TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/18 W225 2144678-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.06.2021
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Entscheidungsdatum

18.06.2021

Norm

AVG §13 Abs7
AVG §13 Abs8
B-VG Art133 Abs4
UVP-G 2000 Anh1 Z6 lita
UVP-G 2000 §1 Abs1
UVP-G 2000 §17
UVP-G 2000 §19 Abs1 Z1
UVP-G 2000 §3
UVP-G 2000 §40 Abs1
UVP-G 2000 §46
UVP-G 2000 §5
VwGVG §17
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §32 Abs1 Z2
VwGVG §32 Abs3
VwGVG §7 Abs2

Spruch


W225 2144678-2/24E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Barbara WEISS, LL.M., als Vorsitzende und durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS und die Richterin Mag. Michaela RUSSEGGER-REISENBERGER als Beisitzer über die Beschwerden der/des

1. Gemeinde XXXX (BF1), XXXX , 2. XXXX (BF2) und 3. XXXX (BF3), beide XXXX , XXXX , 4. XXXX (BF4) und 5. XXXX (BF5), beide XXXX , 6. XXXX (BF6), XXXX , 7. XXXX (BF7), XXXX , 8. XXXX (BF8), XXXX , 9. XXXX (BF9) und 10. XXXX (BF10), beide XXXX , 11. XXXX (BF11), 12. XXXX (BF12) und 13. XXXX (BF13), 14. XXXX (BF14), BF11–BF14 vertreten durch John & John Rechtsanwälte, Reichsratsstraße 14/15, 1010 Wien, 15. XXXX (BF15), XXXX , 16. XXXX (BF16), XXXX , 17. XXXX (BF17), XXXX , gegen den Bescheid der XXXX Landesregierung vom XXXX 2016, Zl. XXXX , mit dem der XXXX , vertreten durch Heid & Partner Rechtsanwälte GmbH, Landstraßer Hauptstraße 88/2–4, 1030 Wien, die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb des Vorhabens „Windpark XXXX erteilt wurde,


A)

I. beschlossen:

Das Beschwerdeverfahren der BF1 wird eingestellt.

II. Zu Recht erkannt:

Den Beschwerden der BF2 bis BF17 wird Folge gegeben und der Bescheid der XXXX Landesregierung vom XXXX 2016, Zl. XXXX , ersatzlos behoben.

B)

I. Die Revision gegen Spruchpunkt A) I. ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

II. Die Revision gegen Spruchpunkt A) II. ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Mit Eingabe vom 12.06.2015 stellte die XXXX , XXXX , XXXX damals vertreten durch Haslinger/Nagele & Partner Rechtsanwälte GmbH, 1010 Wien (in der Folge: Projektwerberin), einen Antrag auf Erteilung einer Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb des Vorhabens „Windpark XXXX “ gemäß § 5 UVP-G 2000.

I.2. Mit Edikt der XXXX Landesregierung als UVP-Behörde (in der Folge: belangte Behörde) vom 29.09.2015 wurde der verfahrenseinleitende Antrag gemäß den Vorgaben des §§ 44a und 44d AVG kundgemacht und der Antrag sowie die Projektunterlagen samt Umweltverträglichkeitserklärung öffentlich aufgelegt. Im Zuge der Auflage wurde von der BF17 eine Stellungnahme erstattet.

I.3. Mit Edikt vom 20.05.2015 wurde seitens der belangten Behörde eine öffentlich-mündliche Verhandlung anberaumt und am 21. und 22.06.2015 abgehalten. In dieser Verhandlung wurde das fachliche Resümee gezogen, dass das gegenständliche Projekt bei projektgemäßer Ausführung und Einhaltung der vorgeschriebenen Auflagen und Befristungen den maßgeblichen öffentlichen Interessen nicht entgegenstehe und mit den einschlägigen Genehmigungsvoraussetzungen vereinbar sei.

I.4. Mit Edikt vom 16.06.2016 wurde kundgemacht, dass die im Edikt angeführten Schriftstücke bei der belangten Behörde sowie den Gemeindeämtern der Stadtgemeinde während der jeweiligen Amtsstunden bis 13.09.2016 zur Einsicht aufliegen würden. Gleichzeitig wurde aufgrund der Entscheidungsreife und der öffentlichen Auflage der Verhandlungsschrift das Ermittlungsverfahren für geschlossen erklärt.

