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L80007 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Tirol;Norm
AVG §59 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde des Dr. N, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 7. Juni 1995, Zl. Ve1-554-3/1-1, betreffend Feststellung eines Freizeitwohnsitzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen 2 Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit Schreiben vom 1. Juli 1994 meldete der Beschwerdeführer die Wohnung top Nr. 11 im Erdgeschoß des Gebäudes auf dem Grundstück Nr. 1112/2, KG P, H 203, als Freizeitwohnsitz im Sinne des § 16 Abs. 1 und 2 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1994, LGBl. Nr. 81/1993, an. Mit Bescheid vom 22. November 1994 stellte der Bürgermeister der Marktgemeinde S fest, daß der angeführte Freizeitwohnsitz weiterhin als Freizeitwohnsitz verwendet werden dürfe. Der Bescheid enthielt auch die Angabe, daß der Freizeitwohnsitz zur ganzjährigen Wohnnutzung geeignet sei. Der Beschwerdeführer erhob dagegen Berufung bezüglich jenes Teiles des Bescheides, der die Feststellung der Eignung zur ganzjährigen Wohnnutzung enthält.
Mit Bescheid vom 7. Juni 1995 wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab (der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 13. Juni 1995 zugestellt; im Beschwerdefall ist daher das Tiroler Raumordnungsgesetz 1994 in der Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 4/1996 anzuwenden).
Begründend führte die belangte Behörde aus, daß sich der Beschwerdeführer erkennbar lediglich gegen die Feststellung im erstinstanzlichen Bescheid richte, daß der angeführte Wohnsitz zur ganzjährigen Wohnnutzung geeignet sei. Dies ergebe sich aus dem ausdrücklichen Berufungsantrag, diesen Bescheidteil abzuändern. Auf den ersten Teil der Berufung müsse daher nicht eingegangen werden. § 14 Abs. 2 Grundverkehrsgesetz, LGBl. Nr. 82/1993, spreche von Freizeitwohnsitzen, die nach § 16 Tiroler Raumordnungsgesetz 1994 angemeldet seien und für die festgestellt worden sei, daß sie aufgrund ihrer Lage, Beschaffenheit oder Ausstattung nicht für eine ganzjährige Wohnnutzung geeignet seien. Es sei dabei von objektiven Kriterien auszugehen und nicht von der Bedürfnislage des derzeitigen Benützers des Freizeitwohnsitzes. Die Argumentation des Beschwerdeführers, eine Kleinwohnung mit einer Gesamtfläche von 33,5 m2 und einem Balkon von rund 6,3 m2 sei schon aufgrund ihrer Größe für eine ganzjährige Wohnnutzung nicht geeignet, sei nicht schlüssig. Es entspreche den Erfahrungen des täglichen Lebens, daß eine Fülle von Kleinwohnungen in diesem Ausmaß in Tirol tatsächlich ganzjährig zur Befriedigung eines dauernden Wohnbedürfnisses benützt würden. Insbesondere gelte dies für sogenannte "Single-Haushalte". Weitergehende Argumente, etwa das Fehlen von Versorgungseinrichtungen, wie Wasser, Strom oder Heizmöglichkeit, seien vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang nicht vorgebracht worden. Auch die relative Abgesondertheit vom Dauersiedlungsraum der Gemeinde P in einer Seehöhe von 1350 m begründe für sich allein genommen nicht die Nichteignung für eine ganzjährige Wohnnutzung. Dazu habe die erstinstanzliche Behörde festgestellt, daß in demselben Gebäude andere Personen ihren ständigen Wohnsitz hätten, was im übrigen auch vom Beschwerdeführer bestätigt worden sei. Ebenso könne aus der Tatsache, daß bei einem Gebäude zu wenig Abstellmöglichkeiten für Kraftfahrzeuge vorgesehen seien, nicht abgeleitet werden, daß dieses Gebäude nicht zur dauernden Wohnnutzung geeignet sei. So könne gemäß § 9 Tiroler Bauordnung ein Bauwerber von der Verpflichtung zur Errichtung von Abstellmöglichkeiten befreit werden. Aus den angeführten Gründen sei die Berufung daher als unbegründet abzuweisen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die ursprünglich zur Zl. 95/06/0149 (nunmehr Zl. 97/06/0015) protokollierte Beschwerde, in der die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht werden.
