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60/04 Arbeitsrecht allgemein;Norm
AuslBG §4 Abs6 Z2 litd idF 1990/450;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Fuchs, Dr. Blaschek und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des Vereines "XY" in I, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Tirol (nunmehr Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol) vom 18. März 1994, Zl. III b 6702 B/1225725/I, betreffend Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Arbeitsmarktservice hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die beschwerdeführende Partei (ein Wohlfahrtsverein) stellte am 26. Jänner 1994 einen Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für die kroatische Staatsangehörige Sch. für die vorgesehene berufliche Tätigkeit als "Heimhilfe".
Mit Bescheid vom 7. Februar 1994 lehnte das zuständige Arbeitsamt die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG ab. In der Begründung wurde dazu ausgeführt, der Vermittlungsausschuß habe im gegenständlichen Verfahren die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nicht einhellig befürwortet. Darüber hinaus habe das "Ermittlungsverfahren" ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.
In der Berufung machte die beschwerdeführende Partei geltend, die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides, die sich ausschließlich auf gesetzliche Bestimmungen beziehe, sei "keine Begründung". Die Behörde habe es unterlassen, den Sachverhalt zu erheben und die entscheidungswesentlichen Tatbestandsmerkmale festzustellen. Die Behörde habe das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei in keiner Weise gewürdigt. Die beschwerdeführende Partei benötige Sch. "dringlich und zwar nicht nur als Heimhilfe, sondern in besonderer und dringlicher Weise auch als Dolmetscherin für die von ihr betreuten Flüchtlinge bosnischer Herkunft und serbo-kroatischer Muttersprache".
Mit Schriftsatz vom 1. März 1994 verständigte die belangte Behörde die beschwerdeführende Partei "vom Ergebnis der Beweisaufnahme". Dazu wird ausgeführt, laut Antrag solle die Arbeitskraft als Heimhilfe beschäftigt werden. Aus dem Antrag gehe weiters hervor, daß für diese berufliche Tätigkeit keine speziellen Kenntnisse oder Ausbildung erforderlich seien. Zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das zuständige Arbeitsamt als Behörde erster Instanz sei die für das Bundesland Tirol gemäß der Verordnung BGBl. Nr. 794/1993 für das Jahr 1994 mit 19.500 festgesetzte Landeshöchstzahl überschritten gewesen, sodaß die Entscheidung nach § 4 Abs. 6 AuslBG zu erfolgen gehabt habe. Der Vermittlungsausschuß habe die beantragte Beschäftigungsbewilligung nicht einhellig befürwortet. Deshalb habe die Behörde erster Instanz auch den Antrag abgewiesen. Aufgrund "des statistischen Materials", das der belangten Behörde zur Verfügung stehe, seien "derzeit über 19.500 beschäftigte und arbeitslose Ausländer feststellbar". Somit sei die Landeshöchstzahl 1994 für das Bundesland Tirol überschritten, "so daß auch das gegenständliche Verfahren gemäß § 4 Abs. 6 des AuslBG abzuwickeln ist".
Nachdem zu diesem Vorhalt binnen der gesetzten Frist von einer Woche keine Stellnahme eingelangt war, gab die belangte Behörde der Berufung mit dem angefochtenen Bescheid vom 18. März 1994 gemäß § 66 Abs. 4 AVG und § 4 Abs. 6 AuslBG keine Folge. Im Rahmen der Sachverhaltswiedergabe wird im angefochtenen Bescheid ausgeführt, die beschwerdeführende Partei habe "ihr Recht auf Parteiengehör" nicht ausgeübt. Sie habe daher den "Ergebnissen des Beweisverfahrens" nicht widersprochen. Aus diesem Grund gehe die belangte Behörde gemäß § 56 AVG von der in der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme "festgestellten Aktenlage" aus. Im Beschwerdefall habe der Vermittlungsausschuß den Antrag auf Erteilung der Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet. Die in der Berufung vorgetragenen Gründe reichten nicht aus, die Anspruchsvoraussetzungen des § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG zu erfüllen. Es wäre "Sache der Berufungswerberin gewesen, alle anspruchsbegründenden Tatsachen zu behaupten und auch zu beweisen. Dies ist jedoch geschehen, weswegen der gegenständlichen Berufung mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 4 Abs. 6 Z. 1 bis 4 des AuslBG keine Folge gegeben werden kann". Im übrigen habe die beschwerdeführende Partei dadurch, daß die in der Berufung genannte Berufsbezeichnung für Sch. "Dolmetscherin für serbokroatisch" von der im Erstantrag und im Spruch des Bescheides erster Instanz (Heimhilfe) abweiche, den Gegenstand, die "Sache" des Verfahrens, geändert. "Sache" des Berufungsverfahrens müsse die Angelegenheit sein, die den Inhalt des Bescheides erster Instanz gebildet habe. Die Berufung, "was die neuerwähnte Berufsbezeichnung betrifft", sei daher aus diesem Grunde abzuweisen.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Verfassungsgerichtshofbeschwerde mit Beschluß vom 27. September 1994, B 914/94-3, ab. In der an den Verwaltungsgerichtshof antragsgemäß abgetretenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid
ausschließlich auf § 4 Abs. 6 AuslBG gestützt.