I.5. Mit Bescheid der belangten Behörde vom XXXX 2016, Zl. XXXX , wurde der Projektwerberin nach Durchführung des Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahrens die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb des Vorhabens „Windpark XXXX “, nämlich zur Errichtung und zum Betrieb von a) acht Windkraftanlagen (WKA) der Type Vestas V 126 mit einer Nennleistung von je 3,45 MW, einer Gesamtleistung des Windparks von 27,6 MW und einer Nabenhöhe von 137 m (GD1-GD6, SD1) bzw. von 117 m (SD2), b) der windparkinternen Verkabelung inkl. Datenleitungen sowie c) zwei Erdkabelsystemen (20 kV-Erdkabel) als externe Windparkverkabelung zum Umspannwerk XXXX und d) den Zuwegungen inklusive aller damit im Zusammenhang stehenden Begleitmaßnahmen in der Gemeinde XXXX , der Marktgemeinde XXXX , der Gemeinde XXXX und der Stadtgemeinde XXXX , im Verwaltungsbezirk XXXX , erteilt.

I.6. Gegen diesen Bescheid erhoben die BF1–BF17 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

I.7. Mit 16.01.2017 legte die belangte Behörde die eingebrachten Rechtsmittel sowie den bezughabenden Verwaltungsakt per DVD dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

I.8. Mit Schreiben vom 22.02.2017 übermittelte die Rechtsvertretung der Projektwerberin eine Äußerung zu den Beschwerden und legte dieser eine lärmtechnische Stellungnahme bei.

I.9. Mit 05.04.2017 übermittelte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die konsolidierten Projektunterlagen (ON 046) zusätzlich in physischer Form.

I.10. Mit Schriftsatz vom 14.08.2017 erstattete die Rechtsvertretung der Projektwerberin eine Urkundenvorlage an das Bundesverwaltungsgericht. Diese Vorlage (insgesamt 16 physische Ordner) umfasse Unterlagen, die allesamt bereits Bestandteile des elektronisch vorgelegten Behördenakts seien und die aus Sicht der Projektwerberin denkmöglich verfahrensrechtliche Relevanz haben könnten. Zudem beinhalte die Vorlage eine Kurzübersicht des gesamten Akteninhalts. Darüber hinaus wurden dem Schriftsatz ein USB-Stick beigefügt, der den gesamten elektronischen Akt zur Gänze enthalte.

I.11. Mit Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.10.2017 wurden zur Erstellung eines Gutachtens XXXX zum nichtamtlichen Sachverständigen für den Fachbereich „Lärm“ sowie XXXX als nichtamtliche Sachverständige zwecks „UVP-Koordination“ bestellt. Die Parteien wurden mit einem auf denselben Tag datierten Schreiben über deren Bestellung informiert.

I.12. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.12.2017, W225 2144678-1/19E, wurde die Beschwerde der ebenso einschreitenden Bürgerinitiative „Stoppt den Windpark XXXX “ als unzulässig zurückgewiesen. Diese Entscheidung wurde nicht weiter bekämpft.

I.13. Mit Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.12.2017 und 20.12.2017 wurden zur Erstellung eines Gutachtens XXXX zum nichtamtlichen Sachverständigen für den Fachbereich „Landschaftsbild“ und XXXX zum nichtamtlichen Sachverständigen für den Fachbereich „Maschinenbautechnik (Eisabfall)“ bestellt.

I.14. Mit Schreiben vom 10.01.2018 wurden die Parteien über die Bestellung der Sachverständigen für den Fachbereich „Landschaftsbild“ und „Maschinenbautechnik“ informiert. Im selben Schreiben wurden den Parteien die an die bislang bestellten Sachverständigen übermittelten Beweisthemenkataloge zur Kenntnis gebracht.

I.15. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.01.2018 wurde zur Erstellung eines Gutachtens XXXX zum nichtamtlichen Sachverständigen für den Fachbereich „Maschinenbautechnik (Schattenwurf, Nachtkennzeichnung)“ bestellt. Die Parteien wurden mit einem auf denselben Tag datierten Schreiben über dessen Bestellung informiert.

I.16. Mit Schriftsatz vom 24.01.2018 brachte die Rechtsvertretung der BF11–BF14 einen Ablehnungsantrag gegen die Bestellung der Sachverständigen für die Fachbereiche „Maschinenbautechnik (Eisabfall)“ und „Maschinenbautechnik (Schattenwurf, Nachtkennzeichnung)“ ein. Begründend wurde angeführt, dass die beiden Sachverständigen in Bezug auf die zu beurteilenden Fachfragen eine Hemmung der unparteiischen Entschließung durch unsachliche psychologische Motive haben könnten.

I.17. Mit Schreiben vom 31.01.2018 äußerte sich die Rechtsvertretung der Projektwerberin zur Bestellung des Sachverständigen für den Fachbereich „Landschaft“ und führte unter anderem an, dass im gegenständlichen Verfahren Fragen des Landschaftsbildes ausschließlich von Nachbarn geltend gemacht worden seien. Den beschwerdeführenden Nachbarn fehle, insofern sie zum Bereich „Landschaftsbild“ ein Beschwerdevorbringen erstatten, die Beschwerdelegitimation, sodass das Bundesverwaltungsgericht den bestellten Sachverständigen ersatzlos abbestellen möge.

