Entscheidungsdatum
17.06.2021Norm
AVG §13 Abs3Spruch
W249 2236066-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Ingrid ZEHETNER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX gegen den Bescheid der GIS Gebühren Info Service GmbH vom XXXX , GZ. XXXX , Teilnehmernummer XXXX , zu Recht:
A)
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Mit am XXXX bei der GIS Gebühren Info Service GmbH (im Folgenden: „belangte Behörde“) eingelangtem E-Mail beantragte XXXX (im Folgenden: „Beschwerdeführerin“) die Befreiung von der Rundfunkgebühr für Radio- und Fernsehempfangseinrichtungen sowie die Befreiung von der Entrichtung der Ökostrompauschale. Im dabei verwendeten Antragsformular kreuzte die Beschwerdeführerin unter der Rubrik „Wenn Sie eine der nachstehenden Anspruchsvoraussetzungen erfüllen, kreuzen Sie bitte das entsprechende Feld an“ die Auswahlmöglichkeit „Bezieher von Leistungen und Unterstützungen aus der Sozialhilfe oder der freien Wohlfahrtspflege oder aus sonstigen öffentlichen Mitteln wegen sozialer Hilfsbedürftigkeit“ an. Weiters gab die Beschwerdeführerin an, dass in ihrem Haushalt XXXX weitere Personen ( XXXX ) wohnhaft seien.
Dem Antragsformular waren keine Unterlagen angeschlossen. Im E-Mail führte die Beschwerdeführerin aus, Sozialhilfe sei beantragt worden und werde nachgereicht.
2. Am XXXX richtete die belangte Behörde an die Beschwerdeführerin folgendes Schreiben:
„[…] danke für Ihren Antrag vom XXXX auf
? Befreiung von der Rundfunkgebühr für Fernsehempfangseinrichtungen
? Befreiung von der Rundfunkgebühr für Radioempfangseinrichtungen
Für die weitere Bearbeitung benötigen wir von Ihnen noch folgende Angaben bzw. Unterlagen:
? Kopien der Meldebestätigungen des/der Antragsteller/in bzw. gegebenenfalls aller Personen, die im gemeinsamen Haushalt leben.
? Kopie des Nachweises über eine im Gesetz genannte Anspruchsgrundlage (soziale Transferleistung der öffentlichen Hand).
? Nachweis über alle Bezüge des/der Antragsteller/in bzw. gegebenenfalls aller Personen, die im gemeinsamen Haushalt leben.
Dies können beispielsweise sein - bitte immer in Kopie:
? bei Berufstätigen die aktuelle Lohnbestätigung oder der letzte Einkommenssteuerbescheid
? bei Pensionisten die aktuelle Bestätigung über die Pensionsbezüge
? bei Auszubildenden die Bestätigung der Lehrlingsentschädigung
? bei Schülern und Studenten die Bescheide über Schüler- und Studienbeihilfen sowie Angabe der sonstigen Zuwendungen (Unterhaltszahlungen der Eltern) und Einkünfte (geringfügige Beschäftigung)
? bei Personen, die in der Landwirtschaft tätig sind, die Einheitswertbescheide
? sowie gegebenenfalls Bezüge von Alimenten bzw. sonstigen Unterhaltszahlungen
Bitte gesetzl. Anspruch und aktuelles Einkommen von XXXX zB aktuelle Mindestsicherung, Kinderbetreuungsgeld inkl. Beihilfe, Alimente für XXXX , etc. nachreichen. Danke.
Wir bitten Sie, die noch fehlenden Unterlagen innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens nachzureichen. Bitte legen Sie Ihren Unterlagen unbedingt das beiliegende Formular „Deckblatt zur Nachreichung von Unterlagen“ bei. Auf diese Weise ist eine rasche Bearbeitung Ihres Antrages möglich.