§ 4 Abs. 6 AuslBG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung (Z. 1 i.d.F. der Novelle BGBl. Nr. 684/1991, die übrigen Bestimmungen i.d.F. der Novelle BGBl. Nr. 450/1990) lautet:
"Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und
1. bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Vermittlungsausschuß gemäß § 44a des Arbeitsmarktförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 31/1969, in der jeweils geltenden Fassung, einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder
2. die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere
a) als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer,
b) in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder
c) als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder
d) im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege erfolgen soll, oder
3. öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder
4. die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 gegeben sind."
Die belangte Behörde ist vom Vorliegen der Anwendungsvoraussetzungen für das gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG erschwerte Verfahren ausgegangen. Die beschwerdeführende Partei zieht diese Annahme der Anwendungsvoraussetzungen (insbesondere das Überschreiten der für das Kalenderjahr 1994 festgesetzten Landeshöchstzahl) nicht in Zweifel, bringt aber vor, ein Vorbringen erstattet zu haben, wonach die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung nach § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. d AuslBG gerechtfertigt gewesen wäre.
Soweit dazu in der Beschwerde geltend gemacht wird, der angefochtene Bescheid sei schon deshalb rechtlich "unrichtig", weil in der Begründung des angefochtenen Bescheides u.a. ausgeführt werde, "es wäre Sache der Berufungswerberin gewesen, alle anspruchsbegründeten Tatsachen zu behaupten und auch zu beweisen. Dies ist jedoch geschehen, weswegen ... keine Folge gegeben werden kann" läßt sich daraus für die Beschwerde deshalb nichts gewinnen, weil es sich bei verständiger Würdigung dieser Begründungspassage im angefochtenen Bescheid nur um einen offenkundigen Fehler in der Wortwahl handelte (Fehlen des Wortes "nicht" im ersten Satzteil des zweiten Satzes).
Im Recht ist die beschwerdeführende Partei aber mit ihrem Vorbringen zu § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. d AuslBG.
Es ist das Recht jedes Arbeitgebers, sofern er damit nicht gegen zwingendes Recht verstößt, die Anforderungen festzusetzen, die er an eine von ihm zu beschäftigende Person stellt (vgl. dazu beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Oktober 1993, 93/09/0121). Die beschwerdeführende Partei hat bereits im Antrag auf Erteilung der Beschäftigungsbewilligung durch die Bezeichnung der beruflichen Tätigkeit als "Heimhilfe" eindeutig auf eine offenbar beabsichtigte Beschäftigung der beantragten Ausländerin im Bereich der Wohlfahrtspflege hingewiesen (dazu, daß § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. d AuslBG nicht nur dann zur Anwendung kommt, wenn eine abgeschlossene Ausbildung im Gesundheitsbereich oder Wohlfahrtsbereich nachgewiesen werden kann, siehe das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Mai 1995, 93/09/0437). Dessen ungeachtet setzte sich weder die Behörde erster Instanz noch die belangte Behörde (auch der Vorhalt vom 1. März 1994 war zu den Anspruchsvoraussetzungen nach § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG weitgehend unsubstantiiert) mit diesem Vorbringen näher auseinander. Ausführungen in der Gegenschrift können fehlende Bescheidbegründungen nicht ersetzen.
Der Arbeitsplatz wird gemäß § 6 Abs. 1 AuslBG durch die berufliche Tätigkeit und den Betrieb bestimmt. Es ist nicht nachvollziehbar, warum durch die Berufungsausführungen eine insofern relevante Änderung der "Berufsbezeichnung" eingetreten wäre, daß nicht mehr von einer "Identität der Sache" gesprochen werden könnte. Daß die Tätigkeit von Sch. "nicht nur" als Heimhilfe, sondern in besonderer Weise auch als Dolmetsch im Rahmen der Flüchtlingsbetreuung erfolgen sollte, deutet keineswegs auf eine wesentliche Änderung des Berufsbildes dergestalt hin, daß diesbezüglich ein neuer Antrag hätte gestellt werden müssen, zumal von der Behörde erster Instanz keinerlei Feststellungen getroffen wurden, welches Tätigkeitsbild die beantragte "Heimhilfe" umfassen sollte.
Der angefochtene Bescheid ist somit mit wesentlichen Verfahrensmängeln belastet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994. Neben dem Pauschalsatz für Schriftsatzaufwand von S 12.500,-- war Umsatzsteuer nicht gesondert zuzusprechen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1994090283.X00Im RIS seit
20.11.2000