I.18. Mit Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.02.2018 wurden die Sachverständigen für die Fachbereiche „Maschinenbautechnik (Eisabfall)“ und „Maschinenbautechnik (Schattenwurf, Nachtkennzeichnung)“ gemäß § 53 AVG von ihren Aufträgen abberufen. Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Unbefangenheit der Sachverständigen in Zweifel gestellt ist.

I.19. Mit Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.03.2018 wurden zur Erstellung eines Gutachtens XXXX zum amtlichen Sachverständigen für den Fachbereich „Eisabfall“, XXXX zum amtlichen Sachverständigen für den Fachbereich „Nachtkennzeichnung“ und XXXX zur amtlichen Sachverständigen für den Fachbereich „Schattenwurf“ bestellt.

I.20. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.03.2018 wurden die Parteien sowohl über die Abberufungen als auch über die Bestellung der drei oben genannten Sachverständigen in Kenntnis gesetzt.

I.21. Mit Schreiben vom 19.03.2018, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 29.03.2018, zog die BF1 ihre Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid zurück.

I.22. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.04.2018 wurde der Sachverständige für den Fachbereich „Landschaftsbild“ gemäß § 53 AVG von seinem Auftrag abberufen. Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass zum Themenbereich „Landschaftsbild“ lediglich Beschwerden von Nachbarn erhoben wurden. Öffentliche Interessen können jedoch nur von den Parteien, die öffentliche Interessen als subjektive Rechte im Verfahren geltend machen können, nicht aber von allen Parteien an das Verwaltungsgericht herangetragen werden.

I.23. Mit Schriftsatz vom 27.04.2018 legte die Rechtsvertretung der Projektwerberin dem Bundesverwaltungsgericht eine „Unabhängige Analyse von Eisfall mit Risikobewertung“ der XXXX vom 26.04.2018 vor. Diese wurde am 03.05.2018 dem Sachverständigen für den Fachbereich „Eisabfall“ weitergeleitet.

I.24. Die Sachverständige für den Fachbereich „Schattenwurf“ übermittelte ihr Gutachten, datiert am 15.05.2018; der Sachverständige für den Fachbereich „Eisabfall“, datiert am 11.06.2018; der Sachverständige für den Fachbereich „Lärm“, datiert am 27.07.2018.

I.25. Mit Schreiben vom 04.09.2018 gab die Projektwerberin bekannt, dass sie das Vollmachtsverhältnis zur bisherigen Rechtsvertreterin aufgelöst und künftig die Heid und Partner Rechtsanwälte GmbH mit ihrer ausschließlichen rechtsfreundlichen Vertretung im gegenständlichen Beschwerdeverfahren beauftragt habe.

I.26. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.11.2018 wurde zur Erstellung eines Gutachtens XXXX zum amtlichen Sachverständigen für den Fachbereich „Humanmedizin“ bestellt. Die Parteien wurden mit einem auf den folgenden Tag datierten Schreiben über dessen Bestellung informiert.

I.27. Mit Schriftsatz vom 11.12.2018 erstattete die Rechtsvertretung der BF11–BF14 gegen die Bestellung des Sachverständigen für den Fachbereich „Humanmedizin“ eine Befangenheitsanzeige. Begründend wurde im Schreiben im Wesentlichen angeführt, dass der Sachverständige für eine objektive Beurteilung des Fachgebiets „Humanmedizin“ aufgrund seiner bisherigen Involvierung in das Verfahren nicht geeignet sei. Zudem habe er sich im erstinstanzlichen Verfahren durch widersprüchliche Aussagen und eine offenkundig unrichtige Plausibilitätsprüfung ausgezeichnet.

I.28. Mit der Novelle zum Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz vom 30.11.2018, BGBl. I Nr. 80/2018, wurde ua. der Tatbestand der Z 6 lit. a, Spalte 2, Anhang 1, UVP-G 2000 dahingehend geändert, dass der Schwellenwert für Anlagen zur Nutzung von Windenergie auf eine Gesamtleistung von mindestens 30 MW erhöht wurde.

I.29. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.02.2019, Zl. W225 2144678-1/OZ 101, wurde das Verfahren der BF1 eingestellt, den Beschwerden der weiteren BF Folge gegeben und der Bescheid dahingehend abgeändert, dass der Antrag der Projektwerberin als unzulässig zurückgewiesen wurde, da aufgrund der Rechtslagenänderung keine Genehmigungspflicht mehr bestand.

