TE Vfgh Erkenntnis 1995/3/6 B746/94

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Veröffentlicht am 06.03.1995
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art83 Abs2
Vlbg GVG §16 Abs5

Leitsatz

Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Zurückweisung einer Berufung gegen eine als Verfahrensanordnung zu wertende Mitteilung des Vorsitzenden der Grundverkehrs-Landeskommission betreffend die Nichterteilung einer Negativbestätigung für einen Ausländergrunderwerb

Spruch

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.a) Die B OEG ersuchte mit einem an die Gemeinde Tschagguns adressierten Schreiben vom 9. Dezember 1993 um Ausstellung einer "Negativbestätigung zur Einverleibung des Eigentumsrechtes" an einer bestimmten Eigentumswohnung.

Darauf richtete der Vorsitzende der Grundverkehrs-Landeskommission für Vorarlberg an R B als persönlich haftenden Gesellschafter der einschreitenden Gesellschaft folgendes, mit 23. Dezember 1993 datierte Schreiben:

"Sehr geehrter Herr B,

mit Antrag vom 09.12.1993 suchen Sie als persönlich haftender Gesellschafter für die Firma B OEG., Hohenems, um die Ausstellung einer Negativbescheinigung für den Erwerb von 49/515 Anteilen an der Liegenschaft in EZl. 117, KG. Tschagguns, von der Firma W-GesmbH., Bludenz, an.

Gemäß §16 Abs5 Grundverkehrsgesetz hat der Vorsitzende der Grundverkehrs-Landeskommission, wenn offenkundig ist, daß ein Rechtserwerb nicht der Genehmigung bedarf, dies zu bescheinigen.

Nach Prüfung Ihres Antrages bzw. jener Unterlagen, welche dem Ansuchen beigelegt wurden, läßt sich der Verdacht nicht gänzlich ausräumen, daß der vorliegende Kaufvertrag bezüglich dem Erwerb der Wohnung W 10 durch die Firma B OEG., Hohenems, doch einer Genehmigung gemäß §1 Abs1 litb des Grundverkehrsgesetzes bedarf.

Die Ausstellung der beantragten Bescheinigung gemäß §16 Abs5 Grundverkehrsgesetz ist daher nicht möglich.

Mit freundlichen Grüßen

Der Vorsitzende:

Dr. P"

b) Gegen dieses Schreiben erhob die B OEG Berufung. Der (Vorarlberger) Grundverkehrssenat teilte ihre Meinung, das Schreiben sei als Bescheid zu werten, nicht, sondern wies das Rechtsmittel mit Bescheid vom 18. März 1994 als unzulässig zurück.

2. Gegen diesen Berufungsbescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde der B OEG. Darin wird die Verletzung näher bezeichneter verfassungs-gesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt.

3. Der Grundverkehrssenat als jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die Abweisung der Beschwerde begehrt wird.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Das im Beschwerdefall anzuwendende (Vorarlberger) Grundverkehrsgesetz, LGBl. 18/1977 i.d.F. LGBl. 63/1987, (Vlbg. GVG 1977), enthielt Bestimmungen über die Beschränkung des Rechtserwerbes an land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken und Vorschriften über die Beschränkung des Rechtserwerbes an Grundstücken durch Ausländer. (Vgl. nunmehr das (Vorarlberger) Grundverkehrsgesetz, LGBl. 61/1993.)

Im vorliegenden Fall ist fraglich, ob eine Offene Erwerbsgesellschaft (OEG) (deren Gesellschafter ein österreichischer Staatsbürger und ein deutscher Staatsangehöriger sind)

ein Ausländer i.S. des Vlbg. GVG 1977 ist.

§16 Vlbg. GVG 1977 lautete auszugsweise:

"(1) Wenn einem Antrag stattgegeben wird, ist von der Behörde auf der zur Verbücherung bestimmten Urkunde ein Vermerk über die Genehmigung anzubringen.

.....

(4) Die Behörde hat auf Antrag festzustellen, daß ein Grundstück nicht unter die Bestimmungen des §1 Abs1 lita (Anm.: betrifft den Rechtserwerb an land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken) fällt.

(5) Wenn offenkundig ist, daß ein Rechtserwerb nicht der Genehmigung bedarf, hat dies der Vorsitzende der Grundverkehrs-Landeskommission zu bescheinigen.

......"

