TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/13 W136 2199604-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.04.2021
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Entscheidungsdatum

13.04.2021

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W136 2199604-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.05.2018, Zl. 1112567106-160578568, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.11.2020, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der damals noch minderjährige Beschwerdeführer stellte am 24.04.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen an, dass die Lage in Kunduz in letzter Zeit sehr schlimm sei und dass die Taliban alles im Griff hätten. Sie würden sehr viele Menschen umbringen bzw. köpfen und brutal ermorden, besonders Schiiten. Ihre Schule habe schließen müssen, weil es zu gefährlich gewesen sei. Weil sie Schiiten seien, habe ihre Familie schließlich beschlossen, dass er und sein Bruder Afghanistan verlassen. Außerdem sei ihr Onkel auch schon in Österreich. Bei einer Rückkehr habe er Angst vor den Taliban, weil diese Schiiten umbringen.

Am 16.05.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Dabei brachte er zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen vor, dass die Sicherheitslage in Kunduz sehr schlecht sei und dass viele Menschen umgebracht bzw. geköpft und ermordet würden. Die Stadt sei unter der Kontrolle der Taliban. Sie seien Schiiten und viele Angehörige ihrer Familie seien umgebracht worden, z.B. seine Cousine. Dann habe ihre Schule schließen müssen, weil es zu gefährlich gewesen sei. Seine Eltern seien auch bedroht worden. Deswegen seien er und sein Bruder ausgereist. Befragt, verneinte er, in Afghanistan persönlich verfolgt oder bedroht worden zu sein. Zu seinen Rückkehrbefürchtungen teilte er mit, dass er in Kabul niemanden haben würde und auf der Straße schlafen bzw. Hunger leiden müsste.

Mit Schreiben vom 22.05.2018 wurde zu den Länderinformationen des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl eine Stellungnahme abgegeben. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Eltern des Beschwerdeführers und seines Bruders wegen ihrer beruflichen Tätigkeit als Arzt bzw. Lehrerin bedroht worden seien. Um die damals Minderjährigen nicht zu beunruhigen, hätten ihnen die Eltern keine genaueren Details zu den Bedrohungen erzählt. Die Sicherheitslage in der Heimatprovinz Kunduz sei nach wie vor sehr schlecht. Da der Kontakt zur Familie im Herbst 2016 abgerissen sei, wüssten der Beschwerdeführer und sein Bruder nichts über den weiteren Verbleib bzw. das Wohlbefinden ihrer Angehörigen in der Heimat. Anschließend folgen Ausführungen zur Integration im Bundesgebiet, zur Sicherheitslage bzw. zu den Aktivitäten der Taliban in der Heimatprovinz Kunduz und zur besonderen Vulnerabilität aufgrund der Zugehörigkeit zur Minderheit der Queselbash bzw. zum Umstand, dass der Beschwerdeführer und sein Bruder bei einer Rückkehr in die Heimat mangels Kontakts zu ihren Angehörigen alleinstehende Minderjährige wären. Schließlich wird darauf hingewiesen, dass sie in einem liberalen Elternhaus aufgewachsen seien und mittlerweile eine westliche Lebensweise angenommen hätten.

Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.05.2018, am 30.05.2018 der gesetzlichen Vertretung zugestellt, wurde der Antrag des minderjährigen Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 29.05.2019 erteilt (Spruchpunkt III.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf umfassende herkunftsstaatsbezogene Feststellungen zur allgemeinen Lage in Afghanistan, stellte die Identität des Beschwerdeführers nicht fest und begründete im angefochtenen Bescheid die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die Angaben des Beschwerdeführers den Voraussetzungen für die Glaubhaftmachung einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr nicht entsprochen hätten. Er habe eine persönliche Bedrohung oder Verfolgung iSd. GfK weder in der Erstbefragung noch in der Einvernahme vor dem BFA vorgebracht und auch keine Sanktionen oder Bedrohungen von staatlicher Seite angeführt. Auch in der Schilderung seiner Rückkehrbefürchtungen habe er lediglich wirtschaftliche Gründe angegeben. Die eingebrachte Stellungnahme habe dem gewürdigten Sachverhalt und den vorliegenden Länderfeststellungen nicht substantiiert entgegentreten können und sei den darin geäußerten Befürchtungen zudem mit der Gewährung von subsidiärem Schutz Rechnung getragen worden.

Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 28.05.2018 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

Gegen Spruchpunkt I. des oben genannten Bescheides wurde fristgerecht eine Beschwerde erhoben, welche am 27.06.2018 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte. In dieser wurde im Zuge einer Wiederholung des Sachverhalts bzw. seines bisherigen Fluchtvorbringens im Wesentlichen ausgeführt, dass die Behörde es unterlassen habe, den Beschwerdeführer nach dem Grund der Verfolgung seiner Familie durch die Taliban zu fragen. Andernfalls wäre sie zum Schluss gekommen, dass die Tätigkeit seiner Eltern als Staatsbedienstete der Grund dafür sei. Ferner habe die Behörde es trotz seines mehrjährigen Aufenthalts verabsäumt, Ermittlungen bezüglich einer etwaigen vorliegenden westlichen Orientierung des Beschwerdeführers anzustellen. Er würde im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan zwangsläufig in Konflikt mit den dort herrschenden gesellschaftlichen und religiösen Werten geraten. Weiters seien die von der Behörde zu Grunde gelegten Länderberichte nicht geeignet, das Vorbringen des Beschwerdeführers abschließend und umfassend beurteilen zu können. Sie würde sich größtenteils auf unvollständige, teilweise veraltete Länderberichte stützen bzw. ihre eigenen Berichte nur unvollständig auswerten und hätte Berichte zum Vorbringen des Beschwerdeführers einholen müssen. Dabei werden insbesondere die UNHCR-Risikoprofile und weitere internationale Berichte auszugsweise angeführt. Aus einer Anfragebeantwortung vom 30.08.2017 und anderen Berichten würde insbesondere hervorgehen, dass Familienangehörige von Personen, denen von den Taliban Unterstützung der Regierung vorgeworfen würde, wegen Sippenhaft u.a. unter Einsatz von Drohbriefen verfolgt worden seien. Laut einer Stellungnahme von Amnesty International vom 08.01.2018 seien etwa Familienangehörige von Lehrerinnen bedroht und getötet worden bzw. Rückkehrer, die wie der Beschwerdeführer längere Zeit in einem westlichen Land verbracht haben, in Afghanistan einem erhöhten Risiko von Verfolgung und Diskriminierung ausgesetzt (vgl. Amnesty International vom 08.01. und 05.02.2018, ACCORD Anfragebeantwortung vom 01.06.2017). Außerdem werden Berichte zur Situation von Rückkehrern, insbesondere aus Europa, und wird vor allem auch das Gutachten von Friederike Stahlmann vom 28.03.2018 mit einer umfassenden Darstellung der Sicherheitslage in Afghanistan zitiert und teilweise angeführt. Abgesehen davon habe die Behörde laut ihrer Beweiswürdigung beim Beschwerdeführer keine asylrelevanten Fluchtgründe feststellen können, ohne sich überhaupt ausreichend mit seinem Fluchtvorbringen auseinandergesetzt zu haben. Es wäre dabei jedenfalls zu berücksichtigen gewesen, dass er als unbegleiteter Minderjähriger über länger zurückliegende Ereignisse berichtet hat, die er in kindlichem Alter erlebt habe, weshalb ihm eine mangelnde Detailliertheit oder geringfügige Widersprüche nicht negativ anzulasten wären. Bei entsprechender Nachfrage hätte die Behörde festgestellt, dass die vorgebrachte Verfolgung seiner Familie durch die Taliban vor allem aufgrund der Tätigkeit seiner Mutter als Lehrerin in einer öffentlichen Schule und seines Vaters als Arzt in einem öffentlichen Krankenhaus gegeben sei. Darüber hinaus würde dem Beschwerdeführer aufgrund seiner westlichen Orientierung und seines dementsprechenden Verhaltens in Afghanistan auch ein Verstoß gegen die Scharia vorgeworfen werden. Dass sich die Verfolgungshandlungen gegenüber seiner Person vor der Ausreise noch nicht weiter konkretisiert hätten, sei nicht entscheidungsrelevant, zumal sich die Verfolgungsgefahr nicht auf vergangene Ereignisse beziehen, sondern eine Prognose erfordern würde. Da die Bedrohung für den Beschwerdeführer in ganz Afghanistan bestehen würde und der afghanische Staat zudem nicht in der Lage oder gewillt sei, ihn vor dieser Verfolgung zu schützen, wäre dem Beschwerdeführer somit internationaler Schutz zu gewähren gewesen. Abschließend wird mit näherer Begründung die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht beantragt.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am 29.06.2018 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

Mit Schreiben vom 28.10.2020 wurden der Beschwerdeführer und das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 26.11.2020 geladen.