[…]
Sollten uns bis zum Stichtag die benötigten Informationen und Unterlagen nicht vorliegen, müssen wir Ihren Antrag leider zurückweisen.“
3. Die Beschwerdeführerin übermittelte hierauf keine Unterlagen an die belangte Behörde.
4. Mit dem bekämpften Bescheid vom XXXX wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin zurück und führte begründend aus, dass die Beschwerdeführerin schriftlich dazu aufgefordert worden sei, fehlende Angaben bzw. Unterlagen, nämlich Kopien der Meldebestätigung der Antragstellerin bzw. gegebenenfalls aller Personen, die im gemeinsamen Haushalt leben, eine Kopie des Nachweises über eine im Gesetz genannte Anspruchsgrundlage sowie Nachweise über alle Bezüge der Antragstellerin bzw. gegebenenfalls aller Personen, die im gemeinsamen Haushalt leben, nachzureichen, diese Nachweise aber nicht erbracht habe: „Gesetzl. Anspruch und aktuelles Einkommen von XXXX zB aktuelle Mindestsicherung, Kinderbetreuungsgeld inkl. Beihilfe, Alimente für XXXX , etc wurden nicht nachgereicht.“
5. Am XXXX richtete die Beschwerdeführerin ein E-Mail an die belangte Behörde, in dem sie ausführte, sie habe eine „Rechnung“ dieser erhalten, habe aber eine Befreiung beantragt, jedoch noch keine Rückmeldung erhalten. Sie sei zurzeit in Karenz und beziehe Sozialhilfe. Sie bitte um Rückmeldung in Bezug auf die Befreiung. Darüber hinaus stehe auf dem Brief „Herr“, sie bitte dies in „Frau“ zu ändern.
6. Die belangte Behörde richtete am XXXX ein E-Mail an die Beschwerdeführerin, in dem sie diese über das Aufforderungsschreiben vom XXXX und über den Bescheid vom XXXX informierte und ihr empfahl, die fehlenden Unterlagen binnen 14 Tagen als Bescheidbeschwerde nachzureichen.
7.1. Am XXXX erhob die Beschwerdeführerin per E-Mail Beschwerde. Sie teilte darin mit, die „Sozialhilfe“ sei „bei[m] Umzug verloren gegangen“ und werde nachgereicht. Dem E-Mail waren Unterhaltsvereinbarungen für XXXX der Beschwerdeführerin, jeweils vom XXXX , sowie auszugsweise eine Mitteilung der ÖGK über ihren Leistungsanspruch nach dem Kinderbetreuungsgeldgesetz (Kinderbetreuungsgeld von XXXX bis XXXX ) angeschlossen.
7.2. Noch am gleichen Tag sandte die Beschwerdeführerin ein E-Mail, wonach die Dokumente der Sozialhilfe gefunden worden seien und übermittelte zwei Seiten eines Bescheides des Magistrats XXXX vom XXXX über die Zuerkennung von Geldleistungen zur Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts sowie von Sachleistungen zur Befriedigung des Wohnbedarfs für die Beschwerdeführerin und ihre Haushaltsangehörigen in der Zeit von XXXX bis XXXX .
8. Die Beschwerdevorlage der belangten Behörde vom XXXX und der Verwaltungsakt langten beim Bundesverwaltungsgericht am XXXX ein.
9.1. Mit Parteiengehör vom XXXX forderte das Bundesverwaltungsgericht die belangte Behörde auf, zum Vorbringen, die Beschwerdeführerin habe weder die Aufforderung zur Nachreichung von Unterlagen vom XXXX noch den Bescheid vom XXXX erhalten, innerhalb einer Frist von zwei Wochen Stellung zu nehmen.
9.2. Mit am XXXX beim Bundesverwaltungsgericht eingelangtem Schreiben teilte die belangte Behörde mit, dass sämtliche Schriftstücke als unbescheinigte Sendung an den Rundfunkteilnehmer abgefertigt werden und eine korrekte Zustellung somit nicht nachgewiesen werden könne.
Im vorliegenden Fall habe die Kundin die erforderlichen Unterlagen nachgereicht und somit die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Befreiung, zumindest bis zum XXXX durch den Bezug der Bedarfsorientierten Mindestsicherung und den Einkommensnachweis (Alimente für XXXX und der Bezug des Kinderbetreuungsgeldes), nachgewiesen.