I.30. Mit Schreiben vom 04.02.2019, beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht am 05.02.2019, übermittelte die Rechtsvertretung der Projektwerberin eine Antragsänderung, mit welcher das Vorhaben modifiziert wurde, indem die Nennleistung der einzelnen Windkraftanlagen der Type Vestas V126 von vormals 3,45 MW auf 3,8 MW erhöht wurde. Hierbei führte sie unter Berufung auf die Stellungnahme des Anlagenherstellers im Wesentlichen aus, dass die Leistungserhöhung lediglich auf einem Softwareupdate beruhe und es zu keinen baulichen oder sonstigen Veränderungen, wie zB. der Abmessung (Maschinenhaus, Rotorblätter, Turm und Fundament) komme.

I.31. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.04.2019, W225 2144678-2/2Z, wurde das mit Erkenntnis vom 05.02.2019, Zl. W225 2144678-1/OZ 101, abgeschlossene Verfahren, infolge ohne Verschulden der Partei neu hervorgekommener Tatsachen und Beweise gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 und Abs. 3 VwGVG amtswegig wiederaufgenommen.

I.32. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.04.2019, W225 2144678-2/4Z, wurde aufgrund der als aliud beurteilten Antragsänderung der Bescheid der XXXX Landesregierung vom XXXX 2016, Zl. XXXX , ersatzlos behoben.

I.33. Mit Antrag vom 04.04.2019 begehrte die Projektwerberin bei der belangten Behörde die Feststellung darüber, ob das dem Bescheid der belangten Behörde vom XXXX 2016, Zl. XXXX , zugrundeliegende Vorhaben der Verpflichtung zur Durchführungen einer UVP unterliege.

I.34. Mit Schreiben vom 17.05.2019 beantragte die Projektwerberin bei der belangten Behörde auch die Genehmigung des Vorhabens in der im Feststellungsantrag beschriebenen Spezifikation.

I.35. Mit Bescheid vom XXXX 2019, Zl. XXXX , stellte die belangte Behörde hinsichtlich des Antrags der Projektwerberin vom 04.04.2019 fest, dass für das geplante Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen sei. Gegen diesen Bescheid wurde Beschwerde erhoben.

I.35. Mit Schreiben vom 04.06.2019 erhob die Projektwerberin gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.04.2019 eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

I.36. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.09.2019, W118 2221403-1/2E, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom 28.05.2019 als unbegründet abgewiesen. Ein weiteres Rechtsmittel wurde nicht erhoben.

I.37. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 26.05.2021, Zl. Ra 2019/04/0071-12, behob dieser die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.04.2019 wegen Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

Mit Eingabe vom 12.06.2015, ergänzt um die Eingabe vom 21.06.2016, beantragte die Projektwerberin bei der belangten Behörde die Erteilung der Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb des Vorhabens „Windpark XXXX “ gemäß § 5 UVP-G 2000. Hierbei beantragte die Projektwerberin insbesondere die Errichtung und den Betrieb von acht Windkraftanlagen der Type Vestas V 126 mit einer Nennleistung von je 3,45 MW.

Mit in Beschwer gezogenem Bescheid der XXXX Landesregierung (belangte Behörde) vom XXXX 2016, Zl. XXXX , wurde der Projektwerberin die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb des Vorhabens „Windpark XXXX “, nämlich zur Errichtung und zum Betrieb von a) acht Windkraftanlagen (WKA) der Type Vestas V 126 mit einer Nennleistung von je 3,45 MW, einer Gesamtleistung des Windparks von 27,6 MW und einer Nabenhöhe von 137 m (GD1-GD6, SD1) bzw. von 117 m (SD2), b) der windparkinternen Verkabelung inkl. Datenleitungen sowie c) zwei Erdkabelsystemen (20 kV-Erdkabel) als externe Windparkverkabelung zum Umspannwerk XXXX und d) den Zuwegungen inklusive aller damit im Zusammenhang stehenden Begleitmaßnahmen in der Gemeinde XXXX , der Marktgemeinde XXXX , der Gemeinde XXXX und der Stadtgemeinde XXXX , im Verwaltungsbezirk XXXX , erteilt.

Mit Schreiben vom 04.02.2019, beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht am 05.02.2019, übermittelte die Projektwerberin einen Antrag auf Änderung. Durch die beantragte Modifikation des Vorhabens wird die Nennleistung der einzelnen Windkraftanlagen der Type Vestas V126 durch eine Veränderung der Software von 3,45 MW auf 3,8 MW, gesamt von 27, 6 MW auf 30,4 MW, erhöht.