Mit Schreiben vom 25.11.2020 wurde seitens des Beschwerdeführers erneut eine Stellungnahme abgegeben. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, dass das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation die Präsenz der Taliban in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers bestätigen und damit für die Glaubwürdigkeit seines Vorbringens sprechen würde. Er würde in seiner Heimatprovinz aufgrund der Tätigkeit seiner Mutter als Lehrerin und seines Vaters als Arzt Verfolgung von Seiten der Taliban befürchten. Er sei den Extremisten nämlich bekannt, da Mitglieder der Taliban bereits bei seiner Familie zu Hause gewesen seien und die Familie bedroht hätten. Es müsste daher davon ausgegangen werden, dass die Taliban dem Beschwerdeführer aufgrund der Familienzugehörigkeit zu seinen Eltern eine gewisse politische, Taliban-feindliche Gesinnung unterstellen.

Am 26.11.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Dari mit der beschwerdeführenden Partei und deren Vertretung eine mündliche Verhandlung durch, bei der die beschwerdeführende Partei im Detail zu ihren Fluchtgründen befragt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

Auf Grundlage des Antrages auf internationalen Schutz vom 24.04.2016, der Einvernahmen des Beschwerdeführers durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Stellungnahmen vom 22.05.2018 und vom 25.11.2020, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 26.11.2020, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten, werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zur Person und zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger schiitischen Glaubens und gehört der Volksgruppe der Qezelbash an. Mittlerweile ist er offenbar ohne Bekenntnis. Er stammt aus XXXX , in der Provinz Kunduz. Seine Muttersprache ist Dari.

Er ist ledig, kinderlos, arbeitsfähig und leidet an keinen schweren bzw. lebensbedrohlichen Erkrankungen. Bei seiner Ausreise lebten in seiner Heimat zumindest noch seine Eltern mit zwei jüngeren Brüdern und einer Schwester. Seit Herbst 2016 besteht nach den Angaben des Beschwerdeführers kein Kontakt mehr.

Der Beschwerdeführer stellte am 24.04.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er vor der belangten Behörde im Wesentlichen damit begründet, dass die Taliban in seiner Heimatprovinz alles im Griff hätten und sehr viele Menschen umbringen bzw. köpfen und brutal ermorden würden, insbesondere Schiiten. Außerdem habe ihre Schule schließen müssen, weil es zu gefährlich gewesen sei. Wegen der Zugehörigkeit zur schiitischen Glaubensgemeinschaft seien viele Angehörige seiner Familie umgebracht worden, so etwa auch seine Cousine. Weil sie Schiiten seien, bzw. seine Eltern auch bedroht worden seien, habe die Familie letztlich beschlossen, dass er und sein Bruder Afghanistan verlassen. Persönlich sei er in Afghanistan nicht verfolgt oder bedroht worden. Dieses Vorbringen ist nicht geeignet eine unmittelbare persönliche Bedrohung oder Verfolgung des Beschwerdeführers aus asylrelevanten Gründen nahezulegen.

Es kann daher nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in Afghanistan Verfolgung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf Grund seiner ethnischen, religiösen, staatsbürgerlichen oder Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe bzw. wegen seiner politischen Gesinnung durch den afghanischen Staat bzw. durch den jeweiligen Machthaber (insbesondere durch Angehörige der Taliban) im Herkunftsgebiet droht.

Insgesamt kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer einer konkreten Verfolgung oder Bedrohung in Afghanistan ausgesetzt ist oder eine solche, im Falle seiner Rückkehr bzw. Einreise, zu befürchten hätte.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, am 01.04.2021 generiert, wird auszugsweise wie folgt angeführt:

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 25.03.2021

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 17.3.2020). Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die Provinzhauptstädte, die meisten Distriktzentren und die meisten Teile der wichtigsten Transitrouten. Mehrere Teile der wichtigsten Transitrouten sind umkämpft, wodurch Distriktzentren bedroht sind. Seit Februar 2020 haben die Taliban ein hohes Maß an Gewalt gegen die ANDSF (Afghan National Defense Security Forces) aufrechterhalten, vermeiden aber gleichzeitig Angriffe gegen Koalitionstruppen, welche in der Nähe von Provinzhauptstädten stationiert sind - wahrscheinlich um das US-Taliban-Abkommen nicht zu gefährden. Unabhängig davon begann IS/ISKP im Februar 2020 (zum ersten Mal seit dem Verlust seiner Hochburg in der Provinz Nangarhar im November 2019) Terroranschläge gegen die ANDSF und die Koalitionstruppen durchzuführen (USDOD 1.7.2020). Die Zahl der Angriffe der Taliban auf staatliche Sicherheitskräfte entsprach im Jahr 2020 dem Niveau der Frühjahrsoffensiven der vergangenen Jahre, auch wenn die Offensive dieses Jahr bisher nicht offiziell erklärt wurde (AA 16.7.2020; vgl. REU 6.10.2020).

Die Umsetzung des US-Taliban-Abkommens, angefochtene Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen, regionale politische Spannungen zwischen den Vereinigten Staaten und dem Iran, Diskussionen über die Freilassung von Gefangenen, Krieg und die globale Gesundheitskrise COVID-19 haben laut dem Combined Security Transition Command-Afghanistan (CSTC-A) das zweite Quartal 2020 für die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) zum „vielleicht komplexesten und herausforderndsten Zeitraum der letzten zwei Jahrzehnte“ gemacht (SIGAR 30.7.2020).

Der Konflikt in Afghanistan befindet sich nach wie vor in einer „strategischen Pattsituation“, die nur durch Verhandlungen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban gelöst werden kann (SIGAR 30.1.2020). Die afghanische Regierung führte zum ersten Mal persönliche Gespräche mit den Taliban, inhaltlich wurde über den Austausch tausender Gefangener verhandelt (BBC 1.4.2020). Diese Gespräche sind ein erster Schritt Richtung inner-afghanischer Verhandlungen, welche Teil eines zwischen Taliban und US-Amerikanern unterzeichneten Abkommens sind (TD 2.4.2020). Die Gespräche fanden vor dem Hintergrund anhaltender Gewalt im Land statt (BBC 1.4.2020; vgl. HRW 13.1.2021), was den afghanischen Friedensprozess gefährden könnte (SIGAR 30.1.2021).

Die Sicherheitslage im Jahr 2020

Vom 1.1.2020 bis zum 31.12.2020 verzeichnete UNAMA die niedrigste Zahl ziviler Opfer seit 2013 (UNAMA 2.2021). Laut AAN (Afghanistan Analysts Network) war 2020 in Afghanistan genauso gewalttätig wie 2019, trotz des Friedensprozesses und der COVID-19-Pandemie. Seit dem Abkommen zwischen den Taliban und den USA vom 29. Februar haben sich jedoch die Muster und die Art der Gewalt verändert. Das US-Militär spielt jetzt nur noch eine minimale direkte Rolle in dem Konflikt, so dass es sich fast ausschließlich um einen afghanischen Krieg handelt, in dem sich Landsleute gegenseitig bekämpfen, wenn auch mit erheblicher ausländischer Unterstützung für beide Seiten. Seit der Vereinbarung vom 29.2.2020 haben die Taliban und die afghanische Regierung ihre Aktionen eher heruntergespielt als übertrieben, und die USA haben die Veröffentlichung von Daten zu Luftangriffen eingestellt (AAN 16.8.2020).

Die Taliban starteten wie üblich eine Frühjahrsoffensive, wenn auch unangekündigt, und verursachten in den ersten sechs Monaten des Jahres 2020 43 Prozent aller zivilen Opfer, ein größerer Anteil als 2019 und auch mehr in absoluten Zahlen (AAN 16.8.2020). Afghanistans National Security Council (NSC) zufolge nahmen die Talibanattacken im Juni 2020 deutlich zu. Gemäß NATO Resolute Support (RS) nahm die Anzahl an zivilen Opfern im zweiten Quartal 2020 um fast 60% gegenüber dem ersten Quartal und um 18% gegenüber dem zweiten Quartal des Vorjahres zu (SIGAR 30.7.2020). Während im Jahr 2020 Angriffe der Taliban auf größere Städte und Luftangriffe der US-Streitkräfte zurückgingen, wurden von den Taliban durch improvisierte Sprengsätze (IEDs) eine große Zahl von Zivilisten getötet, ebenso wie durch Luftangriffe der afghanischen Regierung. Entführungen und gezielte Tötungen von Politikern, Regierungsmitarbeitern und anderen Zivilisten, viele davon durch die Taliban, nahmen zu (HRW 13.1.2021; vgl. AAN 16.8.2020).

