Entscheidungsdatum
06.07.2021Norm
AsylG 2005 §3Spruch
I408 2170723-1/24E
I408 2170725-1/16E
I408 2170722-1/14E
I408 2170724-1/14E
I408 2170718-1/14E
Schriftliche Ausfertigung des am 05.07.2021 mündlich verkündeten Erkenntnisses
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID, als Einzelrichter über die Beschwerden von XXXX , geb. XXXX , StA. IRAK, XXXX , geb. XXXX , StA. IRAK, XXXX , geb. XXXX , StA. IRAK, XXXX , geb. am XXXX , StA. IRAK, und XXXX , geb. XXXX , StA. IRAK, jeweils alle vertreten durch: BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX vom 09.08.2017, Zl. XXXX , XXXX , XXXX , XXXX und XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.07.2021 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Mit den verfahrensgegenständlichen Bescheiden wurde der Antrag der fünfköpfigen Familie der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) abgewiesen, ihnen aber hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Irak (Spruchpunkt II.) subsidiärer Schutz zuerkannt und ihnen eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 08.08.2018 erteilt (Spruchpunkt III.).
Mit Beschwerde vom 04.09.2017 wurde die Abweisung zu Spruchpunkt I. bekämpft.
Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 26.05.2021 wurde dieses Familienverfahren dem erkennenden Richter neu zugewiesen.
Am 05.07.2021 fand im Beisein des Erstbeschwerdeführers (BF1) und der Rechtsvertretung der Beschwerdeführer eine mündliche Verhandlung statt, in der das gegenständliche Erkenntnis mündlich verkündet wurde. Da sich alle Beschwerdeführer (BF2-BF5) auf den Fluchtgrund des Erstbeschwerdeführers (BF1) berufen, war nur seine Anwesenheit erforderlich.
Noch am selben Tag beantragte die Rechtsvertretung der Beschwerdeführer die schriftliche Ausfertigung.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Den Beschwerdeführen ist bereits subsidiärer Schutz zuerkannt und sie sind selbsterhaltungsfähig.
BF1 war in XXXX im öffentlichen Dienst beschäftigt und hat ein Labor im Bereich XXXX geleitet. Die Familie verließ mit ihren beiden, damals fünf- (BF5) und dreijährigen Kinder (BF3) im Juli 2015 XXXX . Das dritte Kind (BF4) kam am XXXX in Österreich auf die Welt. Die damalige Ausreise erfolgte aufgrund der Machtübernahme der IS in XXXX , eine persönliche Verfolgung war und ist auch aktuell nicht gegeben.
Ebenso ist eine persönliche Verfolgung von BF1 durch Milizen aufgrund der Stellung seines Vaters als Offizier unter Saddam Hussein bzw. dessen Mitgliedschaft bei der Baath-Partei nicht feststellbar.
2. Beweiswürdigung:
Das erkennende Gericht stützt sich auf die Einnahmen von BF1 und BF2 im Rahmen des behördlichen Verfahrens und die Befragung von BF1 bei der mündlichen Verhandlung am 05.07.2021.
Die Feststellungen zu den Personen und der Beschäftigung von BF1 in XXXX entsprechen den Angaben in der mündlichen Verhandlung und den im Verfahren vorgelegten Unterlagen.
Zunächst schließt sich der erkennende Richter den beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde im verfahrensgegenständlichen Bescheid 09.08.2017 dar, wo umfassen und nachvollziehbar dargelegt wurde, warum der Familie aufgrund der allgemeinen Lage nach der Machtübernahme durch den IS zuerkannt worden ist, nicht jedoch von einer persönlichen Verfolgung von BF1 ausgegangen wird.
So hat BF1 bei seiner Ersteinvernahme nur angeführt, dass er seine Heimat wegen der IS, die XXXX erobert hatte, verlassen habe bzw. weil die Sicherheitslage für ihn und seine Familie sehr schlecht war (AS 57). Mit seiner leitenden Tätigkeit in einem Labor XXXX begründete er dann vor dem BFA eine persönliche Verfolgung. Seinen eigenen Angaben folgend, wollte der IS nur, dass er seine Arbeit wiederaufnehme und versuchte BF1 wiederholt persönlich zu erreichen. Er selbst konnte die ganze Zeit mit seiner Familie bei seinen Eltern leben und war keiner persönlichen Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt. Entweder gelang es seinem Vater, die Anfragen von IS-Angehörigen abzuwimmeln, oder BF1 reagierte nicht. Es kam zu keinem persönlichen Kontakt des BF mit der IS und er konnte sich offenkundig in XXXX frei bewegen. So nahm er auch an einem Begräbnis eines Familienangehörigen teil, als sein Vater wieder einmal Mitglieder des IS abweisen konnte. (AS 156). Dieses permanente Nachfragen zu entgehen und seine fehlende Bereitschaft, in irgendeiner Form mit dem IS zusammenzuarbeiten, nahm er letztendlich zum Anlass, mit seiner Familie XXXX zu verlassen. Im Irak wollte er nicht bleiben, weil er kein Vertrauen zu den staatlichen Institutionen hatte. Einen asylrelevanten Verfolgungsgrund ist diesem Vorbringen nicht zu entnehmen.
