TE Bvwg Beschluss 2021/6/24 W131 2243410-1

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Veröffentlicht am 24.06.2021
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Entscheidungsdatum

24.06.2021

Norm

BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §328 Abs1
BVergG 2018 §342 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs2
BVergG 2018 §351 Abs1
BVergG 2018 §351 Abs3
BVergG 2018 §351 Abs4
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


W131 2243410-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Mag Reinhard GRASBÖCK als Einzelrichter iZm dem Nachprüfungsverfahren betreffend die Auswahlentscheidung vom 4.6.2021 der ÖBB-Personenverkehr AG (= AG) betreffend das Vergabeverfahren „Rahmenvereinbarung über die Konstruktion, Herstellung und Lieferung von Doppelstockelektrotriebzügen“ aufgrund des Antrags der anwaltlich vertretenen Antragstellerin (=ASt) XXXX auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung (= eV), und weiters rücksichtlich der Gegenanträge der XXXX (= MB) folgenden Beschluss:

A)

I. Dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung,

das Bundesveraltungsgericht wolle [...] für die Dauer des Nachprüfungsnverfahrens den Abschluss der Rahmenvereinbarung untersagen,
wird insoweit stattgegeben, als es der ÖBB-Personenverkehr AG hiermit für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens, wie derzeit beim Bundesverwaltungsricht zur Verfahrenszahl W131 2243410-2 protokolliert, untersagt ist, die Rahmenvereinbarung im Vergabeverfahren „Rahmenvereinbarung über die Konstruktion, Herstellung und Lieferung von Doppelstockelektrotriebzügen“ abzuschließen.

II. Die Gegenanträge der XXXX auf Zurück- bzw Abweisung des eV - Antrags werden zurückgewiesen.

B)

Die Revision gegen die Spruchpunkte A) I. und A) II. ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG jeweils nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. In dem im Entscheidungskopf ersichtlichen Vergabeverfahren wurde das Angebot der ASt von der AG ausgeschieden und wurde dieses Ausscheiden von der ASt im Nachprüfungsverfahren W131 2238132-1 bekämpft. Nach Abweisung des Nachprüfungsantrags der ASt am 11.02.2021 erhob die ASt dagegen beim VwGH Revision und wurde der Revision mit Beschluss des BVwG vom 11.03.2021, W131 228132-1/73E aufschiebende Wirkung zuerkannt.

2. Nach Amtshilfemitteilung des VwGH vom 22.06.2021 wurde dieser AW - Beschluss beim VwGH bislang weder abgeändert noch eine diesbezügliche Änderung beantragt, ohne dass die Parteien dieses Provisorialverfahren insoweit bislang Gegenteiliges behauptet hätten.

3. Mit Nachprüfungsantrag vom 14.06.2021 hat die ASt nunmehr die Auswahlentscheidung zum Abschluss der Rahmenvereinbarung zu Gunsten der MB angefochten und zur diesbezüglichen Absicherung den hier entschiedenen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung (= eV) gestellt.

Im Nachprüfungsantrag wird zB Vorbringen zu § 249 Abs 2 Z 6 BVergG oder iZm dem Preis der MB erstattet.

Zur Begründung des eV - Antrags führte die ASt zusammengefasst aus, dass der ASt mangels eV finianzielle Nachteile durch den Verlust des Deckungsbeitrags und Gewinns aus den Abrufen aus der Rahmenvereinbarung drohen, zusätzliche frustrierte Kosten aus der Vergabeverfahrnersbeteiligung und schließlich der Entgang eines Referenzprojekts.

4. Die AG brachte zum eV - Antrag wie folgt vor:

1. Einwände gegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung

Nach § 350 Abs 1 BVergG hat das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs. 1 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.

Voraussetzung für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist somit unter anderem 1. das nicht offensichtliche Fehlen der Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs. 1; und 2. die Notwendigkeit und Geeignetheit der einstweiligen Verfügung, um eine Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. I

Im Einzelnen:

2. Keine Antragslegitimation / Ausscheidung des Angebotes

Der Antragstellerin fehlen offensichtlich die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs. 1 BVergG. Nach ständiger Rechtsprechung kommt einem Bieter, dessen Angebot zwingend auszuscheiden ist oder – wie hier – bereits formell ausgeschieden worden ist, keine Antragslegimitation für die Bekämpfung der Zuschlagsentscheidung bzw. Auswahlentscheidung zu. Aus diesem Grund kommt der Antragstellerin keine Antragslegitimation zu. Der VwGH hat zu einem vergleichbaren Sachverhalt bereits in seinem Erkenntnis 07.03.2017, Ro 2014/04/0067 festgestellt:

„Im vorliegenden Fall wurde das Angebot der Revisionswerberin durch die mitbeteiligte

Auftraggeberin aus dem Vergabeverfahren ausgeschieden. Der gegen diese Ausscheidensentscheidung gerichtete Nachprüfungsantrag wurde vom Verwaltungsgericht

abgewiesen. Die Revisionswerberin hatte somit die Möglichkeit der Anfechtung dieser Entscheidung nach Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665/EWG und die Ausscheidensentscheidung wurde nach Art. 2a Abs. 2 der Rechtsmittel RL von einer unabhängigen Nachprüfungsstelle als rechtmäßig anerkannt. Der Revisionswerberin kam daher keine Antragslegitimation hinsichtlich der nachfolgenden Zuschlagsentscheidung zu.“

Wir verkennen dabei nicht, dass der Revision der Antragstellerin aufschiebende Wirkung gewährt wurde. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Antragstellerin Antragslegitimation zukommen würde. Die Rechtswirkung der Gewährung einer aufschiebenden Wirkung erschöpft sich auf die Rückversetzung „in den Rechtszustand vor Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses“ (15.01.2019, Ra 2019/04/0008). Dies bedeutet, dass die Rechtsfolgen des Erkenntnisses vom 11.2.2021 vorläufig ausgesetzt sind. Es bedeutet jedoch nicht, dass die Ausscheidungsentscheidung geschweige denn das Vorliegen einer Vielzahl von Ausscheidungsgründen aus dem Rechtsleben eliminiert worden wären. Vielmehr liegen sowohl die im Ausscheidungsschreiben vom 18.12.2020 genannten Ausscheidungsgründe als auch die Ausscheidungsentscheidung selbst unverändert vor.

Das Bundesverwaltungsgericht hat sein Erkenntnis vom 11.2.2021 mit dem Vorliegen von zwei

Ausscheidungsgründen – betreffend Punkt 2.6 „Fahrgastzähleinrichtung“ und Punkt 2.12 „Toiletten“ des Ausscheidungsschreibens – begründet. Das Bundesverwaltungsgericht ist an seine Entscheidung über das Vorliegen dieser beiden Ausscheidungsgründe gebunden; es liegt eine res iudicata vor (VwGH 24.05.2016 Ra 2016/03/0050; Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, Praxiskommentar zum VwGVG und VwGG 2., überarbeitete Auflage (Seite 136 E20); A. Grof in Raschauer/Wessely VwGVG Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (§ 28 RZ 35 jeweils mwN). Es hat daher (auch) in diesem Nachprüfungsverfahren davon auszugehen, dass diese beiden Ausscheidungsgründe vorliegen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat für die tragende Begründung seines Erkenntnisses vom 11.2.2021 lediglich zwei von insgesamt 24 Ausscheidungsgründen herangezogen; über 22 dieser Ausscheidungsgründe hat das Bundesverwaltungsgericht nicht abgesprochen bzw. waren 20 dieser Ausscheidungsgründe nicht einmal Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Genauso wenig wie dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes kann der Gewährung einer aufschiebenden Wirkung eine Aussage über das (Nicht-) Vorliegen der anderen Ausscheidungsgründe entnommen werden. Selbst wenn der Verwaltungsgerichtshof die beiden das Erkenntnis tragenden Ausscheidungsgründe verwerfen würde, würden die anderen Ausscheidungsgründe die Antragslegitimation der Antragstellerin vernichten.

2 Die anderen Ausscheidungsgründe sind daher vom Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Prüfung der Antragslegitimation, der Gewährung der einstweiligen Verfügung und in weiterer Folge auch der Nichtstattgebung des Nichtigerklärungsantrages zu prüfen und heranzuziehen.

Wir verkennen auch nicht, dass nach der Rechtsprechung des EuGH einem Bieter eine Antragslegitimation auch im Fall der (gebotenen) Ausscheidung seines Angebotes zukommen kann, wenn auch alle anderen Angebote auszuscheiden sind. Nach der Rechtsprechung gilt dies jedoch nur dann, wenn „der Ausschluss des Bieters nicht durch eine Entscheidung bestätigt wurde, die rechtskräftig geworden ist“ (EuGH 24.03.2021, C-771/19 NAMA RN 42). Eine solche Entscheidung liegt in Gestalt des Erkenntnisses vom 11.2.2021 des Bundesverwaltungsgerichtes vor.

Diese Entscheidung ist im Sinne des zitierten Urteiles des EuGH auch rechtskräftig: Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes sind rechtskräftig; eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof kann als außerordentliches Rechtsmittel daran nichts ändern (VwGH 24.05.2016 Ra 2016/03/0050; A. Grof in Raschauer/Wessely VwGVG Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (§ 28 RZ 35).