In der zweiten Jahreshälfte 2020 nahmen insbesondere die gezielten Tötungen von Personen des öffentlichen Lebens (Journalisten, Menschenrechtler usw.) zu. Personen, die offen für ein modernes und liberales Afghanistan einstehen, werden derzeit landesweit vermehrt Opfer von gezielten Attentaten (AA 14.1.2021, vgl. AIHRC 28.1.2021).

Obwohl sich die territoriale Kontrolle kaum verändert hat, scheint es eine geografische Verschiebung gegeben zu haben, mit mehr Gewalt im Norden und Westen und weniger in einigen südlichen Provinzen, wie Helmand (AAN 16.8.2020).

Kabul

Letzte Änderung: 25.03.2021

Die Provinz Kabul liegt im Zentrum Afghanistans (PAJ Kabul o.D.) und grenzt an Parwan und Kapisa im Norden, Laghman im Osten, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden sowie Wardak im Westen. Provinzhauptstadt ist Kabul-Stadt (NPS Kabul o.D.). Die Provinz besteht aus den folgenden Distrikten: Bagrami, Chahar Asyab, Dehsabz, Estalef, Farza, Guldara, Kabul, Kalakan, Khak-e-Jabar, Mir Bacha Kot, Musahi, Paghman, Qara Bagh, Shakar Dara und Surubi/Surobi/Sarobi (NSIA 1.6.2020; vgl. IEC Kabul 2019). Die National Statistics and Information Authority of Afghanistan (NSIA) schätzt die Bevölkerung in Kabul im Zeitraum 2020-21 auf 4.459.463 Personen (NSIA 1.6.2020).

Kabul-Stadt - Geographie und Demographie

Kabul-Stadt ist die Hauptstadt Afghanistans und auch ein Distrikt in der Provinz Kabul. Es ist die bevölkerungsreichste Stadt Afghanistans, mit einer geschätzten Einwohnerzahl von 4.434.550 Personen für den Zeitraum 2020-21 (NSIA 1.6.2020). Die genaue Bevölkerungszahl ist jedoch umstritten, und Schätzungen reichen von 3,5 Millionen bis zu möglichen 6,5 Millionen Einwohnern (AAN 19.3.2019; vgl. IGC 13.2.2020). Laut einem Bericht expandierte die Stadt, die vor 2001 zwölf Stadtteile - auch Police Distrikts (USIP 4.2017), PDs oder Nahia genannt (AAN 19.3.2019) - zählte, aufgrund ihres signifikanten demographischen Wachstums und ihrer horizontalen Expansion auf 22 PDs (USIP 4.2017). Die Bevölkerung besteht aus Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus (PAJ Kabul o.D.; vgl. NPS Kabul o.D.).

Hauptstraßen verbinden die afghanische Hauptstadt mit dem Rest des Landes (UNOCHA 4.2014), inklusive der Ring Road (Highway 1), welche die fünf größten Städte Afghanistans - Kabul, Herat, Mazar-e Sharif, Kandarhar und Jalalabad - miteinander verbindet (USAID o.D.).

Der Highway zwischen Kabul und Kandarhar gilt als unsicher (TN 7.7.2020a). Aufständische sind auf dem Highway aktiv (UNGASC 28.2.2019; vgl. UNOCHA 23.2.2020) und kontrollieren Teile der Straße und es wurde von Straßenblockaden und Checkpoints durch Aufständische berichtet, die sich gegen Regierungsmitglieder und Sicherheitskräfte richten (LI 22.1.2020; vgl. EASO 9.2020).

Der Kabul-Jalalabad-Highway ist eine wichtige Handelsroute, die oft als „eine der gefährlichsten Straßen der Welt“ gilt (was sich auf die zahlreichen Verkehrsunfälle bezieht, die sich auf dieser Straße ereignet haben) und durch Gebiete führt, in denen Aufständische aktiv sind (TD 13.12.2015; vgl. EASO 9.2020).

Es wird berichtet, dass 20 Kilometer der Kabul-Bamyan-Autobahn, welche die Region Hazarajat mit der Hauptstadt verbindet, unter der Kontrolle der Taliban stehen (AAN 16.12.2019) und Reisenden zufolge haben die sicherheitsrelevanten Vorfälle auf der Autobahn, die Kabul mit den Provinzen Logar und Paktia verbindet, im Juli 2020 zugenommen (TN 7.7.2020a).

In Kabul-Stadt gibt es einen Flughafen, der mit Stand März 2021 für die Abwicklung von internationalen und nationalen Passagierflügen geöffnet ist (F 24 o.D.).

Die Stadt besteht aus drei konzentrischen Kreisen: Der erste umfasst Shahr-e Kohna, die Altstadt, Shahr-e Naw, die neue Stadt, sowie Shash Darak und Wazir Akbar Khan, wo sich viele ausländische Botschaften, ausländische Organisationen und Büros befinden. Der zweite Kreis besteht aus Stadtvierteln, die zwischen den 1950er und 1980er Jahren für die wachsende städtische Bevölkerung gebaut wurden, wie Taimani, Qala-e Fatullah, Karte Se, Karte Chahar, Karte Naw und die Microraions (sowjetische Wohngebiete). Schließlich wird der dritte Kreis, der nach 2001 entstanden ist, hauptsächlich von den „jüngsten Einwanderern“ (USIP 4.2017) (afghanische Einwanderer aus den Provinzen) bevölkert (AAN 19.3.2019), mit Ausnahme einiger hochkarätiger Wohnanlagen für VIPs (USIP 4.2017).

Was die ethnische Verteilung der Stadtbevölkerung betrifft, so ist Kabul Zielort für verschiedene ethnische, sprachliche und religiöse Gruppen, und jede von ihnen hat sich an bestimmten Orten angesiedelt, je nach der geografischen Lage ihrer Heimatprovinzen. Dies gilt für die Altstadt ebenso wie für weiter entfernte Stadtviertel, und sie wird in den ungeplanten Gebieten immer deutlicher (Noori 11.2010). In den zuletzt besiedelten Gebieten sind die Bewohner vor allem auf Qawmi-Netzwerke angewiesen, um Schutz und Arbeitsplätze zu finden sowie ihre Siedlungsbedingungen gemeinsam zu verbessern. Andererseits ist in den zentralen Bereichen der Stadt die Mobilität der Bewohner höher und Wohnsitzwechsel sind häufiger. Dies hat eine negative Wirkung auf die sozialen Netzwerke, die sich in der oft gehörten Beschwerde manifestiert, dass man „seine Nachbarn nicht mehr kenne“ (AAN 19.3.2019).

Nichtsdestotrotz, ist in den Stadtvierteln, die von neu eingewanderten Menschen mit gleichem regionalem oder ethnischem Hintergrund dicht besiedelt sind, eine Art „Dorfgesellschaft“ entstanden, deren Bewohner sich kennen und direktere Verbindungen zu ihrer Herkunftsregion haben als zum Zentrum Kabuls (USIP 4.2017). Einige Beispiele für die ethnische Verteilung der Kabuler Bevölkerung sind die folgenden: Hazara haben sich hauptsächlich im westlichen Viertel Chandawal in der Innenstadt von Kabul und in Dasht-e-Barchi sowie in Karte Se am Stadtrand niedergelassen; Tadschiken bevölkern Payan Chawk, Bala Chawk und Ali Mordan in der Altstadt und nördliche Teile der Peripherie wie Khairkhana; Paschtunen sind vor allem im östlichen Teil der Innenstadt Kabuls, Bala Hisar und weiter östlich und südlich der Peripherie wie in Karte Naw und Binihisar (Noori 11.2010; vgl. USIP 4.2017), aber auch in den westlichen Stadtteilen Kota-e-Sangi und Bazaar-e-Company (auch Company) ansässig (Noori 11.2010); Hindus und Sikhs leben im Herzen der Stadt in der Hindu-Gozar-Straße (Noori 11.2010; vgl. USIP 4.2017).

Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul (USDOD 1.7.2020) und alle Distrikte gelten als unter Regierungskontrolle stehend (LWJ o.D.), dennoch finden weiterhin High-Profile-Angriffe - auch in der Hauptstadt - statt (UNAMA 2.2021; vgl. HRW 13.1.2021, USDOD 1.7.2020, NYTM 26.3.2020, HRW 12.5.2020), wie Angriffe auf schiitische Feiernde und einen Sikhtempel in März (USDOD 1.7.2020) sowie auf Bildungseinrichtungen wie die Universität in Kabul (GN 2.11.2020; vgl. AJ 2.11.2020) oder ein Selbstmordattentat auf eine Schule in Kabul im Oktober 2020 (HRW 26.10.2020) für die alle der Islamische Staat die Verantwortung übernahm (HRW 26.10.2020; vgl. AJ 2.11.2020, GN 2.11.2020). Den Angriff auf eine Geburtenklinik im Mai 2020 reklamierte bislang keine Gruppierung für sich (AJ 15.6.2020; vgl. AP 16.6.2020, HRW 12.5.2020), wobei die Taliban eine Verantwortung abstritten (AP 16.6.2020, vgl. HRW 12.5.2020).

Bei Angriffen in Kabul kommt es oft vor, dass keine Gruppierung die Verantwortung übernimmt oder es werden diese von nicht identifizierten bewaffneten Gruppen durchgeführt (UNAMA 2.2021; vgl. UNGASC 2.2019, EASO 9.2020).

Das U.S. Department of Defence (USDOD) beschreibt die Ziele militanter Gruppen, die in Kabul Selbstmordattentate verüben, als den Versuch internationale Medienaufmerksamkeit zu erregen, den Eindruck einer weit verbreiteten Unsicherheit zu erzeugen und die Legitimität der afghanischen Regierung sowie das Vertrauen der Bevölkerung in die afghanischen Sicherheitskräfte zu untergraben (USDOD 23.1.2020; vgl. EASO 9.2020). Afghanische Regierungsgebäude und -beamte, die afghanischen Sicherheitskräfte und hochrangige internationale Institutionen, sowohl militärische als auch zivile, gelten als die Hauptziele in Kabul-Stadt (USDOS 24.6.2020; vgl LI 22.1.2020, LIFOS 15.10.2019, EASO 9.2020).

Aufgrund öffentlichkeitswirksamer Angriffe auf Kabul-Stadt kündigte die afghanische Regierung bereits im August 2017 die Entwicklung eines neuen Sicherheitsplans für Kabul an (AAN 25.9.2017). So wurde unter anderem das Green Village errichtet, ein stark gesichertes Gelände im Osten der Stadt, in dem unter anderem, Hilfsorganisationen und internationale Organisationen (RFE/RL 2.9.2019; vgl. FAZ 2.9.2019) sowie ein Wohngelände für Ausländer untergebracht sind (FAZ 2.9.2019). Die Anlage wird von afghanischen Sicherheitskräften und privaten Sicherheitsmännern schwer bewacht (AJ 3.9.2019). Die Green Zone hingegen ist ein separater Teil, der nicht unweit des Green Village liegt. Die Green Zone ist ein stark gesicherter Teil Kabuls, in dem sich mehrere Botschaften befinden - so z.B. auch die US-amerikanische Botschaft und britische Einrichtungen (RFE/RL 2.9.2019; vgl. GN 15.7.2020) und der von hohen Mauern umgeben ist (GN 15.7.2020).

Wie auch in anderen großen Städten Afghanistans ist Straßenkriminalität in Kabul ein Problem (AVA 1.2020; vgl. ArN 11.1.2020, AAN 11.2.2020, AAN 21.2.2020, TN 4.10.2020, TN 17.10.2020, TN 21.10.2020, EASO 9.2020). Im vergangenen Jahr [Anm.: 2020] wurden in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif Tausende von Fällen von Straßenraub und Hausüberfällen gemeldet (ArN 11.1.2020; vgl. TN 24.7.2020). Nach einem Anstieg der Kriminalität und der Sicherheitsvorfälle in Kabul kündigte der Vizepräsident Amrullah Saleh im Oktober 2020 an, dass er auf Anordnung von Präsident Ashraf Ghani für einige Wochen die Verantwortung für die Sicherheit in Kabul übernehmen und hart gegen Kriminalität in Kabul vorgehen werde (TN 17.10.2020; vgl. AN 17.10.2020, TN 21.10.2020). Die Regierung kündigte einen Sicherheitsplan mit der Bezeichnung „Security Charter“ an, um das Sicherheitspersonal in die Gewährleistung der Sicherheit Kabuls und anderer Großstädte des Landes zu integrieren. Als Teil dieses Plans wies Präsident Ghani die Sicherheitsbehörden an, gegen schwere Verbrechen in der Stadt vorzugehen (TN 21.10.2020; vgl. TN 17.10.2020, AN 17.10.2020).

Auf Regierungsseite befindet sich die Provinz Kabul mit Ausnahme des Distrikts Surubi im Verantwortungsbereich der 111. ANA Capital Division, die unter der Leitung von türkischen Truppen und mit Kontingenten anderer Nationen der NATO-Mission Train Advise Assist Command - Capital (TAAC-C) untersteht. Der Distrikt Surubi fällt in die Zuständigkeit des 201. ANA Corps (USDOD 1.7.2020). Darüber hinaus wurde eine spezielle Krisenreaktionseinheit (Crisis Response Unit) innerhalb der afghanischen Polizei geschaffen, um Angriffe zu verhindern und auf Anschläge zu reagieren (LI 5.9.2018).

Im Distrikt Surubi wird von der Präsenz von Taliban-Kämpfern berichtet (TN 27.9.2020; vgl. GW 14.7.2020, EASO 9.2020, UNOCHA 3.2.2020). Aufgrund seiner Nähe zur Stadt Kabul und zum Salang-Pass hat der Distrikt große strategische Bedeutung (WOR 10.9.2018; vgl. TN 27.9.2020). Er gilt als unter Regierungskontrolle, wenn auch unsicher. Die Taliban fokussieren ihre Angriffe auf die Straße zwischen Surubi und Jagdalak und konnten diesen Straßenabschnitt auch kurzzeitig unter ihre Kontrolle bringen (TN 27.9.2020). Im Juli 2020 wurde über eine steigende Talibanpräsenz im Distrikt Paghman berichtet (TN 15.7.2020).

Es wird berichtet, dass der Islamische Staat (ISKP) in der Provinz aktiv und in der Lage ist, Angriffe durchzuführen (UNGASC 27.5.2020; vgl. EASO 9.2020). Aufgrund des anhaltenden Drucks der ANDSF (Afghan National Security Forces), die Aktivitäten des Islamischen Staats zu stören (LI 22.1.2020; vgl. UNGASC 4.2.2020, EASO 9.2020), zeigte sich die militante Gruppe jedoch nur eingeschränkt in der Lage, 2019 in Kabul öffentlichkeitswirksame Anschläge zu verüben (UNAMA 2.2020; vgl. LI 22.1.2020, WP 9.2.2020, EASO 9.2020). UNAMA schrieb 673 zivile Opfer (213 Tote und 460 Verletzte) im Jahr 2020 in Afghanistan dem ISKP zu, ein Rückgang von 45% im Vergleich zu 2019. Die überwiegende Mehrheit der zivilen Opfer von ISILKP wurde jedoch durch Selbstmordattentate und heftige Schusswechsel in Kabul und Jalalabad verursacht (UNAMA 2.2021).

Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung

Der folgenden Tabelle kann die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle in der Provinz gemäß ACLED und Globalincidentmap (GIM) für den Zeitraum 1.1.2019-31.12.2020 entnommen werden (Quellenbeschreibung s. Disclaimer – auch bzgl. Problemen bei der Vergleichbarkeit der Zahlen zwischen 2019 und 2020; hervorgehoben: Distrikt der Provinzhauptstadt):

Im Jahr 2020 dokumentierte UNAMA 817 zivile Opfer (255 Tote und 562 Verletzte) in der Provinz Kabul. Dies entspricht einem Rückgang von 48% gegenüber 2019. Die Hauptursache für die Opfer waren gezielte Tötungen, gefolgt von improvisierten Sprengkörpern (improvised explosive devices, IEDs; ohne Selbstmordattentate) und Selbstmordanschlägen (UNAMA 2.2021).

Während des zweiten Quartals 2020 hat die Gewalt Berichten zufolge wieder zugenommen (NYTM 25.6.2020; vgl. UNGASC 17.6.2020, RY 30.6.2020, EASO 9.2020). Im letzten Quartal 2020 stieg die Gewalt weiter an und war weit höher als im Vergleichszeitraum des Vorjahres (SIGAR 30.1.2021). In Kabul wurden in den ersten Wochen des Jahres 2021 mehrere Anschläge mit kleinen „sticky bombs“ verübt, die unter Fahrzeugen angebracht und ferngesteuert oder mit Zeitzündern gezündet wurden. Die Gruppe „Islamischer Staat“ (ISKP) hat die Verantwortung für einige der Anschläge übernommen, während die afghanische Regierung einige den Taliban zuschreibt (RFE/RL 23.2.2021).