Mit Antrag vom 04.04.2019 begehrte die Projektwerberin bei der belangten Behörde die Feststellung darüber, ob das dem Genehmigungsbescheid vom XXXX 2016, Zl. XXXX , zugrundeliegende Vorhaben der Verpflichtung zur Durchführungen einer UVP unterliegt. Konkret wurde dabei die Feststellung für das Vorhaben der Neu-Errichtung und des Betriebs von acht Windkraftanlagen des Typs Vestas V126 mit einer elektrischen Leistung von je 3,45 MW und einer Gesamtleistung von 27,6 MW begehrt. Mit Bescheid vom XXXX 2019, Zl. XXXX , stellte die belangte Behörde hinsichtlich dieses Antrags fest, dass für das geplante Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist. Diese Auffassung bestätigte schließlich das Bundesverwaltungsgericht, indem es die gegen den Feststellungsbescheid erhobene Beschwerde mit Erkenntnis vom 02.09.2019, W118 2221403-1/2E, als unbegründet abwies.

Mit Datum vom 17.05.2019 beantragte die Projektwerberin bei der belangten Behörde auch die Genehmigung des im Feststellungsantrag vom 04.04.2019 angeführten Projekts in der Spezifikation von acht Windkraftanlagen des Typs Vestas V126 mit einer elektrischen Leistung von je 3,45 MW und einer Gesamtleistung von 27,6 MW.

Der jeweilige Wohnsitz der BF2 bis BF17 befindet sich im möglichen Immissionsbereich des verfahrensgegenständlichen Vorhabens. Ihre Beschwerden gegen den am 17.11.2016 kundgemachten Bescheid wurden zwischen 01.12.2016 und 29.12.2016 zur Post gegeben. Mit Schreiben vom 19.03.20018 zog die BF1 ihre Beschwerde zurück.

II.2. Beweiswürdigung:

Die oben getroffenen Feststellungen zum verfahrenseinleitenden Antrag der Projektwerberin vom 12.06.2015 bzw. vom 21.06.2016 und zum in Beschwer gezogenen Bescheid der belangten Behörde vom XXXX 2016, Zl. XXXX , ergeben sich aus dem vollständigen und unbeanstandet gebliebenen Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens sowie den Akten des Bundesverwaltungsgerichts.

Insbesondere ergibt sich aus den Akten des Bundesverwaltungsgerichts auch, dass die Projektwerberin mit Antrag vom 04.02.2019, hg. eingebracht am 05.02.2019, ihr Vorhaben abänderte, indem die Nennleistung der einzelnen Windkraftanlagen von 4,45 MW auf 3,8 MW, sohin die Gesamtkapazität von 27,6 MW auf 30,4 MW, erhöht wurde.

Aus der Einsicht in den hiergerichtlich geführten Akt zur Zl. W118 2221403-1, ergeben sich die Feststellungen zum auf Antrag der Projektwerberin durchgeführten Feststellungsverfahren, (vgl. Bescheid der belangten Behörde vom XXXX 2019, Zl. XXXX ), dem zu diesem Feststellungsbescheid durchgeführten Beschwerdeverfahren (vgl. Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.09.2019, W118 2221403-1/2E) und dem Antrag vom 17.05.2019 auf Genehmigung des im Feststellungsantrag vom 04.04.2019 angeführten Projekts in der Spezifikation von acht Windkraftanlagen des Typs Vestas V126 mit einer elektrischen Leistung von je 3,45 MW und einer Gesamtleistung von 27,6 MW.

Die Feststellungen zu den Beschwerden ergeben sich aus dem Akteninhalt und den eingebrachten Beschwerdeschriftsätzen. Dass die BF2 bis BF17 im möglichen Immissionsbereich des verfahrensgegenständlichen Vorhabens wohnhaft sind, geht aus den Wohnsitzangaben der BF in ihren Beschwerdeschriftsätzen hervor, woraus sich für das Bundesverwaltungsgericht keine Zweifel an der möglichen Betroffenheit der BF durch das Vorhaben ergeben. Aus dem Akteninhalt ergibt sich zudem, dass die BF1 ihre Beschwerde zurückgezogen hat.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und allgemeine Rechtsvorschriften:

Gemäß Art. 131 Abs. 4 Z 2 lit. a B-VG iVm § 40 Abs. 1 UVP-G 2000 idF BGBl. I Nr. 95/2013 entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen nach dem UVP-G 2000 das Bundesverwaltungsgericht. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 40 Abs. 2 UVP-G 2000 liegt im Genehmigungsverfahren Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG geregelt (§ 1). Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, oder wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitenden Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht – soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt – ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

II.3.2. Zu Spruchpunkt A)

II.3.2.1. Zu Spruchpunkt A) I.:

Eine Einstellung eines Verfahrens ist dann vorzunehmen, wenn ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren gegangen ist. Dies liegt unter anderem dann vor, wenn eine Beschwerde zurückgezogen wird.