3. Keine Chancen auf Erfolg

Die Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung zur Untersagung des Abschlusses der

Rahmenvereinbarung ist nicht geeignet, eine Schädigung der Interessen der Antragstellerin zu

verhindern, weil der Nichtigerklärungsantrag keine Aussicht auf Erfolg hat. Nach der Rechtsprechung des EuGH 9.4.2003 C-424/01 CS Austria darf das Bundesverwaltungsgericht die Erfolgsaussichten des Antrags auf Nichtigerklärung der Auswahlentscheidung berücksichtigen.

16 Der Nichtigerklärungsantrag hat keine Aussicht auf Erfolg, weil eine Vielzahl von Ausscheidungsgründen vorliegen. Aus Gründen der Einfachheit wird auf das Ausscheidungsschreiben vom 18.12.2020 verwiesen und hier wiederum die Ausscheidungsgründe der Punkte 1.1 bis 1.3 hervorgehoben:

Über diese Ausscheidungsgründe können aus Sicht der Antragsgegnerin bereits aufgrund der bloßen Aktenlage und jedenfalls ohne Beiziehung eines Sachverständigen entschieden werden.

4.1. Die AG hat damit das eV - Interesse dem Grunde nach bestritten, aber kein substantiiertes Vorbringen erstattet, wonach irgendwelche rechtserheblichen interessen für die Dauer von in etwa sechs Wochen ab Antragstellung einer eV bei dieser Vergabe entgegenstehen würden.

5. Die MB wurde am 14.06.2021 vom Nachprüfungsantrag verständigt und wurden von dieser - angefragt im Rahmen der amtswegigen Wahrheitsfindung - gleichfalls keine substantiierten Interessen wider eine eV für den Zeitraum von sechs Wochen - als der gesetzlichen Entscheidungsfrist für den Nachprüfungsantrag gemäß § 348 BVergG vorgebracht.

6. In der Nachprüfungssache wurde er AG, der ASt und der MB für den Fall der Erforderlichkeit bereits ein Verhandlungstermin am 19.07.2021 avisiert und wurde der AG und der MB über deren Rechtsvertretung bereits iSv § 13 AVG telefonisch mitgeteilt, dass die Genese des Firmenwortlauts der MB und auch die Frage eines allfälligen - evtl sogar publizierten - Fusionskontrollverfahrensergebnisses der MB (oder denkmöglich einer Konzerngesellschaft der MB) mit einer Gesellschaft im Konzern der AG allenfalls von Interesse für das Nachprüfungsverfahren sein könnten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der Verfahrensgang wird mit den darin festgehaltenen Vergabeverfahrenstatsachen als entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt; und ergibt sich dieser aus dem Inhalt der Verfahrensakten W131 2243410-1 [eV - Verfahren], -2 [Nachprüfungsverfahren] und -3 [Pauschalgebührenersatzverfahren].

Dz ist gerichtnotorisch nicht ersichtlich, dass das gegenständliche Nachprüfungsverfahren länger als bis zum Ablauf der sechswöchigen Entscheidungsfrist gemäß § 348 BVergG 2018 [bis Montag 26.06.2021] dauern sollte.

Es wurde kein substantiiertes Vorbringen erstattet, das gegen das Verbot des Abschlusses der Rahmenvereinbarung sprechen würde, vorgebracht wurde insb das offensichtliche Fehlen der Antragsvoraussetzungen für den Nachprüfungsantrag iSv § 350 Abs 1 BVergG bzw das Fehlen von Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrags iSv EuGH Rs C-424/01.

Ein Zuschlag ist noch nicht erteilt, die Rahmenvereinbarung noch nicht abgeschlossen.

Es ist gerichtsnotorisch, dass beim Abschluss der Rahmenvereinbarung mit der MB bereits jetzt vor einer Entscheidung über den Nachprüfungsantrag die Referenzauftragschance (auch in einem allfällig künftigen Vergabeverfahren, iSv EuGH Rs C-333/18) entfiele und insoweit bereits jetzt auch finanzielle Nachteile entstehen können, welche - wie von der ASt behauptet - auch nicht substantiiert bestritten wurden.

Die AG hat bislang ausweislich der Amtshilfemitteilung des VwGH auch keine Abänderung des Beschlusses über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beim VwGH beantragt.