Selbstmordanschläge (BAMF 11.1.2021; NYTM 29.10.2020a; NYTM 29.10.2020c; HRW 26.10.2020; RFE/RL 29.4.2020; REU 29.4.2020) und IEDs (RFE/RL 23.2.2021; BBC 22.12.2020; WP 26.2.2020; AJ 22.8.2020; NYTM 29.10.2020c; TN 4.10.2020; KP 4.6.2020) finden statt und es wurde von gezielten Tötungen (RFE/RL 23.2.2021; BAMF 11.1.2021; BBC 22.12.2020; BBC 15.12.2020; NYTM 26.3.2020; AT 22.8.2020; TN 21.10.2020; NYTM 5.11.2020) und Angriffen auf militärische Einrichtungen bzw. Sicherheitskräfte (RFE/RL 23.2.2021; BAMF 18.1.2021; BAMF 11.1.2021; NYTM 29.10.2020b; GN 11.2.2020; TN 22.6.2020; TN 8.7.2020; TN 6.7.2020; UNAMA 6.2020; TN 6.6.2020) sowohl in Kabul-Stadt wie auch in den Distrikten der Provinz berichtet. Es gibt Berichte über Straßenblockaden und Angriffe auf Highways durch bewaffnete Gruppierungen (UNOCHA 29.1.2020; NYTM 27.2.2020)

Seit Herbst 2018 haben die ANDSF-Kräfte eine konzertierte Anstrengung zur Auflösung militanter Gruppen begonnen, die im und um den Großraum Kabul herum aktiv sind (NYTM 16.1.2019; vgl. UNGASC 27.5.2020; USDOD 1.7.2020). Die ANDSF setzen gemeinsam mit einem neuen Kommando der Gemeinsamen Streitkräfte, das im Juni 2020 eingerichtet wurde (KP 4.6.2020) ihre Aktivitäten im Jahr 2020 fort. Die afghanischen Sicherheitskräfte führen Operationen gegen aufständische Gruppierungen (TN 6.5.2020; KP 6.5.2020; RFE/RL 11.5.2020; TN 11.5.2020) und kriminelle Banden (KP 18.5.2020) sowie Luftschläge (EASO 9.2020) durch und konnten hochrangige Mitglieder der Taliban und des IS festnehmen (TN 11.5.2020; KP 12.2.2020; BBC 11.5.2020; TN 11.5.2020; PAJ 26.6.2020) sowie zwei IS-Mitglieder verhaften, die angeblich Angriffe auf ein Krankenhaus und ein Medienunternehmen planten (TN 7.7.2020b).

Kunduz

Letzte Änderung: 11.03.2021

Die Provinz Kunduz liegt im Norden Afghanistans und grenzt im Norden an Tadschikistan, im Osten an die Provinz Takhar, im Süden an die Provinz Baghlan und im Westen an die Provinz Balkh (UNOCHA Kunduz 4.2014). Die Provinzhauptstadt ist Kunduz (Stadt) (OP Kunduz 1.2.1017). Die Provinz ist in die folgenden Distrikte unterteilt: Ali Abad, Chahar Darah (Chardarah), Dasht-e-Archi, (Hazrati) Imam Sahib, Khan Abad, Kunduz und Qala-e-Zal (NSIA 1.6.2020; cf. IEC Kunduz 2019), sowie die temporären Distrikte Aqtash, Calbad (Gulbad) und Gultipa (NSIA 1.6.2020).

Ihre Schaffung wurde vom Präsidenten nach Inkrafttreten der Verfassung von 2004 aus Sicherheits- oder anderen Gründen genehmigt, während das Parlament seine Zustimmung (noch) nicht erteilt hat (AAN 16.8.2018).

Die National Statistics and Information Authority of Afghanistan (NSIA) schätzt die Bevölkerung in der Provinz Kunduz im Zeitraum 2020-21 auf 1,136.677 Personen, 365.529 davon in der Provinzhauptstadt (NSIA 1.6.2020). Die Bevölkerung besteht hauptsächlich aus Paschtunen, gefolgt von Usbeken, Tadschiken, Turkmenen, Hazara, Aymaq und Pashai (NPS Kunduz o.D.; vgl. OP Kunduz 1.2.2017).

Strategisch wurde Kunduz als „Tor im Norden“ zu den bodenschatzreichen Provinzen und nach Zentralasien bezeichnet. Es ist ein Knotenpunkt für Transport (REU 14.9.2020) und Drogenschmuggel (REU 14.9.2020; vgl. UNSC 27.5.2020). Ein Abschnitt des asiatischen Highway AH7 führt von Kabul aus durch die Provinzen Parwan und Baghlan und verbindet die Hauptstadt mit der Provinz Kunduz und dem Grenzübergang nach Tadschikistan beim Hafen von Sher Khan (auch Sher Khan Bandar) (MoPW 16.10.2015; vgl. LCA 24.4.2019, RFE/RL 26.8.2007). Der National Highway 93 (NH93) verläuft von Kunduz ostwärts durch den Distrikt Khanabad nach Takhar und Badakhshan (MoPW 16.10.2015; vgl. UNOCHA Kunduz 4.2014, AAN 12.10.2016).

In Richtung Khulm in der Provinz Balkh im Westen befindet sich ein National Highway derzeit in Bau. Es wird erwartet, dass die Wegstrecke und -zeit zwischen Kunduz und Khulm durch seine Fertigstellung erheblich verkürzt wird (GAFG 23.8.2020, GIZ 7.2019).

Laut Bewohnern von Kunduz stellt die Unsicherheit auf den Landrouten in der Provinz eine große Herausforderung dar (FRP 30.9.2020; vgl. PAJ 22.6.2020). Die Strecke von Kunduz in Richtung Süden nach Baghlan wurde im Juni 2020 als „gut gepflastert und ruhig“ beschrieben, wiewohl sie teilweise durch Taliban-Territorium führt (TEL 10.6.2020). Aufständische errichten dort (TEL 10.6.2020, PAJ 22.6.2020) wie auch auf der Strecke Takhar-Kunduz Kontrollpunkte (PAJ 22.6.2020, ST 8.6.2020, AAN 21.3.2020). Der NH93 zwischen Takhar und Kunduz war zudem im Jahr 2020 wegen Kämpfen vorübergehend gesperrt (XI 6.10.2020, MENAFN 15.8.2020, ST 8.6.2020).

Mit Stand November 2020 gibt es Linienflugverbindungen zwischen Kabul und Kunduz (Kam Air Kunduz o.D., FRP 30.9.2020).

Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteuren

Kunduz war die letzte Taliban-Hochburg vor deren Sturz 2001 (RFE/RL o.D.). Sowohl 2015 als auch 2016 kam es zu einer kurzfristigen Einnahme der Provinzhauptstadt Kunduz City durch die Taliban (UNAMA 24.2.2019) und auch Ende August 2019 nahmen die Taliban kurzzeitig Teile der Stadt ein (BAMF 2.9.2019): Keine andere Provinzhauptstadt ist von allen Seiten so nachhaltig unter Druck geraten. Die Taliban infiltrieren weiterhin ihre Außenbezirke (AAN 12.10.2020). Laut einer Quelle vom Oktober 2019 versuchen die Taliban, Kunduz-Stadt jährlich anzugreifen, um zu zeigen, dass sie dazu fähig sind (STDOK 21.7.2020). Im November 2020 schätzte das Long War Journal (LWJ) die Distrikte Aqtash, Calbad, Dasht-e-Archi, Gultipa und Khan Abad im Osten sowie Qala-e-Zal im Westen als unter Talibankontrolle stehend ein. Die übrigen Distrikte galten als umstritten (LWJ o.D.), während eine andere Quelle schätzte, dass im Oktober 2019 ganz Kunduz abseits seiner Verwaltungszentren unter der Kontrolle der Taliban stand (STDOK 21.7.2020).

Al Qaida ist in der Provinz verdeckt aktiv. Darüber hinaus operiert das unter dem Kommando und der finanziellen Kontrolle der Taliban stehende Islamic Movement of Uzbekistan (IMU, manchmal auch Jundullah genannt) und auch das Eastern Turkestan Islamic Movement (ETIM) in Kunduz (UNSC 27.5.2020). Nach afghanischen Militäroperationen in Kunduz in der zweiten Hälfte des Jahres 2019 zerstreuten sich ausländische terroristische Kämpfer aus China, Pakistan, Tadschikistan, Usbekistan und anderswo in kleine Gruppen und flüchteten in andere Provinzen (UN-Sicherheitsrat 20.1.2020). 2019 wurde berichtet, dass Zellen des Islamischen Staates in Kunduz aufgetaucht seien (NYT 14.6.2019; vgl. JF 6.4.2018) [zu einer Präsenz des ISKP in Kunduz konnten jedoch keine aktuellen Informationen gefunden werden, Anm.].