10.1. Mit Parteiengehör vom XXXX forderte das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerdeführerin auf, zu ihrem Vorbringen, sie habe lediglich eine „Rechnung“, aber hinsichtlich ihres Antrages auf Befreiung „keine Rückmeldung“ erhalten, innerhalb einer Frist von zwei Wochen Stellung zu nehmen.
10.2. Mit E-Mail vom XXXX teilte die Beschwerdeführerin dem Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen mit, sie habe XXXX einen Brief mit einer „Rechnung“ der belangten Behörde erhalten. Am XXXX habe sie ein E-Mail erhalten, mit der Aufforderung, die restlichen Unterlagen innerhalb von 14 Tagen nachzureichen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
1. Die Beschwerdeführerin brachte am XXXX einen Antrag auf Befreiung von der Rundfunkgebühr für Radio- und Fernsehempfangseinrichtungen sowie auf Befreiung von der Entrichtung der Ökostrompauschale ein. Sie machte darin geltend, Bezieherin von Leistungen und Unterstützungen aus der Sozialhilfe oder der freien Wohlfahrtspflege oder aus sonstigen öffentlichen Mitteln wegen sozialer Hilfsbedürftigkeit zu sein. Sie gab an, dass in ihrem Haushalt XXXX weitere Personen wohnhaft seien. Dem Antrag waren keine Unterlagen angeschlossen, die Beschwerdeführerin erklärte jedoch, sie habe Sozialhilfe beantragt und werde diese nachreichen.
2. Mit Schreiben vom XXXX wies die belangte Behörde die Beschwerdeführerin auf das Fehlen von Unterlagen, insbesondere von Nachweisen ihrer Anspruchsberechtigung und der Bezüge aller im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen, hin und forderte diese konkret auf: „Bitte gesetzl. Anspruch und aktuelles Einkommen von XXXX zB aktuelle Mindestsicherung, Kinderbetreuungsgeld inkl. Beihilfe, Alimente für XXXX , etc nachreichen. Danke.“
Für die Nachreichung der fehlenden Unterlagen wurde eine Frist von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens gesetzt. Weiters wurde angemerkt, dass der Antrag der Beschwerdeführerin zurückgewiesen werden müsse, wenn „bis zum Stichtag die benötigten Informationen und Unterlagen nicht vorliegen“.
Das Aufforderungsschreiben wurde als Brief ohne Zustellnachweis versandt. Ob bzw. wann das Aufforderungsschreiben der Beschwerdeführerin zugestellt wurde, lässt sich nicht feststellen.
3. Die Beschwerdeführerin übermittelte hierauf keine weiteren Unterlagen an die belangte Behörde.
4. Mit Bescheid vom XXXX wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin zurück und führte im Wesentlichen begründend aus, dass die Beschwerdeführerin schriftlich dazu aufgefordert worden sei, fehlende Angaben bzw. Unterlagen, nämlich einen Nachweis über eine im Gesetz genannte Anspruchsgrundlage sowie einen Nachweis über alle Bezüge der Antragstellerin bzw. gegebenenfalls aller Personen, die im gemeinsamen Haushalt leben, nachzureichen, diese Nachweise aber nicht erbracht habe. Wörtlich heißt es darin: „Gesetzl. Anspruch und aktuelles Einkommen von XXXX zB aktuelle Mindestsicherung, Kinderbetreuungsgeld inkl. Beihilfe, Alimente für XXXX etc wurden nicht nachgereicht.“
Der Bescheid wurde als Brief ohne Zustellnachweis versandt. Ob bzw. wann der Bescheid der Beschwerdeführerin zugestellt wurde, lässt sich nicht feststellen.
5. Am XXXX wandte sich die Beschwerdeführerin an die belangte Behörde und teilte dieser mit, dass sie eine „Rechnung“ erhalten habe. Sie habe eine Befreiung beantragt und noch keine Rückmeldung erhalten (wörtlich: „[…] habe aber eine Befreiung angefragt[,] jedoch keine Rückmeldung erhalten […]“). Sie sei zurzeit in Karenz und beziehe Sozialhilfe.
