Entscheidungsdatum
21.04.2021Norm
BFA-VG §22a Abs1Spruch
W140 2167742-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. HÖLLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Pakistan, gegen den Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.07.2017, Zl.: XXXX , sowie die Anhaltung in Schubhaft von 06.07.2017 bis 12.07.2017 zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs 2 Z 1 idF BGBl. I Nr. 70/2015 als unbegründet abgewiesen und die Anhaltung in Schubhaft von 06.07.2017 bis 09.07.2017 für rechtmäßig erklärt.
II. Der Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG idgF iVm § 76 Abs. 2 Z 1 FPG idF BGBl. I Nr. 70/2015 stattgegeben und die Anhaltung in Schubhaft von 09.07.2017 (10:30 Uhr) bis 12.07.2017 (15:45 Uhr) für rechtswidrig erklärt.
III. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (BF) reiste zu einem unbekannten Zeitpunkt in das österreichische Bundesgebiet ein und wurde am 06.07.2017 auf der Autobahn in Fahrtrichtung XXXX von einer API aufgegriffen und festgenommen.
Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Regionaldirektion XXXX , vom selben Tag wurde über den BF gemäß § 76 Absatz 2 Ziffer 1 FPG iVm § 57 Absatz 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung verhängt.
Die Behörde führte auszugsweise Folgendes aus:
„(…) A) Verfahrensgang
- Sie sind unbekannten Zeitpunkts illegal ins Bundesgebiet eingereist und wurden am 06.07.2017 von der XXXX XXXX aufgegriffen. Sie gaben an, den Namen XXXX zu führen, Staatsangehöriger von Pakistan und am XXXX geboren zu sein.
- Am selben Tag wurden Sie für das BFA festgenommen.
- Sie wurden auf Anweisung des BFA von der XXXX im Beisein eines Sprachkundigen zur möglichen Schubhaftverhängung befragt. Diese Einvernahme gestaltete sich wie folgt: Sie gaben an, nicht in Österreich bleiben zu wollen, in einen Mitgliedsstaat weiterreisen zu wollen, keine Familie hier zu haben und an und für sich gesund zu sein.
- Mit Verfahrensanordnung vom heutigen Tag wurde Ihnen ein Rechtsberater gemäß § 52 BFA-VG für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.
B) Beweismittel
Es wurden alle in Ihrem Akt befindlichen Beweismittel sowie Ihre Befragungs- und Einvernahmeprotokolle herangezogen und gewürdigt.
C) Feststellungen
Der Entscheidung liegen folgende Feststellungen zugrunde:
Zu Ihrer Person:
Ihre Identität ist ungeklärt.
Sie sind nicht österreichischer Staatsbürger.
Sie sind gesund und benötigen keine Medikamente.
Zu Ihrer rechtlichen Position in Österreich:
Gegen Sie wird eine Rückkehrentscheidung erlassen werden. Diese ist noch nicht durchführbar.
Zu Ihrem bisherigen Verhalten:
- Sie sind unbekannten Zeitpunkts illegal nach Österreich eingereist.
- Sie stellten keinen Antrag auf internationalen Schutz, sondern gaben an, in einen Mitgliedsstaat weiterreisen zu wollen.
- Sie gehen seit Ihrer illegalen Einreise keiner legalen Erwerbstätigkeit nach.
- Sie waren nie im Bundesgebiet gemeldet.
- Sie haben keinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich und auch keine Möglichkeit, in Österreich einen Wohnsitz zu begründen, da Sie keinerlei Anbindungen in Österreich haben, wie sie selbst angeben.
- Sie besitzen kein gültiges Reisedokument. Sie können Österreich aus eigenem Entschluss nicht legal verlassen.
- Sie verfügen nicht über ausreichend Barmittel um Ihren Unterhalt zu finanzieren. Sie finanzieren Ihren Aufenthalt in Österreich durch illegale Beschäftigungen.
- Im bisherigen Verfahren verhielten Sie sich unkooperativ, indem Sie sich dem österreichischen Verfahren und Behörden entzogen haben, hoch mobil sind und heute auf der XXXX aufgegriffen wurden. Ebenso gaben Sie an, umgehend in einen Mitgliedsstaat weiterreisen zu wollen.