Auf Regierungsseite befindet sich Kunduz im Verantwortungsbereich des 217. Afghan National Army (ANA) „Pamir“ Corps (USDOD 1.7.2020, TST 17.6.2020), das der NATO-Mission Train Advise Assist Command - North (TAAC-N) untersteht, welche von deutschen Streitkräften geleitet wird (USDOD 1.7.2020). Ende November zog die Bundeswehr aus ihrem Stützpunkt in Kunduz ab. Die Soldaten wurden nach Mazar-e Sharif verlegt (BAMF 30.11.2020).

Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung

Der folgenden Tabelle kann die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle in der Provinz gemäß ACLED und Globalincidentmap (GIM) für den Zeitraum 1.1.2019-31.12.2020 entnommen werden (Quellenbeschreibung s. Disclaimer – auch bzgl. Problemen bei der Vergleichbarkeit der Zahlen zwischen 2019 und 2020; hervorgehoben: Distrikt der Provinzhauptstadt):

Im Jahr 2020 dokumentierte UNAMA 444 zivile Opfer (194 Tote und 250 Verletzte) in der Provinz Kunduz. Dies entspricht einem Rückgang von 11% gegenüber 2019. Die Hauptursachen für die Opfer waren Bodenkämpfe, gefolgt von Luftangriffen und improvisierten Sprengkörpern (improvised explosive devices, IEDs; ohne Selbstmordattentate) (UNAMA 2.2021).

Ende August und im Mai 2020 starteten die Taliban Offensiven gegen die Stadt Kunduz, wobei sie im August mehrere Kontrollpunkte und zwei Stützpunkte an den Hauptverkehrsstraßen in die Stadt einnahmen und im Mai Außenposten im Sicherheitsgürtel um die Stadt aus mehreren Richtungen angriffen. Unterstützt von der afghanischen Luftwaffe konnten beide Offensiven schließlich abgewehrt werden (REU 14.9.2020, NYT 19.5.2020, FR24 19.5.2020, WP 19.5.2020).

Weitere Taliban-Angriffe auf Distriktzentren (XI 8.9.2020, NYTM 30.4.2020) und Sicherheitsposten in verschiedenen Distrikten wurden gemeldet (GW 3.11.2020, NYTM 29.10.2020, XI 28.9.2020, PT 20.9.2020, NYTM 28.8.2020, VOA 20.7.2020, TST 17.6.2020, NYTM 30.4.2020, NYTM 27.2.2020, GW 16.1.2020) und die Regierungstruppen führten in Kunduz Operationen und Vergeltungsschläge aus der Luft durch (XI 6.10.2020, PT 20.9.2020, MENAFN 21.8.2020, KP 17.12.2019).

Es wurde über Vorfälle mit IEDs berichtet, wie z.B. Detonationen von Sprengfallen am Straßenrand (NYTM 29.10.2020, NYTM 1.10.2020, AJ 2.6.2020, NYTM 27.2.2.2020, PAJ 14.2.2.2020) und eines an einem Fahrzeug befestigten IEDs (vehicle-borne IED, VBIED) in Kunduz-Stadt (FR24 19.5.2020). Auch fand ein Angriff auf Sicherheitspersonal auf dem Gelände des Gouverneursgebäudes in Kunduz-Stadt statt, bei dem möglicherweise ein an einer kleinen Drohne befestigter Sprengsatz verwendet wurde (NYT 1.11.2020b; vgl. TRT 24.11.2020). Weiters wurde auch über Entführungen und Tötungen in der Provinz berichtet (NYTM 29.10.2020, NYTM 27.2.2020).

Taliban

Letzte Änderung: 25.02.2021

Die Taliban positionieren sich selbst als Schattenregierung Afghanistans, und ihre Kommissionen und Führungsgremien entsprechen den Verwaltungsämtern und -pflichten einer typischen Regierung (EASO 8.2020c; vgl. NYT 26.5.2020). Die Taliban sind zu einer organisierten politischen Bewegung geworden, die in weiten Teilen Afghanistans eine Parallelverwaltung betreibt (EASO 8.2020c; vgl. USIP 11.2019) und haben sich zu einem lokalen Regierungsakteur im Land entwickelt, indem sie Territorium halten und damit eine gewisse Verantwortung für das Wohlergehen der lokalen Gemeinschaften übernehmen (EASO 8.2020c; vgl. USIP 4.2020).

Was militärische Operationen betrifft, so handelt es sich um einen vernetzten Aufstand mit einer starken Führung an der Spitze und dezentralisierten lokalen Befehlshabern, die Ressourcen auf Distriktebene mobilisieren können (EASO 8.2020c; vgl. NYT 26.5.2020).

Das wichtigste offizielle politische Büro der Taliban befindet sich in Katar (EASO 8.2020c; vgl. UNSC 27.5.2020). Der derzeitige Taliban-Führer ist nach wie vor Haibatullah Akhundzada (REU 17.8.2019; vgl. EASO 8.2020c, UNSC 27.5.2020, AnA 28.7.2020) - Stellvertreter sind der Erste Stellvertreter Sirajuddin Jalaluddin Haqqani (Leiter des Haqqani-Netzwerks) und zwei weitere: Mullah Mohammad Yaqoob [Mullah Mohammad Yaqub Omari] (EASO 8.2020c; vgl. FP 9.6.2020) und Mullah Abdul Ghani Baradar Abdul Ahmad Turk (EASO 8.2020c; vgl. UNSC 27.5.2020).

Mitte Juni 2020 berichtete das Magazin Foreign Policy, dass Akhundzada und Jalaluddin Haqqani und andere hochrangige Taliban-Führer sich mit dem COVID-19-Virus angesteckt hätten und dass einige von ihnen möglicherweise sogar gestorben seien sowie dass Mullah Mohammad Yaqoob Taliban- und Haqqani-Operationen leiten würde. Die Taliban dementierten diese Berichte (EASO 8.2020c; vgl. FP 9.6.2020, RFE/RL 2.6.2020).

Die Taliban bezeichnen sich selbst als das Islamische Emirat Afghanistan (VOJ o.D.). Die Regierungsstruktur und das militärische Kommando sind in der Layha, einem Verhaltenskodex der Taliban, definiert (AAN 4.7.2011), welche zuletzt 2010 veröffentlicht wurde (AAN 6.12.2018).

Die Taliban sind keine monolithische Organisation (NZZ 20.4.2020); nur allzu oft werden die Taliban als eine homogene Einheit angesehen, während diese aber eine lose Zusammenballung lokaler Stammesführer, unabhängiger Warlords sowie abgekoppelter und abgeschotteter Zellen sind (BR 5.3.2020). Während der US-Taliban-Verhandlungen war die Führung der Taliban in der Lage, die Einheit innerhalb der Basis aufrechtzuerhalten, obwohl sich Spaltungen wegen des Abbruchs der Beziehungen zu Al-Qaida vertieft haben (EASO 8.2020c; vgl. UNSC 27.5.2020).

Seit Mai 2020 ist eine neue Splittergruppe von hochrangigen Taliban-Dissidenten entstanden, die als Hizb-e Vulayet Islami oder Hezb-e Walayat-e Islami (Islamische Gouverneurspartei oder Islamische Vormundschaftspartei) bekannt ist (EASO 8.2020c; vgl. UNSC 27.5.2020). Die Gruppe ist gegen den US-Taliban-Vertrag und hat Verbindungen in den Iran (EASO 8.2020c; vgl. RFE/RL 9.6.2020). Eine gespaltene Führung bei der Umsetzung des US-Taliban-Abkommens und Machtkämpfe innerhalb der Organisation könnten den möglichen Friedensprozess beeinträchtigen (EASO 8.2020c; vgl. FP 9.6.2020).

Ein Bericht über die Rekrutierungspraxis der Taliban teilt die Taliban-Kämpfer in zwei Kategorien: professionelle Vollzeitkämpfer, die oft in den Madrassen rekrutiert werden, und Teilzeit-Kämpfer vor Ort, die gegenüber einem lokalen Kommandanten loyal und in die lokale Gesellschaft eingebettet sind (LI 29.6.2017).

