Entscheidungsdatum
25.08.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W224 2226259-1/18E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Martina WEINHANDL als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Wien vom 17.10.2019, Zl. 600.922351/0024-RPS/2019, zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der beschwerdeführende Verein zeigte am 20.09.2019 die Verwendung von XXXX als Lehrer an der „ XXXX “ an. Die „ XXXX “ (im Folgenden: Privatschule) ist eine Privatschule mit eigenem Organisationsstatut, an welcher die allgemeine Schulpflicht erfüllt werden kann und welche mit Öffentlichkeitsrecht ausgestattet ist. Denn der zuständige Bundesminister genehmigte das Organisationsstatut der Privatschule (es ist sohin als zur Erfüllung der Schulpflicht geeignet anerkannt) und verlieh der Privatschule das Öffentlichkeitsrecht (Bescheid der Bundesministerin für Wissenschaft, Bildung und Kultur vom 01.06.2006, BMBWK-24.252/0001-III/3/2005).
2. Mit Schreiben vom 20.09.2019 hielt die Bildungsdirektion für Wien (im Folgenden: belangte Behörde) dem beschwerdeführenden Verein im Rahmen des Parteiengehörs vor, der Anzeige sei kein Sprachennachweis auf dem Niveau C1 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen in der deutschen Sprache angeschlossen gewesen. Zu diesem Vorhalt erstattete der beschwerdeführende Verein eine Stellungnahme.
3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 17.10.2019, Zl. 600.922351/0024-RPS/2019, wurde die Verwendung von XXXX als Lehrer an der Privatschule untersagt. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, XXXX verfüge offenbar über keinen Sprachennachweis auf dem Niveau C1 GER in der deutschen Sprache und die Privatschule sei auch nicht in § 1 Z 2 AuslBVO genannt. Aus diesem Grund sei die Verwendung zu untersagen.
4. In der gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobenen Beschwerde führte der beschwerdeführende Verein – für den gegenständlichen Antrag relevant –, auch verfassungsrechtliche Normbedenken ins Treffen.
5. Dem Bundesverwaltungsgericht wurde mit Schreiben der belangten Behörde vom 04.12.2019, eingelangt am 06.12.2019, die Beschwerde samt Verwaltungsakt vorgelegt.
6. Das Bundesverwaltungsgericht stellte am 18.12.2020, W224 2226259-1, gemäß Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a B-VG an den Verfassungsgerichtshof unter anderem den Antrag auf Aufhebung von § 5 Abs. 1 lit. d und Abs. 1 zweiter und dritter Satz und Abs. 4 des Bundesgesetzes über das Privatschulwesen (Privatschulgesetz), BGBl. Nr. 244/1962, in der Fassung BGBl. I Nr. 35/2019, wegen Verfassungswidrigkeit.
7. Mit Erkenntnis vom 17. Juni 2021, G 391/2020 ua., hob der Verfassungsgerichtshof § 5 Abs. 4 Privatschulgesetz, BGBl. Nr. 244/1962, in der Fassung BGBl. I Nr. 35/2019, als verfassungswidrig auf. Diese Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. Juni 2022 in Kraft.
8. Am 13.07.2021 ersuchte das Bundesverwaltungsgericht den beschwerdeführenden Verein bekannt zu geben, ob XXXX nach wie vor als Lehrer an der Privatschule „ XXXX “ verwendet werde.
7. In Folge bestätigte der beschwerdeführende Verein die entsprechende Verwendung mittels Versicherungsdatenauszuges.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der beschwerdeführende Verein zeigte am 20.09.2019 die Verwendung von XXXX als Lehrer an der Privatschule „ XXXX “ an. Dabei handelt es sich um eine Privatschule mit eigenem Organisationsstatut, der das Öffentlichkeitsrecht verliehen wurde und an der die allgemeine Schulpflicht erfüllt werden kann. Die Unterrichtssprache ist – mit Ausnahme des Deutsch- und Spanischunterrichts – Englisch.
Die Bildungsdirektion für Wien untersagte gemäß § 5 Abs. 1 lit. d iVm Abs. 4 PrivSchG die Verwendung von XXXX als Lehrer an der Privatschule, weil er über keinen Nachweis einer Sprachkompetenz in der deutschen Sprache auf dem Referenzniveau C 1 des GER verfügte.
XXXX wird nach wie vor als Lehrer an der Privatschule „ XXXX “ verwendet.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt und sind unstrittig.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A)
Gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG sind alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden, wenn ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden ist oder der Verfassungsgerichtshof gemäß Abs. 4 ausgesprochen hat, dass ein Gesetz verfassungswidrig war. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles ist jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Hat der Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis eine Frist gemäß Abs. 5 gesetzt, so ist das Gesetz auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles anzuwenden.
Gemäß § 5 Abs. 1 lit. d Privatschulgesetz, BGBl. Nr. 244/1962, in der Fassung BGBl. I Nr. 35/2019, ist ein Leiter für die pädagogische und schuladministrative Leitung der Privatschule zu bestellen, der in der deutschen Sprache Sprachkenntnisse nach zumindest dem Referenzniveau C 1 des GER nachweisen kann.
Gemäß § 5 Abs. 4 leg. cit. haben die an der Schule verwendeten Lehrer ebenfalls die in Abs. 1 genannten Bedingungen zu erfüllen.
Mit Erkenntnis vom 17.06.2021, G 391/2020 ua., hob der Verfassungsgerichtshof § 5 Abs. 4 Privatschulgesetz BGBl. Nr. 244/1962, in der Fassung BGBl. I Nr. 35/2019, als verfassungswidrig auf (Spruchpunkt I.1.) und sprach weiters aus, dass diese Aufhebung mit Ablauf des 30. Juni 2022 in Kraft tritt (Spruchpunkt I.2.).
Im vorliegenden Fall, der zugleich Anlassfall zum Erkenntnis G 391/2020 ua. war, untersagte die Bildungsdirektion für Wien gemäß § 5 Abs. 1 lit. d iVm Abs. 4 Privatschulgesetz die Verwendung von XXXX als Lehrer an der Privatschule „ XXXX “, weil er über keinen Nachweis einer Sprachkompetenz in der deutschen Sprache auf dem Referenzniveau C 1 des GER verfügte.
Infolge der Anlassfallwirkung gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG ist § 5 Abs. 4 Privatschulgesetz, BGBl. I Nr. 35/2019, als für verfassungswidrig erkannte Norm hier nicht mehr anzuwenden (siehe dazu etwa VwGH 01.03.2017, Ro 2015/03/0022, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Verfassungs- und des Verwaltungsgerichtshofes). Damit fehlt die Rechtsgrundlage, auf die sich der angefochtene Bescheid stützt. Folglich ist er ersatzlos aufzuheben.
Eine Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, weil eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung erwarten lässt (vgl. etwa Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2. Auflage [2018] § 24 VwGVG Anm. 7a mit Hinweis zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes). Außerdem ist das Schulrecht nicht von Art. 6 EMRK und auch nicht von Art. 47 GRC erfasst (siehe VfGH 10.03.2015, E 1993/2014, sowie VwGH 27.03.2019, Ra 2019/10/0017, mwN).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Dass infolge der Anlassfallwirkung des Art. 140 Abs. 7 B-VG die aufgehobene Norm nicht mehr anzuwenden ist, entspricht der oben angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
Anlassfall Bescheidbehebung Deutschkenntnisse Gesetzesaufhebung Lehrerbestellung Privatschule Unterrichtssprache verfassungswidrig VfGHEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W224.2226259.1.00Im RIS seit
01.10.2021Zuletzt aktualisiert am
01.10.2021