Entscheidungsdatum
21.07.2021Norm
AVG §59 Abs1Spruch
L525 1263801-3/3Z
TEILERKENNTNIS
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Johannes ZÖCHLING als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit: Türkei, vertreten durch Rast & Musliu, Rechtsanwälte in 1080 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.06.2021, Zl. XXXX , zu Recht:
A) Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG und § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG wird der Beschwerde, soweit sie sich gegen Spruchpunkt IV des angefochtenen Bescheids richtet, stattgegeben, Spruchpunkt IV des angefochtenen Bescheids wird ersatzlos behoben und der Beschwerde wird die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt I), stellte die Zulässigkeit der Abschiebung in die Türkei gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest (Spruchpunkt II), gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise (§ 55 Abs 4 FPG; Spruchpunkt III), erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gestützt auf § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt IV) und verhängte gemäß § 53 Abs 1 in Verbindung mit Abs 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt V).
Begründend führte das BFA aus, dass der Beschwerdeführer zu einer unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt worden sei. Hinsichtlich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (im Spruch noch unter Spruchpunkt IV. geführt, in der Begründung dann unter Spruchpunkt V.) führte das BFA nach Wiedergabe des Gesetzestextes aus, dass für das BFA feststünde, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung gegeben sei. Es sei in seinem Fall davon auszugehen, dass die sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Interesse eines geordneten Fremdenwesens geboten sei. § 18 Abs. 2 BFA-VG sehe bei Vorliegen des oben genannten Tatbestandes (gemeint: § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG) zwingend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung vor. Das BFA führte weiters aus: "Mangels Vorliegens einer realen menschenrechtsrelevanten Gefahr ist es Ihnen zumutbar den Ausgang Ihres Verfahrens im Herkunftsstaat abzuwarten. Ihr Interesse auf einen Verbleib in Österreich während des gesamten Verfahrens war im Hinblick auf das Interesse Österreichs an einer raschen und effektiven Durchsetzung der Rückkehrentscheidung nicht zu berücksichtigen. Da infolge der oben angeführten Gründe Ihre sofortige Ausreise erforderlich ist und die aufschiebende Wirkung aus diesem Grund aberkannt wurde, wird Ihnen keine Frist zur freiwilligen Ausreise gewährt. Sie haben daher mit Durchsetzbarkeit dieses Bescheides das österreichische Bundesgebiet unverzüglich zu verlassen."
Der Beschwerdeführer erhob Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und führte – soweit erkennbar auch zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung aus – dass der Beschwerdeführer sozial und beruflich in Österreich verankert sei. So habe er eine Familie gegründet und würden beide Brüder und zahlreiche Onkeln und Tanten in Österreich leben. Der Beschwerdeführer gehe auch jetzt einer Beschäftigung nach und befinde sich im elektronisch überwachten Hausarrest. Der Beschwerdeführer habe sich im Rahmen seiner gerichtlichen Verurteilung zum größten Teil geständig und reumütig verantwortet.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der oben dargestellte Verfahrensgang wird zum festgestellten Sachverhalt erhoben.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich unzweifelhaft aus den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Akten (vgl. auch die Ausführungen zum Verfahrensgang). Der Sachverhalt ist unstrittig.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Behebung von Spruchpunkt IV des angefochtenen Bescheids und Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:
3.1. Zur Rechtslage:
Gemäß § 18 Abs 2 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist (Z 1) oder der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist (Z 2) oder Fluchtgefahr besteht (Z 3).
Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG hat der Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass es zur Begründung einer Notwendigkeit der sofortigen Ausreise eines Fremden nicht genügt, dafür auf eine – die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende – Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Fremden zu verweisen, sondern es ist darüber hinaus darzutun, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort – ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens – zu erfolgen hat. Dazu ist es nicht ausreichend, jene Überlegungen ins Treffen zu führen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme selbst maßgeblich waren. Die Notwendigkeit der sofortigen Ausreise als gesetzliche Voraussetzung für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung betreffend die Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung erfordert also das Vorliegen besonderer Umstände, die mit den Voraussetzungen für die Aufenthaltsbeendigung als solche nicht gleichzusetzen sind. Vgl. mwN VwGH 04.04.2019, Ra 2019/21/0053, sowie zum Kriterium der Notwendigkeit einer sofortigen Ausreise nach § 52 Abs 6 FPG VwGH 03.07.2018, Ro 2018/21/0007.
3.2. Aus dieser Rechtslage folgt für den gegenständlichen Fall:
Im angefochtenen Bescheid führt die belangte Behörde vermeintliche Umstände an, die aus ihrer Sicht die Annahme rechtfertigen, dass der Beschwerdeführer eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle. Nun ist für das erkennende Gericht in keiner Weise nachvollziehbar, von welchen konkreten die belangte Behörde nun eigentlich ausgeht. Die belangte Behörde beschränkt sich darauf, dass sie Textbausteine ins Treffen führt, woraus sich nicht ergibt, dass besondere Umstände vorliegen würden, die die sofortige Ausreise notwendig machen würden. Dem gegenüber bringt die Beschwerde sehr wohl Interessen des Beschwerdeführers vor, die gegen die sofortige Ausreise sprechen.
Mangels Aufzeigens von besonderen Umständen durch die belangte Behörde, die die sofortige Aufenthaltsbeendigung erforderlich machen, sind die gesetzlichen Voraussetzungen für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG nicht erfüllt. Das Bundesverwaltungsgericht hatte daher der Beschwerde stattzugeben und Spruchpunkt VI des angefochtenen Bescheids ersatzlos zu beheben (§ 28 Abs 2 VwGVG). Schon deshalb kommt der Beschwerde nunmehr die aufschiebende Wirkung zu.
Der Vollständigkeit halber weist das Bundesverwaltungsgericht darauf hin, dass die vorliegende Entscheidung keinen Abspruch über die (Begründetheit der) Beschwerde, soweit sie sich auch gegen die restlichen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheids richtet, bedeutet und diesen auch in keiner Weise vorwegnimmt. Im gegenständlichen Verfahren war ein Vorgehen gemäß § 17 VwGVG iVm § 59 Abs 1 letzter Satz AVG zulässig, da die Entscheidung über Spruchpunkt IV spruchreif war und die Trennung – wegen der Folgen einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung für die Beschwerdeführer – auch zweckmäßig erscheint. Über die Beschwerde gegen die weiteren Spruchpunkte des angefochtenen Bescheids wird das Bundesverwaltungsgericht gesondert entscheiden.
Ungeachtet dessen, ob die Voraussetzungen für den Entfall der mündlichen Verhandlung nach § 21 Abs 7 BFA-VG vorlagen, konnte das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls nach § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG (es stand bereits aufgrund der Aktenlage fest, dass Spruchpunkt IV des angefochtenen Bescheids aufzuheben ist) und § 21 Abs 6a BFA-VG (Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde, der diese vom Bundesamt aberkannt wurde) ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, da die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; vgl. die oben zitierten Entscheidungen, insbesondere VwGH 04.04.2019, Ra 2019/21/0053. Darüber hinaus liegt bei Fehlen einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, wenn die Rechtslage eindeutig ist (VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053). Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung besondere Umstände TeilerkenntnisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:L525.1263801.3.00Im RIS seit
01.10.2021Zuletzt aktualisiert am
01.10.2021