3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Aus Anlaß der Prüfung des vorliegenden Beschwerdefalles sind beim Verwaltungsgerichtshof Bedenken in bezug auf die Verfassungsmäßigkeit des § 16 Abs. 1 lit. e und des § 16 Abs. 2 Tiroler Raumordnungsgesetz 1994 entstanden, worauf der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 25. Oktober 1996, A 75/96-1, Gesetzesprüfungsanträge (davon zwei Eventualanträge) auf Aufhebung des § 16 Abs. 1 und 2 (in verschiedenem Umfang) bzw. der §§ 15 und 16 TROG 1994, LGBl. Nr. 81/1993, zur Gänze gestellt hat.
Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. November 1996, G 195/96-8 u.a. (der vorliegende Prüfungsantrag des Verwaltungsgerichtshofes erhielt die Geschäftszahl G 327/96), hob der Verfassungsgerichtshof das Tiroler Raumordnungsgesetz 1994, LGBl. Nr. 81/1993 i.d.F. der Kundmachungen LGBl. Nr. 6/1995 und Nr. 68/1995, insoweit als verfassungwidrig auf, als ihm nicht durch die 1. Raumordnungsgesetz-Novelle, LGBl. Nr. 4/1996, derogiert wurde, und stellte im übrigen fest, daß das Tiroler Raumordnungsgesetz 1994, soweit ihm durch die angeführte Raumordnungsgesetz-Novelle derogiert wurde, verfassungswidrig war. Die Aufhebung tritt nach diesem Erkenntnis mit Ablauf des 30. Juni 1998 in Kraft. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft. Nach Spruch I.2. dieses Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes ist das verfassungswidrige Gesetz auch auf das vorliegende Beschwerdeverfahren beim Verwaltungsgerichtshof nicht mehr anzuwenden.
Der Verwaltungsgerichtshof ist in seinem Gesetzesprüfungsantrag davon ausgegangen, daß die ebenfalls im vorliegenden Verwaltungsverfahren im erstinstanzlichen Bescheid getroffene Feststellung gemäß § 16 Abs. 2 erster Satz Tiroler Raumordnungsgesetz 1994, daß der verfahrensgegenständliche Freizeitwohnsitz weiterhin als solcher verwendet werden dürfe, von der im Instanzenzug bekämpften Feststellung der Eignung des Freizeitwohnsitzes zur ganzjährigen Wohnnutzung gemäß § 16 Abs. 2 zweiter Satz TROG 1994 trennbar ist. In diesem Sinne wurde zulässigerweise nur Berufung bezüglich jenes Teiles des erstinstanzlichen Bescheides erhoben, der die Feststellung der Eignung des Freizeitwohnsitzes zur ganzjährigen Wohnnutzung im Sinne des § 16 Abs. 2 zweiter Satz Tiroler Raumordnungsgesetz 1994 betrifft.
Gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG ist ein vom Verfassungsgerichtshof wegen Verfassungswidrigkeit aufgehobenes Gesetz bzw. ein als verfassungswidrig festgestelltes, bereits außer Kraft getretenes Gesetz mit Ausnahme des Anlaßfalles auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände weiterhin anzuwenden. Gemäß Punkt I.2. des Spruches des angeführten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes handelt es sich bei dem vorliegenden Beschwerdeverfahren um einen Anlaßfall. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
Die angefochtene Feststellung der belangten Behörde, daß der verfahrensgegenständliche Freizeitwohnsitz zur ganzjährigen Nutzung geeignet sei, stützte sich auf § 16 Abs. 1 lit. e und § 16 Abs. 2 Tiroler Raumordnungsgesetz 1994 in der Stammfassung. Diese Bestimmungen sind im vorliegenden Anlaßfall gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG im fortgesetzten Beschwerdeverfahren beim Verwaltungsgerichtshof nicht mehr anzuwenden.
Damit ist aber die maßgebliche Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid betreffend die bekämpfte Feststellung gemäß § 16 Abs. 2 zweiter Satz Tiroler Raumordnungsgesetz 1994 weggefallen. Die verfahrensgegenständliche Feststellung verletzte den Beschwerdeführer somit in Rechten. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Soweit in der Beschwerde Ersatz für Stempelgebühren betreffend die nicht erforderliche dritte Ausfertigung der Beschwerde begehrt wurde, war dieses Mehrbegehren abzweisen.
Schlagworte
Trennbarkeit gesonderter AbspruchEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997060015.X00Im RIS seit
20.11.2000