceagentur spätestens sechs Wochen vor dem Tag des vorgesehenen Dienstantrittes genehmigt wird, es sei denn, die Einhaltung dieser Frist wäre nicht mit dem Zweck des Einsatzes vereinbar. Der Bescheid ist unverzüglich mit Zustellnachweis zuzustellen. Die Genehmigung des Zuweisungsbescheides durch die Zivildienstserviceagentur ist bis zu drei Werktage vor dem Tag des vorgesehenen Dienstantritts zulässig, sofern der Zivildienstpflichtige zugestimmt hat und mit der Auszahlung der ihm für den ersten Monat der Dienstleistung gebührenden Pauschalvergütung an dem dem Dienstantritt folgenden Monatsersten einverstanden ist.
(3) Außer in den Fällen des § 4 Abs. 1 Z 2 dürfen Zivildienstpflichtige der Einrichtung in keiner größeren Anzahl zugewiesen werden, als der Rechtsträger durch Bedarfsanmeldung beantragt. Handelt es sich bei dem Rechtsträger um eine Gemeinde, so fällt die Antragstellung in deren eigenen Wirkungsbereich. Die Zivildienstserviceagentur hat den Rechtsträger aufzufordern, innerhalb eines Monats den gesamten Jahresbedarf für das nächstfolgende Jahr bekannt zu geben. Der Rechtsträger kann einen Wunsch auf Zuweisung bestimmter Zivildienstpflichtiger äußern. Dieser Wunsch ist nach Maßgabe der Erfordernisse des Zivildienstes zu berücksichtigen. Teilt ein Rechtsträger der Zivildienstserviceagentur mit, dass er bis auf weiteres während des gesamten Jahres mindestens zwei Drittel der vom Landeshauptmann zugelassenen Zivildienstplätze besetzt haben möchte, so hat die Zivildienstserviceagentur entsprechende Zuweisungen vorzunehmen, soweit nicht Erfordernisse des Zivildienstes entgegenstehen. Während der Geltungsdauer dieser Mitteilung bedarf es keiner weiteren Bedarfsanmeldung durch den Rechtsträger.
[…]
§ 10 (3) Die Zivildienstserviceagentur hat Zivildienstpflichtige, die für eine weiterführende Ausbildung, etwa ein Universitätsstudium, in Betracht kommen, möglichst innerhalb von sechs Monaten nach Wirksamwerden der Zivildiensterklärung zum ordentlichen Zivildienst zuzuweisen.
§ 19a (1) Dienstunfähig ist, wer geistig oder körperlich zu jedem Zivildienst unfähig ist.
(2) Zivildienstleistende, die insgesamt 24 Kalendertage aus gesundheitlichen Gründen dienstunfähig sind, gelten mit Ablauf des 24. Kalendertages der Dienstunfähigkeit als vorzeitig aus dem Zivildienst entlassen. Die Zivildienstserviceagentur kann in diesen Fällen eine Untersuchung durch den Amtsarzt veranlassen. Auf Antrag hat die Zivildienstserviceagentur den Zeitpunkt der Entlassung festzustellen.
(3) Ist die angeführte Dienstunfähigkeit nachweislich auf eine Gesundheitsschädigung infolge des Zivildienstes zurückzuführen, so ist dieser Zeitraum nicht in die Summe gemäß Abs. 2 einzurechnen, es sei denn, der betroffene Zivildienstleistende ist damit einverstanden.
(4) Für die verbleibende Dienstzeit hat nach Wegfall des Entlassungsgrundes sobald wie möglich eine weitere Zuweisung zu erfolgen.
(5) Zivildienstpflichtige, die aus dem Zivildienst vorzeitig entlassen worden sind, haben den Wegfall der Voraussetzungen für die vorzeitige Entlassung unverzüglich der Zivildienstserviceagentur mitzuteilen.
§ 20 In den Verfahren nach diesem Abschnitt [ gemeint III] kommt dem Zivildienstpflichtigen Parteistellung zu. Der jeweilige Rechtsträger ist über die Zuweisung und andere behördliche Entscheidungen nach diesem Abschnitt zu informieren.
3.3. Beurteilung des konkreten Sachverhaltes
Im vorliegenden Beschwerdefall hatte die belangte Behörde aufgrund der Nichtdurchführung eines Ermittlungsverfahrens und der Nichteinräumung eines Parteiengehörs (§ 20 ZDG) nach der Genesung des BF, keine Kenntnis davon, dass sowohl ein Wunsch eines Rechtsträgers auf Zuweisung des BF iSd § 8 Abs 3 ZDG vorlag als auch des BF, der es ermöglicht hätte, den BF früher als am 01.12.2021 neuerlich zuzuweisen und damit dem § 19a Abs 4 ZDG Rechnung zu tragen.
Die belangte Behörde hatte daher keine ausreichenden Grundlagen zur Ausübung ihres diesbezüglich iSd § 19a Abs 4 ZDG eingeräumten Ermessens bezüglich einer raschen neuerlichen Zuweisung.
Mangels Kenntnis des BVwG von den konkreten Erfordernissen des Zivildienstes für eine Zuweisung zu einem der genannten Zeitpunkte bzw nachvollziehbarer Darlegung in der Beschwerdevorlage, ist derzeit offen, ob allfällige Erfordernisse des Zivildienstes iSd § 8 Abs 3 ZDG, einer rascheren Zuweisung zur gewünschten Einrichtung und zum gewünschten Datum entgegenstehen oder ob bei gesetzeskonformer Ausübung des Ermessens beim Vorliegen der nunmehrigen Sachlage auch eine Zuweisung erst am 01.12.2021 zu der von der Behörde festgelegten Einrichtung rechtskonform wäre.
Die Vornahme der notwendigen Ermittlungen durch das BVwG zu den konkreten Erfordernissen des Zivildienstes, die einer Zuweisung zur vom BF gewünschten Einrichtung am 01.10.2021 entgegenstehen oder diese ermöglichen, verbietet sich unter Effizienzgesichtspunkten, weil dafür eine Verhandlung anzusetzen wäre, deren organisatorische Durchführung bis zum 01.10.2021 (dem gewünschten Zuweisungstermin) nicht möglich ist. Die belangte Behörde kann aufgrund ihrer Fachkenntnis sowie der höheren Kosten in einem Mehrparteienverfahren vor dem BVwG (Kostentragung für Beteiligte, Zeugen, etc) wesentlich rascher und kostengünstiger die notwendigen Feststellungen nachholen und zu einer sachgerechten und nachvollziehbar begründeten Ermessensentscheidung gelangen, als das BVwG.
Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 Abs 4 VwGVG ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Auf die zitierte ständige Judikatur des VwGH wird verwiesen.
Schlagworte
Ermessensübung Ermittlungspflicht Ermittlungsverfahren Kassation ordentlicher Zivildienst Parteiengehör ZuweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:2243046.2.00Im RIS seit
01.10.2021Zuletzt aktualisiert am
01.10.2021