Zu Ihrem Privat- und Familienleben:
Sie sind in Österreich weder beruflich noch sozial verankert.
Sie sprechen nicht Deutsch.
Sie haben keine Freunde oder Verwandte in Österreich.
Die Identität steht nicht fest.
Sie sind ledig.
Es kann nicht festgestellt werden, dass in Ihrem Fall schwere psychische Störungen und/oder schwere oder ansteckende Krankheiten bestehen.
D) Beweiswürdigung
Die von der Behörde getroffenen Feststellungen resultieren aus dem Inhalt Ihres BFA-Aktes sowie aus Ihrer Befragung am 06.07.2017.
E) Rechtliche Beurteilung
(…) Entsprechend ihres bisherigen Verhaltens begründen folgende Kriterien in Ihrem Fall eine Fluchtgefahr, vor allem, nachdem Sie keine Meldeadresse haben.
Sie haben nach Ihrer illegalen Einreise keinen Antrag auf Asyl gestellt. Sie waren nie gemeldet. Der Behörde ist keine Meldeadresse bekannt.
Weiters gaben Sie an, keinen festen Wohnsitz zu haben. Sie sind de facto mittellos.
Ebenso ist festzustellen, dass Sie hoch mobil sind, innerhalb Österreichs weiterreisen wollten und illegal in einen weiteren Mitgliedsstaat einreisen wollten.
Aufgrund der Zusammenschau der einzelnen von Ihnen vorgebrachten Umstände ist seitens des Bundesamtes festzustellen, dass mit das Risiko des Untertauchens Ihrer Person definitiv vorhanden ist.
Daher ist die Entscheidung auch verhältnismäßig.
Die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung ist erforderlich, da Sie sich aufgrund Ihres oben geschilderten Vorverhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen haben. Es ist davon auszugehen, dass Sie auch hinkünftig nicht gewillt sein werden, die Rechtsvorschriften einzuhalten.
Aus Ihrer Wohn- und Familiensituation, aus Ihrer fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens kann geschlossen werden, dass bezüglich Ihrer Person ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliegt. Sie haben keinerlei Anbindungen in Österreich, wie Sie selbst angeben.
Einem geordneten Fremdenwesen kommt im Hinblick auf die öffentliche Ordnung und dem wirtschaftlichen Wohl des Staates ein hoher Stellenwert zu. Es besteht die Verpflichtung Österreichs, seinen europarechtlichen Vorgaben, als auch den Pflichten gegenüber seinen Staatsbürgern und anderen legal aufhältigen Personen nachzukommen.
Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft und ihrer Notwendigkeit ergibt daher in Ihrem Fall, dass Ihr privates Interesse an der Schonung Ihrer persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen hat.
Dabei wurde auch berücksichtigt, dass die Schubhaft eine ultima - ratio – Maßnahme darstellt. Es ist daher zu prüfen, ob die Anordnung gelinderer Mittel gleichermaßen zur Zweckerreichung dienlich wäre. In Betracht käme dabei das gelindere Mittel gem. § 77 FPG mit den dafür vorgesehenen Aufenthalts- und Meldepflichten bzw. der Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit. Dabei kommt die finanzielle Sicherheitsleistung aufgrund Ihrer finanziellen Situation schon von vornherein nicht in Betracht, da Sie laut Ihren Angaben nicht über finanzielle Mittel verfügen und zudem auch unterstandslos sind.
Doch auch was die Unterkunftsnahme in bestimmten Räumlichkeiten und die periodische Meldeverpflichtung betrifft, kann in Ihrem Fall damit nicht das Auslangen gefunden wird.
Sie wollen nicht weiterhin in Österreich verbleiben, haben keinen ordentlichen Wohnsitz und sind höchst mobil, weshalb das BFA begründet annehmen kann, dass Sie sich dem Verfahren in Österreich bei geringster Möglichkeit entziehen werden, da es laut Ihren Angaben Ihr Wunsch ist, in einen Mitgliedsstaat weiterzureisen.