6. Die belangte Behörde teilte der Beschwerdeführerin daraufhin am XXXX mit, dass die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom XXXX aufgefordert worden sei, fehlende Dokumente nachzureichen. Da keine Nachreichung erfolgt sei, sei ihr Antrag zurückgewiesen worden.
7. Am XXXX erhob die Beschwerdeführerin per E-Mail Beschwerde. Im Rahmen der Beschwerde übermittelte die Beschwerdeführerin Unterhaltsvereinbarungen für ihre XXXX , eine Mitteilung der ÖGK über ihren Leistungsanspruch nach dem Kinderbetreuungsgeldgesetz (Kinderbetreuungsgeld von XXXX bis XXXX ) sowie auszugsweise einen Bescheid des Magistrats XXXX vom XXXX über die Zuerkennung einer Geldleistung zur Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts sowie einer Sachleistung zur Befriedigung des Wohnbedarfs in der Zeit von XXXX bis XXXX .
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen beruhen auf den von der belangten Behörde und von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen.
Die Versendungen des Aufforderungsschreibens vom XXXX und des Bescheides vom XXXX ohne Zustellnachweis ergeben sich aus der Stellungnahme der belangten Behörde vom XXXX . Die belangte Behörde war nicht in der Lage, die jeweilige Zustellung nachzuweisen.
Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass sie das an sie gerichtete Aufforderungsschreiben vom XXXX nicht erhalten habe, sodass sie darauf nicht innerhalb der angeführten Frist bzw. vor Bescheiderlassung reagieren konnte (vgl. dazu die unter II.3.5. dargestellte höchstgerichtliche Rechtsprechung); ebensowenig den Bescheid vom XXXX (vgl. ihr E-Mail vom XXXX an die belangte Behörde, in dem sie ausführte, sie habe eine „Rechnung“ dieser erhalten, habe aber eine Befreiung beantragt, jedoch noch keine Rückmeldung erhalten bzw. ihr E-Mail an das Bundesverwaltungsgericht vom XXXX , in dem sie vorbrachte, - erst - XXXX einen Brief mit einer „Rechnung“ der belangten Behörde erhalten zu haben).
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchpunkt A)
3.1. Für den Beschwerdefall sind die folgenden Bestimmungen maßgeblich:
3.1.1. § 13 Abs. 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 5/2008, lautet:
„§ 13. […] (3) Mängel schriftlicher Anbringen ermächtigen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.“
3.1.2. § 28 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (im Folgenden: VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 138/2017, regelt die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte und lautet auszugsweise wie folgt:
„§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
[…]
(5) Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
[…]“
3.1.3. Das Bundesgesetz betreffend die Einhebung von Rundfunkgebühren (Rundfunkgebührengesetz – RGG), BGBl. I Nr. 159/1999 idF BGBl. I Nr. 70/2016, lautet auszugsweise:
„Rundfunkgebühren
§ 3. (1) Die Gebühren sind für jeden Standort (§ 2 Abs. 2) zu entrichten und betragen für
Radio-Empfangseinrichtungen ..................................0,36 Euro
Fernseh-Empfangseinrichtungen ...............................1,16 Euro
monatlich
[…]
(5) Von den Gebühren nach Abs. 1 sind auf Antrag jene Rundfunkteilnehmer zu befreien, bei denen die in §§ 47 bis 49 der Anlage zum Fernmeldegebührengesetz (Fernmeldegebührenordnung), BGBl. Nr. 170/1970, genannten Voraussetzungen für eine Befreiung von der Rundfunkgebühr vorliegen.
[…]
Verfahren
§ 6. (1) Die Wahrnehmung der behördlichen Aufgaben nach § 4 Abs. 1 obliegt der Gesellschaft; gegen von der Gesellschaft erlassene Bescheide ist Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zulässig. Das AVG ist anzuwenden.
(2) Im Verfahren über Befreiungen sind die §§ 50, 51 und 53 der Anlage zum Fernmeldegebührengesetz (Fernmeldegebührenordnung), BGBl. Nr. 170/1970, anzuwenden.