Die Taliban rekrutieren in der Regel junge Männer aus ländlichen Gemeinden, die arbeitslos sind, eine Ausbildung in Koranschulen absolviert haben und ethnische Paschtunen sind (EASO 8.2020c; vgl. Osman 1.6.2020). Schätzungen der aktiven Kämpfer der Taliban reichen von 40.000 bis 80.000 (EASO 8.2020c; vgl. NYT 12.9.2019) oder 55.000 bis 85.000, wobei diese Zahl durch zusätzliche Vermittler und Nicht-Kämpfer auf bis zu 100.000 ansteigt (EASO 8.2020c; vgl. NYT 26.5.2020, UNSC 27.5.2020). Obwohl die Mehrheit der Taliban immer noch Paschtunen sind, gibt es eine wachsende Minderheit an Tadschiken, Usbeken, Belutschen und sogar mehreren hundert Hazara (einschließlich Schiiten) innerhalb der Taliban (LI 23.8.2017).

In einigen nördlichen Gebieten sollen die Taliban bereits überwiegend Nicht-Paschtunen sein, da sie innerhalb der lokalen Bevölkerung rekrutieren (LI 23.8.2017).

Die Taliban betreiben Trainingslager in Afghanistan. Seit Ende 2014 wurden 20 davon öffentlich zur Schau gestellt. Das Khalid bin Walid-Camp soll zwölf Ableger in acht Provinzen haben (Helmand, Kandahar, Ghazni, Ghor, Sar-e Pul, Faryab, Farah und Maidan Wardak). 300 Militärtrainer und Gelehrte sind dort tätig und es soll möglich sein, in diesem Camp bis zu 2.000 Rekruten auf einmal auszubilden (LWJ 14.8.2019).

Nach Erkenntnissen von AIHRC (Afghanistan Independent Human Rights Commission) sind die durch Taliban-Angriffe verursachten zivilen Opfer im Jahr 2020 im Vergleich zu 2019 um 40 Prozent zurückgegangen. Der Hauptgrund für diesen Rückgang könnte sein, dass keine komplexen und Selbstmordattentate in den großen Städten des Landes durchgeführt werden. Im Jahr 2020 wurden in Afghanistan insgesamt 4.567 Zivilisten durch Taliban-Angriffe getötet oder verletzt, während im gleichen Zeitraum 2019 die Gesamtzahl der durch Taliban-Angriffe verursachten zivilen Opfer bei 7.727 lag (AIHRC 28.1.2021).

Schiiten

Letzte Änderung: 01.04.2021

Der Anteil schiitischer Muslime an der Bevölkerung wird auf 10 bis 19% geschätzt (CIA 6.10.2020; vgl. AA 16.7.2020). Zuverlässige Zahlen zur Größe der schiitischen Gemeinschaft sind nicht verfügbar und werden vom Statistikamt nicht erfasst. Gemäß Vertretern der Religionsgemeinschaft sind die Schiiten Afghanistans mehrheitlich Jafari-Schiiten (Zwölfer-Schiiten), 90% von ihnen gehören zur ethnischen Gruppe der Hazara. Unter den Schiiten gibt es auch Ismailiten (USDOS 10.6.2020).

Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sind in Afghanistan selten (AA 16.7.2020). Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch existieren Berichte zu lokalen Diskriminierungsfällen.

Gemäß Zahlen von UNAMA gab es im Jahr 2019 10 Fälle konfessionell motivierter Gewalt gegen Schiiten, die 485 zivile Opfer forderten (117 Tote und 368 Verletzte), was einem Rückgang von 35 % gegenüber 2018 entspricht, als es 19 Fälle gab, die 747 zivile Opfer forderten (233 Tote und 524 Verletzte). Der Islamische Staat Khorasan Provinz (ISKP) bekannte sich zu sieben der zehn Vorfälle und gab an, dass diese auf die religiöse Minderheit der schiitischen Muslime ausgerichtet waren (USDOS 10.6.2020). In den Jahren 2016, 2017 und 2018 wurden durch den Islamischen Staat (IS) und die Taliban 51 terroristischen Angriffe auf Glaubensstätten und religiöse Anführer der Schiiten bzw. Hazara durchgeführt (FH 4.2.2019; vgl. USDOS 21.6.2019, CRS 1.5.2019).

Die schiitische Hazara-Gemeinschaft bezeichnet die Sicherheitsvorkehrungen der Regierung in den von Schiiten dominierten Gebieten als unzureichend. Die afghanische Regierung bemüht sich erneut um die Lösung von Sicherheitsproblemen im von schiitischen Hazara bewohnten Gebiet Dasht-e Barchi im Westen von Kabul-Stadt, das im Laufe des Jahres Ziel größerer Angriffe war, und kündigte Pläne zur Verstärkung der Präsenz der afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) an. Nach Angaben der schiitischen Gemeinschaft gab es trotz der Pläne keine Aufstockung der ANDSF-Kräfte; es wurde jedoch angemerkt, dass die Regierung Waffen direkt an die Wachen der schiitischen Moscheen in Gebieten verteilt habe, die als mögliche Angriffsziele angesehen werden (USDOS 10.6.2020).

Die politische Repräsentation und die Beteiligung an den nationalen Institutionen seitens der traditionell marginalisierten schiitischen Minderheit, der hauptsächlich ethnische Hazara angehören, ist seit 2001 gestiegen (FH 4.3.2020). Obwohl einige schiitische Muslime höhere Regierungsposten bekleiden, behaupten Mitglieder der schiitischen Minderheit, dass die Anzahl dieser Stellen die demografischen Verhältnisse des Landes nicht reflektiert. Vertreter der Sunniten hingegen geben an, dass Schiiten im Vergleich zur Bevölkerungszahl in den Behörden überrepräsentiert seien. Einige Mitglieder der ismailitischen Gemeinschaft beanstanden die vermeintliche Vorenthaltung von politischen Posten; vier Parlamentssitze sind für Ismailiten reserviert (USDOS 10.6.2020).

Im Ulema-Rat, der nationalen Versammlung von Religionsgelehrten, die u. a. dem Präsidenten in der Festlegung neuer Gesetze und Rechtsprechung beisteht, beträgt die Quote der schiitischen Muslime 25 bis 30% (AB 8.9.2020; vgl. USIP 14.6.2018, AA 2.9.2019). Des Weiteren tagen regelmäßig rechtliche, konstitutionelle und menschenrechtliche Kommissionen, welche aus Mitgliedern der sunnitischen und schiitischen Gemeinschaften bestehen und von der Regierung unterstützt werden, um die interkonfessionelle Schlichtung zu fördern (USDOS 10.6.2020).

Das afghanische Ministry of Hajj and Religious Affairs (MOHRA) erlaubt sowohl Sunniten als auch Schiiten, Pilgerfahrten zu unternehmen (USDOS 10.6.2020).

Anmerkung: Weiterführende Informationen zu Angriffen auf schiitische Glaubensstätten, Veranstaltungen und Moscheen können dem Kapitel „Sicherheitslage“ samt Unterkapiteln entnommen werden. Weiterführende Informationen zur mehrheitlich schiitischen Volksgruppe der Hazara finden sich im Kapitel „Ethnische Gruppen“ im Unterkapitel Hazara.

Apostasie, Blasphemie, Konversion

Letzte Änderung: 01.04.2021

Glaubensfreiheit, die auch eine freie Religionswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan de facto nur eingeschränkt. Die Abkehr vom Islam (Apostasie) wird nach der Scharia als Verbrechen betrachtet, auf das die Todesstrafe steht (FH 4.3.2020; vgl AA 16.7.2020, USDOS 10.6.2020).

Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert. Neben der drohenden strafrechtlichen Verfolgung werden Konvertiten in der Gesellschaft ausgegrenzt und zum Teil angegriffen (AA 16.7.2020). Bei der Konversion vom Islam zum Christentum wird in erster Linie nicht das Christentum als problematisch gesehen, sondern die Abkehr vom und der Austritt aus dem Islam (LIFOS 21.12.2017). Jeder Konvertit soll laut islamischer Rechtsprechung drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken. Des Weiteren ist gemäß hanafitischer Rechtsprechung Missionierung illegal. Dasselbe gilt für Blasphemie, die in der hanafitischen Rechtsprechung unter die Kapitalverbrechen fällt (USDOS 10.6.2020) und auch nach dem neuen Strafgesetzbuch unter der Bezeichnung „religionsbeleidigende Verbrechen“ verboten ist (MoJ 15.5.2017: Art. 323).

Wie in den vergangenen fünf Jahren gab es keine Berichte über staatliche Verfolgungen wegen Blasphemie oder Apostasie (USDOS 10.6.2020; vgl. AA 16.7.2020); jedoch berichten Personen, die vom Islam konvertierten, dass sie weiterhin die Annullierung ihrer Ehen, die Ablehnung durch ihre Familien und Gemeinschaften, den Verlust ihres Arbeitsplatzes und möglicherweise die Todesstrafe riskieren (USDOS 10.6.2020) Die afghanische Regierung scheint kein Interesse daran zu haben, negative Reaktionen oder Druck hervorzurufen (LIFOS 21.12.2017; vgl. RA KBL 10.6.2020) - weder vom konservativen Teil der afghanischen Gesellschaft, noch von den liberalen internationalen Kräften, die solche Fälle verfolgt haben (LIFOS 21.12.2017).