Wie oben ausführlich dargelegt, besteht in Ihrem Fall aufgrund Ihrer persönlichen Lebenssituation sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens ein beträchtliches Risiko des Untertauchens. Damit wäre jedoch der Zweck der Schubhaft, nämlich die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung, vereitelt. Es liegt somit eine ultima – ratio – Situation vor, die die Anordnung der Schubhaftverhängung unabdingbar erfordert und eine Verfahrensführung, während derer Sie sich in Freiheit befinden, ausschließt.
Es ist weiters aufgrund Ihres Gesundheitszustandes davon auszugehen, dass auch die subjektiven Haftbedingungen, wie Ihre Haftfähigkeit, gegeben sind. Die von Ihnen vorgebrachte Allergie ist als Grund, an einer Haftfähigkeit im Vorhinein zu zweifeln, nicht geeignet. Der zuständige Amtsarzt wird auch Ihre Haftfähigkeit an sich prüfen.
Dass eine wie bei dem Fremden vorliegende fehlende soziale Verankerung in Österreich bei der Prüfung der Notwendigkeit der Schubhaft in Betracht zu ziehen ist, entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.05.2008, 2007/21/0162).
Für die Bejahung eines Sicherungsbedarfs kommen daher insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann (vgl. dazu VwGH 17.03.2009, 2007/21/0542). Im vorliegenden Fall verfügen Sie über keinerlei Integration in Österreich. Zudem ist bei Prüfung des Sicherungsbedarfs freilich auch das bisherige Verhalten in Betracht zu ziehen (vgl. VwGH 27.02.2007, 2006/21/0311; 28.06.2007, 2006/21/0091; 17.03.2009, 2007/21/0542 u.a.). Wiederholtes Nichtbeachten von (gesetzlichen) Regeln und behördlichen Anordnungen (vgl. VwGH 25.03.2010; Zl 2009/21/0121) können ebenso wie der Umstand, dass sich der Fremde nicht unmittelbar nach seiner Einreise in das Bundesgebiet mit den österreichischen Behörden in Kontakt gesetzt hat (vgl. VwGH 20.10.2011, Zl. 2008/21/0191), auf einen erhöhten Sicherungsbedarf hindeuten.
In Ihrem Fall ist eine Mehrzahl an Faktoren gegeben, die für sich alleine noch nicht den Schluss rechtfertigen, dass Sie sich dem Verfahren durch Untertauchen entziehen werden, die aber in der Gesamtschau sehr wohl einen Sicherungsbedarf ergeben: Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht fest, dass Sie in Österreich keinen Wohnsitz haben, keiner legalen Beschäftigung in Österreich nachgehen und weder Verwandte noch Bekannte in Österreich haben. Auch sonst wurden von Ihrer Seite keine relevanten Anknüpfungspunkte mit Österreich namhaft gemacht bzw. wurden keine solchen entdeckt. Sie verfügen über sehr eingeschränkte Barmittel. Ebenso gaben Sie an, dass Sie umgehend Österreich wieder verlassen wollen würden, um in einen weiteren Mitgliedsstaat weiterreisen zu können.
Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes muss die Behörde durchaus annehmen, dass Sie sich dem Verfahren durch Untertauchen entziehen werden und somit ein dringender Sicherungsbedarf besteht.
Zur Anwendung eines gelinderen Mittels führt der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 02.08.2013 (VwGH 02.08.2013, 2013/21/0008) aus: „Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichthofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22. Mai 2007, Z. 2006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29. April 2008, Zl. 2008/21/0085, siehe auch die Erkenntnisse vom 28. Februar 2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein.“ Im vorliegenden Fall ergeben sich aus dem Sachverhalt keinerlei Umstände, die eine Anordnung gelinderer Mittel nahelegen, da alle oben genannten Ansatzpunkte im konkreten Falle nicht gegeben sind und nicht behauptet wurden.
