Entscheidungsdatum
02.08.2021Norm
AsylG 2005 §10Spruch
L512 2161517-1/34E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK über den Antrag von XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.02.2021, Zl. L512 2161517-1/23E, erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, beschlossen:
Der Revision wird gemäß § 30 Abs. 2 VwGG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
Mit Schriftsatz vom 30.07.2021 brachte die revisionswerbende Partei eine Revision gegen das im Spruch angeführte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes ein.
Zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung führte die revisionswerbende Partei Folgendes an:
„Begründend wird hierzu ausgeführt, dass der RW aufgrund des angefochtenen Erkenntnisses akut von Abschiebung bedroht ist. Die derzeitige Abschiebepraxis von ehemaligen Asylsuchenden zeigt deutlich, dass das BFA als zur Anordnung der Abschiebung berufene Behörde ohne Zuwarten eines möglichen höchstgerichtlichen Verfahrens und teilweise sogar trotz Kenntnis eines solchen umgehend entsprechende irreversible Maßnahmen setzt oder zumindest zu setzen versucht.
Vor diesem Hintergrund ergeht höflichst das Ersuchen, ehestmöglich über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zu entscheiden.
Wie der RW im Verfahren von Beginn an gleichbleibend vorbrachte, floh er aufgrund seines Abfalls vom Glauben und der damit einhergehenden Bedrohungen gegen seine Person aus dem Iran. Der RW kam bereits ins Fadenkreuz staatlicher Verfolgung. In Österreich fand er letztlich Anschluss an die evangelische XXXX (Evangelische Pfarrgemeinde A.B.), „wo er drei- bis viermal im Monat Gottesdienste besucht“ (Beilage ./A: 6). Seine aktive Partizipation in die Kirchengemeinde bestätigte ebenso sein Pastor, der in der Verhandlung als Zeuge fungierte (Pastor XXXX , siehe Niederschrift der zeugenschaftlichen Einvernahme vom 17.08.2020).
Dass Personen, welche vom Glauben abgefallen sind, im Iran der realen Gefahr von Eingriffen in Leib und Leben zu erwarten haben, zeigen aktuelle Berichte internationaler Organisationen. In einem rezenten Bericht von USDOS wird etwa festgehalten, dass es sich bei der Apostasie um ein Verbrechen handelt, welches mit der Todesstrafe bedroht ist. Hier heißt es:
„The constitution prohibits the investigation of an individual’s ideas, and states no one may be “subjected to questioning and aggression for merely holding an opinion.” The law prohibits Muslim citizens from changing or renouncing their religious beliefs. The only recognized conversions are from another religion to Islam. Apostasy from Islam is a crime punishable by death. Under the law, a child born to a Muslim father is Muslim.” (SDOS – US Department of State: 2019 Report on International Religious Freedom: Iran, 10. Juni 2020, abrufbar unter https://www.ecoi.net/de/dokument/2031370.html)
Im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Iran, welches dem Erkenntnis als Feststellung zur Situation im Iran zugrunde gelegt wurde, heißt es in diesem Sinne:
„Laut Weltverfolgungsindex 2020 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess.“ (Beilage ./A: 28)
Angesichts aktueller Länderberichte vor dem realen Hintergrund der Lage im Land droht dem RW im Falle der Wiedereinreise mit verfahrensmaßgeblicher Wahrscheinlichkeit Befragung durch staatliche Organe wie in Folge auch Verurteilung und Haft (bis hin zur Todesstrafe). Dies insbesondere da er bereits im Fadenkreuz staatlicher Maßnahmen stand und sein mit den Grundsätzen des Islam nicht übereinstimmendes in Österreich gesetztes Verhalten als Christ und damit Apostat im Iran bekannt ist.
Dem RW droht durch eine Abschiebung mit der für den Antrag auf aufschiebende Wirkung erforderlichen Wahrscheinlichkeit ein irreversibler und unwiederbringlicher Schaden in seinen Grundrechten nach Art 1-4 und 19 GRC. Der RW befürchtet im Falle einer Rückkehr in sein Herkunftsland gravierende Übergriffe und Misshandlungen.
Das BVwG hat das gegenständliche Verfahren überdies mit groben Verfahrensfehlern belastet und wurde der RW durch das Verfahren in seinem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach Art 47 GRC massiv und schwerwiegend verletzt. Im Falle der Aufhebung des Erkenntnisses – bei zuvor durchgeführter Außerlandesbringung – hätte der RW keine Möglichkeit ein entsprechend grundrechtskonformes Verfahren zu erfahren.
Hinzu tritt, dass der RW mittlerweile im österreichischen Bundesgebiet gut integriert ist und demnach auch über ein schützenswertes Privat- und Familienleben verfügt, sodass eine Abschiebung ebenso einen irreversiblen Schaden durch den Abbruch sämtlicher Kontakte zur Folge hätte.
Dem RW droht daher infolge des Erkenntnisses, insbesondere im Lichte der Bestimmungen des §§ 3 und 8 AsylG, wie auch § 9 BFA-VG ein unverhältnismäßiger Nachteil. Zwingende öffentliche Interessen für die Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung bestehen hingegen nicht.“
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Rechtliche Beurteilung:
§ 30 Abs. 2 VwGG lautet: „Bis zur Vorlage der Revision hat das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bedarf nur dann einer Begründung, wenn durch sie Interessen anderer Parteien berührt werden. Wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Revision maßgebend waren, wesentlich geändert haben, ist von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei neu zu entscheiden.“
Dem Antragsteller als revisionswerbende Partei droht durch den rechtkräftigen Abschluss seines Asylverfahrens mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes die Vollziehung der Abschiebung.
Gegenständlich ist kein zwingendes öffentliches Interesse erkennbar, das der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Revision entgegenstünde. Nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses wäre für die revisionswerbende Partei ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden.
Aus diesen Erwägungen war dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 30 Abs. 2 VwGG stattzugeben.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung Revision unverhältnismäßiger NachteilEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:L512.2161517.1.01Im RIS seit
01.10.2021Zuletzt aktualisiert am
01.10.2021