Es ist derzeit für den hier zuständigen Einzelrichter noch nicht evident, ob die angefochtene Auswahlentscheidung schon oder nicht ergebnisrelevant vergaberechtswidrig iSv § 347 Abs 1 BVergG ist, was damit jedenfalls von dem in der Hauptsache zuständigen Senat zu entscheiden sein wird - § 328 BVergG.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt und Verfahrensgang ergeben sich unstrittig aus den Gerichtsakten samt vorgelegten Vergabeunterlagen, siehe dazu die gerichtsakten W131 2243410-1, -2 und -3 sowie W131 2238132-1, -2 und -3.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zulässigkeit des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung:

3.1.1. Im Wege einer Grobprüfung der Antragslegitimation der Antragstellerin zur Stellung eines Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist gemäß § 350 Abs 1 BVergG 2018 (= BVergG) zu prüfen, ob der ASt die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 BVergG nicht offensichtlich fehlen. Diese Grobprüfung ergibt, dass sich das Verfahren in einem Stadium vor Abschluss einer Rahmenvereinbarung befindet, dass die Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung – nämlich der Auswahlentscheidung zu Abschluss eier Rahmenvereinabarung – behauptet wird, dass die Antragstellerin ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich des BVergG 2018 (= BVergG) unterliegenden Vertrags (Rahmenverienbarung) behauptet hat, sowie dass der ASt durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden drohen könnte.

3.1.2. Die Rechtsschutzanträge der ASt erfüllen – soweit im Provisorialverfahren ersichtlich – grundsätzlich auch die Zulässigkeitsvoraussetzungen, zumal effektiver Rechtsschutz gemäß der RL 92/13/EWG idgF zu gewährleisten ist.

Die Vergabekontrollzuständigkeit des BVwG ist unbestritten.

3.1.3. Soweit insb die AG die Zulässigkeit wegen offensichtlichen Fehlens der Antragsvoraussetzungen iSv § 350 Abs 1 BVerG vorbringt, ist sie darauf zu verweisen, dass derzeit der Revision gegen das abweisliche Erkenntnis des BVwG betreffend den Nachprüfungsantrag gegen das Ausscheiden der ASt aufschiebende Wirkung zuerkannt ist.

In ständiger Spruchpraxis des VwGH bewirkt eine derartige aufschiebende Wirkung, dass ein vom Verwaltungsgericht bestätigt mit seinem Angebot ausgeschiedener Bieter dennoch die Zuschlagsentscheidung zu Gunsten eines Konkurrenten bekämpfen kann, siehe dazu nur VwGH Zlen Ra 2019/04/0008 und Ra 2016/04/0132.

Da Zuschlagsentscheidungen und Auswahlentscheidungen zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung ausweislich des Art 1 Abs 1 der RL 92/13/EWG idF RL 2014/23/EU unionsrechtskonform evident gleichzubehandeln sein werden, nachdem nach dieser Richtline Rahmenvereinbarungen gleichfalls Aufträge sind, erscheint die Rechtslage dahin eindeutig, dass auch im vorliegenden Fall durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung (jedenfalls iVm deren aufrechten Bestand) das Ausscheiden der ASt noch nicht endgültig iSd Art 2a RL 92/13/EWG idgF ist, womit der ASt derzeit Antragslegitimation wider die Auswahlentscheidung zu Gunsten der Konkurrentin zukommt.

Insoweit musste hier nicht näher darauf eingegangen werden, ob der ASt evtl auch jedenfalls deshalb Antragslegitimation zukommt, weil der gemäß § 42 VwGG mit Sachentscheidungsbefugnis ausgestattete VwGH erst über die Revison, wie aufgezeigt, entscheiden muss und daher das Ausscheiden idS noch keinesfalls endgültig iSv Art 2a RL 92/13/EWG idgF sein könnte, zumal überdies im (sonstigen) Wettbewerbsrecht nach UWG - unter dem Gesichtspunkt des Äquivalenzgrundsatzes - der mit dem Bestreiten der Antragslegitimation vergleichbare unclean hands - Einwand im Wettbewerbsprozess grundsätzlich nicht greift, siehe dazu zB OGH Zlen 4Ob336/73; 4Ob331/74; 4Ob330/75; 4Ob351/76; 4Ob319/79; 4Ob407/85; 4Ob68/89; 4Ob79/92; 4Ob1130/93; 4Ob231/98v; 4Ob23/06w; 4Ob51/08s; 4Ob113/08h; 4Ob107/08a; 4Ob43/14y; 4Ob155/16x; 4Ob170/16b; 4Ob95/17z; 4Ob185/17k; 4Ob35/18b; 4Ob229/17f.