Aufgrund des aufgezeigten Sachverhalts, insbesondere des illegalen Aufenthaltes, nicht vorhandener finanzieller Mittel, der fehlenden Möglichkeit einer legalen Erwerbsausübung, die nicht vorhandene Möglichkeit der sozialen und wirtschaftlichen Integration, der fehlenden gesicherten Unterkunft, der Intention, umgehend in einen Mitgliedsstaat weiterreisen zu wollen und aufgrund des bisher gezeigten Verhaltes kam die Anwendung von gelinderen Mitteln im gegenständlichen Fall nicht in Betracht.
Die Behörde gelangt daher zum Ergebnis, dass sowohl die gesetzlichen Formalerfordernisse vorliegen, als auch, dass die Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis steht und im Interesse des öffentlichen Wohls dringend erforderlich und geboten ist. Die Schubhaftverhängung ist daher jedenfalls verhältnismäßig, gerechtfertigt und notwendig und entspricht den gesetzlichen Vorgaben des Fremdenpolizeigesetzes. (…)“
Am 09.07.2017 stellte der BF aus dem Stande der Schubhaft einen Erstantrag auf internationalen Schutz. Die Erstbefragung fand am selben Tag vor dem BFA statt. Hier gab der BF im Wesentlichen an, in Österreich keine Familienangehörigen zu haben und auch keine Barmittel zu besitzen. Nach dem Verlassen seines Herkunftsstaates sei Italien sein Zielland gewesen, da er dort Geld verdienen und seine Familie nachholen wolle. Dort wolle er nach wie vor hin, sobald er in Österreich seine Freiheit wiedererlangt habe. Gereist sei er mit diversen Schleppern. Seinen Reisepass habe er zu Hause gelassen. Um Asyl habe er in keinem anderen Land angesucht und er habe auch keinen Aufenthaltstitel oder ein Visum für ein anderes Land. Sein Heimatland habe er verlassen, da dort Terror durch die Taliban herrsche und er immer wieder aufgefordert werde beizutreten und Bombenanschläge in Nachbarländern durchzuführen. Daher habe er flüchten wollen, die Taliban fürchte er nach wie vor. Der Überprüfung seiner Angaben in seinem Heimatland stimme er zu.
Der BF wurde nach der Asylantragstellung weiterhin in Schubhaft angehalten.
Am 12.07.2017 wurde erneut eine niederschriftliche Einvernahme vor dem BFA durchgeführt. Hier gab der BF im Wesentlichen an, ihm gehe es gut, er verstehe den Dolmetscher und habe auch den Letzten verstanden, es seien jedoch falsche Dinge aufgenommen worden. So habe der BF zwar gesagt, dass er nach Italien reisen wolle, nicht aber, dass er seine Familie nachholen wolle. Seinen Personalausweis habe er verloren, Pass habe er keinen, bzw. wisse er nicht, wo sich dieser befinde. Zu seiner Familie habe er keinen Kontakt mehr, da ihm sein Handy abgenommen worden sei, er könne jedoch wieder Kontakt herstellen. Verwandte in Österreich habe er nicht. In seinem Heimatland sei er Schneider gewesen, während seiner Flucht habe er in der Türkei keine richtige Arbeit finden können. In Griechenland habe er gearbeitet, jedoch gebe es dort keine Bezahlung. Sein Zielland sei Italien gewesen, wo er eine Schneiderei aufbauen habe wollen, wenn er jedoch in Österreich Asyl bekommen könne, sei ihm auch das recht. Er wolle die deutsche Sprache erlernen und als Schneider arbeiten. Um Asyl habe er sonst nirgends angesucht. Er sei aus Angst vor den Taliban geflohen, die versucht hätten, ihn zu rekrutieren, er sei jedoch ein richtiger Moslem. Es habe Konflikte gegeben und er sei an der Hand verletzt worden. Die Taliban hätten gedroht ihn zu entführen oder gar umzubringen, wenn er nicht mitkomme. Nach der dritten oder vierten solchen Drohung sei er ausgereist. Seine Eltern seien nicht in Gefahr, da die Taliban die Älteren in Ruhe ließen, bedroht würden nur junge Männer. Ob seine Brüder weiter bedroht würden, wisse er nicht. Daran, an einen anderen Ort in Pakistan zu fliehen habe er nicht gedacht bzw. habe er das nicht gewollt, da er dort weiter eine Zielscheibe gewesen wäre. Hilfe bei der Polizei habe er nicht gesucht, diese habe selbst Angst vor den Taliban. Politisch habe er sich nicht betätigt. Sein primäres Motiv das Land zu verlassen seien die Taliban gewesen und nicht wirtschaftliche Gründe.