[…]“
3.1.4. Die §§ 47 bis 51 der Anlage zum Fernmeldegebührengesetz (Fernmeldegebührenordnung), BGBl. Nr. 170/1970 idF BGBl. I Nr. 70/2016, lauten auszugsweise:
„Befreiungsbestimmungen
§ 47. (1) Über Antrag sind von der Entrichtung
– der Rundfunkgebühr für Radio-Empfangseinrichtungen (§ 3 Abs. 1 1. Untersatz RGG),
– der Rundfunkgebühr für Fernseh-Empfangseinrichtungen (§ 3 Abs. 1 2. Untersatz RGG)
zu befreien:
1. Bezieher von Pflegegeld oder einer vergleichbaren Leistung;
2. Bezieher von Beihilfen nach dem Arbeitsmarktservicegesetz, BGBl. Nr. 313/1994;
3. Bezieher von Leistungen nach pensionsrechtlichen Bestimmungen oder diesen Zuwendungen vergleichbare sonstige wiederkehrende Leistungen versorgungsrechtlicher Art der öffentlichen Hand,
4. Bezieher von Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977,
5. Bezieher von Beihilfen nach dem Arbeitsmarktförderungsgesetz,
6. Bezieher von Beihilfen nach dem Studienförderungsgesetz 1992,
7. Bezieher von Leistungen und Unterstützungen aus der Sozialhilfe oder der freien Wohlfahrtspflege oder aus sonstigen öffentlichen Mitteln wegen sozialer Hilfsbedürftigkeit.
[…]
§ 48. (1) Die Zuerkennung einer Gebührenbefreiung an Personen nach § 47 ist jedoch dann unzulässig, wenn das Haushalts-Nettoeinkommen den für die Gewährung einer Ausgleichszulage für einen Ein- oder Mehrpersonenhaushalt festgesetzten Richtsatz um mehr als 12% übersteigt.
(2) Die Bestimmungen des Abs. 1 finden auf die nach § 47 Abs. 2 Z 1 und Z 2 lit. b anspruchsberechtigte Personengruppe keine Anwendung.
(3) Nettoeinkommen im Sinne des Abs. 1 ist die Summe sämtlicher Einkünfte in Geld oder Geldeswert nach Ausgleich mit Verlusten und vermindert um die gesetzlich geregelten Abzüge.
(4) Bei Ermittlung des Nettoeinkommens sind Leistungen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, Kriegsopferrenten, Heeresversorgungsrenten, Opferfürsorgerenten, Verbrechensopferrenten sowie Unfallrenten und das Pflegegeld nicht anzurechnen. Nicht anzurechnen sind außerdem die Einkünfte der am Standort einer zu pflegenden Person lebenden Pflegeperson, die aus den Einkünften anderer im Haushalt lebender Personen bestritten werden.
(5) Übersteigt das Nettoeinkommen die für eine Gebührenbefreiung maßgebliche Betragsgrenze nach Abs. 1, kann der Befreiungswerber als abzugsfähige Ausgaben geltend machen:
1. den Hauptmietzins einschließlich der Betriebskosten im Sinne des Mietrechtsgesetzes, des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes und anderer vergleichbarer mieterschützender Gesetze, wobei eine gewährte Mietzinsbeihilfe anzurechnen ist; besteht kein Rechtsverhältnis nach dem Mietrechtsgesetz, dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz oder anderen vergleichbaren mieterschützenden Gesetzen, so ist ein monatlicher Pauschalbetrag in der Höhe von 140,00 Euro als Wohnaufwand anzurechnen,
2. anerkannte außergewöhnliche Belastungen im Sinne der §§ 34 und 35 des Einkommensteuergesetzes 1988, Ausgaben im Zusammenhang mit einer 24-Stunden-Betreuung können auch geltend gemacht werden, wenn der Bezug eines Zuschusses des Sozialministeriumservice zur Unterstützung der 24-Stunden Betreuung nachgewiesen wird.
