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L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauO Tir 1989 §30 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde des P-Verbandes und des Dr. B, beide in I, der Erstbeschwerdeführer vertreten durch den Zweitbeschwerdeführer, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Berufungskommission in Bausachen der Landeshauptstadt Innsbruck vom 15.10.1996, Zl. I-5557/1996, betr Parteistellung in einem Baubewilligungsverfahren (mP: XY-Wohnbau-GmbH in I), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Landeshauptstadt Innsbruck hat den Beschwerdeführern insgesamt Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid des Stadtmagistrates Innsbruck vom 17. Jänner 1996 wurde der mitbeteiligten Partei die Baubewilligung für den Abbruch von Bestandsobjekten und die Errichtung einer aus vier Einzelgebäuden bestehenden Wohnanlage samt Büroeinheiten und Tiefgarage erteilt. Die Beschwerdeführer sind Miteigentümer der unmittelbar an das zu bebauende Grundstück angrenzenden Liegenschaft mit der Adresse K-Gasse 8 in Innsbruck. Für dieses Bauvorhaben war vorgesehen, daß die Bodenvermörtelung und Spritzbodensicherung auf der Liegenschaft der Beschwerdeführer erfolgen sollte, ohne daß diese ihre Zustimmung zu dieser Bauführung erteilt haben. Die Einwendungen der Beschwerdeführer wurden im erstinstanzlichen Bescheid abgewiesen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung der Beschwerdeführer hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 27. März 1996 abgewiesen. Dagegen erhoben die Beschwerdeführer eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, die zur hg. Zl. 96/06/0130 protokolliert und mit hg. Beschluß vom 19. Dezember 1996 wegen Gegenstandslosigkeit (aufgrund einer Vereinbarung der Beschwerdeführer mit der mitbeteiligten Partei) eingestellt wurde.
Zwischenzeitlich hatte die mitbeteiligte Partei die Änderung des Bauprojektes insofern beantragt, als unter anderem infolge einer Projektänderung die Inanspruchnahme des Grundes der Beschwerdeführer unterbleiben sollte. Mit Bescheid vom 30. Mai 1996 hat der Stadtmagistrat Innsbruck der mitbeteiligten Partei die beantragte Änderung bewilligt. Nunmehr sollte die westliche Außenmauer des zweiten Untergeschoßes einen Grenzabstand zum Bestandsobjekt der Beschwerdeführer von 2,39 m in der Nordwestecke bzw. 3,78 m in der Südwestecke einhalten. Diesem Verfahren wurden die Beschwerdeführer nicht beigezogen, der Bescheid vom 30. Mai 1996 wurde ihnen nicht zugestellt. Einem mündlichen Ansuchen auf Gewährung der Akteneinsicht und Zustellung des Bescheides des Stadtmagistrates vom 30. Mai 1996 wurde keine Folge gegeben, die Beschwerdeführer stellten sodann einen schriftlichen Antrag vom 16. Juli 1996 mit dem Ersuchen auf Zustellung des Bescheides und Gewährung der Akteneinsicht.
Mit Bescheid des Stadtmagistrates Innsbruck vom 8. August 1996 wurde der Antrag der Beschwerdeführer auf Bescheidzustellung und Akteneinsicht mangels Parteistellung abgewiesen. Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung der Beschwerdeführer hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom 15. Oktober 1996 abgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, durch die Projektsänderung werde nunmehr die westliche Außenmauer des zweiten Untergeschoßes des Hauses D einen Grenzabstand zum Bestandsobjekt der Beschwerdeführer von 2,39 m bzw. 3,78 m aufweisen. Durch dieses Absetzen der Außenwand habe auch die Zufahrtsrampe zur unteren Garagenebene verschmälert und geringfügig steiler ausgeführt werden müssen. Die technische Ausführung der Baugrubensicherung solle aufgrund der Beschreibung und statischen Berechnung im ergänzenden Gutachten von D.I. TR. vom 9. Mai 1996 erfolgen.