Am 12.07.2017 wurde der BF aus der Schubhaft entlassen.
Mit Bescheid des BFA vom 02.08.2017 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 09.07.2017 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG wurde sein Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Pakistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz erlassen. Weiters wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 nach Pakistan zulässig sei. (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde ihm für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gesetzt (Spruchpunkt IV.). Eine diesbezügliche Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.09.2017 abgewiesen. Diese Entscheidung erwuchs in weiterer Folge in Rechtskraft.
Mit Beschwerdeschriftsatz vom 16.08.2017 erhob der BF durch seinen Vertreter Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid sowie die darauf gegründete Anhaltung. Im Wesentlichen wurde vorgebracht, der BF sei nach der Asylantragstellung nicht entlassen, sondern weiterhin in Schubhaft angehalten worden, obwohl keine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar gewesen sei. Laut Aufnahmerichtlinie sei anstelle der weiteren Anhaltung jedoch die Aufnahme in ein Grundversorgungsquartier angezeigt gewesen. Aus der Befragung vom 09.07.2017 sei kein Grund ersichtlich, der die Annahme rechtfertige, der BF habe ab dem Zeitpunkt der Asylantragstellung in ein anderes Land weiterreisen wollen. Es gehe klar hervor, dass er eine inhaltliche Überprüfung seiner Fluchtgründe gewollt habe. Die Anhaltung nach Asylantragstellung erweise sich jedenfalls als rechtswidrig. Beantragt wurden die Rechtswidrigerklärung der Anordnung der Schubhaft, der Anhaltung in Schubhaft sowie Kostenersatz.
Am 09.06.2020 wurde das BFA um Übermittlung eines allfälligen Aktenvermerkes gemäß § 76 Abs. 6 FPG ersucht. Am selben Tag wurde seitens des BFA mitgeteilt, dass kein Aktenvermerk gemäß § 76 Abs. 6 FPG angefertigt wurde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF ist ein Staatsangehöriger Pakistans. Seine Identität steht nicht fest. Der BF reiste zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt illegal und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein und wurde am 06.07.2017 auf der Autobahn in Fahrtrichtung XXXX von einer API aufgegriffen und festgenommen. Mit Mandatsbescheid des BFA, Regionaldirektion XXXX , vom selben Tag wurde über den BF gemäß § 76 Absatz 2 Ziffer 1 FPG iVm § 57 Absatz 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung verhängt. Der Beschwerdeführer sprach Punjabi, Urdu und ein wenig Englisch, jedoch kein Deutsch. Er hatte in Österreich keine familiären und auch sonst keine nennenswerten sozialen Kontakte. Er verfügte im Inland über keine legalen beruflichen Bindungen, keine gesicherte Unterkunft und keine ausreichenden Existenzmittel zur Sicherung seines Lebensunterhaltes. Der BF war nicht vertrauenswürdig, er wollte in einen anderen Mitgliedstaat weiterreisen. Der BF war haftfähig. Der BF war unbescholten.
Am 09.07.2017 stellte der BF aus dem Stande der Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz. Er wurde daraufhin bis 12.07.2017 weiter in Schubhaft angehalten.
Der BF wurde von 06.07.2017 bis 12.07.2017 in Schubhaft angehalten.
Mit Bescheid des BFA vom 02.08.2017 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 09.07.2017 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG wurde sein Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Pakistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz erlassen. Weiters wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 nach Pakistan zulässig sei. (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde ihm für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gesetzt (Spruchpunkt IV.).