§ 49. Eine Gebührenbefreiung setzt ferner voraus:
1. Der Antragsteller muss an dem Standort, für welchen er die Befreiung von den Rundfunkgebühren beantragt, seinen Hauptwohnsitz haben,
2. der Antragsteller muss volljährig sein,
3. der Antragsteller darf nicht von anderen Personen zur Erlangung der Gebührenbefreiung vorgeschoben sein,
4. eine Befreiung darf nur für die Wohnung des Antragstellers ausgesprochen werden. In Heimen oder Vereinen nach § 47 Abs. 2 eingerichteten Gemeinschaftsräumen gelten für Zwecke der Befreiung als Wohnung.
§ 50. (1) Das Vorliegen des Befreiungsgrundes ist vom Antragsteller nachzuweisen, und zwar:
1. in den Fällen des § 47 Abs. 1 durch den Bezug einer der dort genannten Leistungen,
[…]
(4) Die GIS Gebühren Info Service GmbH ist berechtigt, den Antragsteller zur Vorlage sämtlicher für die Berechnung des Haushalts-Nettoeinkommens erforderlichen Urkunden aufzufordern.
[…]
§ 51. (1) Befreiungsanträge sind unter Verwendung des hiefür aufgelegten Formulars bei der GIS Gebühren Info Service GmbH einzubringen. Dem Antrag sind die gemäß § 50 erforderlichen Nachweise anzuschließen.
[…]“
3.2. In Bezug auf den Beschwerdefall enthält demnach die Fernmeldegebührenordnung eine Verpflichtung des Antragstellers, für die Gewährung der Befreiung von der Entrichtung der Rundfunkgebühr den Befreiungsgrund durch den Bezug einer der in § 47 Abs. 1 Fernmeldegebührenordnung genannten Leistungen nachzuweisen, und berechtigt die belangte Behörde, den Antragsteller zur Vorlage sämtlicher für die Berechnung des Haushalts-Nettoeinkommens erforderlichen Urkunden aufzufordern. Die erforderlichen Nachweise sind gemäß § 51 Abs. 1 zweiter Satz Fernmeldegebührenordnung dem Antrag anzuschließen.
3.3. Wenn die belangte Behörde einen Antrag zurückweist, ist Sache des Beschwerdeverfahrens lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (vgl. u.a. VwGH 27.08.2020, Ra 2020/15/0035; 29.01.2020, Ra 2019/09/0118).
Es ist daher allein entscheidungswesentlich, ob die Zurückweisung des Antrags durch die belangte Behörde wegen der Nichterbringung der erforderlichen Nachweise eines Befreiungsgrundes bzw. wegen der Nichtvorlage sämtlicher für die Berechnung des Haushalts-Nettoeinkommens erforderlichen Urkunden zu Recht erfolgt ist.
3.4. Gemäß § 13 Abs. 3 AVG ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.
Die von der Behörde gesetzte Frist muss zur Vorlage bereits vorhandener Unterlagen angemessen sein, nicht aber zur Beschaffung dieser Unterlagen (VwGH 26.07.2012, 2008/07/0101; 31.08.1999, 99/05/0143).
§ 13 Abs. 3 AVG dient dem Schutz der Parteien vor Rechtsnachteilen, die ihnen aus Anbringen entstehen können, die aus Unkenntnis der Rechtslage oder infolge eines Versehens mangelhaft sind (vgl. VwGH 13.11.2012, 2012/05/0184; 21.09.2010, 2010/11/0108).
Eine Behörde darf nur dann nach § 13 Abs. 3 AVG vorgehen, wenn das Anbringen einen „Mangel“ aufweist, also von der Partei erkennbaren Anforderungen des Materiengesetzes an ein vollständiges, fehlerfreies Anbringen abweicht. Was unter einem Mangel schriftlicher Eingaben iSd § 13 AVG zu verstehen ist, muss der in Betracht kommenden Verwaltungsvorschrift entnommen werden. Als Mangel ist insbesondere das Fehlen von Belegen anzusehen, wenn die Parteien aufgrund des Gesetzes erkennen konnten, welche Unterlagen erforderlich sind (VwGH 16.09.2009, 2008/05/0206).
§ 13 Abs. 3 AVG gibt der Behörde nicht die uneingeschränkte Ermächtigung, unter allen Umständen alle Unterlagen, die einem Ansuchen nach dem Gesetz anzuschließen sind, zu verlangen, sondern erlaubt nur diejenigen anzufordern, die für die Entscheidung des Parteibegehrens notwendig sind (vgl. zB. VwGH 14.10.2013, 2013/12/0079).