Der soeben zitierte Wortlaut des §16 Abs5 Vlbg. GVG beruht auf der GVG-Novelle 1987. Der Motivenbericht (22. Beilage zu den Sitzungsberichten des 24. Vlbg. Landtages) führt hiezu auf Seite 10 aus:

"Im geltenden §16 Abs5 ist dem Vorsitzenden der Grundverkehrs-Landeskommission die Befugnis eingeräumt, eine Bescheinigung darüber auszustellen, daß ein Grundstück nicht als land- oder forstwirtschaftliches Grundstück anzusehen ist. Die Ausstellung solcher 'Negativbescheinigungen' hat sich als zweckmäßig erwiesen, weil sie für jene Fälle, in denen die Bestimmungen des land- und forstwirtschaftlichen Grundverkehrsrechts offenkundig (nämlich für den Vorsitzenden der Grundverkehrs-Landeskommission) nicht anzuwenden waren, eine rasche Erledigung ermöglichten. Diese 'Negativbescheinigungen' sollen auf alle Belange ausgedehnt werden, aus denen sich die Genehmigungspflicht eines Grundverkehrs ergeben kann, etwa auf den Umstand, daß der Rechtserwerber gemäß §1 Abs3 nicht Ausländer ist oder gemäß §2 Abs2 nicht als Ausländer zu behandeln ist, darauf, daß der Rechtserwerb nicht als solcher gemäß §3 zu qualifizieren ist, oder darauf, daß er unter eine Ausnahmebestimmung des §4 fällt. Die Negativbescheinigung ist in gleicher Weise wie die Genehmigung eines Rechtserwerbs beim Gemeindeamt jener Gemeinde zu beantragen, in welcher das betroffene Grundstück liegt. Eine Begutachtung dieser Anträge durch die Grundverkehrs-Ortskommission oder den Gemeindevorstand ist nicht vorgesehen. Sie sollen daher, allenfalls versehen mit einer kurzen Stellungnahme der Gemeinde, unverzüglich der Grundverkehrs-Landeskommission vorgelegt werden."

2.a) Der Grundverkehrssenat hat mit dem angefochtenen Bescheid eine Berufung als unzulässig zurückgewiesen. Damit hat er seine Zuständigkeit, meritorisch über die Berufung zu entscheiden, abgelehnt. Hätte er zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert, so hätte er das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt (vgl. z.B. VfSlg. 10374/1985, 13380/1993; VfGH 27.9.1994 B233/94).

b) Dies ist jedoch nicht der Fall:

Im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit des §16 Abs5 Vlbg. GVG 1977 (insbesondere besteht - entgegen der Meinung der beschwerdeführenden Gesellschaft - unter dem Gesichtspunkt dieses Beschwerdefalles nicht das Bedenken, daß diese Bestimmung bei einem Vergleich mit §16 Abs4 gleichheitswidrig sei - s. hiezu die folgenden Ausführungen) ist hier ausschließlich das Thema zu erörtern, ob das Schreiben des Vorsitzenden der Grundverkehrs-Landeskommission vom 23. Dezember 1993 (s.o. I.1.a) ein Bescheid ist. Die beschwerdeführende Gesellschaft bejaht diese Frage, der Grundverkehrssenat verneint sie.

Für den Bescheidcharakter einer Erledigung, die von einem Verwaltungsorgan erlassen wurde, das - wie etwa die Grundverkehrs-Landeskommission - an sich behördliche Aufgaben zu besorgen fähig ist, ist nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (z.B. VfSlg. 11415/1987, 12221/1989, 12321/1990, 12476/1990, 12557/1990, 12574/1990, 13384/1993) nicht nur die äußere Form, sondern auch der Inhalt maßgebend. Eine Erledigung, die nicht die Form eines Bescheides aufweist, ist dann ein Bescheid, wenn sie nach ihrem deutlich erkennbaren objektiven Inhalt eine Verwaltungsangelegenheit in einer der Rechtskraft fähigen Weise normativ regelt, also für den Einzelfall Rechtsverhältnisse bindend gestaltet oder feststellt.