Eine Zurückziehung der Beschwerde durch den Beschwerdeführer ist gemäß § 7 Abs. 2 VwGVG, § 17 VwGVG iVm § 13 Abs. 7 AVG ab der Einbringung der Beschwerde bis zur Erlassung der Entscheidung in jeder Lage des Verfahrens möglich (vgl. Eder/Martschin/Schmied, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, K 6 zu § 7 VwGVG). Die Einstellung hat in jenen Verfahren zu erfolgen, in denen ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren geht, worunter auch der Fall der Zurückziehung der Beschwerde zu subsumieren ist (Fister/Fuchs/Sachs, das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, § 28 VwGVG, Anm. 5).

Bei der Zurückziehung der Beschwerde handelt es sich um eine von der Partei vorzunehmende Prozesshandlung, die bewirkt, dass diese einer meritorischen Erledigung nicht mehr zugeführt werden darf. Die Rechtsmittelinstanz verliert - sofern die Zurücknahme noch vor Erlassung ihrer Entscheidung erfolgt - die funktionelle Zuständigkeit zur Entscheidung über die Beschwerde (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, § 63 Rz 74).

Durch den mit Schriftsatz vom 19.03.2018 unmissverständlich formulierten Parteiwillen der BF1, die Beschwerde in verfahrensgegenständlicher Angelegenheit zurückzuziehen, ist der Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes die Grundlage entzogen (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, § 28 VwGVG, Anm. 5, mit Verweis auf Hengstschläger/Leeb, AVG, § 66 Rz 56f), weshalb das Beschwerdeverfahren mit Beschluss einzustellen ist (vgl. VwGH vom 10.03.1994, 94/19/0601; 22.11.2005, 2005/05/0320).

II.3.2.2. Zu Spruchpunkt A) II.:

Zur Beschwerdelegitimation:

Bei den BF2 bis BF17 handelt es sich offenkundig um Personen, die durch die Errichtung, den Betrieb oder den Bestand der Vorhaben gefährdet oder belästigt oder deren dingliche Rechte im In-oder Ausland gefährdet werden könnten. Sie sind daher als Nachbarn iSd § 19 Abs. 1 Z 1 UVP-G 2000 zu qualifizieren.

Mit Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 15.10.2015, C-137/14, wurde die bis dahin vertretene Auffassung der Präklusionswirkung für die „betroffene Öffentlichkeit“ ua. in UVP-Verfahren dahingehend beseitigt, dass diese ihre Vorbehalte gegen die Genehmigung eines Projekts nunmehr auch ohne Bindung an gesetzliche Fristen geltend machen kann.

Die BF1 bis BF17 sind unzweifelhaft Teil der „betroffenen Öffentlichkeit“ iSd UVP-RL. Eine Nachprüfung, ob sie rechtzeitig Einwendungen im behördlichen Verfahren erhoben haben, konnte im gegenständlichen Verfahren somit unterbleiben.

Wie den Feststellungen und der Beweiswürdigung zu entnehmen ist wurden die Beschwerden der BF2 bis BF17 innerhalb der vierwöchigen Rechtsmittelfrist bei der belangten Behörde eingebracht. Die Beschwerden der BF2 bis BF17 erweisen sich somit auch als rechtzeitig.

Zur ersatzlosen Behebung:

Die Projektwerberin hat den zugrundeliegenden Antrag der die Megawattleistung des Windparks im Vergleich zum bisher projektierten Vorhaben von insgesamt 27,6 MW auf insgesamt 30,4 MW erhöht. Ob es sich im gegebenen Fall um eine zulässige Änderung im Rechtsmittelverfahren handelt, kann dahingestellt bleiben.

Wie den Feststellungen zu entnehmen ist, beantragte die Projektwerberin zwischenzeitlich, nämlich mit Datum vom 17.05.2019, bei der belangten Behörde (erneut) die Genehmigung des Vorhabens „Windpark XXXX “ in der Spezifikation von acht Windkraftanlagen des Typs Vestas V126 mit einer Nennleistung von je 3,45 MW und einer Gesamtleistung von 27,6 MW.

Hierbei kann schon aufgrund der ident geplanten Lage der beiden zur Genehmigung beantragten Vorhaben nur jeweils eines der Beiden errichtet werden.

Zu UVP-Feststellungsverfahren hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass bei der Beurteilung der Wille des Projektwerbers ein Vorhaben in einer gewissen Weise auszuführen maßgeblich ist, zumal bei Wegfall eines derartigen „Verwirklichungswillens“ auch die Voraussetzung zur Erlassung eines auf § 3 Abs. 7 UVPG 2000 basierenden Feststellungsbescheides wegfällt (vgl. VwGH 17.12.2014, Ro 2014/03/0066). Ähnliches ist jedoch auch für UVP-Genehmigungsverfahren anzunehmen, da in beiden Verfahren Sachverständigengutachten einzuholen sind.