Die Behörde hat im Verbesserungsauftrag konkret und unmissverständlich anzugeben, welche vom Gesetz geforderten Eigenschaften dem Anbringen fehlen (vgl. VwGH 14.10.2013, 2013/12/0079; 22.05.2012, 2008/04/0208; 07.09.2009, 2009/04/0153; 30.10.2008; 2007/07/0075; 27.05.2007, 2005/11/0216).
Folglich ist zu prüfen, ob 1.) der verfahrensgegenständliche Antrag im Hinblick auf die Vorlage eines Nachweises der Anspruchsberechtigung (§ 50 Abs. 1 Fernmeldegebührenordnung) bzw. des Haushalts-Nettoeinkommens (§ 50 Abs. 4 Fernmeldegebührenordnung) mangelhaft und insoweit der erteilte Verbesserungsauftrag erforderlich war, 2.) ob der Verbesserungsauftrag den Anforderungen des § 13 Abs. 3 AVG iSd zitierten Judikatur entsprach und 3.) ob ein korrekt erteilter Verbesserungsauftrag von der Beschwerdeführerin nicht befolgt wurde. Erst wenn alle diese drei Prüfungsschritte zu bejahen sind, erweist sich die Zurückweisung als rechtsgemäß.
3.5. Die Beschwerdeführerin schloss ihrem Antrag keine Nachweise oder Unterlagen an, sie teilte vielmehr mit, sie werde Unterlagen nachreichen. Aus Sicht der belangten Behörde wurden daher im Zeitpunkt der Antragstellung die gemäß § 51 Abs. 1 Fernmeldegebührenordnung erforderlichen Nachweise nicht erbracht.
Die belangte Behörde richtete daher am XXXX an die Beschwerdeführerin ein Schreiben mit der Aufforderung, einen Nachweis über eine im Gesetz genannte Anspruchsgrundlage sowie einen Nachweis über alle Bezüge der Antragstellerin bzw. gegebenenfalls aller Personen, die im gemeinsamen Haushalt leben, nachzureichen, wörtlich „Bitte gesetzl. Anspruch und aktuelles Einkommen von XXXX zB aktuelle Mindestsicherung, Kinderbetreuungsgeld inkl. Beihilfe, Alimente für XXXX etc nachreichen. Danke.“
Gemäß § 22 erster Satz AVG ist eine schriftliche Ausfertigung mit Zustellnachweis zuzustellen, wenn wichtige Gründe hiefür vorliegen. Ist das nach Auffassung der Behörde nicht der Fall und wird demgemäß eine Zustellung ohne Zustellnachweis angeordnet, so wird ein Dokument gemäß § 26 Abs. 1 Zustellgesetz zugestellt, indem es in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (§ 17 Abs. 2 Zustellgesetz) eingelegt oder an der Abgabestelle zurückgelassen wird. Bestehen Zweifel darüber, ob bzw. wann das Dokument beim Empfänger einlangte, hat die Behörde nach § 26 Abs. 2 zweiter Satz Zustellgesetz Tatsache und Zeitpunkt des Einlangens von Amts wegen festzustellen.
Aus § 22 AVG ist abzuleiten, dass es Sache der Behörde ist, die aktenmäßigen Grundlagen dafür zu schaffen, dass der Beginn eines Fristenlaufes kalendermäßig festgestellt werden kann. Die Behörde muss bei Zustellung ohne Zustellnachweis die Folgen dafür auf sich nehmen, dass der Behauptung der Partei, sie habe ein Schriftstück nicht empfangen, nicht wirksam entgegengetreten werden kann. Bei bestrittenen Zustellungen ohne Zustellnachweis hat daher die Behörde die Tatsache der Zustellung nachzuweisen. In diesem Fall muss – mangels Zustellnachweises – der Beweis der erfolgten Zustellung auf andere Weise von der Behörde erbracht werden. Gelingt dies nicht, muss die Behauptung der Partei über die nicht erfolgte Zustellung als richtig angenommen werden (vgl. u.a. VwGH 29.03.2012, 2011/12/0179 mH auf Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 [1998] Seite 2046, E 1-3 wiedergegebene Judikatur; siehe zB. auch VwGH vom 14.10.2011, 2009/09/0244).