Die Frage der Parteistellung der Nachbarn im Baubewilligungsverfahren nach der Tiroler Bauordnung sei nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nur danach zu beurteilen, ob aufgrund der räumlichen Naheverhältnisse die Möglichkeit bestehe, daß durch das Bauvorhaben oder dessen Benützung hinsichtlich der durch das Gesetz geschützten Interessen mit Rückwirkungen auf das Grundstück der Nachbarn oder die darauf errichtete bauliche Anlage zu rechnen sei. Ob tatsächlich eine Verletzung von Nachbarrechten eintrete, könne nur im Baubewilligungsverfahren selbst geklärt werden; die tatsächliche Verletzung nachbarschützender Vorschriften sei jedoch nicht Voraussetzung der Parteistellung der Nachbarn. Der Nachbar habe kein Recht auf Einhaltung jener Vorschriften, die sich mit Fragen der Statik befaßten, dazu komme, daß die Statik der in Rede stehenden Baugrubensicherung zufolge des Gutachtens des D.I. TR. abgesichert sei. Dieses Gutachten habe im Verfahren von den Beschwerdeführern in keiner Weise in Frage gestellt werden können, es werde dessen Stichhaltigkeit auch dadurch bestätigt, als nach begonnener Bauführung und auch Baugrubenaushub die Statik des Gebäudes der Beschwerdeführer in keiner Weise beeinträchtigt worden sei. Da nur unterirdische Bauteile abgeändert worden seien, sei der Berufung der Beschwerdeführer keine Folge zu leisten gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrikgeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 30 Abs. 1 der Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 33/1989, (TBO) sind Nachbarn Eigentümer von Grundstücken, die zu dem zur Bebauung vorgesehenen Grundstück in einem solchen räumlichen Naheverhältnis stehen, daß durch die bauliche Anlage oder deren Benützung hinsichtlich der durch dieses Gesetz geschützten Interessen mit Rückwirkungen auf ihr Grundstück oder die darauf errichtete bauliche Anlage zu rechnen ist. Gemäß Abs. 4 dieser Bestimmung können subjektive öffentlich-rechtliche Einwendungen insbesondere auf Vorschriften über die widmungsgemäße Verwendung von Grundstücken, die Bauweise, die Bauhöhe, die Mindestabstände von baulichen Anlagen, die Beschaffenheit des Bauplatzes und den Brandschutz gestützt werden. Die Frage der Parteistellung der Beschwerdeführer war im gegenständlichen Baubewilligungsverfahren danach zu beurteilen, ob aufgrund des räumlichen Naheverhältnisses die Möglichkeit bestand, daß durch die Abänderung der baulichen Anlage oder durch deren Benützung hinsichtlich der durch dieses Gesetz geschützten Interessen mit Rückwirkungen auf ihr Grundstück oder die darauf errichtete bauliche Anlage zu rechnen war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. August 1993, Zl. 93/06/0088). Zutreffend haben die Beschwerdeführer bereits in ihrer Berufung gegen den Bescheid des Stadtmagistrates vom 8. August 1996 darauf hingewiesen, daß eine Parteistellung von Nachbarn im Bauverfahren auch dann gegeben ist, wenn die bloße Möglichkeit der Beeinträchtigung der Rechtssphäre der Nachbarn durch das geplante Projekt besteht. Bei einer Entfernung von nur 2,39 m zum Gebäude der Beschwerdeführer (Feststellungen, ob nicht die Grundgrenze allenfalls noch näher an das Bauvorhaben heranrückt, enthält weder der erstinstanzliche Bescheid noch der angefochtene Bescheid) steht es außer Frage, daß das geänderte Bauvorhaben Rückwirkungen auf das Grundstück der Beschwerdeführer und die darauf errichteten baulichen Anlagen entfalten kann. Ob es tatsächlich zu einer Beeinträchtigung von Nachbarrechten kommt, ist, wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat, erst im Baubewilligungsverfahren zu prüfen. Bei der Frage nach der Parteistellung genügt jedoch die abstrakte Möglichkeit der Beeinträchtigung von Rechten. Im Beschwerdefall kommen hiebei insbesonders die Bestimmungen über die Einhaltung der Mindestabstände, den Immissionsschutz und den Brandschutz in Betracht. Der Hinweis der belangten Behörde, es handle sich bei der Bauführung "nur um unterirdische Bauteile" vermag nichts daran zu ändern, daß auch durch derartige Bauführungen Rechte von Anrainern beeinträchtigt werden können.
Völlig unverständlich ist in diesem Zusammenhang die Argumentation der belangten Behörde, das Gutachten betreffend die Statik des D.I. TR. habe im Verfahren von den Beschwerdeführern in keiner Weise in Frage gestellt werden können, da den Beschwerdeführern ja gerade die Akteneinsicht und somit auch die Einsicht in das statische Gutachten des D.I. TR. versagt wurde.
Da die belangte Behörde verkannte, daß das Bauvorhaben geeignet ist, subjektiv-öffentliche Rechte der Beschwerdeführer zu berühren und ihnen deshalb zu Unrecht die Parteistellung in dem Verfahren betreffend die Änderung des ursprünglichen Bauvorhabens versagte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren für den Ersatz zuviel entrichteter Stempelgebühren war abzuweisen. Mit Erledigung der Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos geworden.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996060233.X00Im RIS seit
20.11.2000