Eine diesbezügliche Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.09.2017 abgewiesen. Diese Entscheidung erwuchs in weiterer Folge in Rechtskraft.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA sowie den Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes bezüglich des BF.
Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit des BF getroffen wurden, beruhen diese auf den vom BFA im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen. Diese Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung der Person des BF im gegenständlichen Verfahren.
Die Feststellungen zur Festnahme und der weiteren Anhaltung des BF ergeben sich aus dem unstrittigen Akteninhalt und entsprechen dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes (Einsicht in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung).
Der rechtskräftige Abschluss des Asylverfahrens, das Datum der Asylantragstellung sowie der fremdenrechtliche Status des BF ergeben sich aus der Aktenlage.
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen und Lebensumständen des BF in Österreich, insbesondere zur fehlenden familiären, legalen beruflichen Verankerung, zum Fehlen ausreichender Existenzmittel und einer gesicherten Unterkunft, ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA sowie den Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes bezüglich des BF.
Die mangelnde Vertrauenswürdigkeit des BF ergibt sich aus seinen ersten Angaben, wo er angab, in einen anderen Mitgliedstaat weiterreisen zu wollen.
Aus dem gesamten Akteninhalt ergaben sich keine der Haftfähigkeit des BF entgegenstehenden Anhaltspunkte. Insbesondere ist nichts Entsprechendes in der Anhaltedatei vermerkt, wo gesundheitliche Einschränkungen in aller Regel vermerkt werden.
3. Rechtliche Beurteilung
Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: „Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein.“
Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 70/2015, lautet:
„§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn
1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,
2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder
3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.
(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.
(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.
(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.
(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“
Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.
Der mit Schubhaft betitelte § 76 FPG BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 70/2015 lautet:
„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen oder Meldeverpflichtungen gemäß §§ 56 oder 71 FPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder 15a AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“
§ 77 Gelinderes Mittel
Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.
Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.
Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.
Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.
Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.
Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.
Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.
Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.
Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).
Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).
Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).
„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).
„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).
Zu Spruchpunkt A.I.) Mandatsbescheid vom 06.07.2017 sowie Anhaltung in Schubhaft von 06.07.2017 bis 09.07.2017
Die belangte Behörde stützte den Mandatsbescheid auf § 76 Abs. 2 Z 1 FPG idF BGBl. I Nr. 70/2015. Über den BF wurde gemäß § 76 Absatz 2 Ziffer 1 FPG iVm § 57 Absatz 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung verhängt.
Gemäß § 76 Abs 3 FPG in der genannten Fassung lag eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird.
Dabei waren insbesondere die Kriterien des § 76 Abs 3 Z 1 bis 9 zu berücksichtigen.
Bei der Beurteilung der Fluchtgefahr war gemäß § 76 Abs 3 Z 1 FPG zu berücksichtigen, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert.
Der BF verfügte im Inland über keine Meldeadresse, wurde im Zuge einer Zufallskontrolle aufgegriffen und wollte in einen anderen Mitgliedstaat weiterreisen. Der BF war nicht vertrauenswürdig.
Bei der Beurteilung der Fluchtgefahr war gemäß § 76 Abs 3 Z 9 FPG auch der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen.
Der BF verfügte in Österreich über keine familiären oder beruflichen Anknüpfungspunkte. Weiters konnte er weder einen ordentlichen Wohnsitz noch ausreichende Existenzmittel vorweisen. Es lagen für das BFA keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der BF aufgrund des Grades seiner familiären, sozialen und beruflichen Verankerung in Österreich einen so verfestigten Aufenthalt hat um nicht sein Verfahren zu erschweren und unterzutauchen.
Das BFA ging daher aufgrund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z 1 und Z 9 von Fluchtgefahr aus.
Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des BF vor Anordnung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Diese Beurteilung hat ergeben, dass mehrere Kriterien für das Bestehen eines Sicherungsbedarfes sprachen. Es war daher eine konkrete Einzelfallbeurteilung vorzunehmen, welche ergeben hat, dass das Verhalten des BF nicht vertrauenswürdig war. Der BF verfügte über keine aufrechte Meldeadresse und gab an, in einen anderen Mitgliedstaat weiterreisen zu wollen. Weiters wurde der BF nur im Zuge einer Zufallskontrolle aufgegriffen.