Im vorliegenden Fall hat die Projektwerberin – wie bereits dargestellt – trotz des im gegenständlichen Verfahren maßgeblichen Antrags auf Genehmigung und Betrieb von acht Windkraftanlagen (WKA) der Type Vestas V 126 mit einer Nennleistung von je 3,8 MW und einer Gesamtleistung des Windparks von 30,4 MW, mit Datum vom 17.05.2019 die Genehmigung des Vorhabens „Windpark XXXX “ in der Spezifikation von acht Windkraftanlagen des Typs Vestas V126 mit einer Nennleistung von je 3,45 MW und einer Gesamtleistung von 27,6 MW bei der belangten Behörde beantragt, wobei jeweils nur eines der beiden Vorhaben verwirklicht werden kann.

Wenngleich ein „Errichtungswille“ regelmäßig in der Einbringung eines Genehmigungsantrags zum Ausdruck gebracht wird, ist ein solcher - nach Auffassung des erkennenden Gerichts - im Falle mehrerer Anträge auf Genehmigung von Vorhaben, die einander hinsichtlich ihrer Realisierbarkeit wechselseitig ausschließen nicht von vornherein als gegeben zu erachten. Vielmehr wird in solchen Fällen anhand der näheren Umstände im Einzelfall zu beurteilen sein, welches der zur Genehmigung beantragten Vorhaben dem tatsächlichen „Errichtungswillen“ des Projektwerbers (im Sinne einer Umsetzung in die Wirklichkeit) entspricht.

Bei Betrachtung der näheren Umstände ist jedenfalls hervorzuheben, dass der bei der belangten Behörde anhängige Genehmigungsantrag vom 17.05.2019, zeitlich deutlich später eingebracht wurde, als dies bei dem im gegenständlichen Fall zu beurteilenden (Änderungs-)Antrag vom 04.02.2019 der Fall ist. Schon durch diesen zeitlich deutlich jüngeren und somit aktuelleren Genehmigungsantrag der Projektwerberin wird klar zum Ausdruck gebracht, dass ihr „Errichtungswille“ auf die Genehmigung des Vorhabens in der Spezifikation von acht Windkraftanlagen des Typs Vestas V126 mit einer Nennleistung von je 3,45 MW und einer Gesamtleistung von 27,6 MW gerichtet ist, nicht aber auf die im gegenständlichen Falle beantragte Genehmigung des Vorhabens in der Spezifikation von acht Windkraftanlagen der Type Vestas V 126 mit einer Nennleistung von je 3,8 MW und einer Gesamtleistung des Windparks von 30,4 MW. Anzumerken ist diesbezüglich, dass ein Parteiengehör nicht durchzuführen war, da der Projektwerberin unzweifelhaft bekannt sein musste, dass sie einen weiteren Genehmigungsantrag eingebracht hat. „Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das sogenannte Überraschungsverbot auch im Verwaltungsverfahren anzuwenden (VwGH vom 21. November 2012, 2008/07/0161, VwGH vom 3. Mai 2005, 2002/18/0053, beide mwH). Unter dem Überraschungsverbot ist das Verbot zu verstehen, dass die Behörde in ihre rechtliche Würdigung Sachverhaltselemente einbezieht, die der Partei nicht bekannt waren (vgl nochmals VwGH vom 3. Mai 2005, 2002/18/0053, und VwGH vom 23. Februar 1993, 91/08/0142). Ferner hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt festgehalten, dass sich das zum Überraschungsverbot in Beziehung gesetzte Parteiengehör nur auf die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts, nicht aber auf die von der Behörde vorzunehmende rechtliche Beurteilung erstreckt (VwGH vom 19. Februar 2014, 2013/22/0177; VwGH vom 2. März 2012, 2010/07/0038).“ (vgl. VwGH 17.12.2014, Ro 2014/03/0066)

Der Wegfall des „Errichtungswillens“ iSd Wegfalls der Verwirklichungsabsicht eines zur Genehmigung beantragten Vorhabens, durch das Stellen eines neuerlichen, zeitlich späteren, Genehmigungsantrags für ein Vorhaben, welches der Errichtung des erstbegehrten Vorhabens entgegensteht, kommt – nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts – der Zurückziehung ebendieses, dem erstbegehrten Vorhaben zugrundeliegenden Antrags gleich. Zur Zurückziehung eines verfahrenseinleitenden Antrags im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens, sprach der Verwaltungsgerichtshof bereits aus, dass die Zurückziehung des Antrags den Wegfall der Zuständigkeit der Behörde zur Erlassung dieses Bescheides und damit (nachträglich) dessen Rechtswidrigkeit bewirkt (vgl. – zum Berufungsverfahren – VwGH 23.01.2014, 2013/07/0235). Unzuständigkeiten sind von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens wahrzunehmen (VwGH 21.01.1992, 91/11/0076) und durchbrechen den Grundsatz der Bindung an das Beschwerdevorbringen. Hat eine unzuständige Behörde entschieden, so hat das mit Beschwerde angerufene Verwaltungsgericht diese Unzuständigkeit wahrzunehmen und diese Entscheidung zu beheben (VwGH 28.01.2016, Ra 2015/07/0140; vgl. Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 27 E4).