Da zwischenzeitlich auch seine Geschwister 2018 XXXX verlassen hatten und seither in der Türkei aufhältig sind, nahm er diesen Umstand zum Anlass, eine Verfolgung der Familie aufgrund der militärischen Tätigkeit seines Vaters, dessen Mitgliedschaft zur Baath-Partei bzw. eines Nahverhältnisses zu Saddan Hussein darzustellen. So hätten im Juni 2018 schiitische Milizen in dem durch Bomben zerstörten Elternhaus nach seinem unmittelbar davor verstorbenen gesucht und von einem Nachbarn den Aufenthaltsort seiner in XXXX lebenden Kinder erpresst, um alle zu töten. Nach einer telefonischen Information durch den Sohn des Nachbarn hätten dann alle unmittelbar darauf XXXX verlassen. Auch in diesem Vorbringen spricht BF1 nur von einer mittelbaren Bedrohung und bleibt in seiner Darstellung vage und unplausibel. Zunächst wird der Nachbar nur bei sich zu Hause bedroht („Nach einer Weile kamen sie zurück, bedrohten ihn mit der Waffe und wollten wissen, wessen Haus das ist“) während es später heißt: „Nachdem mein Nachbar festgenommen wurde, hat sein Sohn meine Brüder angerufen und es ihnen erzählt und wir wissen, dass Milizen Verbrecher sind und sie haben sofort ihre Häuser verlassen“). Es ist auch nicht plausibel, dass der Vater von BF1 aufgrund seiner militärischen Tätigkeit und des Naheverhältnisses zu Saddam Hussein erst 2018, nach seinem Tod, die Aufmerksamkeit von Milizen erweckte und diese bei einer gezielten Suche nach einer Person zunächst unverrichteter Dinge wieder abziehen, nochmals zurückkehren und sich erst nachträglich erkundigen, wem das Haus gehört. Zu den von Milizen beschlagnahmten Grundstücken ist anzuführen, dass dies nur behauptet wird und den Beschwerdeführern wie auch seinen Geschwistern die Möglichkeit offensteht, diese gerichtlich zurückzufordern. So sprach BF1 u.a. auch schon vor der belangten Behörde davon, dass das Haus seines Vaters nach seiner Flucht konfisziert wurde, welches aber 2018 offenkundig noch immer im Besitz der Familie stand. Im Ergebnis ist auch dieses Vorbringen nicht geeignet, einen asylrelevanten Fluchtgrund glaubhaft darzulegen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Verfahrensgegenständlich handelt es sich um ein Familienverfahren, in welchem sich alle Beschwerdeführer auf das Fluchtvorbringen von BF1 berufen.
Zu A) Abweisung der Beschwerden zu Spruchpunkt I. (Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten):
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 65/2018 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention), droht.
Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 10.08.2018 Ra 2018/20/0314; 10.11.2015, Ra 2015/19/0185).
Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/19/0459). Auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in seinem Heimatstaat Verfolgung zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233 mwN). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183; 18.02.1999, Zl. 98/20/0468).
Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des Beschwerdeführers, im Irak mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist:
Im gegenständlichen Fall gelangt das Bundesverwaltungsgericht aus oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausführlich erörterten Gründen zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintretenden individuellen Verfolgung ausgesetzt wäre. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedenfalls nicht, um den Status des Asylberechtigten zu erhalten (VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100).
Bezüglich der Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen, sozialen oder unruhebedingten Lebensbedingungen zurückzuführen sind, bleibt festzuhalten, dass diese keine Verfolgungshandlungen im Sinne des Asylgesetzes darstellen, da alle Bewohner gleichermaßen davon betroffen sind. Bestehende schwierige Lebensumstände allgemeiner Natur sind hinzunehmen, weil das Asylrecht nicht die Aufgabe hat, vor allgemeinen Unglücksfolgen zu bewahren, die etwa in Folge des Krieges, Bürgerkrieges, Revolution oder sonstiger Unruhen entstehen, ein Standpunkt den beispielsweise auch das UNHCR-Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft in Punkt 164 einnimmt (VwGH 14.03.1995, Zl. 94/20/0798).
Eine Verfolgung der Beschwerdeführer im Sinne des Artikels 1 Abschnitt A Z. 2 GFK liegt somit nicht vor und den Beschwerden gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids kommt folglich keine Berechtigung zu.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Asylantragstellung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren begründete Furcht vor Verfolgung Bürgerkrieg Fluchtgründe Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit mündliche Verhandlung mündliche Verkündung schriftliche Ausfertigung Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete FurchtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:I408.2170725.1.00Im RIS seit
01.10.2021Zuletzt aktualisiert am
01.10.2021