Da die belangte Behörde die Zustellung des Verbesserungsauftrages nicht nachweisen konnte und der Bestreitung der Zustellung durch die Beschwerdeführerin nicht wirksam entgegenzutreten vermochte (vgl. dazu Hengstschläger/Leeb, AVG § 22 ZustG Rz 3), muss die Behauptung der Partei iSd angeführten Rechtsprechung über die nicht erfolgte Zustellung als richtig angenommen werden. Die Zurückweisung des Antrags durch die belangte Behörde erfolgte somit mangels Verbesserungsauftrages in unzulässiger Weise.
Die soeben dargestellte Rechtsprechung ist auch auf den Bescheid der belangten Behörde vom XXXX anwendbar, sodass sich die belangte Behörde das Vorbringen der Beschwerdeführerin, diesen nicht erhalten zu haben, ebenfalls zurechnen lassen muss. Die Beschwerdeerhebung der Beschwerdeführerin vom XXXX , d.h. zwei Wochen, nachdem die Beschwerdeführerin vom Inhalt des Bescheides durch das E-Mail der belangten Behörde vom XXXX Kenntnis erlangt hatte, ist daher vor diesem Hintergrund jedenfalls als rechtzeitig anzusehen.
3.6. Ausgehend von diesen Erwägungen war somit nach § 28 Abs. 1, 2 und 5 VwGVG vorzugehen und der angefochtene Bescheid infolge Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Die Behebungsgründe bei einem Vorgehen nach § 28 Abs. 5 VwGVG werden gesetzlich nicht genannt. In Betracht kommen etwa die Unzuständigkeit der Behörde oder die rechtswidrige Zurückweisung eines Antrags analog zum bisherigen Verständnis zu § 66 Abs. 4 AVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 [2018] § 28 VwGVG Anm. 17 und 18 mwN).
Als Folge der Aufhebung des angefochtenen Bescheides ist der verfahrensgegenständliche Antrag auf Befreiung von den Rundfunkgebühren wiederum als unerledigt zu betrachten, die belangte Behörde hat erneut über diesen Antrag zu entscheiden.
3.7. Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
Wie die belangte Behörde in ihrer Stellungnahme vom XXXX mitteilte, erbrachte die Beschwerdeführerin zwischenzeitlich bereits einen Nachweis über die Befreiungsvoraussetzungen zumindest bis XXXX . Die belangte Behörde wird auf dieser Grundlage bzw. gegebenenfalls unter weiterer Ermittlung der aktuellen Anspruchsgrundlage bzw. des aktuellen Haushalts-Nettoeinkommens erneut über den Antrag der Beschwerdeführerin zu entscheiden haben.
3.8. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte im vorliegenden Fall – auch mangels eines entsprechenden Parteienantrages und angesichts des unbestrittenen Sachverhaltes – gemäß § 24 Abs. 1 und 4 VwGVG abgesehen werden.
3.9. Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass die Zuständigkeit über die Entscheidung in Bezug auf den Antrag auf Befreiung von der Entrichtung der Ökostrompauschale nicht beim Bundesverwaltungsgericht liegt, sondern bei den ordentlichen Gerichten.
Zu Spruchpunkt B)
3.10. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die vorliegende Entscheidung folgt – wie dargelegt – der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung Berechnung Einkommensnachweis ersatzlose Behebung Fristenlauf Kassation Mängelbehebung mangelhafter Antrag Mangelhaftigkeit Nachreichung von Unterlagen Nachweismangel Nettoeinkommen Rundfunkgebührenbefreiung Verbesserungsauftrag Vorlagepflicht Zurückweisung Zustellmangel Zustellung Zustellung ohne ZustellnachweisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W249.2236066.1.00Im RIS seit
01.10.2021Zuletzt aktualisiert am
01.10.2021