3.1.4. Zu den behaupteten fehlenden Erfolgsaussichten des hier zu entscheidenden Nachprüfungsantrags gegen die Auswahlentscheidung zu Gunsten der MB ist festzuhalten, dass iSv EuGH Rs C-424/01 sachgerecht das Ergebnis des Nachprüfungsverfahrens vor dem Senat gemäß § 328 BVergG nicht durch den Einzelrichter im Provisorialverfahren vorweggenommen werden soll, außer der Verfahrensausgasng des Nachprüfugnsverfahrens erschiene dem Einzelrichter im Provisorialverfahren bereits evident im Sinne einer Ab- bzw Zurückweisung.

Eine derartige Evidenz des Ausgangs des Nachprüfungsverfahrens wider die hier angefochtene Auswahlentscheidung liegt aber noch nicht vor.

Das Vorbringen zum abgeschlossenen Nachprüfungsverfahren betreffend die Ausscheidensentscheidung zu Lasten der ASt iZm Erfolgsaussichten erscheint hier aus hg Sicht nicht rechtserheblich.

3.2. Inhaltlich zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung

3.2.1. Gemäß § 350 Abs 1 BVergG hat das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.

Gemäß § 351 Abs 1 BVergG hat das Bundesverwaltungsgericht vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.

Gemäß § 351 Abs 3 BVergG können mit einer einstweiligen Verfügung das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.

Bei Abwägung aller möglicherweise geschädigten Interessen der Antragstellerin, der sonstigen Bieter und des Auftraggebers, eines allfälligen besonderen öffentlichen Interesses an der Fortführung des Vergabeverfahrens sowie des öffentlichen Interesses an der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter (VfGH 15.10.2001, B 1369/01) erscheint daher die hier erlassene einstweilige Verfügung des gelindeste zum Ziel führende notwendige Sicherungsmittel, nachdem die finanziellen Interessen und das Referenzauftragsinteresse der ASt nicht substantiiert bestritten wurden und eine Nachprüfungsverfahrensdauer von erheblich mehr als sechs Wochen derzeit nicht absehbar ist. Dies insb auch deshalb, weil der ASt nach der hier angelegten Auffassung (dz) die Antragslegitimation zukommt und die Erfolgsassichten des Nachprüfungsantrags derzeit auch nicht evident fehlen.

Dementsprechend war die beantragte eV beim derzeitgen Tatsachenstand - auch unter Bedachtnahme auf den EuGH in der Rs C-771/19 - zu erlassen, zumal der EuGH dort - wenn auch zu einem anderen Verfahrenssystem - darauf abgestellt hat, ob die Beantragung der Aussetzung [...] abgelehnt wurde. Im hier vorliegenden Fall liegt aber gerade die dargestellte aufschiebende Wirkung gemäß § 30 VwGG betreffend die Bestätigung des Ausscheidens vor, was nach den Wertungen aus C-771/19 wiederum für die Antragslegitimation spricht.

Die vorgetragenen Gegenanträge der MB waren mangels Parteistellung im eV - Verfahren gemäß § 352 Abs 1 BVergG zurückzuweisen.

B) Unzulässigkeit der Revision:

3.3. Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.3.1. Die Revision gegen die erlassene einstweilge Verfügung war gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zuzulassen, weil die gegenständliche Entscheidung eine Einzelfallentscheidung vor dem Hintergrund von Einzelfallparteivorbringen und diesbezüglich einer tatsachenmäßigen Interessensabwägung in diesem speziellen Einzelfall darstellt, ohne dass insoweit grundsätzliche Rechtsfragen aufgeworfen wurden. Zudem erscheinen die Spruchpraxis des VwGH zur aufschiebenden Wirkung und deren Rechtsfolgen für die Antragslegitimation eindeutig; und erscheint insoweit auch die RL 92/13/EWG idgF als eindeutige Rechtslage im Bereich der Frage der "Endgültigkeit" eines Ausscheidens.

3.3.2. Die Zurückweisung der Gegenanträge der MB gründet sich auf § 352 Abs 1 BVergG. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut hat die MB keine Parteistellung im Provisorialverfahren. Bei eindeutigem Gesetzeswortlaut ist die Revision unzulässig.

Schlagworte

Abschlussverbot Ausscheidensentscheidung Auswahlentscheidung Dauer der Maßnahme einstweilige Verfügung Entscheidungsfrist Erfolgsaussichten Interessenabwägung Lieferauftrag Nachprüfungsantrag Nachprüfungsverfahren öffentliche Interessen Parteistellung Provisorialverfahren Rahmenvereinbarung Schaden Untersagung Vergabeverfahren Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W131.2243410.1.00

Im RIS seit

01.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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