Die Sicherung des Verfahrens war erforderlich, da aufgrund des Vorverhaltens des BF davon auszugehen war, dass er nicht gewillt sein wird, sich für sein Verfahren zur Verfügung zu halten. Vor dem Hintergrund der angeführten Umstände - das Verhalten des BF betreffend – war sohin von Fluchtgefahr/Gefahr des Untertauchens auszugehen. Aufgrund einer vorzunehmenden Verhaltensprognose konnte vom Bestehen eines Sicherungsbedarfes ausgegangen werden.
Bei der Verhältnismäßigkeit ist das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Wie schon die belangte Behörde ausführte, kommt einem geordneten Fremdenwesen im Hinblick auf die öffentliche Ordnung und dem wirtschaftlichen Wohl des Staates ein hoher Stellenwert zu. Es besteht die Verpflichtung Österreichs, seine europäischen Vorgaben, als auch den Pflichten gegenüber seinen Staatsbürgern und anderen legal aufhältigen Personen nachzukommen. Bei der Interessenabwägung wurde das private Interesse an der Schonung der persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintangestellt. Es war daher davon auszugehen, dass die angeordnete Schubhaft auch das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt.
Die Prüfung, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt, führt zu dem Ergebnis, dass ein gelinderes Mittel zu Recht nicht zur Anwendung kam.
Aufgrund des vom BF gesetzten Vorverhaltens konnte ein gelinderes Mittel nicht zum Ziel der Sicherung des Verfahrens führen. Der BF erwies sich als nicht vertrauenswürdig.
Die Verhängung eines gelinderen Mittels wurde daher zu Recht ausgeschlossen.
Die hier zu prüfende Schubhaft stellt eine „ultima ratio“ dar, da von Fluchtgefahr, Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit ausgegangen werden konnte, weiters davon, dass ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft - Sicherung des Verfahrens - erfüllt.
Daher war spruchgemäß zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt A.II.) Anhaltung von 09.07.2017 (10:30 Uhr) bis 12.07.2017 (15:45 Uhr):
Der BF stellte am 09.07.2017 (10:30 Uhr) aus dem Stande der Schubhaft einen Erstantrag auf internationalen Schutz, er wurde in der Folge bis zu seiner Entlassung am 12.07.2017 (15:45 Uhr) weiter in Schubhaft angehalten.
Der Verwaltungsgerichtshof stellte in seinem Beschluss vom 25. Juli 2017, Ro 2017/21/0009-3, fest, dass § 76 Abs. 2 Z 1 FPG nicht als Umsetzung eines Schubhaftgrundes nach Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (im Folgenden: Aufnahme-RL) gedeutet werden kann, weshalb eine auf die Bestimmung des § 76 Abs. 2 Z 1 FPG gestützte Schubhaft in Bezug auf der Aufnahme-RL unterfallende Asylwerber rechtswidrig ist.
Weiters stellte der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 05.10.2017 (Ro 2017/21/0009) Folgendes fest:
„Jedenfalls vor dem aufgezeigten unionsrechtlichen Hintergrund kommt aber die Verhängung von Schubhaft nach § 76 Abs. 2 Z 1 FPG, der - wie erwähnt - ohne entsprechende Deckung in der Aufnahme-RL nur auf Fluchtgefahr als Haftgrund abstellt, gegenüber einem Asylwerber, der wie der Revisionswerber zunächst faktischen Abschiebeschutz genießt und dem gegenüber dann die Fristen des § 16 Abs. 4 zweiter Satz BFA-VG noch nicht abgelaufen sind, nicht in Betracht. Das macht die gegenständliche, auf § 76 Abs. 2 Z 1 FPG gestützte Schubhaft rechtswidrig. Zwar mag das Vorliegen von Fluchtgefahr im Sinn des § 76 Abs. 3 FPG beim Revisionswerber zu bejahen sein. Darauf kommt es im Rahmen des hier gegenständlichen Revisionsverfahrens aber nach dem Gesagten angesichts der keinen Zweifel offenlassenden klaren unionsrechtlichen Regelungen und deren Konsequenzen - insbesondere auch in Anbetracht der Urteile „Arslan‘ und „J. N.“ - nicht an“.
