Entscheidungsdatum
24.08.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W227 2210422-1/20E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin WINTER über die Beschwerde des XXXX gegen den Bescheid des Stadtschulrates für Wien vom 25. September 2018, Zl. 600.911540/0002-RPS/2018, zu Recht:
A)
Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
1. Der beschwerdeführende Verein zeigte am 31. August 2018 die Verwendung von XXXX an der Privatschule „ XXXX “ an.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid untersagte der Stadtschulrat für Wien gemäß § 5 Abs. 1 lit. d i.V.m. Abs. 4 Privatschulgesetz (PrivSchG) die Verwendung von XXXX als Lehrer an der Privatschule „ XXXX “, weil er „offenbar“ nicht über die erforderlichen Sprachkenntnisse auf dem Referenzniveau C 1 in der deutschen Sprache verfüge.
3. Dagegen erhob der beschwerdeführende Verein die vorliegende Beschwerde.
4. Mit Beschluss vom 19. Jänner 2021, W227 2210422-1/13Z, beantragte das Bundesverwaltungsgericht beim Verfassungsgerichtshof, § 5 Abs. 1 lit. d, Abs. 1 zweiter und dritter Satz und Abs. 4 PrivSchG, BGBl. 244/1962 i.d.F. BGBl. I 35/2019 als verfassungswidrig und § 1 Z 2 der Ausländerbeschäftigungsverordnung (AuslBVO), BGBl. 609/1990, i.d.F. BGBl. II 263/2019 als gesetzwidrig aufzuheben.
5. Mit Erkenntnis vom 17. Juni 2021, G 391/2020, erkannte der Verfassungsgerichtshof u.a., dass § 5 Abs. 4 PrivSchG i.d.F. BGBl. I Nr. 35/2019 als verfassungswidrig aufgehoben werde und diese Aufhebung mit Ablauf des 30. Juni 2022 in Kraft trete.
Begründend führte er zusammengefasst aus:
Der Gesetzgeber gehe offenkundig selbst nicht davon aus, dass das Verwendungserfordernis des Nachweises einer Sprachkompetenz in der deutschen Sprache auf zumindest dem Referenzniveau C 1 für Lehrkräfte bei allen Privatschulen erforderlich wäre, um die zwischenmenschliche Kommunikation für eine „nachhaltige Erziehungsarbeit“ zu gewährleisten.
§ 5 Abs. 1 dritter Satz PrivSchG verweise statisch auf § 1 Z 2 AuslBVO, BGBl. 609/1990, i.d.F. BGBl. II 257/2017 und nehme das ausländische Lehrpersonal an den dort taxativ genannten internationalen Privatschulen vom Verwendungserfordernis gemäß § 5 Abs. 1 lit. d PrivSchG aus. Es handle sich dabei um Schulen mit einem internationalen Lehrplan bzw. einem spezifisch fremdsprachigen Bildungsangebot.
Aus den Gesetzesmaterialien erschließe sich nicht, weshalb gerade die Lehrkräfte jener internationalen Schulen, die in § 1 Z 2 AuslBVO, BGBl. 609/1990, i.d.F. BGBl. II 257/2017 genannt würden, vom Erfordernis der Sprachkompetenz in der deutschen Sprache nach § 5 Abs. 1 lit. d PrivSchG ausgenommen würden. Es werde lediglich festgehalten, dass „die für Internationale Schulen notwendige Ausnahmeregelung geschaffen werden“ sollte (s. IA 260/A BlgNR 26. GP, 2).
Es sei auch keine sachliche Rechtfertigung erkennbar, weshalb nur das ausländische Lehrpersonal an den in § 1 Z 2 AuslBVO, BGBl. 609/1990, i.d.F. BGBl. II 257/2017 genannten Schulen in der Lage sein solle, auch ohne Deutschkenntnisse auf dem Referenzniveau C 1 eine hinreichende „nachhaltige Erziehungsarbeit“ zu leisten.
§ 5 Abs. 1 lit. d, Abs. 1 zweiter und dritter Satz i.V.m. Abs. 4 PrivSchG differenzierten ohne ersichtlichen Grund zwischen Schulen, die in § 1 Z 2 AuslBVO, BGBl. 609/1990, i.d.F. BGBl. II 257/2017 genannt seien, und anderen vergleichbaren Privatschulen – wie insbesondere die Japanische Internationale Schule in Wien und die International School Carinthia, welche nunmehr in § 1 Z 2 AuslBVO, BGBl. 609/1990, i.d.F. BGBl. II 263/2019 angeführt würden.
§ 5 Abs. 1 lit. d, Abs. 1 zweiter und dritter Satz i.V.m. Abs. 4 PrivSchG schließe es ausnahmslos aus, auf solche Konstellationen Rücksicht zu nehmen, in denen für ein spezifisches – insbesondere fremdsprachiges – Bildungsangebot hinreichend fachlich qualifizierte Lehrkräfte, die gleichzeitig Deutschkenntnisse auf zumindest dem Referenzniveau C 1 mitbringen würden, kaum verfügbar seien. Das seitens der Bundesregierung vorgebrachte Interesse, die zwischenmenschliche Kommunikation für eine „nachhaltige Erziehungsarbeit“ zu gewährleisten, vermöge es nicht zu rechtfertigen, dass die angefochtenen Bestimmungen eine Interessenabwägung und Berücksichtigung im Einzelfall ausnahmslos ausschließen würden.