Es kann jedoch einzelne Lokalpolitiker geben, die streng gegen mutmaßliche Apostaten vorgehen und es kann auch im Interesse einzelner Politiker sein, Fälle von Konversion oder Blasphemie für ihre eigenen Ziele auszunutzen (LIFOS 21.12.2017).

Allein der Verdacht, jemand könnte zum Christentum konvertiert sein, kann der Organisation Open Doors zufolge dazu führen, dass diese Person bedroht oder angegriffen wird (AA 16.7.2020). Die afghanische Gesellschaft hat generell eine sehr geringe Toleranz gegenüber Menschen, die als den Islam beleidigend oder zurückweisend wahrgenommen werden (LIFOS 21.12.2017; vgl. FH 4.3.2020). Obwohl es auch säkulare Bevölkerungsgruppen gibt, sind Personen, die der Apostasie beschuldigt werden, Reaktionen von Familie, Gemeinschaften oder in einzelnen Gebieten von Aufständischen ausgesetzt, aber eher nicht von staatlichen Akteuren (LIFOS 21.12.2017). Wegen konservativer sozialer Einstellungen und Intoleranz sowie der Unfähigkeit oder Unwilligkeit der Sicherheitskräfte, individuelle Freiheiten zu verteidigen, sind Personen, die mutmaßlich gegen religiöse und soziale Normen verstoßen, vulnerabel für Misshandlung (FH 4.3.2020).

Abtrünnige haben Zugang zu staatlichen Leistungen; es existiert kein Gesetz, Präzedenzfall oder Gewohnheiten, die Leistungen für Abtrünnige durch den Staat aufheben oder einschränken.

Sofern sie nicht verurteilt und frei sind, können sie Leistungen der Behörden in Anspruch nehmen (RA KBL 10.6.2020).

Meldewesen

Letzte Änderung: 01.04.2021

Afghanistan hat kein zentrales Bevölkerungsregister, ebenso wenig ’gelbe Seiten’ oder Datenbanken mit Telefonnummerneinträgen (EASO 2.2018; vgl. STDOK 13.6.2019). Auch muss sich ein Neuankömmling bei Ankunft nicht in dem neuen Ort registrieren. Die Gemeinschafts- bzw. Bezirksältesten führen kein Personenstandsregister, die Regierung registriert jedoch Rückkehrer (STDOK 13.6.2019). Durch die hohe soziale Kontrolle ist gerade im ländlichen Raum keine, aber auch in den Städten kaum Anonymität zu erwarten (AA 16.7.2020).

Da es in der Vergangenheit zu Fällen kam, bei denen Wohnungen zur Vorbereitung von terroristischen oder kriminellen Taten verwendet wurden, müssen nun insbesondere in Kabul, aber auch in Mazar-e Sharif unter Umständen beispielsweise im Stadtzentrum gewisse Melde- und Ausweisvorgaben beim Mieten einer Wohnung oder eines Hauses erfüllt werden (STDOK 21.7.2020). Es ist gesetzlich vorgeschrieben, dass sich Mieter wie auch Vermieter beim Abschluss einer Mietvereinbarung mit einem Identitätsnachweis ausweisen, was jedoch nicht immer eingehalten wird. In Gebieten ohne hohes Sicherheitsrisiko ist es oftmals möglich, ohne einen Identitätsnachweis oder eine Registrierung bei der Polizei eine Wohnung zu mieten. Dies hängt allerdings auch vom Vertrauen des Vermieters in den potenziellen Mieter ab (STDOK 21.7.2020; vgl. RA KBL 5.4.2020).

Rückkehr

Letzte Änderung: 01.04.2021

In den letzten zehn Jahren sind Millionen von Migranten und Flüchtlingen nach Afghanistan zurückgekehrt. Während der Großteil der Rückkehrer aus den Nachbarländern Iran und Pakistan kommt, sinken die Anerkennungsquoten für Afghanen im Asylbereich in der Europäischen Union und die Zahl derer die freiwillig, unterstützt und zwangsweise nach Afghanistan zurückkehren, nimmt zu (MMC 1.2019). Die schnelle Ausbreitung des COVID-19 Virus in Afghanistan hat starke Auswirkungen auf die Vulnerablen unter der afghanischen Bevölkerung, einschließlich der Rückkehrer, da sie nur begrenzten Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen, insbesondere zur Gesundheitsversorgung, haben und zudem aufgrund der landesweiten Abriegelung Einkommens- und Existenzverluste hinnehmen müssen (IOM 7.5.2020).

IOM (Internationale Organisation für Migration) verzeichnete im Jahr 2020 die bisher größte Rückkehr von undokumentierten afghanischen Migranten (MENAFN 15.2.2021). Von den mehr als 865.700 Afghanen, die im Jahr 2020 nach Afghanistan zurückkehrten, kamen etwa 859.000 aus dem Iran und schätzungsweise 6.700 aus Pakistan(USAID 12.1.2021; vgl. TNH 26.1.2021).

Im gesamten Jahr 2018 kehrten, im Vergleich dazu, aus den beiden Ländern insgesamt 805.850 Personen nach Afghanistan zurück (IOM 5.1.2019, vgl. AA 16.7.2020).

Die freiwillige Rückkehr nach Afghanistan ist aktuell (Stand 19.3.2021) über den Luftweg möglich. Es gibt internationale Flüge nach Kabul, Mazar-e Sharif und Kandahar (IOM 18.3.2021; vgl. F 24 19.3.2021). Es sei darauf hingewiesen, dass diese Flugverbindungen unzuverlässig sind - in Zeiten einer Pandemie können Flüge gestrichen oder verschoben werden (IOM 18.3.2021).

Seit 12.8.2020 ist der Grenzübergang Spin Boldak an der pakistanischen Grenze sieben Tage in der Woche für Fußgänger und Lastkraftwagen geöffnet (UNHCR 12.9.2020). Der pakistanische Grenzübergang in Torkham ist montags und dienstags für Rückkehrbewegungen nach Afghanistan und zusätzlich am Samstag für undokumentierte Rückkehrer und andere Fußgänger geöffnet (UNHCR 12.9.2020).

Die Wiedervereinigung mit der Familie wird meist zu Beginn von Rückkehrern als positiv empfunden und ist von großer Wichtigkeit im Hinblick auf eine erfolgreiche Reintegration (MMC 1.2019; vgl. IOM KBL 30.4.2020, Reach 10.2017). Ohne familiäre Netzwerke kann es sehr schwer sein, sich selbst zu erhalten, da in Afghanistan vieles von sozialen Netzwerken abhängig ist. Eine Person ohne familiäres Netzwerk ist jedoch die Ausnahme und einige wenige Personen verfügen über keine Familienmitglieder in Afghanistan, da diese entweder in den Iran, nach Pakistan oder weiter nach Europa migrierten (IOM KBL 30.4.2020; vgl. Seefar 7.2018). Der Reintegrationsprozess der Rückkehrer ist oft durch einen schlechten psychosozialen Zustand charakterisiert.

Viele Rückkehrer sind weniger selbsterhaltungsfähig als die meisten anderen Afghanen. Rückkehrerinnen sind von diesen Problemen im Besonderen betroffen (MMC 1.2019). Aufgrund der Sicherheitslage ist es Rückkehrern nicht immer möglich, in ihre Heimatorte zurückzukehren (VIDC 1.2021).

„Erfolglosen“ Rückkehrern aus Europa haftet oft das Stigma des „Versagens“ an. Wirtschaftlich befinden sich viele der Rückkehrer in einer schlechteren Situation als vor ihrer Flucht nach Europa (VIDC 1.2021; cf. Seefar 7.2018), was durch die aktuelle Situation im Hinblick auf die COVID-19-Pandemie noch verschlimmert wird (VIDC 1.2021). Rückkehrer drückten ihr Bedauern und ihre Scham über die Rückkehr aus, die sie als eine vertane Chance betrachteten, bei der Geld und Zeit verschwendet wurden (Seefar 7.2018; vgl. VIDC 1.2021, MMC 1.2019).

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer die Unterstützung erhalten, die sie benötigen und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen (STDOK 4.2018; vgl. STDOK 14.7.2020, IOM AUT 23.1.2020, VIDC 1.2021). Für Rückkehrer leisten UNHCR und IOM

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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