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden nach § 28 Abs. 5 VwGVG verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

Bei der Aufhebung gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG handelt es sich um eine materielle Erledigung der Rechtssache in Form eines Erkenntnisses. Diese Form der negativen Sachentscheidung ist von der Formalerledigung des Verfahrens durch Aufhebung und Zurückverweisung mit Beschluss nach § 28 Abs. 3 2. Satz und Abs. 4 VwGVG zu unterscheiden. Eine neuerliche Entscheidung der Verwaltungsbehörde über den Gegenstand wird bei ersatzloser Behebung regelmäßig nicht mehr in Betracht kommen, wenngleich im Einzelfall über den zugrundeliegenden (unerledigten) Antrag dennoch abermals zu entscheiden sein kann (Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, § 28 VwGVG Anm 17).

Folglich war der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.

Zum Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung:

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG abgesehen werden, zumal der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerden als geklärt anzusehen ist und sich auch nicht geändert hat. Das Beschwerdeverfahren betraf ausschließlich Rechtsfragen allgemeiner Natur, deren mündliche Erörterung und Diskussion schon aufgrund der zahlreichen und unstrittigen höchstgerichtlichen Judikatur unterbleiben konnte. Das Bundesverwaltungsgericht konnte daher nach Einsicht in den Verfahrensakt der UVP-Behörde aufgrund des schriftlichen Beschwerdevorbringens entscheiden, ohne dass dies eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK oder Art. 47 Grundrechte-Charta bedeutet hätte (VwGH 20.03.2014, 2013/07/0146 und VwGH 27.02.2013, 2010/05/0080, jeweils mit Hinweisen auf die Judikatur des EGMR).

II.3.3. Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit bzw. Zulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen Spruchpunkt A) I. ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. die oben zitierte Judikatur des VwGH; insbesondere VwGH vom 10.03.1994, 94/19/0601; 22.11.2005, 2005/05/0320) noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die Revision gegen Spruchpunkt A.) II. ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung zweier Rechtsfragen abhängt, denen grundsätzliche Bedeutung zukommt. Soweit ersichtlich fehlt es an einer Rechtsprechung zur Frage, ob auch zur Beurteilung in einem UVP-Genehmigungsverfahren (wie für UVP-Feststellungsverfahren bereits angenommen, vgl. VwGH 17.12.2014, Ro 2014/03/0066) der Wille des Projektwerbers ein Vorhaben in einer gewissen Weise auszuführen maßgeblich ist und durch den Wegfall eines „Verwirklichungswillens“ auch die Voraussetzung zur Erlassung eines Genehmigungsbescheides wegfällt. Dies insbesondere in Anbetracht eines weiteren, zeitlich späteren Genehmigungsantrags derselben Projektwerberin, dessen innewohnender „Verwirklichung- bzw. „Errichtungswille“ dem früheren, weiterhin aufrechten Genehmigungsantrag entgegensteht. Weiters fehlt es an einer Rechtsprechung zur Frage, ob das Stellen eines neuen Genehmigungsantrags, bei gleichzeitiger Aufgabe des „Verwirklichungs- bzw. Errichtungswillens“ hinsichtlich eines bereits anhängigen Genehmigungsantrags der Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrags gleichzuhalten ist.

Schlagworte

amtswegige Wiederaufnahme Änderungsantrag Antragsänderung Behebung der Entscheidung Belästigung Beschwerdelegimitation Beschwerdezurückziehung Betroffenheit Einstellung Erhöhung ersatzlose Behebung Genehmigungsverfahren Geringfügigkeitsgrenze Gesamtkapazität Gutachten Immissionen Kapazitätsausweitung Kapazitätserweiterung Kassation Kognitionsbefugnis des BVwG Lärmbelastung Nachbarrechte öffentliche Interessen Projektänderung Revision teilweise zulässig Rückverweisung Sachverständigengutachten Schwellenwert subjektive Rechte Umweltauswirkung Umweltverträglichkeitsprüfung Verfahrenseinstellung Verweis wesentliche Änderung Windpark Zurückziehung Zurückziehung der Beschwerde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W225.2144678.2.00

Im RIS seit

01.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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