Damit verstöße das Erfordernis eines Nachweises von Sprachkenntnissen in der deutschen Sprache auf zumindest dem Referenzniveau C 1 für die an einer Privatschule verwendeten Lehrkräfte gemäß § 5 Abs. 1 lit. d, Abs. 1 zweiter und dritter Satz i.V.m. Abs. 4 PrivSchG gegen das aus dem Gleichheitsgrundsatz abgeleitete Sachlichkeitsgebot.
Es genüge § 5 Abs. 4 PrivSchG aufzuheben, weil in dem zugrunde liegenden Verfahren nur ein Lehrer (und kein Schulleiter) betroffen sei.
6. Am 13. Juli 2021 ersuchte das Bundesverwaltungsgericht den beschwerdeführenden Verein bekannt zu geben, ob XXXX nach wie vor als Lehrer an der Privatschule „ XXXX “ verwendet werde.
7. In Folge bestätigte der beschwerdeführende Verein die entsprechende Verwendung mittels Arbeitgeberbestätigung und Versicherungsdatenauszuges.
1. Feststellungen
Der beschwerdeführende Verein zeigte am 31. August 2018 die Verwendung von XXXX an der „ XXXX “ an.
Dabei handelt es sich um eine Privatschule mit eigenem Organisationsstatut, der das Öffentlichkeitsrecht verliehen wurde. An dieser Schule wird nur musikalischer Unterricht angeboten, weshalb die allgemeine Schulpflicht durch den Besuch dieser Schule nicht erfüllt werden kann.
Der zur Verwendung angezeigte Gesangslehrer ist kanadischer Staatsangehöriger und verfügt über nachgewiesene Deutschkenntnisse auf dem Referenzniveau B 2 des GER.
Am 27. September 2018 (Zustelldatum des angefochtenen Bescheides) untersagte der Stadtschulrat für Wien gemäß § 5 Abs. 1 lit. d i.V.m. Abs. 4 PrivSchG die Verwendung von XXXX als Lehrer an der Privatschule „ XXXX “, weil er über keinen Nachweis einer Sprachkompetenz in der deutschen Sprache auf dem Referenzniveau C 1 des GER verfüge.
XXXX wird nach wie vor als Lehrer an der Privatschule „ XXXX “ verwendet.
2. Beweiswürdigung
Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt und sind unstrittig.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zur Behebung des Bescheides (Spruchpunkt A)
3.1.1. Gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG sind alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden, wenn ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden ist oder der Verfassungsgerichtshof gemäß Abs. 4 ausgesprochen hat, dass ein Gesetz verfassungswidrig war. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles ist jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Hat der Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis eine Frist gemäß Abs. 5 gesetzt, so ist das Gesetz auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles anzuwenden.
Gemäß § 5 Abs. 1 lit. d) PrivSchG i.d.F. BGBl. I Nr. 35/2019 (inhaltsgleich zu BGBl. I Nr. 43/2018) ist ein Leiter für die pädagogische und schuladministrative Leitung der Privatschule zu bestellen, der in der deutschen Sprache Sprachkenntnisse nach zumindest dem Referenzniveau C 1 des GER nachweisen kann.
Gemäß § 5 Abs. 4 leg. cit. haben die an der Schule verwendeten Lehrer ebenfalls die in Abs. 1 genannten Bedingungen zu erfüllen.
3.1.2. Mit Erkenntnis vom 17. Juni 2021, G 391/2020, hob der Verfassungsgerichtshof § 5 Abs. 4 PrivSchG i.d.F. BGBl. I Nr. 35/2019 als verfassungswidrig auf und sprach weiters aus, dass diese Aufhebung mit Ablauf des 30. Juni 2022 in Kraft tritt.
3.1.3. Im vorliegenden Fall, der zugleich Anlassfall zum Erkenntnis G 391/2020 war, untersagte der Stadtschulrat für Wien gemäß § 5 Abs. 1 lit. d i.V.m. Abs. 4 PrivSchG die Verwendung von XXXX als Lehrer an der Privatschule „ XXXX “, weil er über keinen Nachweis einer Sprachkompetenz in der deutschen Sprache auf dem Referenzniveau C 1 des GER verfügte.
Infolge der Anlassfallwirkung des Art. 140 Abs. 7 B-VG ist § 5 Abs. 4 PrivSchG i.d.F. BGBl. I Nr. 35/2019 als aufgehobene Norm hier nicht mehr anzuwenden (siehe dazu etwa VwGH 01.03.2017, Ro 2015/03/0022, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Verfassungs- und des Verwaltungsgerichtshofes).
Damit fehlt die Rechtsgrundlage, auf die sich der angefochtene Bescheid stützt. Folglich ist er ersatzlos zu beheben.
Eine Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, weil eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung erwarten lässt (vgl. etwa Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2. Auflage [2018] § 24 VwGVG Anm. 7a mit Hinweis zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes). Außerdem ist das Schulrecht nicht von Art. 6 EMRK und auch nicht von Art. 47 GRC erfasst (siehe VfGH 10.03.2015, E 1993/2014, sowie VwGH 27.03.2019, Ra 2019/10/0017, m.w.N.).
3.2. Zur Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B)
3.2.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnis-ses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
3.2.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt: Dass infolge der Anlassfallwirkung des Art. 140 Abs. 7 B-VG die aufgehobene Norm nicht mehr anzuwenden ist, entspricht der oben angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
Anlassfall Bescheidbehebung Deutschkenntnisse Gesetzesaufhebung Lehrerbestellung Privatschule Unterrichtssprache verfassungswidrig VfGHEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W227.2210422.1.01Im RIS seit
01.10.2021Zuletzt aktualisiert am
01.10.2021