Mit Erkenntnis vom 14.11.2017 (Ra2016/21/0219-14) stellte der Verwaltungsgerichtshof fest, dass für den BF ab dem Zeitpunkt seiner Antragstellung die RL 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 („Aufnahmerichtlinie“) galt:
„In der Begründung seiner Entscheidung stellte das BVwG insbesondere fest, dass sich der vom Revisionswerber vor der Verhängung der Schubhaft gestellte Asylfolgeantrag „in Bearbeitung“ befinde.
(…)
Der Revisionswerber war nämlich nach den Annahmen im angefochtenen Erkenntnis zum Zeitpunkt der Verhängung der Schubhaft und auch noch bei Erlassung des Fortsetzungsausspruches (mit Zustellung am 22. Juni 2016) ein Fremder bzw. Asylwerber mit faktischem Abschiebeschutz; dass ihm aufgrund seines Folgeantrages gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 der faktische Abschiebeschutz aberkannt worden sei, hat das BVwG nicht festgestellt. Jedenfalls ausgehend davon galt für ihn die Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung vom Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (Neufassung), sodass die Verhängung von Schubhaft nach § 76 Abs. 2 Z 1 FPG gegen ihn nicht in Betracht kam. Dazu wird des Näheren gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe des Erkenntnisses VwGH 5.10.2017, Ro 2017/21/0009, verwiesen (vgl. insbesondere zusammenfassend Rn. 29 und Rn. 31; die in Rn. 14 in Bezug auf Folgeanträge gemachte Einschränkung wird in der vorliegenden Konstellation jedenfalls nicht schlagend).
Im Übrigen ist noch anzumerken, dass im vorliegenden Fall auch § 76 Abs. 6 FPG nicht als Rechtsgrundlage für die Verhängung von Schubhaft in Frage gekommen wäre, weil diese Bestimmung schon nach ihrem Wortlaut („während einer Anhaltung in Schubhaft“) eine vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz bereits in Vollzug befindliche Schubhaft voraussetzt, die dann (ohne Erlassung eines Bescheides - vgl. § 76 Abs. 6 zweiter Satz) aufrechterhalten werden kann (vgl. nochmals VwGH 5.10.2017, Ro 2017/21/0009, Rn. 30; siehe in diesem Sinn auch schon VwGH 31.8.2017, Ro 2017/21/0004, Rn. 20)“.
Auf den BF fand ab dem Zeitpunkt seiner Asylantragstellung die Aufnahmerichtlinie Anwendung. Vor dem Hintergrund der dargestellten Judikatur war die Schubhaft - hinsichtlich des unter Spruchpunkt II. genannten Zeitraumes - für rechtswidrig zu erklären, da der BF ab seiner Asylantragstellung Asylwerber war, dem faktischer Abschiebeschutz zukam.
Aus den dargelegten Gründen war der Beschwerde gegen die Anhaltung des BF von 09.07.2017 (10:30 Uhr) bis zu seiner Entlassung am 12.07.2017 (15:45 Uhr) spruchgemäß stattzugeben.
Zu Spruchpunkt A.III.) Kostenersatz
Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).
Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.
Nur der BF begehrte Kostenersatz. Da keine der beiden Parteien vollständig obsiegte, war der Antrag abzuweisen.
Entfall einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt aufgrund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.
Zu Spruchteil B) Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
Wie ausgeführt, sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher nicht zuzulassen.
Schlagworte
Asylantragstellung Asylwerber faktischer Abschiebeschutz Fluchtgefahr gelinderes Mittel Identität illegale Einreise Kostenersatz Mittellosigkeit öffentliche Interessen Rechtswidrigkeit Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Teilstattgebung Ultima Ratio Untertauchen VerhältnismäßigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W140.2167742.1.00Im RIS seit
01.10.2021Zuletzt aktualisiert am
01.10.2021