Die genannten Voraussetzungen liegen beim Schreiben des Vorsitzenden der Grundverkehrs-Landeskommission vom 23. Dezember 1993 nicht vor: Dieses weist nicht die äußere Form eines Bescheides auf (ist es doch weder als Bescheid bezeichnet, noch in Spruch, Begründung und Rechtsmittelbelehrung gegliedert) und ist nach seinem Wortlaut als - bloße - Mitteilung abgefaßt. Es beschränkt sich darauf, der beschwerdeführenden Gesellschaft bekanntzugeben, es lasse sich "der Verdacht nicht gänzlich ausräumen", daß der Rechtserwerb dem Vlbg. GVG 1977 unterliege, weshalb es nicht möglich sei, die Bescheinigung gem. §16 Abs5 leg.cit. auszustellen - ohne normativ (sei es rechtsgestaltend, sei es rechtsfeststellend) über Rechtsverhältnisse abzusprechen.

c) Dieses Ergebnis wird bekräftigt, wenn der gesetzliche Hintergrund der Erledigung des Vorsitzenden der Grundverkehrs-Landeskommission mit in die Betrachtung einbezogen wird (vgl. hiezu z.B. VfSlg. 13384/1993 und die dort zitierte weitere Vorjudikatur):

Der Wortlaut des §16 Abs5 Vlbg. GVG 1977 legt nicht nahe, daß die negative Erledigung eines Antrages auf Ausstellung einer Bescheinigung nach dieser Gesetzesbestimmung bescheidmäßig zu ergehen gehabt hätte. Vollends schließt aber der Sinn und die systematische Einordnung dieser Bestimmung eine bescheidmäßige negative Erledigung aus: Die erwähnte Vorschrift sollte der Vereinfachung und Beschleunigung dienen. Hätte nun ein negatives Schreiben in Bescheidform ergehen müssen, so wäre dagegen die Berufung an den Grundverkehrssenat (s. §15 Abs1 Vlbg. GVG 1977) und die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof zulässig gewesen. Bis letztendlich über die Frage, ob der Rechtserwerb offenkundig nicht der Genehmigung bedarf, ein Abspruch stattgefunden hätte, wäre in aller Regel schon längst die Hauptfrage im ordentlichen (Feststellungs-)Verfahren entschieden gewesen.

Im Zuge eines ordentlichen - gemäß den allgemeinen, von der Judikatur zum Feststellungsbescheid entwickelten Regeln (vgl. VfSlg. 13417/1993, S 378 f.) durchzuführenden - Feststellungsverfahrens war (zur Zeit der Geltung des Vlbg. GVG 1977) nicht bloß (wie dies §16 Abs4 Vlbg. GVG 1977 ausdrücklich vorsah) zu klären, ob ein Grundstück deshalb diesem Gesetz unterliegt, weil es ein land- und forstwirtschaftliches ist, sondern gleichfalls die Frage, ob es sich um einen Ausländergrunderwerb handelt. Es besteht also - entgegen der Meinung der beschwerdeführenden Gesellschaft - bei Verneinung der Bescheidqualität der Erledigung des Vorsitzenden der Grundverkehrs-Landeskommission nach §16 Abs5 Vlbg. GVG 1977 weder ein Rechtsschutzdefizit noch eine Gleichheitswidrigkeit.

Die Erledigung des Vorsitzenden ist sohin als Verfahrensanordnung anzusehen, mit der dieser den Einschreiter verständigt, daß er nicht bereit sei, das abgekürzte vereinfachte Verfahren einzuschlagen, sondern daß die Entscheidung in einem ordentlichen Feststellungsverfahren erfolgen werde.

d) Der Grundverkehrssenat hat sohin zu Recht die Bescheidqualität des Schreibens des Vorsitzenden der Grundverkehrs-Landeskommission vom 23. Dezember 1993 verneint und die als Berufung bezeichnete Eingabe der beschwerdeführenden Gesellschaft daher als unzulässig erachtet. Sie hat deshalb die beschwerdeführende Gesellschaft nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

e) Im Hinblick darauf, daß also die angefochtene Erledigung rechtsrichtig ist, ist es ausgeschlossen, daß die beschwerdeführende Gesellschaft in einem sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt wurde (vgl. z. B. VfSlg. 10374/1985).

Da die den angefochtenen Bescheid tragenden Gesetzesbestimmungen verfassungsrechtlich unbedenklich sind, wurde sie auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt.

Die Beschwerde war infolgedessen abzuweisen.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Bescheidbegriff, Verfahrensanordnung, Ausländergrunderwerb

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:B746.1994

Dokumentnummer

JFT_10049694_94B00746_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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